Urteil des OLG Köln vom 06.01.2010

OLG Köln (zpo, auflage, stpo, arrestgrund, beschwerde, straftat, steuerhinterziehung, oldenburg, entziehen, anordnung)

Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 636 + 642/09
Datum:
06.01.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 636 + 642/09
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird verworfen.
G r ü n d e:
1
I.
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Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung ermittelt gegen den
Beschuldigten wegen Einkommens- und Umsatzsteuerverkürzung in den Jahren 2003
bis 2007. Er soll als Gesellschafter – Geschäftsführer der Firma R. H. GmbH in diesem
Zeitraum durch unrichtige Umsatzsteuererklärungen Umsatzsteuer i.H.v. mindestens
32.000 € zu Gunsten der Gesellschaft und durch unrichtige
Einkommenssteuererklärungen Einkommenssteuer i.H.v. mindestens 15.000 € zu
seinen eigenen Gunsten verkürzt haben. Mit Schreiben vom 19.10.2009 hat das
Finanzamt beantragt, den dinglichen Arrest in das Vermögen des Beschuldigten i.H.v.
48.000 € und in das Vermögen der Gesellschaft i.H.v. 32.000 € anzuordnen. Das
Amtsgericht hat die Anträge abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des
Finanzamts hat die 6. großen Strafkammer des Landgerichts K. als
Wirtschaftsstrafkammer durch Beschluss vom 26.11.2009 wegen fehlenden
Arrestgrundes verworfen. Der Verdacht, dass der Beschuldigte zur Begehung seiner
Steuerstraftaten die Kassen manipuliert habe, reiche dazu nicht. Hiergegen richtet sich
die weitere Beschwerde des Finanzamts vom 21.12.2009, mit der geltend gemacht wird,
aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschuldigten sei davon auszugehen, dass
dieser bei Kenntnis der Sach- und Rechtslage alles tun werde, um sein gegebenenfalls
noch vorhandenes Vermögen dem Zugriff des Finanzamts zu entziehen. Der
Arrestgrund liege allein schon aufgrund der Steuerhinterziehung als Vermögensdelikt
vor, zumal die Tatbegehung auf eine Vermögensverbergungsabsicht schließen lasse.
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II.
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Die weitere Beschwerde ist nach § 310 Abs. 1 Ziff. 3 StPO statthaft und auch im Übrigen
zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
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Das Landgericht hat die Beschwerde zu Recht verworfen, da nach dem derzeitigem
Sach- und Ermittlungsstand ein Arrestgrund nach §§ 111 d Abs. 2 StPO, 917 ZPO nicht
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Sach- und Ermittlungsstand ein Arrestgrund nach §§ 111 d Abs. 2 StPO, 917 ZPO nicht
gegeben ist. Der Arrestgrund setzt die Besorgnis voraus, dass ohne Anordnung des
Arrestes die künftige Vollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert wäre.
Ob allein die gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftat eine solche Besorgnis
begründet, ist umstritten (bejahend: OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 (3. Strafsenat), 111;
OLG Stuttgart NStZ 2007, 540; Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 111 d Rdn. 8;
Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Aufl. § 917 Rdn. 8; Baumbach/Lauterbach/Hartmann,
ZPO, 63. Auflage, § 917 Rdn. 11; für den Regelfall bejahend: BGH WM 1983, 614 (3.
ZS); OLGR Dresden 1998, 150; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1592; Zöller-
Vollkommer, ZPO, 27. Auflage, § 917 Rdn. 6; Wieczorek-Schütze, ZPO, 3. Auflage §
917 Rdn. 11; verneinend: BGH WM 1975, 641 (6. ZS); OLGR Köln 1999, 354 (16. ZS);
OLGR Köln 2007, 799 (19. ZS); OLG Zweibrücken StraFo 2009, 462; OLG Oldenburg
StrFo 2008, 25; StraFo 2009, 283; OLGR Saarbrücken 2006, 81; OLGR Frankfurt 2001,
71 (16. ZS), OLG Koblenz NJW-RR 2002, 575; LG Hamburg NStZ-RR 2004, 215;
Schäfer in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 111 d Rdn. 17; Mayer in KMR, StPO,
§ 111 b Rdn. 24; Musielak-Huber, ZPO, 4. Auflage, § 917 Rdn. 3; Heinze in Münchner
Kommentar, ZPO, 2. Auflage, § 917 Rdn. 6). Der Senat hält mit der überwiegenden
Auffassung eine differenzierende Betrachtungsweise für erforderlich. Würde allein die
gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftat einen Arrestgrund darstellen, hätte es der
Verweisung in § 111 d Abs. 2 StPO auf § 917 ZPO nicht bedurft. Es gibt auch keinen
allgemeinen Erfahrungssatz, dass ein Beschuldigter, der fremdes Vermögen durch eine
vorsätzliche Straftat geschädigt hat, grundsätzlich zur Vollstreckungsvereitelung bereit
ist. Mit der Aufdeckung der Straftat entsteht für den Beschuldigten eine neue Situation.
Es kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass er - davon unbeeindruckt -
nunmehr versuchen wird, sein gesamtes für den Schaden haftendes Vermögen vor
einem Zugriff des Gläubigers in Sicherheit zu bringen. Mit dem allgemeinen
Erfahrungssatz, wonach derjenige, der einmal unredlich gewesen ist, das auch in
Zukunft sein werde, ist es nicht getan (BGH WM 1975, 641). Für den Verdacht der
Steuerhinterziehung gilt insoweit nichts anderes (OLG Oldenburg a.a.O.). Mit der vom
Finanzamt angeführten Erwägung, allein der Steuerhinterziehungsverdacht lasse auf
die Absicht des Beschuldigten schließen, alles zu tun, um das gegebenenfalls noch in
seinem Besitz vorhandene Vermögen dem Zugriff des Finanzamts zu entziehen, ließe
sich ein Arrestgrund in nahezu allen Fällen von Steuerhinterziehung begründen. Eine
solche Betrachtung wird der wirtschaftlich nicht selten existenzbedrohenden Belastung
des Schuldners durch die Anordnung des dinglichen Arrests nicht gerecht.
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Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn etwa besondere Umstände der
Tatbegehung oder die gesamte Lebensführung des Beschuldigten darauf ausgerichtet
sind, durch manipulatives und betrügerisches Verhalten sein Vermögen zu verschleiern
oder zu verschieben. Für eine solche Annahme reicht das Ermittlungsergebnis
vorliegend aber nicht. Das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten geht nicht über
die Tatbestandsverwirklichung hinaus. Das gilt auch für die von der Anzeigenerstatterin
beschriebenen Kassenmanipulationen. Dass Einkünfte nicht ordnungsgemäß verbucht
werden, ist für die Umsatzsteuerverkürzung gerade typisch.
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Andere Umstände, die auf die Gefahr der Vollstreckungsvereitelung hindeuten könnten,
sind vom Finanzamt nicht dargetan worden. Auch ist über die Vermögensverhältnisse
des Beschuldigten - außer dass er Miteigentümer eines Hausgrundstücks ist - nichts
bekannt. Die Antragstellung ist daher nach dem derzeitigen Ermittlungsstand jedenfalls
verfrüht.
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