Urteil des OLG Köln vom 30.03.1998

OLG Köln (wiedereinsetzung in den vorigen stand, eigenes verschulden, daten, akte, verschulden, zpo, bearbeitung, erstellung, sorgfalt, frist)

Oberlandesgericht Köln, 16 U 16/97
Datum:
30.03.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 U 16/97
Normen:
ZPO § 233
Leitsätze:
Der Rechtsanwalt, dem eine Akte zur Bearbeitung vorgelegt wird, muß
sich alsbald vergewissern, daß die Vorlage nicht wegen eines
Fristablaufs erfolgte, auch wenn bei der Vorlage kein ausdrücklicher
Hinweis auf eine Frist gegeben wurde.
Rechtskraft:
unanfechtbar
Tenor:
Das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten gegen die Versäumung
der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
GRÜNDE:
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Der Beklagte ist am 7.1.97 vom LG Köln zur Zahlung von 41.37o,34 DM verurteilt
worden. Das Urteil wurde seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten am 23.1.97
zugestellt, gegen das sein sodann zweitinstanzlich beauftragter Prozeßbevollmächtigter
am 24.2.97 Berufung eingelegt hat. Am 25.3.97 (einem Dienstag) beantragte er, die
Berufungsbegründungsfrist um 1 Monat zu verlängern. Im Telefonat vom 26.3.97 wies
der Senat den Prozeßbevollmächtigten darauf hin, daß der Verlängerungsantrag um 1
Tag verspätet eingegangen ist und diesem deshalb nicht stattgegeben werden kann. Mit
noch am selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom 7.4.97 begründete der Beklagte
die Berufung und beantragte zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.
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Das zulässige Wiedereinsetzungsgesuch (§§ 233 ff ZPO) hat in der Sache keinen
Erfolg.
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Die nachgesuchte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann dem Beklagten nicht
gewährt werden, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem
Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten beruht, das der Beklagte sich zurechnen
lassen muß (§§ 233, 85 Abs.2 ZPO).
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Der Beklagte hat selbst vorgetragen und glaubhaft gemacht:
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Entsprechend der Übung in der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten werden
sämtliche im Fristenkalender eingetragenen Vor- und Rechtsmittelfristen - ebenso wie
die anstehenden Verhandlungstermine - auf der wöchentlich erstellten "Terminrolle"
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verzeichnet, d.h. die insoweit notwendigen Daten werden einmal wöchentlich, und zwar
regelmäßig am Freitagmorgen, aus dem Fristenkalender in die Rolle für die kommende
Woche aufgenommen. Neben der Überprüfung der korrekten Übertragung anhand des
Fristenkalenders sei von seinem Prozeßbevollmächtigten angeordnet, daß nach der
Erstellung der Wochenrolle alle dort notierten Daten auch anhand der jeweiligen
Handakte kontrolliert werden. Im vorliegenden Fall sei im Fristenkalender die
Berufungsbegründungsfrist für Montag, den 24.3.97 und die Vorfrist für den 17.3.97
notiert worden. Am späten Vormittag des 21.3.97 sei die seit nahezu 6 Jahren bei
diesem beschäftigte und stets bislang korrekt arbeitende Sekretärin seines
Prozeßbevollmächtigten, die Anwaltsgehilfin S. D., damit befaßt gewesen, die
Terminsrolle für die Zeit vom 24.3. bis 27.3.97 (der 28.3. war Karfreitag) zu fertigen. Weil
der für die Arbeiten notwendige Computer an diesem Tage nicht nur ausgefallen sei
sondern durch ein anderes neues Gerät habe ersetzt werden müssen, mit dessen
Handhabung sich die Sekretärin erst vertraut habe machen müssen, sei die notwendige
Abgleichung der Daten im Fristenkalender und der Wochenrolle nicht mit der
erforderlichen Sorgfalt und Gründlichkeit erfolgt, woraus resultiere, daß in der
Wochenrolle fälschlich die Rechtsmittelbegründungsfrist für den 25.3.97 (statt: 24.3.97)
eingetragen wurde. Die alsdann gebotene Überprüfung anhand der Handakte sei
deswegen nicht vorgenommen worden, weil sich sein Prozeßbevollmächtigter durch
eine Auszubildende die Handakte zwecks Vereinbarung eines Besprechungstermins
mit ihm hatte vorlegen lassen.
Bei diesem Sachverhalt ist zwar der Angestellten des Prozeßbevollmächtigten des
Beklagten bei der Erstellung der "Wochenrolle" ein Fehler unterlaufen dadurch, daß sie
fälschlich den 25.3.97 als Ablaufdatum der Berufungsbegründungsfrist eingetragen
hatte. Auf diesem Büroversehen beruht die Fristversäumung indes nicht allein. Auch
den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten trifft daran vielmehr ein eigenes
Verschulden: Er hatte sich eine Akte vorlegen lassen, in der das Einreichen einer
fristgebundenen Prozeßhandlung (nämlich des Verlängerungsantrags) unmittelbar
bevorstand. Selbst wenn die Vorlage erst am 21.3.97 erfolgt wäre, erforderte es die
Sorgfalt des Anwalts, sich sofort durch einen Blick in die Akte wenigstens davon zu
überzeugen, wie lange er sich mit der Bearbeitung Zeit lassen kann, selbst wenn bei der
Vorlage kein Hinweis auf die Fristsache verbunden gewesen sein sollte. Eine solche
Verpflichtung entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vergl.
BGH, MDR 1998, 178 m.w.Nachw.). Hätte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten
daher, wie es geboten war, sofort nach der Vorlage einen Blick in die Akte geworfen,
hätte er unschwer feststellen können, daß bis zum 24.3.97 der Verlängerungsantrag
einzureichen war. Dann wäre die Versäumung der Berufungsbegründungfrist vermieden
worden.
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Hinzukommt, daß der Prozeßbevollmächtigte die Handakte jedenfalls bis einschließlich
Freitag behalten hatte, obwohl diese zwecks korrekter Übertragung der
Berufungsbegründungsfrist in die sog. Wochenrolle von seiner Anwaltsgehilfin benötigt
wurde. Offensichtlich entspricht es der Übung im Büro des Prozeßbevollmächtigten, die
Einhaltung der Fristen nicht mehr anhand des Fristenkalenders sondern nur noch
anhand der gesondert erstellten Wochenrolle zu kontrollieren, denn die Frist war
unstreitig im Fristenkalender richtig eingetragen. Mit der Anordnung der Anfertigung der
Wochenrolle hat der Anwalt mithin eine zusätzliche mögliche Fehlerquelle geschaffen,
weshalb er auch für seine Person sicherstellen mußte, daß eine Falschübertragung der
Daten ausschied. Die Falschübertragung hat er indes im Streitfall durch sein Verhalten
mitverursacht, indem er sich die Handakte vorlegen ließ, was zur Folge hatte, daß die
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von ihm selbst angeordnete Überprüfung der korrekten Übertragung auch anhand der
Handakte unterblieben war. Die Anwaltsgehilfin erklärt in ihrer eidesstattlichen
Versicherung selbst, daß sie davon ausgehe, daß ihr die falsche Fristnotierung
aufgefallen wäre, wenn ihr zur Kontrolle auch die Handakte zur Verfügung gestanden
hätte.
Da der Prozeßbevollmächtigte somit durch eigenes Verschulden zur Fristversäumung
beigetragen hat, konnte seinem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben werden.
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