Urteil des OLG Köln vom 04.06.2009

OLG Köln: rechtsverletzung, hörbuch, adresse, auskunftserteilung, gesetzestext, inhaber, werk, tonträger, datum

Oberlandesgericht Köln, 6 W 46/09
Datum:
04.06.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 46/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 9 OH 183/09
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Landgerichts Köln vom 02.04.2009 - 9 OH 183/09 - abgeändert und wie
folgt neu gefasst:
Die Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) durch die
Beteiligte zur Erteilung der Auskunft an die Antragstellerin über Namen
und Anschriften derjenigen Nutzer, denen zu den in der (nachfolgend
eingerückten) Anlage AS 1 angegebenen Zeitpunkten die dort
angegebenen IP-Adressen zugeteilt waren, ist zulässig.
(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung vorhanden)
Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst;
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässige sofortige Beschwerde gemäß § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG hat in der Sache
Erfolg. Das Landgericht hat zwar zu Recht angenommen, dass die begehrte Anordnung
ein gewerbliches Ausmaß der von der Antragstellerin geltend gemachten
Rechtsverletzung voraussetzt und eine Rechtsverletzung diesen Ausmaßes (bereits)
vorliegt, wenn ein Musikalbum oder eine ähnlich umfangreiche Datei während der
relevanten Verkaufs- oder Verwertungsphase in einer Internettauschbörse angeboten
wird (vgl. näher Senat, Beschluss vom 09.02.2009 – 6 W 182/08, MD 2009, 489). Die
Anforderungen im Hinblick auf die Bestimmung der relevanten Verwertungsphase hat
das Landgericht jedoch überspannt. Der verfahrensgegenständliche Tonträger "E. T. e.
A." ist ein Hörbuch, das die gekürzte Lesung eines (zu einem erfolgreichen Fantasy-
Zyklus gehörenden) Romans enthält. Solche Hörbücher werden üblicherweise, wie der
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zu Grunde liegende Roman selbst, über einen längeren Zeitraum vermarktet (vgl. Senat,
Beschluss vom 04.06.2009 – 6 W 48/09). Hier wird das im Februar 2008 erschienene
Hörbuch (auch im Internethandel) noch immer zu einem üblichen Verkaufspreis
angeboten. Dies ist ein bedeutsames Indiz dafür, dass die relevante Verwertungsphase
noch nicht abgeschlossen ist. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 09.02.2009
ausgeführt hat, ist die Platzierung in gängigen Verkaufscharts allein nicht
aussagekräftig. Ein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung im Sinne des § 101
Abs. 1 UrhG setzt nicht voraus, dass ein Werk kommerziell besonders erfolgreich ist.
Soweit das Landgericht im Übrigen darauf verwiesen hat, dass die Antragstellerin
lediglich sieben Verletzungshandlungen dargelegt habe, spricht dies angesichts des nur
32 Stunden umfassenden Ermittlungszeitraums eher für als gegen die Attraktivität des
umfangreichen (10 Audio-CDs umfassenden) Hörbuchs.
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Landgerichts, ein Auskunftsanspruch
gemäß § 101 Abs. 2 UrhG erfordere, dass das gewerbliche Ausmaß der
Rechtsverletzung offensichtlich ist. § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG setzt eine "offensichtliche
Rechtsverletzung" voraus. Damit der mit diesem Tatbestandsmerkmal bezweckte
Schutz des unbeteiligten Dritten, der Inhaber der IP-Adresse ist, erreicht werden kann,
muss nicht nur die Rechtsverletzung als solche, sondern auch die Zuordnung dieser
Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten "offensichtlich" sein (Senat, Beschluss vom
21.10.2008 – 6 Wx 2/08, GRUR-RR 2009, 9). Ist aber offensichtlich, dass dieser Dritte
eine Rechtsverletzung begangen hat, bedarf er keines weitergehenden Schutzes, der
darauf gerichtet wäre, eine Auskunftserteilung in solchen Fällen auszuschließen, in
denen lediglich rechtliche Zweifel im Hinblick auf das gewerbliche Ausmaß der
Rechtsverletzung bestehen. Hierfür lässt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus
der Gesetzesbegründung etwas herleiten.
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Da nach alledem die Voraussetzungen für die begehrte Anordnung erfüllt sind, konnte
der Senat in der Sache (mit der Kostenfolge aus § 131a Abs. 2 S. 3 und 4 KostO)
abschließend entscheiden.
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