Urteil des OLG Köln vom 28.01.2000

OLG Köln: verkehr, kennzeichnungskraft, zertifizierung, wortmarke, verwechslungsgefahr, unterscheidungskraft, beschreibende angabe, bildmarke, bestandteil, firma

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 6 U 100/99
28.01.2000
Oberlandesgericht Köln
6. Zivilsenat
Urteil
6 U 100/99
Landgericht Köln, 84 O 70/98
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29.04.1999 verkündete
Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O
70/98 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des
Rechtsstreits tragen die Klägerinnen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerinnen dürfen die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 21.000,00 DM abwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch
unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte Bürgschaft eines in der
Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen
Kreditinstituts zu erbringen.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin zu 1), die Firma S. + Partner Unternehmensberatung GmbH mit Sitz in E.,
befaßt sich mit der Zertifizierung von Qualitätssicherungs-/Qualitätsmanagementsystemen
und von Personal. Für diesen Bereich ist zu ihren Gunsten mit Priorität vom 25.05.1994 die
Wortmarke "EUROCERT" eingetragen. Die Klägerin zu 2), die Firma EUROCERT
Gesellschaft zur Zertifizierung von Personal und Qualitätsmanagementsystemen mbH,
wurde im August 1994 gegründet und ist seither unter ihrem Firmennamen "EUROCERT"
im geschäftlichen Verkehr tätig. Der Gegenstand des Unternehmens der Klägerin zu 2) ist
eine Dienstleistung, die darin besteht, Unternehmenspersonal, ggf. nach Beratung und
Schulung durch ein anderes Unternehmen, nach bestimmten DIN-Normen zu
bescheinigen, daß sie die Qualitätsanforderungen an ein Managementsystem erfüllen. Die
Klägerin zu 2) befaßt sich namentlich mit der Zertifizierung von Personal nach der
europäischen Norm EN 45013 und der Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen
nach DIN ISO 9001 (EN 29001), DIN ISO 9002 (EN 29002) und DIN ISO 9003 (EN 29003).
Dabei benutzt sie nicht nur die Wortmarke 2 092 700 "EUROCERT", sondern auch die zu
Gunsten der Klägerin zu 1) für die Waren-/Dienstleistungen "Zertifizierung von
Qualitätsmanagement und Personal für Unternehmen gemäß EN 45012; Zertifizierung von
Personal gemäß EN 45013 (EN - Europäische Norm)" eingetragene Wort-/Bildmarke
"EUROCERT" mit der Nr. 2 068 500 (im folgenden: "EUROCERT im Sternenkranz"). Beide
Marken werde zur Verdeutlichung nachfolgend bildlich wiedergegeben:
Genügen die von den Klägerinnen geprüften Unternehmen bestimmten
Qualitätsanforderungen, stellt die Klägerin zu 2) dem Unternehmen und dem in ihm tätigen
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Personal ein Zertifikat aus, aus dem ersichtlich ist, daß das Personal zum Beispiel die
Prüfung zum Erwerb des Zertifikats "Qualitätsmanagement-Beauftragter",
"Qualitätsmanagement-Fachkraft" oder "Qualitäts- management-Fachauditor" nach den
Zertifizierungsrichtlinien der Klägerin zu 2) bestanden hat. Das Unternehmen selbst erhält
ggf. ein Zertifikat der aus Blatt 89 d.A. ersichtlichen Art, mit dem ihm bescheinigt wird, daß
es ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt hat und dieses anwendet. Muster solcher
von der Klägerin zu 2) vergebenen Zertifikate für ein Qualiätsmanagementsystem einerseits
und eine "Qualitätsmanagement-Beauftragte" andererseits, die allesamt die
Firmenbezeichnung der Klägerin zu 2) und die Wort-/Bildmarke "EUROCERT im
Sternenkranz" tragen, werden nachfolgend zur Verdeutlichung bildlich in Schwarz/Weiß-
Kopie wiedergeben:
Soweit die Klägerin zu 2) die beiden Klagemarken bei der Zertifizierung von Personal und
der Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen verwendet, ist sie aufgrund von
Nutzungsverträgen vom 16.08.1994 und 17.03.1995 Lizenznehmerin der Klägerin zu 1),
und zwar sowohl hinsichtlich der Wortmarke "EUROCERT" als auch hinsichtlich der Wort-
/Bildmarke "EUROCERT im Sternenkranz". Die Klägerin zu 1) hat der Klägerin zu 2), die
die Bezeichnung "EUROCERT" seit Jahren nicht nur auf den von ihr erteilten Zertifikaten,
sondern auch in der Werbung, in Zeitschriften, im Internet und auch anläßlich des
Auftretens auf Veranstaltungen benutzt, ihre Zustimmung erteilt, die Rechte aus den zum
Gebrauch überlassenen Marken im eigenen Namen geltend zu machen.
Der Beklagte befaßt sich u.a. mit der Zertifizierung von Umweltmanagementsystemen und
Qualitätsmanagementsystemen sowie Entsorgungsfachbetrieben. Er tritt nach seinem
unbestrittenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.1999 im geschäftlichen
Verkehr seit Mai 1995 unter der Bezeichnung "Ö. EuroCert e.V." auf. Er ist Teil einer nach
seinem unstreitigen Vorbringen im Verkehr nur wenig bekannten Unternehmensgruppe, die
aus den Firmen Ö. C. GmbH, Ö. A. GmbH, Ö. E. GmbH, Ö. S. GmbH, Ö. A. GmbH und Ö.
EuroCert e.V. Zertifizierungsstelle besteht. Die Parteien streiten darüber, ob und inwieweit
der Beklagte die weitere Verwendung seines Namensbestandteils "EuroCert" zu
unterlassen und in die Löschung des Firmenbestandteils einzuwilligen hat. Außerdem
verlangen die Klägerinnen von dem Beklagten Auskunftserteilung und
Schadenersatzfeststellung. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß im deutschsprachigen
Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) zahlreiche akkreditierte Zertifizierer für
Qualitätsmanagementsysteme tätig sind, die den Wortbestandteil "Zert" oder "Cert" in ihrem
Firmennamen verwenden. Zum Beispiel gibt es die "AdvoCert Zertifizierungsgesellschaft
für Rechtsanwälte mbH", die "BAYCERT Zertifizierungsgesellschaft", die "CERTQUA
GmbH", die "GlobalCert GmbH" oder z.B. die Zertifizierungsstelle des RWTÜV e.V., den
"TÜV Cert". Wegen der weiteren Einzelheiten der zahlreichen Gesellschaften pp., die die
Bestandteile "Zert" oder "Cert" in ihrem Firmennamen benutzen, wird auf die von den
Klägerinnen mit der Klageschrift vom 09.11.1998 als Anlage 1 zu den Akten gereichte Liste
der akkreditierten Zertifizierer sowie die aktualisierte Liste aus dem Internet verwiesen, die
die Klägerinnen als Anlage 12 zu ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 22.02.1999 zu
den Akten gereicht haben (Blatt 119 ff. d.A.).
Diesem Rechtsstreit vorausgegangen war eine zwischen den Parteien geführte
Korrespondenz, die im August 1995 begann und im Februar 1996 vorläufig endete, dann
aber ab Ende Mai 1998 erneut geführt wurde und sich bis Mitte September 1998 erstreckte.
Unter dem 14.08.1995 mahnte die Klägerin zu 2) den Beklagten wegen der von ihm
geführten Bezeichnung "EuroCert" unter Fristsetzung bis zum 20.09.1995 ab. Nach
Fristverlängerung antwortete der Beklagte unter dem 27.09.1995, äußerte u.a. Bedenken
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hinsichtlich der Rechtsbeständigkeit der Marken "EUROCERT" und "EUROCERT im
Sternenkranz" und drohte Löschungsantrag für den Fall an, dass eine einvernehmliche
außergerichtliche Klärung der Angelegenheit nicht herbeigeführt werden könne. Alsdann
schlug der Beklagte den Abschluss einer Koexistenzvereinbarung vor. Auf das nicht
vollständig bei den Akten befindliche Schreiben des damaligen Prozessbevollmächtigten
Rechtsanwalt M. der Klägerin zu 1) vom 21.12.1995 (Blatt 282 d.A.) antwortete der
Beklagte unter dem 26.01.1996 (Blatt 283 d.A.), das nunmehr vorliegende
Unterlassungsbegehren verstehe er in der Weise, dass es im wesentlichen um den
Firmenbestandteil "EURO" gehe und dass bei einer künftigen Firmierung "Ö.-... Cert e.V."
die Gefahr einer möglichen Verwechslung ausgeräumt sei. Alsdann bat der Beklagte um
Bestätigung, dass das Schreiben vom 21.12.1995 in dieser Hinsicht richtig interpretiert
worden sei. Dieses Schreiben des Beklagten vom 26.01.1996 sandte der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1) seiner Mandantin am 29.01.1996 mit der Bitte
um Stellungnahme zu. Auf diesem Schreiben vom 29.01.1996 vermerkte die Klägerin zu 1)
unter dem 01.02.1996, sie sei mit dieser Regelung einverstanden. Daraufhin schrieb
Rechtsanwalt M. unter dem 06.02.1996 an die Prozessbevollmächtigten des Beklagten und
teilte diesen folgendes mit:
Betr.: Fa. EUROCERT GmbH ./. Ö. EuroCert e.V.
Bezug: Ihr Schreiben vom 26.1.96
Sehr geehrte Herren Kollegen,
auf Ihr o.a. Schreiben wird erwidert, daß meine Mandantin mit der von Ihnen
vorgeschlagenen Regelung einverstanden ist.
Insoweit bitte ich das entsprechende kurzfristig zu veranlassen.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen"
Zwischen den Parteien ist streitig, ob dieses Schreiben vom 06.02.1996 den
Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugegangen ist. Jedenfalls geschah in der
Folgezeit zunächst nichts, bis Patentanwalt Dr. M. der Klägerin zu 1) unter dem 25.05.1998
mitteilte, dass der Beklagte nach wie vor unter seinem Namen "Ö. EuroCert e.V." tätig sei
und aus der Abmahnung von Rechtsanwalt M. keinerlei Konsequenzen gezogen habe.
Daraufhin bat die Klägerin zu 1) Patentanwalt Dr. M. unter dem 03.06.1998, den Beklagten
abzumahnen. Die Abmahnung erfolgte noch am selben Tag. Sie wurde mit anwaltlichem
Schreiben des Beklagten vom 19.06.1998 zurückgewiesen. Schließlich erklärte der
Beklagte nach zwischenzeitlich erfolgter weiterer Korrespondenz mit Schreiben vom
11.09.1998 u.a., er sei bereit, die weitere Verwendung der Bezeichnung "EuroCert"
strafbewehrt zur Unterlassung zu erklären, allerdings erst mit Wirkung vom dem
01.09.2001. Dieses Angebot wies die Klägerin zu 1) wegen des beanspruchten
Weiterbenutzungszeitraums mit Schreiben vom 14.09.1998 als inakzeptabel zurück.
Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, die Verwendung des Namensbestandteils
"EUROCERT" durch den Beklagten verletzte sie in ihren Firmen- und Markenrechten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen erstinstanzlichen Vorbringens der
Klägerinnen wird der Inhalt der Klageschrift vom 09.11.1998 sowie der Schriftsätze vom
28.01., 22.02. und 19.03.1999 (Blatt 1 ff., Blatt 58 ff., Blatt 68 ff. und Blatt 138 ff. d.A.) in
Bezug genommen.
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Die Klägerinnen haben beantragt,
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I. den Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft,
oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit der
Zertifizierung von Umweltmanagementsystemen, Zertifizierung von
Entsorgungsfachbetrieben und Begutachterschulungen den Namen "Ö. Eurocert e.V."
zu führen;
2. in die Löschung des Namens "Ö. EuroCert e.V." beim zuständigen Registergericht
einzuwilligen;
3. Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang seit dem 14. März 1995 er
Handlungen gemäß Ziffer I 1 begangen, insbesondere welche Umsätze er getätigt und
welche Werbemaßnahmen er veranlaßt hat, und zwar unter Darlegung der
Gestehungskosten, aufgeschlüsselt nach DM-Werten und Kalendermonaten.
II. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu
ersetzen, der diesen aus den in Ziff. I 1 beschriebenen Handlungen seit dem 14. März
1995 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Bezeichnung "EUROCERT" sei nicht schutzfähig, weil
sie aus zwei schutzunfähigen Begriffen gebildet sei, denen auch in ihrer Kombination eine
markenrechtliche Unterscheidungskraft nicht zukomme. Außerdem sei eine
Verwechslungsgefahr ausgeschlossen, weil in seinem - des Beklagten - Namen der
Bestandteil "EuroCert" einen rein beschreibenden Charakter habe, während der prägende
Namensbestandteil "Ö." sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen
Sachvorbringens des Beklagten wird der Inhalt seiner Klageerwiderungsschrift vom
08.01.1999 und seines Schriftsatzes vom 09.03.1999 (Blatt 42 ff. und Blatt 131 ff. d.A.) in
Bezug genommen.
Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten ebenfalls verwiesen wird
(Blatt 152 ff. d.A.), hat das Landgericht den Beklagten im wesentlichen den Klageanträgen
der Klägerinnen folgend zur Unterlassung, zur Auskunftserteilung und zur
Löschungsbewilligung verurteilt. Außerdem hat es die grundsätzliche
Schadenersatzverpflichtung des Beklagten festgestellt. Lediglich hinsichtlich des Umfangs
des geltend gemachten Auskunfts- und Schadenersatzfeststellungsanspruchs hat es die
Klage teilweise abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im
wesentlichen ausgeführt, der Unterlassungsanspruch der Klägerinnen ergebe sich aus §§
4, 5, 14 Abs. 2 Nr. 1, 15 Abs. 2, 30 Abs. 3 Markengesetz, weil die Verwendung der
Bezeichnung "EUROCERT" in der Namensbezeichnung des Beklagten geeignet sei,
Verwechslungen mit der Marke der Klägerin zu 1) bzw. den von den Klägerinnen unter
dieser Marke angebotenen Dienstleistungen hervorzurufen oder den fälschlichen Eindruck
eines wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhangs zwischen dem Beklagten
und der Klägerin zu 2) zu erwecken. Der die geschäftliche Bezeichnung der Klägerin zu 2)
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prägende Firmenbestandteil "EUROCERT" besitze wenn auch nur schwache, so jedoch
originäre Unterscheidungskraft. Die für den Unterlassungsanspruch notwendige
Verwechslungsgefahr sei auch unter Berücksichtigung des Umstandes gegeben, daß der
Beklagte die Bezeichnung "EuroCert" nur in Verbindung mit "Ö." verwende.
Gegen das ihm am 27.05.1999 zugestellte Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG
Köln vom 29.04.1999 hat der Beklagte am Montag, dem 28.06.1999, Berufung eingelegt
und diese nach zweifacher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum
06.09.1999 mit einem an diesem Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen zur Schutzfähigkeit
und zum Schutzumfang der Marken der Klägerin zu 1) und des Firmennamens der Klägerin
zu 2) und verweist darauf, er habe zwischenzeitlich unstreitig beim Deutschen Patent- und
Markenamt unter der Nr. 396.09.968 die Eintragung der Wortmarke "EUROCERT" für die
Dienstleistungen "Technische Beratung, Erstellung von technischen Gutachten" erreicht
(vgl. Blatt 221/22 d.A.). Die Marke "EUROCERT" sei unstreitig am 23.12.1988 von den P.-
Werken AG in Aarbergen für verschiedene Waren und u.a. die genannten Dienstleistungen
angemeldet und am 15.05.1990 unter der Nr. 1.157.050 in das Markenregister eingetragen
worden. Bereits 1995 - so behauptet der Beklagte unter Vorlage eines auf November 1995
datierten Vertrages (Blatt 299 d.A.) - habe sich die Firma P.-Werke AG ihm gegenüber
verpflichtet, die Nutzung der Bezeichnung "EUROCERT" durch ihn zu dulden, im
Dezember 1998 habe man sich darauf geeinigt, die Marke zu teilen und den die
Dienstleistungen betreffenden Teil auf ihn - den Beklagten - zu übertragen. Die Firma P.-
Werke AG habe die Marke "EUROCERT" sowohl für die geschützten Waren als auch für
die geschützten Dienstleistungen bis Dezember 1998 umfangreich benutzt. Wenngleich er
- der Beklagte - nicht die Absicht habe, gegen die Klägerinnen aus dieser Marke
hinsichtlich der Firmenbezeichnung der Klägerin zu 2) und der zu Gunsten der Klägerin zu
1) eingetragenen Marken vorzugehen, könne - so meint der Beklagte - die Klage keinen
Erfolg mehr haben, weil ihm wegen des Markenerwerbs von der Firma P.-Werke AG die
älteren Rechte zustünden. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen
Vorbringens des Beklagten wird der Inhalt seiner Berufungsschrift vom 06.09.1999 (Blatt
302 ff. d.A.) in Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
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das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 29.04.1999 - 84
0 70/98 - zu ändern und die Klage abzuweisen,
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hilfsweise für den Fall des Unterliegens,
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das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären und ihm ggf. eine angemessene
Aufbrauchfrist zu gewähren.
Die Klägerinnen beantragen,
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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Beklagte mit dem Klageantrag
zu 1. verurteilt werden soll,
es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei der
Zertifizierung von Umweltmanagementsystemen, Zertifizierung von
Entsorgungsfachbetrieben und Begutachterschulungen den Namen "Ö. EuroCert e.V." zu
führen.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, der Beklagte sei ihnen gegenüber bereits aufgrund
der in den Jahren 1995 und 1996 geführten Korrespondenz aus Vertrag verpflichtet, die
weitere Verwendung der Bezeichnung "Ö. EuroCert e.V." zu unterlassen. Jedenfalls
bedeute die Verwendung der Bezeichnung "EUROCERT" durch den Beklagten, dessen
weiterer Firmenbestandteil vom Verkehr buchstabiert und nicht als Wort gelesen werde,
eine Marken- und Firmenrechtsverletzung, die hinzunehmen sie nicht verpflichtet seien.
Außerdem bestreiten die Klägerinnen die rechtserhaltende Benutzung der Marke
"EUROCERT" durch die Firma P.-Werke AG hinsichtlich der Dienstleistungen auf dem
Sektor "Technische Beratung, Technische Gutachten", und sind der Auffassung, die von
dem Beklagten erworbene Marke sei bereits im Dezember 1998 löschungsreif gewesen. Im
übrigen erweise sich das Verhalten des Beklagten als unlauterer Behinderungswettbewerb
im Sinne der "NEUTREX-" und "Analgin"- Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Der
Beklagte müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, die Marke zweckfremd als Mittel des
Wettbewerbskampfes einzusetzen. Etwaige Gegenansprüche des Beklagten aus der
erworbenen Marke seien überdies verwirkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den in der
mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen ergänzend Bezug genommen. Die nachgelassenen
Schriftsätze der Parteien vom 03.12.1999 (Blatt 331 f. d.A.) und 13.12.1999 (Blatt 329 ff.
d.A.) haben vorgelegen, ebenso der Schriftsatz des Beklagten vom 16.12.1999 (Blatt 534 f.
d.A.).
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Änderung
des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Der erhobene
Unterlassungsanspruch wie auch die geltend gemachten Folgeansprüche einschließlich
des Löschungsanspruchs stehen den Klägerinnen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt
zu.
Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch aus §§ 305, 241 BGB stünde den Klägerinnen
selbst dann nicht zu, wenn sie in der Lage wären, für ihre Behauptung, die
Prozessbevollmächtigten des Beklagten hätten ihr Schreiben vom 06.02.1996 erhalten,
geeigneten Beweis anzutreten und diesen Beweis alsdann zu führen. Denn auch dann,
wenn in tatsächlicher Hinsicht von einem Zugang des Schreibens vom 06.02.1996
ausgegangen werden könnte, wäre zwischen den Parteien ein
Unterlassungsverpflichtungsvertrag schon deshalb nicht wirksam zustandegekommen, weil
der Inhalt des Schreibens des Beklagten vom 26.01.1996 kein entsprechendes Angebot
beinhaltet. In diesem Schreiben wird den Klägerinnen nämlich nicht etwa angetragen, die
weitere Verwendung der Namensbezeichnung "Ö. EuroCert e.V." (strafbewehrt) zu
unterlassen. Das Schreiben vom 26.01.1996 beinhaltet vielmehr lediglich die Anfrage, ob
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die Klägerinnen die Verwechslungsgefahr als ausgeräumt ansähen, wenn der Beklagte die
weitere Verwendung des seiner Ansicht nach freihaltebedürftigen Firmenbestandteils
"Euro" unterlasse. Dass die Klägerinnen dieses Schreiben des Beklagten vom 26.01.1996
selbst nicht als den Beklagten bindendes Angebot, sondern lediglich als Anfrage
verstanden haben, deren Beantwortung in bestimmter Weise den künftigen Abschluss
eines Unterlassungsverpflichtungsvertrages und gleichzeitiger Freizeichnung des
Firmennamens "Ö. ... Cert e.V." ermöglichen könnte, folgt aus dem Inhalt ihres Schreibens
vom 06.02.1996. Denn dort heißt es nach dem Hinweis, man sei mit der vorgeschlagenen
Regelung einverstanden, ausdrücklich, man bitte, "das entsprechende kurzfristig zu
veranlassen". Daraus folgt, dass auch die Klägerinnen seinerzeit nicht davon ausgingen,
ein den Beklagten bindendes Vertragsangebot in Händen zu halten.
Kann demnach von einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung des Beklagten keine
Rede sein, ergibt sich der Unterlassungsanspruch der Klägerinnen auch nicht aus Marken-
und/oder Firmenrecht.
Was einen möglichen Unterlassungsanspruch der Klägerinnen aus § 14 Abs. 5 in
Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1, § 1 Nr. 1, § 4 Nr. 1 MarkenG angeht, kann die
Wort/-Bildmarke "EUROCERT im Sternenkranz" bei der Prüfung der tatbestandlichen
Voraussetzungen der §§ 14 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1, § 1 Nr. 1, § 4 Nr. 1
MarkenG außer Betracht bleiben, weil der Beklagte unstreitig nur den Wortbestandteil
"EUROCERT" in bestimmter Schreibweise verwendet und eine markenrechtswidrige
Verletzung der Wort/-Bildmarke "EUROCERT im Sternenkranz" ersichtlich nicht in Betracht
kommt, wenn der Beklagte durch die Führung seines Namens schon die Rechte der
Klägerinnen aus der Wortmarke "EUROCERT" nicht verletzt. Genau das ist aber der Fall.
Nach § 14 Abs. 1 MarkenG gewährt der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 MarkenG
dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht. Dritten ist es bei anderweitiger
Unterlassungspflicht (§ 14 Abs. 5 MarkenG) untersagt, ein mit der Marke identisches
Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind,
für die sie Schutz genießt (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), oder ein Zeichen zu benutzen,
wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität
oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder
Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich
der Gefahr, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird (§ 14
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Da mangels Markenidentität nur ein Verstoß des Beklagten gegen §
14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in Betracht kommt, kommt es entscheidend auf die Frage der
Verwechslungsgefahr an, eine Frage, die nach allgemeiner Meinung eine reine
Rechtsfrage ist (siehe statt vieler nur BGH GRUR 1995, 808, 810 "P3-plastoclin" m.w.N.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa: GRUR 1986, 775, 776
"Sali Toft" oder BGH GRUR 1996, 777, 778 "JOY") ist zur Beurteilung der
zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr der gegenüberstehenden Bezeichnungen auf
den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen. An diesem das
Kennzeichenrecht beherrschenden Grundsatz hat sich auch durch die Umsetzung der
Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken durch das Markengesetz nichts
geändert. Das hat der Bundesgerichtshof wiederholt ausgesprochen (vgl. BGH a.a.O., "Sali
Toft" und "JOY" sowie BGH GRUR 1996, 198, 199 "Springende Raubkatze"; BGH GRUR
1996, 200, 201 "Innovadiclophlont"; BGH GRUR 1996, 404, 405 - "Blendax Pep"; BGH
GRUR 1996, 406 - "JUWEL"). Dieser in das Markenrecht übernommene Grundsatz, der
besagt, daß die sich gegenüberstehenden Zeichen (Adäquates gilt, was mit Blick auf den
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erhobenen firmenrechtlichen Unterlassungsanspruch bereits an dieser Stelle festgehalten
werden kann, für sich gegenüberstehende Firmenbezeichnungen) nur in ihrer Gesamtheit
betrachtet werden dürfen, gilt auch dann, wenn das ältere Zeichen sich in einem jüngeren
zusammengesetzten Zeichen (oder einer entsprechenden Firmenbezeichnung) identisch
wiederfindet (BGH, a.a.O., "JOY", "Blendax Pep" und "JUWEL"). Er schließt die Erkenntnis
ein, daß einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens eine besondere, das Gesamtzeichen
prägende Kennzeichnungskraft beigemessen werden kann und daß deshalb bei einer
Übereinstimmung einer Bezeichnung mit dem so geprägten Zeichen die
Verwechslungsgefahr zu bejahen sein kann (BGH GRUR 1996, 404, 405 - "Blendax Pep").
Auf der Basis dieser Kriterien teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass der
Wortmarke "EUROCERT" von Haus aus eine gewisse Unterscheidungskraft zukommt,
dass diese jedoch gering ist. Die Kennzeichnungskraft des Begriffs "EUROCERT" ist als
gering einzustufen, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Begriffen,
die sich erkennbar aus beschreibenden Elementen ableiten, regelmäßig nur eine
geringfügige Unterscheidungskraft beigemessen werden kann (BGH GRUR 1985, 808, 810
"P3-plastoclin" mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die aus den Worten
"EURO" und "CERT" zusammengesetzte Wortmarke der Klägerin zu 1) beinhaltet zwar
keine glatt beschreibende Angabe in dem Sinne, dass jedermann der zusammengesetzten
Bezeichnung nur einen einzigen Wortsinn geben würde. Es kann jedoch nicht
unberücksichtigt bleiben, dass sich die Parteien und namentlich auch die Klägerin zu 1) in
einem ganz bestimmten Marktsegment bewegen, indem sie nämlich spezielle
Dienstleistungen anbieten, hier die Zertifizierung von Personal- und Qualitätsmanagement-
Systemen, wobei der Europabezug dieser Tätigkeit auf der Hand liegt und im übrigen von
keiner Partei in Abrede gestellt wird. Der von zahlreichen Wettbewerbern der Parteien
verwendete Zeichenbestandteil "Cert" wird vom angesprochenen Verkehr als bloßer
Hinweis auf die angebotenen Dienstleistungen der Zertifizierer und damit auch der
Klägerinnen verstanden. Dem Wortbestandteil "Euro" kommt eine Unterscheidungskraft
nicht zu. Andererseits handelt es sich bei den Wortbestandteilen der Marke "EUROCERT"
jeweils um abgekürzte Worte, die - würde man sie isoliert verwenden - für sich genommen
keinen eindeutigen Sinn ergäben. Wenn auch die Wortbestandteile "Euro" oder "Europa"
auf der einen Seite und auch das abgekürzte, der englischen Sprache entlehnte Wort "cert"
demnach jeweils für sich genommen nicht schutzfähig sein könnten, ist in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch anerkannt, dass auch selbständig nicht
schutzfähige Bestandteile unter bestimmten Voraussetzungen durchaus geeignet sein
können, zur Prägung eines Gesamteindrucks beizutragen (BGH GRUR 1995, 808, 810 -
"P3-plastoclin" mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und der Literatur).
Ungeachtet der beschreibenden Anklänge des Begriffs "EUROCERT" als Hinweis auf
einen "EURO-Zertifizierer", eine "europäische Zertifizierung", eine "europaweite
Zertifizierung" oder auch eine "Zertifizierung nach europäischen Normen" kann deshalb der
Wortmarke "EUROCERT" zwar keine besonders hohe oder auch nur normale originäre
Unterscheidungskraft zugesprochen werden. Andererseits ist sie trotz der beschreibenden
Anklänge aber nicht so gering, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen
werden könnte und sie deshalb gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht hätte in das
Markenregister eingetragen werden dürfen.
Ist deshalb davon auszugehen, dass der Wortmarke "EUROCERT" und auch - was schon
an dieser Stelle festgehalten werden kann - der Firmenbezeichnung "EUROCERT" der
Klägerin zu 2) eine gewisse Unterscheidungskraft zukommt, die aber wegen ihrer
beschreibenden Anklänge als gering zu bezeichnen ist, kann in tatsächlicher Hinsicht nicht
davon ausgegangen werden, dass der geringe Grad der Kennzeichnungskraft der Marke
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"EUROCERT" durch Verkehrsbekanntheit eine maßgebliche Stärkung erfahren haben
könnte. Zwar ist anerkannt, dass die Kennzeichnungskraft einer Marke u.a. durch die
tatsächlichen Gegebenheiten im Markt dadurch eine Stärkung erfahren haben kann, dass
die Marke im Verkehr eine gewisse Bekanntheit erlangt. So, wie ein über eine
ursprüngliche, allerdings nur schwache Unterscheidungskraft verfügender
Firmenbestandteil durch seiner Bekanntheit in der Branche eine gestärkte
Kennzeichnungskraft erlangen kann (BGH GRUR 1997, 468, 469 "NetCom"), kann es auch
für die Unterscheidungskraft einer schwach kennzeichnenden Marke von Bedeutung sein,
ob und inwieweit die Marke in der Branche bekannt ist. Im Streitfall kann jedoch von einer
maßgeblichen Stärkung des geringen Grads der Kennzeichnungskraft der Marke
"EUROCERT" durch Verkehrsbekanntheit im vorbezeichneten Sinne nicht ausgegangen
werden. Abgesehen davon, dass sich die Klägerinnen nicht ausdrücklich darauf berufen
haben, die Kennzeichnungskraft der Marke "EUROCERT" einerseits und der
Firmenbezeichnung "EUROCERT" anderseits sei durch tatsächliche Gegebenheiten im
Markt nachhaltig gestärkt worden, haben die Klägerinnen zwar eine Reihe von
Zeitungsberichten und auch weitere Unterlagen vorgelegt, die belegen, dass die
Klägerinnen, namentlich die Klägerin zu 2), im Markt durchaus geschäftliche Aktivitäten
entwickelt hat. Tatsachen, die Rückschlüsse auf eine Bekanntheit der Firmen- und
Markenbezeichnung "EUROCERT" im Zertifizierungswesen zuließen und die den
Rückschluss erlaubten, der nur geringe Grad der Kennzeichnungskraft der Bezeichnung
"EUROCERT" habe eine maßgebliche Stärkung erfahren, sind jedoch nicht schlüssig
vorgetragen. Über erzielte Umsätze und die Marktbedeutung der Klägerin zu 2), aber auch
die der Markeninhaberin, der Klägerin zu 1), ist entsprechendes Tatsachenmaterial nicht
vorgetragen worden. Deshalb kommt es im übrigen für die Frage der Stärkung der
Kennzeichnungskraft durch Bekanntheit im Verkehr nicht entscheidend darauf an, dass die
Klägerinnen ihre Dienstleistungen unter der (Firmen-) Bezeichnung "EUROCERT" erst seit
wenigen Monate angeboten hatten, als sich die nach ihrer Auffassung
verwechslungsfähigen Bezeichnungen erstmals im Verkehr begegneten.
Die hiernach nur mit geringer Kennzeichnungskraft versehene Wortmarke "EUROCERT"
und die Bezeichnung "Ö. EuroCert e.V." stehen sich entgegen der Auffassung des
Landgerichts nicht verwechslungsfähig gegenüber. Dabei ist nochmals hervorzuheben,
dass die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 1996, 777, 778 "JOY", GRUR 1996, 404, 405 - "Blendax
Pep" und BGH GRUR 1996, 406 "JUWEL") in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müssen,
so dass es bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr unzulässig ist, der Wortmarke
"EUROCERT" lediglich den Namensbestandteil "EuroCert" gegenüberzustellen. Die
Verwechslungsgefahr beurteilt sich folglich danach, ob die Wortmarke "EUROCERT" auf
der einen Seite und die Bezeichnung "Ö. EuroCert e.V." auf der anderen Seite miteinander
verwechslungsfähig sind. Dabei besteht die Besonderheit, dass es sich bei der
Bezeichnung "Ö.", den der Verkehr entgegen der Darstellung der Klägerinnen nicht nur
buchstabiert, sondern als zusammenhängendes Wort liest, um den Namen der
Firmengruppe handelt, zu der der Beklagte gehört. Das ist von Bedeutung, weil in der
Rechtsprechung zwar anerkannt ist, dass der Inhaber einer älteren eingetragenen
Wortmarke grundsätzlich davor geschützt werden können muss, dass sich ein anderer das
Markenwort durch bloße Voranstellung seines Firmennamens in sonst identischer Form
aneignet (vgl. z.B.: BPatG, GRUR 1996, 889, 890 "M.LIP marina"). Grundsätzlich ist dabei
zu berücksichtigen, dass der Firmenname im allgemeinen weitgehend in den Hintergrund
tritt (BGH GRUR 1970, 314 "Gentry"). Der Bundesgerichtshof hat nicht nur in der genannten
Entscheidung, sondern in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass einem
Zeichenbestandteil schon deshalb eine den Gesamteindruck prägende Kraft zukommen
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kann, weil der andere Bestandteil in der Sicht des Verkehrs in seiner Bedeutung als
Produktbezeichnung nicht sonderlich ins Gewicht fällt. Als Beispiel für Fälle solcher Art hat
der Bundesgerichtshof insbesondere den Fall angeführt, dass in der Marke ein vom
Verkehr erkennbarer Name oder Firmenbestandteil verwendet wird. In einem solchen Fall
tritt die bloße Herstellerangabe im allgemeinen weitgehend in den Hintergrund, weil der
Verkehr die Waren meist nicht nach dem Namen des Herstellers unterscheidet, sondern
seine Aufmerksamkeit auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung richtet
(vgl. nur BGH GRUR 1996, 404, 405 "Blendax Pep" mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Andererseits hat der Bundesgerichtshof aber auch betont, dass es verfehlt wäre, von einem
Regelsatz auszugehen, wonach einer Herstellerangabe als Bezeichnungsbestandteil eine
prägende Kraft für das Gesamtzeichen stets abzusprechen sei. Vielmehr muss es der
Beurteilung des Einzelfalles vorbehalten bleiben, ob in der Sicht des Verkehrs die
Herstellerangabe im Gesamtzeichen in den Hintergrund tritt oder nicht. Dabei ist dem
Umstand Rechnung zu tragen, dass die Art der Zeichengestaltung und -verwendung der
Herkunftsbezeichnung als Zeichenbestandteil, insbesondere neben einem nur schwach
kennzeichnenden Bestandteil, die Vorstellung des Verkehrs bestimmen kann, die
Herstellerangabe werde als eine zusätzliche Unterscheidungshilfe in einer für das
Gesamtzeichen prägenden Art eingesetzt (vgl. u.a. BGH a.a.O., "Blendax Pep", S. 405 am
Ende sowie BGH GRUR 1996, 406, 407 "JUWEL"). Insoweit kommt es maßgeblich darauf
an, welche besonderen Gegebenheiten der Zeichengestaltung vorliegen und welche
Bezeichnungsgewohnheiten auf dem maßgeblichen Warensektor üblich sind. Namentlich
ist die Beurteilung, wie die Bedeutung der Herstellerangabe in einem Zeichen für den
Gesamteindruck des Zeichens zu werten ist, davon abhängig, ob die Herstellerangabe als
solche dem Verkehr bekannt ist oder nicht. Grundsätzlich liegt nämlich nur bei der
Verwendung von Namen bekannter Produktionsunternehmen für den Verkehr die
Annahme nahe, das Unternehmen verwende die bekannte Herstellerangabe zusammen
mit zahlreichen produktbezogenen Sortennamen, weshalb dem anderen, neben dem
Unternehmensnamen verwendeten Zeichenbestandteil eine das Gesamtzeichen prägende,
ein bestimmtes Produkt des Unternehmens kennzeichnende Bedeutung zukomme (BGH
GRUR 1996, 404, 407 - "Blendax Pep"). Im Einzelfall kann bei der Verwendung des
Namens des Herstellers oder eines Firmenbestandteils im Warenzeichen/der Marke eine
Prägung des Gesamteindrucks durch den verbleibenden, nicht in dem
Unternehmensnamen bestehenden Bestandteil angenommen werden, weil - wie gesagt -
der Verkehr die Waren oft nicht nach dem Namen der Hersteller unterscheidet, sondern
seine Aufmerksamkeit auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung richtet
(BGH, a.a.O., "Blendax Pep" und "JUWEL").
Für den Streitfall bedeuten diese Grundsätze: Der Beklagte hat bereits in erster Instanz,
und zwar auf Seite 4 seiner Klageerwiderung vom 08.01.1999 (Blatt 45 d.A.), von den
Klägerinnen unbestritten vorgetragen, die Bezeichnung "Ö." sei das Kennzeichen einer
gesamten Unternehmensgruppe, die Bezeichnung "Ö." sei im Verkehr nicht bekannt. Die
Klägerinnen haben das nicht in Abrede gestellt. Auch ihr Vortrag in ihrem nachgelassenen
Schriftsatz vom 14.12.1999, dort Seite 4 (Blatt 343 d.A.) stellt das nicht in Abrede, wenn dort
von einer "derzeit noch begrenzte(n) Bekanntheit" des Firmengruppenhinweises die Rede
ist. Die mangelnde Bekanntheit des Begriffs "Ö." beim angesprochenen Verkehr ist im
Streitfall insoweit von entscheidender Bedeutung, als der Bundesgerichtshof in seinen
vorgenannten Entscheidungen zwar immer wieder betont hat, im Einzelfall könne bei der
Verwendung des Namens des Herstellers oder eines Firmenbestandteils in einem
Gesamtzeichen eine Prägung des Gesamteindrucks durch den verbleibenden, nicht mit
dem Firmennamen übereinstimmenden Bestandteil angenommen werden, im Streitfall aber
wiederum Besonderheiten vorliegen, die die Annahme verbieten, der verbleibende Teil
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"EuroCert" präge den Gesamteindruck. Hier ist nach Auffassung des Senats dem Umstand
maßgebliche Bedeutung beizumessen, dass Angaben mit deutlich erkennbaren
dienstleistungsbeschreibenden Bezügen wie hier "EuroCert" nur eine geringe
Kennzeichnungskraft haben und dass ihnen damit nur ein geringer Einfluss auf den
Gesamteindruck zukommen kann, der sich aus den beiden Bestandteilen "Ö." einerseits
und "EuroCert" andererseits ergibt. Da die Kennzeichnungskraft des Namensbestandteils
"EUROCERT" des Beklagten ebenso wie die Wortmarke der Klägerin zu 1) und die
Firmembezeichnung der Klägerin zu 2) nur als gering einzustufen ist, kann im Streitfall
anders als bei dem Lebenssachverhalt, der der Entscheidung "Blendax Pep" des
Bundesgerichtshofs zugrundegelegen hat, nicht davon ausgegangen werden, dass dem
weiteren Bezeichnungsbestandteil "Ö." als "Herstellerangabe" oder als Bezeichnung der
Dienstleistungsunternehmensgruppe eine mitprägende Bedeutung für den Gesamteindruck
von vornherein abzusprechen ist. In dieser Beurteilung sieht sich der Senat durch die
Entscheidung "IONOFIL" des Bundesgerichtshofs vom 10.07.1997 (GRUR 1997, 897 ff.)
bestätigt. Dort hat der Bundesgerichtshof nämlich in einem Fall, in dem das Wortzeichen
"IONOFIL" mit dem älteren Zeichen "VOCO Ionofil" kollidierte, zunächst den Grundsatz
betont, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung eine bloße Herstellerangabe als
Bestandteil einer Marke im allgemeinen weitgehend in den Hintergrund tritt, weil der
Verkehr die Waren, sofern es sich nicht um den Warenbereich der Bekleidung handelt,
meist nicht nach dem Namen des Herstellers unterscheidet, sondern seine Aufmerksamkeit
auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung richtet. Dann aber hat der
Bundesgerichtshof weiter ausgeführt, die Zeichen stünden sich verwechslungsfähig
gegenüber, weil "VOCO" eine Herstellerangabe sei, dass diese Herstellerangabe zwar
grundsätzlich als zusätzliche Unterscheidungshilfe in einer für das Gesamtzeichen
prägenden Art eingesetzt werden könne, dass es im zu entscheidenden Fall jedoch anders
sei, weil der weitere Zeichenbestandteil "Ionofil" nicht nur eine schwach, sondern eine
normal kennzeichnungskräftige Wirkung habe. In diesem Punkt unterscheidet sich der
Streitfall namentlich von der Entscheidung "Ionofil" und der Entscheidung des
Bundespatentgerichts "M.LIP marina" (GRUR 1996, 889 ff.), auf die sich die Klägerinnen
zur Stützung ihrer Rechtsauffassung berufen haben.
Besteht demnach zwischen der Wortmarke "EUROCERT" und der Firmenkennzeichnung
des Beklagten entgegen der Auffassung der Klägerinnen und auch des Landgerichts keine
Verwechslungsgefahr, ist damit zugleich gesagt, dass die Klage auch nicht etwa deshalb
Erfolg haben kann, weil die Klägerin zu 1) Inhaber der Wort-Bildmarke "EUROCERT im
Sternenkranz" ist. Zwar entspricht es bezogen auf die Kennzeichnungskraft des
Wortbestandteils einer Wort-Bildmarke der vorliegenden Art der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs, dass sich der Verkehr eher an dem Wort- als an dem
Bildbestandteil eines solchen kombinierten Wort-Bildzeichens zu orientieren pflegt (vgl.
nur: BGH GRUR 1996, 267, 269 "Aqua" mit weiteren Nachweisen). Soweit damit
entscheidend auf die Kennzeichnungskraft des Wortbestandteils der Marke "EUROCERT
im Sternenkranz" abzustellen ist, kann diese Kennzeichnungskraft im Streitfall aber nicht
weitergehen als die Kennzeichnungskraft der Wortmarke "EUROCERT".
Stehen die Unterlassungs- und die Folgeansprüche der Klägerin zu 1) deshalb aus
Markenrecht nicht zu, ohne dass es darauf ankäme, ob der Beklagte möglicherweise jetzt
über eine prioritätsältere Marke verfügt, aus der er ohne Verstoß gegen § 1 UWG ältere
Rechte herleiten könnte, folgt aus dem Gesagten zugleich, dass die Klägerin zu 2) den
geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht mit Erfolg auf Firmenrecht stützen und
aus § 15 Abs. 4 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 MarkenG herleiten kann. Denn auch hier gilt
das zu den beiden Marken der Klägerin zu 1) Gesagte entsprechend: Wenngleich der
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Firmenbezeichnung "EUROCERT" eine gewisse, nicht durch Verkehrsbekanntheit
gestärkte Kennzeichnungskraft zuzubilligen ist, scheitert der firmenrechtliche
Unterlassungsanspruch der Klägerin zu 2) an der gleich zu beurteilenden und damit
ebenfalls nicht gegebenen Verwechslungsgefahr.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Die gem. § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer der Klägerinnen übersteigt
60.000,00 DM.