Urteil des OLG Köln vom 21.11.2008

OLG Köln: ordre public, anspruch auf rechtliches gehör, schiedsgericht, schiedsvereinbarung, anfechtung, täuschung, ex nunc, schiedsspruch, ex tunc, goodwill

Oberlandesgericht Köln, 19 Sch 12/08
Datum:
21.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 Sch 12/08
Tenor:
Der Antrag auf Aufhebung der Schiedssprüche des Schiedsgerichts Dr.
D. K. vom 20.3.2008 sowie vom 2.6.2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Gründe:
1
I.
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Die Parteien sind Ärzte. Der Antragsteller begehrt die Aufhebung von zwei
Schiedssprüchen, die im Hinblick auf die Beendigung einer von den Parteien
betriebenen Gemeinschaftspraxis ergangen waren.
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Am 19.1.2001 schlossen die Parteien einen notariellen Gemeinschaftspraxisvertrag, mit
dem der Antragsteller in die bereits bestehende Praxis des Antragsgegners in Q.
aufgenommen wurde. Zu dieser Zeit bezeichnete sich der Antragsgegner als "Dr. rer.
nat. S. H.". Inzwischen ist unstreitig, dass der Antragsgegner nicht promoviert ist und er
der Ärztekammer eine Kopie einer inhaltlich unzutreffenden, angeblich für ihn
ausgestellten Promotionsurkunde vorgelegt hatte. Den Praxiswert bezifferten die
Parteien einschließlich des Goodwill mit 1 Mio. DM. Einen Betrag in dieser Höhe sollte
der Antragsteller einbringen. Darüber hinaus enthielt der Vertrag Regelungen zur
Abfindung im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters sowie zu einem
Rückkehrverbot. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der
Schiedsvereinbarung, Bezug genommen (Anlage K 5, Bl. 110 ff. GA). Darüber hinaus
trafen die Parteien eine Schiedsvereinbarung, für deren Einzelheiten auf die Anlage zu
dem Gemeinschaftpraxisvertrag vom 19.1.2001 verwiesen wird (Bl. 127 GA).
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Der Antragsteller begann seine Tätigkeit im Juli 2003. Mit notariellem Vertrag vom
2.2.2005 hoben die Parteien den Gemeinschaftspraxisvertrag vom 19.1.2001 auf. In
dem Aufhebungsvertrag vereinbarten die Parteien unter teilweiser Aufhebung der
Regelungen des Gründungsvertrages sowie in Abänderung der räumlichen Reichweite
des Rückkehrverbotes, dass der Antragsgegner 250.000,- € in zwei Raten an den
Antragsteller zahlen solle. Dieser Betrag sollte auch den gesamten Außenauftritt des
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Antragsgegners, dessen Eigentum an den Geräten sowie den übernommenen Goodwill
abdecken. Die weiteren Einzelheiten dieser Vereinbarung sind streitig.
Seit dem 9.5.2005 betreibt der Antragsteller eine eigene Praxis als Facharzt für
Allgemeinmedizin in Q.-C.. Diese ist 5,5 km von der Praxis des Antragsgegners entfernt
und 5 km von der ehemaligen Ortsgrenze von Q. vor der Eingemeindung im Jahre 1975.
Er hatte unmittelbar nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrages nahezu alle
Patienten angeschrieben und ihnen mitgeteilt, dass die alte Gemeinschaftspraxis
aufgelöst werde, sowie die Anschrift seiner neuen Praxis bekannt gegeben. Der
Antragsgegner versuchte, dem Antragsteller im Wege einer einstweiligen Verfügung zu
untersagen, seine Praxis in Q. zu führen. Der Antrag hatte keinen Erfolg. Wegen der
Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Köln vom 8.6.2005 - 23 O 182/05 LG
Köln – verwiesen ( Bl. 165 ff. der Akte 31 Js 700/07 StA Köln). Im Hinblick auf den nach
seiner Ansicht gegebenen Verstoß gegen das Rückkehrverbot zahlte der Antragsgegner
die 2. Rate in Höhe von 150.000,- € nicht.
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Mit der am 7.4.2006 erhobenen Schiedsklage hat der Antragsteller die Verurteilung des
Schiedsbeklagten zur Zahlung von 150.000,- € begehrt. Mit Schiedsspruch vom
20.3.2008, dem Antragsteller zugestellt am 25.3.2008, ist die Schiedsklage abgewiesen
worden. Zur Begründung hat das Schiedsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass in
dem zu zahlenden Betrag von 250.000,- € auch ein Entgelt für die Einhaltung des
Rückkehrverbotes enthalten und ausweislich des Wortlautes der Vereinbarung nicht
eine reine Einlagenrückgewähr zu sehen sei. Gegen das Rückkehrverbot habe der
Antragsteller verstoßen. Er habe seine Behauptung, wonach die Beschränkung des
Rückkehrverbotes auf den Stadtkern von Q. den Vorstellungen der Parteien
entsprochen hätte, nicht unter Beweis gestellt. Angesichts der Struktur der Region und
des Einzugsbereichs der Praxis sei der Radius nicht zu beanstanden. Das Entgelt für
das Wettbewerbsverbot entspreche der Höhe nach der Abgeltung für den anteilig auf
den Schiedskläger entfallenden Goodwill der Gemeinschaftpraxis, wobei der Anspruch
auf einen Ausgleich dadurch entfallen sei, dass sich der Antragsteller die Option
erhalten habe, den bisherigen Patientenstamm auch künftig zu behandeln. Der
Zahlungsanspruch des Schiedsklägers reduziere sich nach Abzug des anteiligen
Goodwill auf Null. Nach dem (Partei-) Gutachten des Wirtschaftsprüfers Dr. T. beinhalte
der zu zahlende Betrag von 250.000,- € einen Goodwill in Höhe von 218.194,- €, so
dass an den Schiedskläger nur 31.806,- € zu zahlen seien und nach Zahlung von
100.000,- € kein Raum für weitere Zahlungen bleibe. Zweifel an der Richtigkeit des
Gutachtens bestünden nicht, da sich der Gutachter einer allgemein anerkannten
Berechnungsmethode bedient und er auch Einwendungen des Antragstellers
berücksichtigt habe. Das weitere Bestreiten sei unsubstantiiert und daher unbeachtlich.
Die beantragte Beiziehung der Ermittlungsakten sei nicht veranlasst. Selbst wenn sich
herausstellen würde, dass der Antragsgegner den Doktortitel in unredlicher Weise
erlangt hätte, ergäbe sich daraus keine Konsequenz, da sich die Höhe des Entgelts für
das Wettbewerbsverbot nach dem Goodwill zum Zeitpunkt des Ausscheidens des
Klägers aus der Praxis richte und mögliche Beeinträchtigungen des Wertes des
Goodwills in der Zukunft ohne Belang seien. Mit Schiedsspruch vom 2.6.2008 hat das
Schiedsgericht diverse Berichtigungsanträge mit Ausnahme eines hier nicht
bedeutsamen Berichtigungsantrages zurückgewiesen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des
gegenständlichen Schiedsspruchs vom 20.3.2008 verwiesen.
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Mit Schreiben vom 12.6.2008 hat der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner
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erklärt, er fechte den Vertrag vom 19.1.2001 nebst Schiedsvereinbarung sowie den
Vertrag vom 1.2.2005 wegen arglistiger Täuschung über die Berechtigung zum Führen
eines Doktortitels an, da er in Kenntnis der Umstände keine geschäftliche Verbindung
mit dem Antragsgegner abgeschlossen hätte und auch der Preis von 500.000 €
angesichts dessen zu hoch angesetzt gewesen sei, dass dieser keinen akademischen
Grad besitze und der vorgegebene Grad rechtswidrig geworden worden sei.
Mit Schriftsatz vom 25.6.2008, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf am
selben Tage, begehrt der Antragsteller die Aufhebung der Schiedssprüche vom 20.3.
sowie 2.6.2008. Er macht geltend, der Schiedsspruch verstoße gegen den ordre public.
Soweit das Rückkehrverbot in einem weiten Sinne ausgelegt worden sei, treffe diese
Auslegung, die jedenfalls zur Unwirksamkeit der Vereinbarung gemäß § 138 BGB, Art.
12 GG führen würde, nicht zu. Eine Verknüpfung von Einlagenerstattung und
Rückkehrverbot habe es nicht gegeben. Zudem habe sich das Gericht bei der
Berechnung des Abgeltungsbetrages allein auf ein Parteigutachten gestützt. Eine
Berechnung des immateriellen Wertes sei vor dem Hintergrund der
staatsanwaltschafltichen Ermittlungen neu zu bewerten. Zudem sei rechtliches Gehör
verletzt und das Verfahren durch Vergleichsvorschläge verschleppt worden. Anstelle
eines angekündigten Beweisbeschlusses sei dann die Entscheidung vom 20.3.2008
ergangen, für die sich das Gericht auf ein Parteigutachten gestützt habe, obwohl dieses
von dem Antragsteller bestritten und von dem Gericht zuvor noch die Einholung eines
Sachverständigengutachtens angekündigt worden sei. Auch sei kein Beweis erhoben
worden über die Besprechung beim Notar I., der nach dem von dem Antragsteller
bestrittenen Vortrag des Antragsgegners erläutert haben soll, wie die Formulierung "in
Q. und um Q. herum" auszulegen sei. Zudem hätte die Beiziehung der Ermittlungsakte
erfolgen müssen, um zu prüfen, ob die Einwendungen des Klägers gegen die
Schiedsklausel bestehen. Es sei von einem wesentlich geringeren Praxiswert
auszugehen, da das Vertrauen in die Person des Praxisinhabers bei einer Arztpraxis
den wesentlichen Faktor darstelle. Zur Zeit der Klageeinreichung seien die Gründe für
die Unwirksamkeit der Schiedsklausel nicht bekannt gewesen, so dass ihm die
Berufung auf die Unwirksamkeit der Schiedsklausel nicht verwehrt sei. Positive
Kenntnis liege erst seit Einsichtnahme in die Ermittlungsakte am 30.4.2008 vor.
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Der Antragsgegner macht geltend, bei der von dem Antragsteller erklärten Anfechtung
handele es sich um eine nachträgliche und nicht zu berücksichtigende Änderung der
Tatsachengrundlage. Zudem sei die Frage einer Promotion im Fach Biologie nicht
maßgeblich für den Abschluss des Gemeinschaftspraxisvertrages gewesen. Jedenfalls
sei die Ausschlussfrist abgelaufen. Zudem entfalte ein fehlerhafter Gesellschaftsbeitritt
nur Wirkungen für die Zukunft. Im Übrigen verteidigt er die gegenständlichen
Schiedssprüche. Der Antragsgegner hat darüber hinaus die Vollstreckbarerklärung des
Teilschiedsspruchs vom 28.5.2008, dessen Gegenstand die Kosten des
Schiedsverfahrens sind, beantragt, der Antragsteller hingegen dessen Aufhebung.
Diese Anträge sind Gegenstand des Verfahrens 19 Sch 14/08 OLG Köln, nachdem das
zunächst bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf anhängige Verfahren ebenso wie das
hier gegenständliche Verfahren mit Beschlüssen vom 25.8. bzw. 21.8.2008 an das
Oberlandesgericht Köln verwiesen worden ist.
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II.
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Der zulässige Aufhebungsantrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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A. Der Antrag ist gemäß §§ 1059, 1062 Abs. 1Nr. 4 ZPO zulässig und insbesondere
fristgerecht gestellt worden. Der Antragsteller hat die Aufhebung der Schiedssprüche im
Sinne von § 1054 ZPO rechtzeitig innerhalb der dreimonatigen Frist des § 1059 Abs. 3
ZPO nach der am 25.3. bzw. 4.6.2008 erfolgten Zustellung beantragt.
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Gegen das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses bestehen auch im Hinblick auf
den Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung in dem Verfahren 19 Sch 14/08 OLG Köln
keine Bedenken. Soweit die Auffassung vertreten wird, dass es der Aufhebungsklage
trotz fehlender Identität der Streitgegenstände und Sperrwirkung gemäß § 261 Abs. 3 Nr.
1 ZPO an dem Rechtsschutzbedürfnis fehle bzw. ein bereits anhängiges Verfahren
auszusetzen sei, wenn ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs
gestellt ist, da nach Ablehnung eines auf Vollstreckbarerklärung gerichteten Antrags
zugleich die Aufhebung des Schiedsspruchs erfolgt (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 26.
Auflage, § 1059 Rn. 20-23), ist dem für die hier vorliegende Fallkonstellation nicht zu
folgen. Zwar würden die Gründe, die zu einer Ablehnung des Antrags auf
Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs über die Kosten in dem Verfahren 19 Sch
14/08 OLG Köln und zu dessen Aufhebung führen könnten, gleichermaßen die
Aufhebung der hier gegenständlichen Schiedssprüche veranlassen. Da die Verfahren
aber verschiedene Schiedssprüche betreffen und der hier gegenständliche
Aufhebungsantrag den Schiedsspruch über die Hauptsache betrifft, der noch dazu
bereits anhängig war, als die Vollstreckbarerklärung des Kostenschiedsspruchs
beantragt wurde, erscheint es wenig sachgerecht, dem Verfahren 19 Sch 14/08 einen
prozessualen Vorrang einzuräumen und eine Entscheidung auf das Verfahren über den
Kostenschiedsspruch zu verlagern (zur Maßgeblichkeit der Priorität vgl.
Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, B. v. 26.3.2002, 10 Sch 4/01 – juris).
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B. Der Antrag ist indes nicht begründet. Keiner der in § 1059 Abs. 2 ZPO abschließend
genannten Aufhebungsgründe ist gegeben.
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I. Entgegen der von dem Antragsteller vertretenen Auffassung sind die
gegenständlichen Schiedssprüche nicht gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit a. ZPO wegen
Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung aufzuheben. Sowohl aus materiellrechtlichen als
auch aus prozessualen Gründen hat die von dem Antragsteller unter dem 12.6.2008
erklärte Anfechtung nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung vom 19.1.2001
geführt.
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1) a) Der Antragsteller hat einen Grund zur Anfechtung der Schiedsvereinbarung gemäß
§ 123 Abs. 1 BGB nicht hinreichend dargetan. Er hat mit Schreiben vom 12.6.2008
erklärt, den Gemeinschaftspraxisvertrag nebst Schiedsvereinbarung sowie den
Aufhebungsvertrag wegen arglistiger Täuschung über die Befugnis des Antragsgegners
zum Führen des Doktortitels anzufechten, da er in Kenntnis des Umstandes eines
rechtswidrig erlangten Doktortitels keine geschäftliche Verbindung mit dem
Antragsgegner abgeschlossen hätte, zumal angesichts dieses Umstandes auch der
Preis des Praxisanteils zu hoch angesetzt gewesen sei. Es kann dahin stehen, ob der
Antragsteller hiermit bereits hinreichend dargelegt hat, dass die Täuschung über die
Befugnis zum Führen des Titels eines Doktor rerum naturae - nicht Doktor der Medizin -
Einfluss auf den Preis gehabt und er bei Kenntnis der Unredlichkeit seines
Vertragspartners den Vertrag nicht geschlossen hätte. Zur Darlegung eines Grundes für
die Anfechtung der Schiedsabrede reicht dies jedenfalls nicht. Nach § 1040 Abs. 1 S. 2
ZPO ist die Schiedsklausel als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen
unabhängige Vereinbarung zu behandeln, auch wenn die Schiedsklausel Bestandteil
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des Hauptvertrages ist (Zöller/Geimer, a.a.O., § 1040 Rn. 2) Danach gilt, dass das
Schiedsgericht auch im Fall der Unwirksamkeit des Hauptvertrages über daraus
resultierende Rückabwicklungsansprüche entscheidet (Zöller/Geimer, a.a.O., § 1040
Rn. 2, § 1029 Rn. 1). Mängel des Hauptvertrages schlagen demnach nicht
"automatisch" durch ( Zöller/Geimer, a.a.O., § 1029 Rn. 1), da eine Schiedsvereinbarung
gerade auch bei Streit über die Wirksamkeit des Hauptvertrages sinnvoll sein kann. Der
Antragsteller hat indes nicht dargelegt, dass er ohne die Täuschung über die
Titelführungsbefugnis durch den Antragsgegner gerade auch keine
Schiedsvereinbarung abgeschlossen hätte.
b) Darüber hinaus der Antragsteller gemäß § 124 BGB mit der Anfechtung
ausgeschlossen, da er die Anfechtung nicht rechtzeitig erklärt hat. Nach § 124 Abs. 1
und 2 BGB muss die Anfechtung wegen Täuschung binnen eines Jahres nach dem
Zeitpunkt, in welchem die Täuschung entdeckt wurde, erfolgen. Für eine Kenntnis
genügt zwar nicht ein bloßer Verdacht oder Kennenmüssen. Andererseits ist es auch
nicht erforderlich, dass der Anfechtungsberechtigte alle Einzelheiten der Täuschung
kennt oder die volle Gewissheit vom Bestehen des Anfechtungsrechtes hat
(Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Auflage, § 124 Rn. 2; § 121 Rn. 2). Die Mutter
des Antragstellers hatte ausweislich ihres Schreibens vom 8.5.2007, mit dem sie
Strafanzeige gegen den Antragsgegner erstattet hat (Ermittlungsakte 31 Js 700/07 StA
Köln, Bl. 31), Kenntnis davon, dass in den relevanten Bibliotheken keine Dissertation
des Antragsgegners verzeichnet war, der Ärztekammer lediglich eine Fotokopie einer
Promotionsurkunde der Universität Hamburg vorlag, deren Promotionsamt der
Antragsgegner aber nicht bekannt war. Darüber hinaus berühmte sich die Mutter des
Antragstellers, gut mit dem Lebenslauf des Antragsgegners vertraut zu sein, so dass sie
davon ausgehe, dass dieser nicht promoviert sei. Demnach verfügte die Mutter des
Antragstellers bereits Anfang Mai 2007 über alle wesentlichen Erkenntnisse, die den
sicheren Schluss darauf zuließen, dass der Antragsgegner nicht promoviert war. Dies
war aber ausweislich seines Schriftsatzes vom 8.5.2007 (Bl. 329 der Schiedsakte) auch
dem Antragsteller bekannt. Zu der Annahme, dass dem Antragsteller alle wesentlichen
Tatsachen bekannt waren, die ein Anfechtungsrecht begründeten, fügt sich der
Umstand, dass die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers der Staatsanwaltschaft
Köln gegenüber nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte mit Schreiben vom 5.5.2008
ausgeführt hat, der Vorwurf der Urkundenfälschung und des Titelmissbrauchs sei schon
nach der Aktenlage eindeutig erwiesen (Ermittlungsakte 31 Js 700/07, Bl. 101), bzw. der
Antragsteller vortragen ließ, erst seit der Einsichtnahme in die Ermittlungsakte am
30.4.2008 habe positive Kenntnis vorgelegen (Schriftsatz vom 7.11.2008, Bl. 101 GA).
Ermittlungsergebnisse, die über die Bestätigung dessen hinaus gegangen wären, was
die Mutter des Antragstellers bereits im Mai 2007 der Staatsanwaltschaft Köln mitgeteilt
hatte, sind in der Akte, in die die Prozessbevollmächtigte Einsicht genommen hatte,
nicht enthalten. Es ist nicht erkennbar, welche Erkenntnisse dem Antragsteller, der
substantiiert darzulegen hat, dass er fristgerecht angefochten hat (vgl.
Palandt/Heinrichs/Ellenberger, a.a.O., § 121 Rn. 6), zu der für die Zeit nach dem
30.4.2008 eingeräumten Kenntnis des Anfechtungsgrundes nach dem 8.5.2007 noch
gefehlt haben sollten.
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c) Selbst wenn man eine gemäß §§ 123, 124 BGB wirksame Anfechtung als gegeben
unterstellt, hat diese dem Schiedsspruch nicht nachträglich den Boden entzogen. Eine
Berufung auf die Rückwirkung der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB ist im Hinblick
auf die Regeln für die sog. fehlerhafte Gesellschaft ausgeschlossen. Bei der von den
Parteien gegründeten Gemeinschaftspraxis handelt es sich, wie es in aller Regel der
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Fall (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 705 Rn. 40) und was vorliegend von den Parteien in §
1 Abs. 1 des Gründungsvertrages ausdrücklich bestimmt worden ist, um eine
Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne von §§ 705 ff. BGB. Nach ständiger
Rechtsprechung werden Gesellschaften, deren Gründungsvertrag an einem
Abschlussmangel leidet, aus Gründen des Bestandsschutzes für die Gesellschafter
nach Invollzugsetzung als wirksam behandelt . Dem betroffenen Gesellschafter ist nur
die Geltendmachung des Mangels ex nunc gestattet, sofern nicht gewichtige Interessen
der Allgemeinheit oder außenstehender Dritter entgegen stehen (BGH NJW 2000, 3558;
Palandt/Sprau, a.a.O., § 705 Rn. 18). Derart gewichtige Interessen, die der Anwendung
der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft entgegen stehen, ergeben sich indes
nicht allein aufgrund einer arglistigen Täuschung. Vielmehr sind die Grundsätze über
die fehlerhafte Gesellschaft grundsätzlich auch in Fällen der arglistigen Täuschung
anzuwenden, wenn nicht ein besonders schwerwiegender Fall vorliegt (BGH, U. v.
16.5.1988, II ZR 316/87 – juris; NJW 2000, 3558). Ein besonders schwer wiegender
Fall, der es als unzumutbar erscheinen ließe, den Antragsteller auf die
Auseinandersetzung zu verweisen, liegt hier indes nicht vor, zumal eine Vereinbarung
über eine Auseinandersetzung – sei sie ihrerseits wirksam angefochten oder nicht -
bereits getroffen worden ist.
2) Ungeachtet der materiellrechtlichen Wirksamkeit der Anfechtungserklärung sowie der
Frage der Rückwirkung der Anfechtung ist der Antragsteller zudem mit dem Einwand
der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung präkludiert.
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Die Voraussetzungen für eine Anfechtung einer Schiedsvereinbarung und deren
Rechtsfolgen sind umstritten. Eine besondere gesetzliche Regelung hierfür besteht
nicht. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung soll die Geltendmachung einer
Anfechtung mit der Folge des Erlöschens der Schiedsvereinbarung erst mit
rechtskräftiger Vollstreckbarerklärung ausgeschlossen sein (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., §
1029 Rn. 24, 87). Hiergegen werden Bedenken erhoben. So wird die Auffassung
vertreten, dass es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren sei, einer
Partei ein Wahlrecht zuzugestehen, einen Schiedsspruch zu akzeptieren oder ihm durch
Anfechtung der Schiedsabrede die Grundlage zu entziehen und auf eine günstigere
Entscheidung des staatlichen Gerichts zu hoffen, wobei der Anfechtungsberechtigte
zwar das Anfechtungsrecht auch nach Einlassung zur Hauptsache nicht generell
verliere, aber eine Wahlmöglichkeit faktisch dadurch entfalle, dass die Anfechtung nach
§ 121 BGB ohnehin unverzüglich erfolgen müsse und Mängel der Schiedsvereinbarung
nach § 1027 ZPO heilbar seien (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 6. Auflage, § 1029 Rn. 11;
ebenfalls auf § 1027 ZPO abstellend Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 1029 Rn.
3). Zu ähnlichen Ergebnissen, wenn auch mit anderem dogmatischen Ansatz, gelangt
eine andere Auffassung, wonach eine Anfechtung nach §§ 142, 123 BGB - auch mit ex-
tunc-Wirkung – zwar möglich, allerdings das Weiterverhandeln in Kenntnis der
Anfechtbarkeit als eine Bestätigung der Schiedsvereinbarung im Sinne von § 144 BGB
zu bewerten sein soll (vgl. MünchKomm-Münch, ZPO, 3. Auflage, § 1029 Rn. 19).
Diesen Ansätzen gemeinsam ist das Bestreben, die Instrumentalisierung des
Anfechtungsrechts zur Beseitigung unliebsamer Schiedssprüche nicht zuzulassen. Der
Senat schließt sich diesen die Anfechtung einschränkenden Auffassungen für die
vorliegende Fallgestaltung an. Es entspricht allgemeinen zivilprozessualen
Grundsätzen (vgl. §§ 39, 43 und 295 ZPO), dass Unsicherheiten schnellstmöglichst
beseitigt und Verfahren nicht nutzlos weiterbetrieben werden sollen. Diese Grundsätze
haben auch Eingang in das Schiedsverfahren gefunden, wie die Präklusion der nicht
unverzüglich erhobenen Rügen von Verfahrensverstößen gemäß § 1027 ZPO (vgl. OLG
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Frankfurt OLGR 2003, 186, 188) sowie die Heilung von Formmängeln der
Schiedsvereinbarung gemäß § 1031 Abs. 6 ZPO zeigen. Darüber hinaus ist allgemein
anerkannt, dass eine Partei aus Gründen der Rechtsklarheit im Aufhebungsverfahren
mit dem Einwand der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung ausgeschlossen ist, wenn
sie einen Zwischenentscheid gemäß § 1040 Abs. 3 ZPO nicht rechtzeitig angefochten
hat (vgl. BGH, B. v. 27.3.2003, III ZB 83/02 – juris, m.w.N.). Gründe der Rechtsklarheit
erfordern es indes auch, die Befugnis zur Geltendmachung der Anfechtung der
Schiedsvereinbarung einzuschränken und den Anfechtungsberechtigten mit der
Geltendmachung der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung auszuschließen, wenn er
- wie der Antragsteller – in Kenntnis des Bestehens von Anfechtungsgründen
weiterverhandelt und erst nach Erlass des Schiedsspruchs die Anfechtung der
Schiedsvereinbarung erklärt und auf diese Weise die frühzeitige Klärung der
Zuständigkeitsfrage nach § 1040 ZPO verhindert. Keinesfalls kann es dem
Anfechtungsberechtigten gestattet sein, zu taktieren und mit der Ausübung des
Anfechtungsrechts abzuwarten, um es von dem Ergebnis des Schiedsverfahrens
abhängig machen zu können.
II. Die gegenständlichen Schiedssprüche unterliegen nicht wegen eines
verfahrensrechtlichen oder materiellrechtlichen Verstoßes gegen den ordre public der
Aufhebung. Im Aufhebungsverfahren geht es dabei nicht um die sachliche Nachprüfung
des Schiedsspruchs im Sinne der Richtigkeit der Streitentscheidung. Eine sachliche
Unrichtigkeit eines Schiedsspruchs und die Verletzung materiellen Rechts oder des
Verfahrensrechts ist ebenso wie bei einem Urteil grundsätzlich kein Aufhebungsgrund
(Verbot der révision au fond, vgl. BGH NJW 1990, 3210; B. v. 21.12.1989, III ZR 44 /89 –
juris; Zöller/Geimer, a.a.O., § 1059 Rn. 74). Es geht vielmehr nur darum, den Missbrauch
der zugestandenen Rechtsprechungsbefugnis zu verhindern (Zöller/Geimer, a.a.O.). Der
ordre public greift nur ein, wenn die Hinnahme des Schiedsspruchs unerträglich wäre,
weil er in untragbarem Widerspruch zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen steht und
so den in rechtsstaatlicher Hinsicht unverzichtbaren Mindeststandard unterschreitet
(BGH a.a.O.; Zöller/Geimer, a.a.O., § 1059 Rn. 47; Musielak/Voit, a.a.O., § 1059 Rn. 29).
22
1. a) Soweit der Kläger eine unzutreffende Auslegung der Vertragsklausel zum
Rückkehrverbot geltend macht, kommt ein Verstoß gegen den ordre public gemäß §
1059 Abs. 2 Nr. 2 b) ZPO nicht in Betracht. Die Auslegung der vertraglichen Klausel als
solche ist der Prüfung durch das staatliche Gericht entzogen. Die Frage der Auslegung
eines Vertrages betrifft die einfache Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs, die dem
ordentlichen Gericht grundsätzlich versagt ist, selbst wenn die Auslegung, die das
Schiedsgericht dem Vertragswerk gegeben hat, inhaltlich unrichtig sein sollte (BGH
NJW 1999, 2974, 2975).
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Das Ergebnis der Auslegung der vertraglichen Bestimmung als solches stellt entgegen
der von dem Antragsteller vertretenen Auffassung nicht im Hinblick auf einen schwer
wiegenden Grundrechtseingriff einen Verstoß gegen den ordre public dar. Das
Schiedsgericht hatte nicht etwa über ein Berufsverbot sowie dessen räumliche und
zeitliche Beschränkung zu entscheiden, sondern über vermögensrechtliche Ansprüche,
so dass es schon an einem unmittelbaren Grundrechtsbezug bzw. Grundrechtseingriff
fehlt. Im Übrigen ist das gefundene Ergebnis weder offensichtlich unzutreffend noch
unerträglich. Für die Beantwortung der Frage, wann ein Wettbewerbsverbot nach § 138
BGB nichtig ist, ist eine schwierige und auf den Einzelfall bezogene Abwägung
zwischen den von Artt. 12 und 14 GG geschützten Interessen nach den Grundsätzen der
praktischen Konkordanz vorzunehmen. Bereits diese Schwierigkeiten stehen der
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Annahme eines Verstoßes gegen den ordre public entgegen, wenn der geltend
gemachte Fehler sich in einer angeblichen Fehlbeurteilung der räumlichen
Beschränkung in der Größenordnung weniger Kilometer erschöpft. Nachdem das
Schiedsgericht sich in seiner Entscheidung sorgfältig mit dieser Frage auseinander
gesetzt hat, kann von Willkür keine Rede sein. Im Übrigen erscheint, auch wenn es
bezogen auf die Frage eines Verstoßes gegen den ordre public hier nicht mehr
entscheidend darauf ankommt, die Entscheidung auch in der Sache nicht unzutreffend,
denn der Umstand, dass der Antragsteller den größten Teil der Patienten der
Gemeinschaftspraxis angeschrieben und für seine neue Praxis geworben hat, indem er
die Anschrift seiner neuen Praxis mitgeteilt hatte, anstatt sich lediglich von seinen
bisherigen Patienten zu verabschieden, deutet darauf hin, dass er nach seiner eigenen
Einschätzung seine neue Praxis im Einzugsbereich der bisherigen Gemeinschaftspraxis
eröffnet hatte. In zeitlicher Hinsicht ist das dreijährige Rückkehrverbot ebenfalls nicht zu
beanstanden, da ein kürzerer Zeitraum es einem Übernehmer kaum ermöglicht, die
Beziehung zu den von dem Vorgänger betreuten Patienten hinlänglich zu festigen (vgl.
BGH, NJW 1955, 337 f.). Unerträglich und im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung
wegen eines Grundrechts- oder Sittenverstoßes ist das von dem Schiedsgericht
sorgfältig und zumindest vertretbar begründete Ergebnis mithin nicht.
b) Soweit sich der Antragsteller dagegen wendet, dass das Schiedsgericht §§ 2 und 3
des Auseinandersetzungsvertrages dahin ausgelegt hat, dass es darin nicht nur um eine
Einlagenrückgewähr gehe, sondern auch um eine mit dem Rückkehrverbot verknüpfte
Abfindung, kann er in dem Aufhebungsverfahren hiermit nicht gehört werden. Wie
bereits ausgeführt, ist die Auslegung vertraglicher Klauseln als solche der Prüfung durch
das staatliche Gericht entzogen. Im Übrigen liegt die von dem Schiedsgericht
vorgenommene Auslegung angesichts des Wortlautes der Vereinbarung keineswegs
fern.
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2) Die gegenständlichen Schiedssprüche sind nicht wegen Verstoßes gegen den ordre
public in Form einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß §§ 1059
Abs. 2 Nr. 1 b), 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO aufzuheben.
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Für das Schiedsverfahren maßgeblich sind grundsätzlich die Regelungen der
Zivilprozessordnung, nachdem hiervon abweichende Verfahrensabsprachen von den
Parteien in der Schiedsvereinbarung ausdrücklich nicht getroffen worden sind (Ziffer 4
der Schiedsvereinbarung vom 19.1.2001). Nach § 1042 Abs. 4 ZPO werden die
Verfahrensregeln von dem Schiedsgericht nach freiem Ermessen bestimmt und ist das
Schiedsgericht berechtigt, über die Zulässigkeit einer Beweiserhebung zu entscheiden,
diese durchzuführen und das Ergebnis frei zu würdigen. Die Ermessensfreiheit ist
insoweit eingeschränkt, als den Parteien nach § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO rechtliches
Gehör zu gewähren ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Schiedsverfahren
erfordert, dass das Schiedsgericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis nimmt und
in Erwägung zieht. Zudem müssen die Parteien Gelegenheit haben, sich zu allen
tatsächlichen Erwägungen zu äußern, auf die die Entscheidung des Schiedsgerichts
gegründet werden soll ( BGH NJW-RR 1993, 444; WM 1963, 944, 945). Wird dieser
Grundsatz verletzt, ist ein Schiedsspruch aufzuheben, wenn die Entscheidung des
Schiedsgerichts darauf beruhen kann (BGH a.a.O.; NJW 1959, 2213 f.).
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a) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch Nichtbeiziehung der Ermittlungsakte ist
nicht hinreichend dargetan. Der Antragsteller muss, wie bei einer Revisionsbegründung,
nicht nur einen Verfahrensmangel darlegen, sondern auch, dass und wie sich der
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geltend gemachte Verfahrensmangel ausgewirkt hat (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., § 1059
Rn. 40). Soweit der Antragsteller geltend macht, die Ermittlungsakten seien nicht
beigezogen worden, müsste er vortragen, welcher Aspekt von dem Schiedsrichter
infolge der Nichtbeiziehung unberücksichtigt geblieben ist und wie sich die Beiziehung
ausgewirkt hätte. Daran fehlt es. In dem Schiedsspruch ist sorgfältig dargelegt, dass es
der Beiziehung der Akten auf der Grundlage der von dem Schiedsgericht vertretenen
Auffassung wegen fehlender Erheblichkeit nicht bedurfte. Dies ist aus der prozessualen
Sicht des Schiedsgerichts, um die es hier allein geht, nicht zu beanstanden. Dass der
Antragsteller meint, aus dem Schiedsgericht bekannten und von ihm berücksichtigten
Tatsachen eine andere rechtliche Wertung ziehen zu können, ist ohne Belang.
b) Soweit der Kläger bemängelt, seinen Beweisantritten über den Inhalt einer
Besprechung bei dem Notar zu der Frage der Auslegung des Rückkehrverbotes sei
nicht nachgekommen worden, ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ebenfalls nicht
dargetan. Es ist weder der Antragsschrift noch dem weiteren Vorbringen zu entnehmen,
was Gegenstand einer Besprechung bei dem Notar gewesen sein und wer
Beweiserhebliches welchen konkreten Inhaltes gesagt haben soll. Soweit der
Antragsteller vorträgt, der Ablauf der Gespräche bei dem Notar sei streitig gewesen,
genügt dies allein zur Darlegung einer Beweiserheblichkeit nicht. Der beigezogenen
Schiedsakte ist zu entnehmen, dass der Antragsteller lediglich behauptet hat, eine
Aufklärung durch den Notar zum Inhalt und Umfang des Rückkehrverbotes sei nicht
erfolgt, sowie, dass die Reichweite des Rückkehrverbotes auch nicht während der
Verhandlungen genau erläutert worden sei (Schriftsatz vom 3.1.2007, Bl. 297 der
Schiedsakte; Schriftsatz vom 15.6.2006, Bl. 171 f. der Schiedsakte). Inwiefern sich aus
diesem Vorbringen Entscheidungserhebliches zum Inhalt und der Auslegung der
Vereinbarung hatte ergeben können, erschließt sich nicht.
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c) Die unterbliebene Einholung eines Gutachtens eines von dem Schiedsgericht zu
bestimmenden Sachverständigen zur Frage des Wertes der Praxis bzw. deren
Goodwills stellt keinen Verstoß gegen den ordre public in Form einer Verletzung des
rechtlichen Gehörs dar. Nicht jede Nichterhebung angebotener Beweise zu streitigen
und beweiserheblichen Tatsachen ist bereits ein Verstoß gegen den
verfahrensrechtlichen ordre public. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bringt es zwar
mit sich, dass nach der Zivilprozessordnung ein Kläger nicht als beweisfällig
abgewiesen werden darf, ohne alle angetretenen und als erheblich angesehenen
Beweise zu erheben, soweit nicht ein verfahrens- oder beweisrechtlicher Grund zur
Ablehnung des Antrags gegeben ist (BVerfG, B. v. 8.11.1978, 1 BvR 158/78 – juris).
Auch im Schiedsverfahren ist daher in der Regel Beweis zu erheben, wenn das
Schiedsgericht die zu beweisende Tatsache für erheblich hält, sofern nicht die
Tatsachen nicht beweisbedürftig sind – beispielsweise wegen Offenkundigkeit,
Wahrunterstellung oder Ungeeignetheit des Beweismittels - oder es an einem
ordnungsgemäßen Beweisantritt fehlt (Musielak/Voit, a.a.O., § 1042 Rn. 21). Da das
Schiedsgericht nicht auf die Beweismittel der ZPO beschränkt ist , sondern der
Grundsatz des Freibeweises gilt, darf der Schiedsrichter allerdings auch private
Sachkunde verwerten sowie einen Beweisantrag, wenn auch in Grenzen, unter
Vorwegnahme der Beweiswürdigung ablehnen (Musielak/Voit, a.a.O., § 1042 Rn. 21 f.;
Zöller/Geimer, a.a.O., § 1042 Rn. 34; MünchKomm-Münch, a.a.O., § 1042, Rn. 62).
Darüber hinaus gilt auch der Grundsatz der vollständigen Beweismittelerschöpfung im
Schiedsverfahren nicht (Stein/Jonas/Schlosser, a.a.O., Anhang § 1061 Rn. 98). Diese
Abweichungen von den allgemeinen Regeln des Zivilprozessrechts vor dem
Hintergrund des Verbotes der révision au fond entziehen vorliegend die Entscheidung
30
des Schiedsgerichts, von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wert
der Praxis bzw. deren Goodwills abzusehen, einer sachlichen Überprüfung durch die
staatlichen Gerichte.
Das Schiedsgericht hat das Vorbringen des Antragstellers in erster Linie als nicht
hinreichend substantiiert und mithin als nicht beweiserheblich behandelt. Ferner dürfte,
auch wenn sich dieser Terminus in der Entscheidung vom 20.3.2008 nicht findet, die
Entscheidung dahin auszulegen sein, dass darüber hinaus die Beweisbedürftigkeit der
Tatsache verneint worden ist. Weder durch die Zurückweisung des unter Beweis
gestellten Vorbringens als nicht hinreichend substantiiert noch durch eine Verneinung
der Beweisbedürftigkeit ist rechtliches Gehör verletzt worden.
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aa) Obwohl die Frage des Wertes des Goodwills zunächst als erheblich angesehen und
daher anfangs auch die Beauftragung eines Sachverständigen vorgesehen worden war
(vgl. Schreiben des Schiedsrichters vom 25.5.2007 und 11.7.2007, Bl. 107 f. GA), hat
das Schiedsgericht von der Einholung eines Gutachtens abgesehen und zur
Begründung unter Bezugnahme auf das ergänzte Parteigutachten ausgeführt, es habe
keine Veranlassung bestanden, an der Richtigkeit der von dem Wirtschaftsprüfer
ermittelten Zahlen zu zweifeln, da dieser eine allgemein anerkannte Methode zur
Ermittlung des Praxiswertes bzw. des Goodwills angewandt habe, gegen die sich der
Antragsteller auch nicht gewandt habe. Soweit der Antragsteller Einwendungen
erhoben habe, seien diese von dem Wirtschaftsprüfer berücksichtigt worden. Das
weitere Bestreiten sei pauschal und daher unbeachtlich. Demnach hat das
Schiedsgericht das Vorbringen des Antragstellers vor dem Hintergrund des
substantiierten Vorbringens des Antragsgegners als der Darlegungslast nicht
genügendes pauschales Bestreiten bewertet und es bestand aus dessen Sicht kein
Anlass, dem Beweisantritt des Antragstellers nachzukommen. In der Beurteilung der
Frage der Beweiserheblichkeit entscheidet das Schiedsgericht aber grundsätzlich
eigenverantwortlich (MünchKomm-Münch, a.a.O., § 1042, Rn. 62).
32
Die Frage der Darlegungslast ist von dem Schiedsgericht auch nicht willkürlich
behandelt worden. Soweit der Antragsteller geltend macht, er habe das Gutachten
substantiiert bestritten, ist weder vorgetragen, dass der Antragsteller konkrete
Einwendungen erhoben hätte noch welchen Inhaltes diese gewesen wären. Den
Schiedsakten, zu deren Inhalt der Antragsteller ohnehin nicht konkret vorgetragen hat,
ist insoweit lediglich zu entnehmen, dass dem Antragsteller mit Verfügung vom
20.9.2007 eine Frist zur Stellungnahme gesetzt worden ist, verbunden mit dem Hinweis,
dass das Schiedsgericht beabsichtige, von der Einholung eines
Sachverständigengutachtens abzusehen, wenn gegen die gutachterliche Bewertung
keine Bedenken bestehen sollten (Bl. 389 der Schiedsakte). Daraufhin hat der
Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.10.2007 konkrete Einwendungen gegen das
Gutachten erhoben. Nachdem eine Ergänzung des Gutachtens des Wirtschaftsprüfers
Dr. T. vom 24.10.2007 vorgelegt worden ist, ist dem Antragsteller mit Verfügung vom
14.11.2007 Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Der Antragsteller hat
indes lediglich ausgeführt, der Inhalt des Parteigutachtens werde "vollinhaltlich
bestritten" und die Ansicht vertreten, es könne nunmehr ein Beweisbeschluss oder ein
Urteil ergehen (Schriftsatz vom 29.11.2007). Des weiteren hat er nach Mitteilung des
Schiedsgerichts, dass die Sache entscheidungsreif sei, die Ansicht vertreten, die
Ermittlung des Goodwills der Praxis sei irrelevant, eine Gutachterbestellung nicht
erforderlich, wobei das Privatgutachten ohnehin nicht der Ermittlung dienen könne
(Schriftsatz vom 24.1.2008). Konkrete, einer Erwiderung fähige Einwendungen gegen
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das substantiierte Vorbringen des Antragsgegners sind daher auch nach dem Inhalt der
beigezogenen Schiedsakten von dem Antragsteller nicht erhoben worden. Wenn
daraufhin das Schiedsgericht das Vorbringen des Antragstellers nach Gewährung
rechtlichen Gehörs als nicht hinreichend substantiiert bewertet und folgerichtig von einer
Beweiserhebung abgesehen hat, handelt es sich keinesfalls um eine willkürliche
Fehlbewertung der Darlegungslast, zumal nicht erkennbar ist, dass der Antragsteller mit
weiterer Darlegung überfordert gewesen wäre, denn der Schriftsatz des Antragstellers
vom 15.10.2007 zeigt, dass der Antragsteller durchaus über die hinreichende Fähigkeit
verfügte, zu dem Inhalt des Privatgutachtens dezidiert Stellung zu nehmen.
bb) Darüber hinaus läge ein zur Aufhebung der Schiedssprüche zwingender Verstoß
gegen den ordre public auch dann nicht vor, wenn man unterstellt, dass der
Antragsteller mit einem pauschalen Bestreiten der vorgetragenen Zahlen zu Praxiswert
und Wert des Goodwills bereits seiner Darlegungslast genügt hätte und man die
Ausführungen des Schiedsgerichts als Ablehnung der Beweisbedürftigkeit des
Praxiswertes bzw. des Wertes des Goodwills auffasst.
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Zwar haben Schiedsgerichte rechtliches Gehör im Wesentlichen in gleichem Umfang
wie staatliche Gerichte zu gewähren. Das Übergehen eines Beweisantrages rechtfertigt
indes für sich genommen in der Regel noch nicht die Aufhebung eines Schiedsspruchs
(BGH NJW 1966, 549; WM 1963, 944, 946; 1983, 1207 f.; OLG Köln, RIW 1993, 499,
501; kritisch Stein/Jonas/Schlosser, a.a.O, Anhang § 1061 Rn. 98). Eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs, die eine Aufhebung des Schiedsspruchs rechtfertigt, kann allerdings
gegeben sein, wenn ein Vortrag und Beweisantritt überhaupt nicht in Erwägung
gezogen worden ist (vgl. BGH, U. v. 14.5.1992, III ZR 169/90 – juris; Bayerisches
Oberlandesgericht, B. v. 15.12.1999, 4 Z Sch 23/99 - juris). Ein Übergehen eines
Beweisantritts kann aber nicht angenommen werden, wenn sich das Schiedsgericht –
wie hier - ausdrücklich mit einer Beweisfrage befasst hat (BGH a.a.O.). Das Übergehen
von Beweisanträgen durch ein Schiedsgericht stellt insbesondere auch dann, wenn
dem Schiedsgericht deren Berücksichtigung zur Wahrheitsfindung nicht mehr geboten
erscheint, weil es den streitigen Sachverhalt bereits als hinreichend geklärt betrachtet,
keine bedeutsame Verletzung der Grundsätze über das rechtliche Gehör dar (BGH, B. v.
21.12.1989, III ZR 44/89 – juris; ähnlich zur Frage der Erheblichkeit OLG Frankfurt, B. v.
13.9.2007, 26 Sch 10/07 – juris). So liegt der Fall letztlich auch hier. Der Schiedsrichter,
Fachanwalt für Medizinrecht, hat - sofern man die Ausführungen auch als auf die
Beweisbedürftigkeit bezogen versteht - von der Einholung eines
Sachverständigengutachtens abgesehen, nachdem er aufgrund eigener Sachkunde zu
dem Ergebnis gekommen war, dass eine anerkannte Methode zur Ermittlung von
Praxiswert und Goodwill angewandt worden ist und keinerlei Zweifel an dem darin
zugrunde gelegten und von dem Antragsteller nicht konkret angegriffenen Zahlenwerk
bestehen. Mit den hierfür angegebenen Gründen ist die Verneinung der
Beweisbedürftigkeit nicht unvertretbar, da im Schiedsverfahren weder der Grundsatz der
vollständigen Beweismittelerschöpfung gilt noch eine Beschränkung auf die
Beweismittel der ZPO besteht. Das Schiedsgericht hat daher die ihm eingeräumte
Entscheidungsbefugnis nicht willkürlich überschritten. Mithin ist die Verneinung der
Beweisbedürftigkeit eine Sachentscheidung, die – sei sie inhaltlich richtig oder nicht -
von den staatlichen Gerichten zu respektieren ist.
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cc) Rechtliches Gehör ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
Überraschungsentscheidung versagt worden. Nachdem das Schiedsgericht den
Parteien mit Verfügung vom 9.1.2008 unter Einräumung einer Frist zur Stellungnahme
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mitgeteilt hatte, dass die Sache als entscheidungsreif angesehen werde, konnte der
Antragsteller erkennen, dass sein Vorbringen als nicht genügend erachtet werden
könnte. Selbst wenn man unterstellt, dass das Schiedsgericht die Anforderungen an die
Darlegungslast überspannt hätte, hätte der Antragsteller die Möglichkeit gehabt, sich
darauf einzurichten und diesen Anforderungen mit vertiefendem Vorbringen gerecht zu
werden. Einen solchen Versuch hat der Antragsteller indes erst gar nicht unternommen
und keinerlei inhaltliche Einwendungen gegen das Parteigutachten vorgebracht.
Nach alledem liegen Gründe für eine Aufhebung der Schiedssprüche vom 20.3.2008
sowie 2.6.2008 nicht vor. Der Aufhebungsantrag des Antragstellers ist daher
zurückzuweisen.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO analog.
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Gegenstandswert: 150.000,- €
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