Urteil des OLG Köln vom 17.11.1999

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Oberlandesgericht Köln, 6 U 162/99
Datum:
17.11.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 162/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 152/99
Schlagworte:
Anhebung der Sicherheitsleistung
Normen:
ZPO §§ 718, 714
Leitsätze:
1. § 714 ZPO ist auf die Bemessung der Höhe einer in erster Instanz
festgesetzten Sicherheitsleistung, die der Titelschuldner zweitinstanzlich
verändert wissen will, nicht anwendbar. 2. Bei vom Titelschuldner
angestrebter Erhöhung einer erstinstanzlich bestimmten
Sicherheitsleistung im Vorabverfahren nach § 718 ZPO sind im
einzelnen die bei einer etwaigen Vollstreckung drohenden Schäden
darzulegen und glaubhaft zu machen; dabei ist insbesondere auch
nachvollziehbar mitzuteilen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen,
warum schadensmindernde Maßnahmen nicht in Betracht kommen.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Tenor des am 19. August 1999 verkündeten Urteils der 31.
Zivilkammer des Landgerichts Köln (31 O 152/99) wird unter Zi. IV im
Vollstreckbarkeitsausspruch dahingehend abgeändert, dass die Si-
cherheitsleistung hinsichtlich der Unterlassung (nicht 100.000,00,
sondern) 200.000,00 DM beträgt. Der weitergehende Änderungsantrag
wird zurückgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Abänderungsentscheidung zur Höhe der Sicherheitsleistung beruht auf § 718 Abs.
1 ZPO. Die Beklagte hat zweitinstanzlich in dem Vorabentscheidungsverfahren
glaubhaft gemacht, dass der vom Landgericht - an sich auf der Grundlage des ihm
unterbreiteten Sachvortrags zutreffend festgesetzte - Betrag von 100.000,00 DM die aus
der Vollstreckung zu befürchtenden Schäden nicht vollständig abdeckt und eine
Erhöhung des Sicherungsbetrages auf 200.000,00 DM geboten ist. Die erheblich
weitergehenden Vorstellungen der Beklagten konnten allerdings keine
Berücksichtigung finden. Dazu ist im Einzelnen folgendes auszuführen:
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1. Dem Antrag ist entgegen der Auffassung der Klägerin der
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Erfolg nicht bereits deshalb vollständig zu versagen, weil das zugrundeliegende
tatsächliche Vorbringen nicht bereits dem Landgericht unterbreitet worden ist. Freilich
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vertritt jedenfalls ein Teil der Kommentarliteratur und der obergerichtlichen
Rechtsprechung die Auffassung, dass Anträge zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, die im
erstinstanzlichen Verfahren nicht gestellt worden waren, dort also weder falsch
entschieden noch vergessen werden konnten, nicht Gegenstand eines Antrages auf
Vorabentscheidung nach § 718 ZPO sein können (vgl. Schuschke, Vollstreckung und
vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., § 718 Rn. 2 mit umfangreichen Nachweisen zur
Rechtsprechung; Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 718 Rn. 2). Dem ist angesichts des §
714 ZPO beizutreten, wonach Anträge nach den §§ 710, 711 Satz 2, 712 ZPO vor
Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen sind, auf die das Urteil ergeht. Es
spricht daher in der Tat viel dafür, einem zweitinstanzlich auf § 718 ZPO gestützten
Antrag, mit dem etwa eine Vollstreckbarkeitserklärung ohne Sicherheitsleistung
erreicht werden soll, angesichts der Regelung der §§ 710, 714 ZPO den Erfolg ohne
weitere Prüfung schon dann zu versagen, wenn erstinstanzlich ein entsprechender
Antrag nicht gestellt worden ist.
Um eine derartige Prozesssituation geht es im Streitfall jedoch nicht. Die Bemessung
der Höhe der Sicherheitsleistung, welche die Beklagte zweitinstanzlich noch
verändern möchte, hängt nicht von dem Antrag einer Partei ab, sondern wird von Amts
wegen durch das Gericht festgesetzt. Die Bestimmung des § 714 ZPO ist für diese
Fallvariante nicht einschlägig. Aus vollstreckungsrechtlichen Vorschriften lässt sich
somit nicht ableiten, warum die Entscheidung über den Antrag nach § 718 ZPO nur
das erstinstanzlichen Sachvorbringen einschließen könnte und die Partei mit neuem
Vortrag zweitinstanzlich präkludiert wäre. (Für die Fälle der Erhöhung der
Sicherheitsleistung ebenso Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 21. Aufl., § 718 Rn. 2; Krüger
im Münchener Kommentar zur ZPO, § 718 Rn. 2; Musielak/Lackmann, ZPO, § 718 Rn.
1; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 718 Rn. 4; OLG Frankfurt, OLG Z
94, 470, 471).
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2. Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Beklagten
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war die Sicherheitsleistung auf 200.000,00 DM zu erhöhen, um die ihr aus der
Vollstreckung drohenden Schäden abzudecken. Dem weitergehenden Begehren, die
Sicherheitsleistung auf 2.000.000,00 DM zu erhöhen, konnte nicht entsprochen
werden.
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Die Beklagte hat schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar
erläutert, dass die Werkzeuge, die sie zur Fertigung der Steckverbindungen hergestellt
hat und angesichts des landgerichtlichen Urteils nicht mehr verwenden kann, bislang
erst teilweise abgeschrieben worden sind. Der nicht amortisierte Teil der
Werkzeugkosten beläuft sich nach ihrem glaubhaft gemachten Sachvortrag auf
103.000,00 DM.
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Darüber hinaus hat die Beklagte eine Kostenaufstellung über 387.500,00 DM
vorgelegt, welche den Aufwand für Vernichtung und Neuherstellung der CD-ROM
gesis sowie des Hauptkataloges 1999, für die Programmübersichten und die Exponate
Messe sowie für Thekenaufsteller im Großhandel und eine Korrektur der
Bilddatenbank anfallen würden. Die tatsächlich anfallenden Gesamtkosten schätzt der
Senat jedoch nur auf knapp 100.000,00 DM, so dass eine Sicherheitsleistung von
insgesamt 200.000,00 DM ausreichend erscheint. Die Klägerin hat sich im
Verhandlungstermin ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass die Beklagte in
ihrem Hauptkatalog und in sonstigen Prospekten jeweils durch einen Stempelaufdruck
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an den einschlägigen Stellen, in denen das streitgegenständliche Produkt erwähnt
wird, ausweist, dass die entsprechende Ware derzeit nicht lieferbar sei. Sie hat sich
desgleichen damit einverstanden erklärt, dass die Beklagte hinsichtlich der CD-ROM
durch einen Aufkleber kenntlich mache, dass das Programm gesis ST 16 derzeit nicht
lieferbar sei. Die Beklagte hat hinsichtlich des Hauptkatalogs dazu eingewandt, dass
bei dieser Verfahrensweise im kommenden Jahr gleichwohl ein Neudruck erforderlich
sein werde, wenn denn im vorliegenden Berufungsverfahren das angefochtene Urteil
alsdann abgeändert und die Klage abgewiesen werde. Der gerade erst im Juli des
Jahres neu erschienene Hauptkatalog werde nämlich turnusmäßig sonst nur alle 2
Jahre neu verlegt. Diesem Argument vermag sich der Senat jedoch nicht
anzuschließen. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar darlegen können, inwiefern sie
gehindert sein soll, zunächst nur einen Teil der Kataloge in der geschilderten Weise
abzustempeln und den anderen Teil für ein unbearbeitetes Versenden nach einem
etwa erfolgreichen Ausgang des Berufungsverfahrens vorzuhalten. Die anfallenden
Kosten für eine vermutlich aufwendige manuelle Tätigkeit in zeitlich verschiedenen
Arbeitsgängen sind nach Auffassung des Senats durch die vorgenommene Schätzung
und entsprechende Erhöhung der Sicherheitsleistung abgedeckt.
Soweit darüber hinaus die Beklagte einen Schaden von 1,6 Mio. auf die Dauer von 10
Jahren für entgangene Deckungsbeiträge aus der Veräußerung des
streitgegenständlichen Produkts errechnet hat, kann dem nicht gefolgt werden, weil die
Beklagte in den vergangenen Jahren nach ihren eigenen Berechnungen aus dem
Verkauf gerade dieses Produktes keinen oder nur einen minimalen Gewinn erzielt hat.
Angesichts der eingehenden Erörterung dieses Punktes im Verhandlungstermin sieht
der Senat insoweit von nochmaligen schriftlichen Erläuterungen ab.
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