Urteil des OLG Köln vom 09.03.1994

OLG Köln (schaden, kläger, firma, sorgfaltspflicht, arbeit, bauarbeiten, augenschein, dach, vorsorge, bauwerk)

Oberlandesgericht Köln, 11 U 204/93
Datum:
09.03.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 204/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 18 O 388/91
Schlagworte:
Architekt Sorgfaltspflicht Nachhbarschutz
Normen:
§ 823 BGB
Leitsätze:
1. Ein verantwortlicher Bauleiter hat die Pflicht, Vorsorge gegen
schädigende Auswirkungen des fertigen Bauwerks auf die Rechtsgüter
solcher Personen zu treffen, "die bestimmungsgemäß mit dem Bauwerk
in Berührung kommen". Dazu gehören regelmäßig auch die Eigentümer
und Nutzer der Nachbargrundstücke, die von den Auswirkungen
unmittelbar betroffen werden. 2. Der verantwortliche Bauleiter ist
verpflichtet, sich vom ordnungsgemäßen Anschluß eines
Regenfallrohres an das Kanalanschlußrohr durch Augenschein zu
überzeugen.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 15. Juli 1993 verkündete
Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 18 O 388/91 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der
Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
2
Der Beklagte schuldet den Klägern Ersatz des Scha- dens, der ihnen dadurch
entstanden ist, daß das Regenfallrohr des unter seiner Bauleitung errich- teten Hauses
XXX. 68 nicht an die Kanalisation an- geschlossen war und infolgedessen das vom
Dach des Hauses abfließende Niederschlagswasser ins Erd- reich abfloß und im Laufe
der Zeit den Keller der Kläger durchnäßte.
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Ursache und Ablauf dieses Schädigungsvorgangs und die Höhe des bei den Klägern
eingetretenen Schadens sind im Berufungsverfahren nicht mehr streitig. Der Beklagte
beruft sich richtigerweise auch nicht mehr auf Verjährung. Er wendet sich aber weiterhin
gegen die Feststellung, daß er den Schaden der Kläger zu verantworten habe und dafür
hafte. Hiermit hat er indessen keinen Erfolg.
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Als verantwortlicher Bauleiter hat der Beklagte nicht nur die Verpflichtung, während der
Bauphase dafür zu sorgen, daß eine Gefährdung Dritter durch die Bauarbeiten und den
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Zustand der Baustelle aus- geschlossen war. Seine Sorgfaltspflicht, die unter den
Rechtsbegriff der Verkehrs- bzw. Verkehrssi- cherungspflicht gefaßt zu werden pflegt,
umfaßte auch die Vorsorge gegen schädigende Auswirkungen des fertigen Bauwerks
auf die Rechtsgüter solcher Personen, "die bestimmungsgemäß mit dem Bauwerk in
Berührung kommen" (BGH NJW 87, 1013; ebenso BGH NJW 91, 562 f.). Dazu gehören
neben den Bewohnern oder gewerblichen Nutzern des Gebäudes und deren Besuchern
oder Kunden regelmäßig auch die Eigentü- mer und Nutzer der Nachbargrundstücke,
die von den Auswirkungen unmittelbar betroffen werden.
Daß der Beklagte sich von dem ordnungsgemäßen Anschluß der Abwasserleitungen an
das von der Fir- ma S. verlegte Kanalanschlußrohr nicht persönlich durch Augenschein
überzeugt hat, ist unstreitig. Dazu war er aber verpflichtet. Zwar besteht grund- sätzlich
für den bauleitenden Architekten keine Pflicht zur Überwachung einfacher Bauarbeiten,
die jedem in der Branche tätigen Unternehmer geläufig sind oder jedenfalls sein
müßten. Hier darf er sich bis zu einem gewissen Grad auf die Zuverläs- sigkeit und
Ordnungsmäßigkeit der Bauausführung verlassen. Eine abschließende Kontrolle ist
jedoch erforderlich, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Leistung
vorhanden sind oder es sich um Arbeiten handelt, bei denen etwaige Fehler sich
besonders gravierend auswirken können (vgl. dazu Hesse/Korbion/Mantscheff/Vygen,
HOAI § 15 Rn. 167, 168).
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Um einen solchen Fall geht es hier. Nach dem das freie Ende des Regenfallrohres
einmal von Erdreich überdeckt war, konnte der Fehler erst bemerkt werden, als sich
daraus bereits ein beträchtlicher Schaden entwickelt hatte. Deshalb war eine
Überprüfung der fertigen Arbeit vor der Zuschüttung dringend geboten und ihre
Unterlassung eine Verletzung der Bauaufsichtspflicht wie auch und vor allem der
Schadensverhütungspflicht - Ver- kehrssicherungspflicht - des Beklagten, und zwar
unabhängig davon, ob der Anschluß der Dach- an die Grundstücksentwässerung von
dem Bauherrn I. aus dem Auftrag der Firma S. herausgenommen worden war oder nicht.
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Eine weitere Pflichtverletzung des Beklagten liegt darin, daß er dem ihm von I.
übermittelten Hinweis der Firma W., die Entwässerungsleitungen seien von der Firma S.
nicht sachgemäß installiert worden, nicht ernsthaft nachgegangen ist. Von der
schriftlichen Anfrage bei dem einer mangelhaften Arbeit verdächtigten Unternehmen
konnte eine ver- nünftige Aufklärung von vornherein nicht erwartet werden. Stattdessen
hätte der Beklagte ungeachtet des damit verbundenen Aufwandes die Leitung zwecks
eigener Überprüfung freilegen lassen müssen. Der Fehler, der den Schaden der Kläger
verursacht hat, wäre dabei nicht unentdeckt geblieben.
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Die Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen
auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer des Beklagten: 8.626,70 DM.
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