Urteil des OLG Köln vom 02.03.2001

OLG Köln: handelsvertreter, aufwand, datum, form, unternehmer, anschrift, fälligkeit, auskunft, erstellung, verfügung

Oberlandesgericht Köln, 19 U 235/00
Datum:
02.03.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 235/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 85 O 91/00
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 1.8.2000 verkündete Teil-
Urteil des Landgerichts Köln - 85 O 91/00 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger war für die Rechtsvorgänger der Beklagten, die B.-K. Lebensversicherung
und die B.-K. Sachversicherung, auf der Grundlage des Agenturvertrages vom
10.12.1990 als Versicherungsvertreter tätig. Unter dem 15.7.1998 kündigte der Kläger
das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grunde fristlos. Für die Zeit vom 1.1.1995 bis
15.7.1998 hat er im Wege der Stufenklage zunächst die Erteilung eines Buchauszugs
geltend gemacht und hierzu die Ansicht vertreten, die ihm von der Beklagten erteilten
Abrechnungen stellten keinen Buchauszug dar.
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Er hat beantragt,
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1.
4
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug zur Verfügung zu
stellen, der in Form einer tabellarischen Übersicht Auskunft über sämtliche
zwischen dem 01.01.1995 und dem 15.07.1998 fällig gewordenen Abschluss-,
Bestandspflege-, Dynamik- und sonstigen Provisionen aus vom Kläger für die
Beklagte zu 1) oder deren Rechtsvorgängerin vermittelten und/oder betreuten
Versicherungsverträgen gibt:
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Name und Anschrift des Versicherungsnehmers
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Versicherungsscheinnummer
Art und Inhalt des Versicherungsvertrages
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(Sparte, Tarifart, Laufzeit, prämien- oder
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provisionsrelevante Sondervereinbarungen)
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(4) Versicherungssumme und ggf. jeweilige
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Erhöhungen durch Dynamik
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(5) Dynamisierung der Versicherungsverträge
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(Anpassungszeitraum, Steigerungssatz, Tarif,
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ggf. Aussetzungszeiträume)
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(6) Jahresprämie und ggf. jeweilige Erhöhungen
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durch Dynamik
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Fälligkeit und Eingang der Prämie
Stornohaftungszeitraum für den
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Versicherungsvertrag
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(9) ggf. Vertragsänderungen
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a) Datum
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b) Art der Änderung
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1. c) Grund für die Vertragsänderung
2. (10) im Falle der Stornierung:
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- Datum der Stornierung
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- Datum der Stornogefahrmitteilung
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- Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaß-
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nahmen einschl. Nachweis von Zwangsvoll-
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streckungsmaßnahmen
29
- Gründe für die Stornierung
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2.
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Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, dem Kläger einen
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Buchauszug zur Verfügung zu stellen, der in Form einer
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tabellarischen Übersicht Auskunft über sämtliche
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zwischen dem 01.01.1995 und dem 15.07.1998 fällig
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gewordenen Abschluss-, Bestandspflege-, Dynamik- und
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sonstigen Provisionen aus vom Kläger für die Beklagte
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zu 2) oder deren Rechtsvorgängerin vermittelten
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und/oder betreuten Versicherungsverträgen gibt:
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(1) Name und Anschrift des Versicherungsnehmers
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(2) Versicherungsscheinnummer
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(3) Art und Inhalt des Versicherungsvertrages
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(Sparte, Tarifart, Laufzeit, prämien- oder
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provisionsrelevante Sondervereinbarungen)
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(4) Versicherungssumme und ggf. jeweilige Erhöhungen
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durch Dynamik
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(5) Dynamisierung der Versicherungsverträge
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(Anpassungszeitraum, Steigerungssatz, Tarif,
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ggf. Aussetzungszeiträume)
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(6) Jahresprämie und ggf. jeweilige Erhöhungen durch
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Dynamik
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(7) Fälligkeit und Eingang der Prämie
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(8) Stornohaftungszeitraum für den Versicherungs-
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vertrag
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(9) ggf. Vertragsänderungen
55
a) Datum
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b) Art der Änderung
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c) Grund für die Vertragsänderung
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(10) im Falle der Stornierung:
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- Datum der Stornierung
60
- Datum der Stornogefahrmitteilung
61
- Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen
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einschl. Nachweis von Zwangsvollstreckungs-
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maßnahmen
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- Gründe für die Stornierung
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben die Ansicht vertreten, der Kläger sei auf Grund der monatlichen
Provisionsabrechnungen der Beklagten jederzeit in der Lage gewesen, die Richtigkeit
und Vollständigkeit der Provisionsabrechnungen zu prüfen. Separat sei dem Kläger
eine sogenannte "Briefversand-ZI" als Stornogefahrmitteilung wöchentlich übermittelt
worden. Der Kläger habe den Unterlagen nie widersprochen und zu keinem Zeitpunkt
eine Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit gerügt. Seine erstmals mit Klageerhebung
gestellte Forderung auf Erteilung eines Buchauszugs sei rechtsmissbräuchlich.
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Das Landgericht hat die Beklagten mit Teil-Urteil vom 1.8.2000, auf dessen Inhalt
wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, antragsgemäß verurteilt mit der
geringfügigen Abweichung, dass der Kläger nicht den Nachweis von
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, sondern nur Auskunft über solche Maßnahmen
verlangen könne.
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Gegen dieses ihnen am 02.08.2000 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit am
04.09.2000 (Montag) bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie
nach Fristverlängerung mit am 06.11.2000 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz
begründet haben.
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Sie wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag und wenden sich gegen
das angefochtene Urteil mit der Begründung, dass
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der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges gem. § 87 c Abs. 2 HGB bereits
durch Erfüllung erloschen (§ 362 BGB) sei, da die monatlich vorgelegten
Provisionsabrechnungen einen Buchauszug vollständig ersetzten;
der Kläger die ihm erteilten Provisionsabrechnungen jeweils anerkannt habe, so
dass ein Provisionsanspruch als Voraussetzung für den Hilfsanspruch auf
Erteilung eines Buchauszugs keinesfalls bestehen könne;
hier ein Fall der wirtschaftlichen Unmöglichkeit vorliege, so dass die Beklagten
gem. § 275 BGB bzw. den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage
von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei geworden seien;
die Klage bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände unter das
Schikaneverbot der §§ 226, 242 BGB falle;
der Kläger jedenfalls nur einen Anspruch auf Ergänzung der bisher erteilten
Auskünfte, nicht aber auf einen kompletten Buchauszug habe.
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Die Beklagten beantragen,
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1.
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unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt
abzuweisen,
75
2.
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den Beklagten nachzulassen, eine von ihnen zu stellende Sicherheit auch in Form
einer ordnungsgemäßen Bankbürgschaft erbringen zu dürfen.
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Der Kläger beantragt,
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1.
79
die Berufung kostenpflichtig zurück zu weisen;
80
2.
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dem Kläger und Berufungsbeklagten zu gestatten, Sicherheit auch durch die
Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse, Volks- oder
Raiffeisenbank zu leisten.
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Der Kläger verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen
Vortrags das angefochtene Urteil und wendet sich u.a. gegen die Ansicht der Beklagten,
er habe durch die widerspruchslose Hinnahme der Provisionsabrechnungen sein
Hilfsrecht auf Erteilung eines Buchauszugs verloren.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
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vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst allen
Anlagen ergänzend Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung der
Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend entschieden,
dass dem Kläger der geforderte Buchauszug gem. § 87 c Abs. 2 HGB zusteht.
86
I.
87
Dem Kläger steht als ehemaligem Versicherungsvertreter der Beklagten der geforderte
Buchauszug für die letzten Vertragsjahre auf der Grundlage des § 87 c Abs. 2 HGB zu.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Buchauszug nicht bereits durch die in
der Vergangenheit monatlich erteilten und vom Kläger nicht beanstandeten
Provisionsabrechnungen in Verbindung mit der - zudem bestrittenen - laufenden
Zusendung von Stornogefahrmitteilungen als erteilt anzusehen. Dass der
voraussichtliche Kostenaufwand für die Erstellung des Buchauszuges sich nach ihrem
insoweit allerdings sehr pauschalen Vorbringen auf um die 300.000,00 DM beläuft,
vermag die Beklagte von ihrer gesetzlichen und zudem zu Lasten des Klägers weder
abding- noch einschränkbaren Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszuges (§ 87 c
Abs. 5 HGB) ebenfalls nicht zu entlasten.
88
1.
89
Ein Handelsvertreter hat gem. § 87 c Abs. 2 HGB das Recht, neben ihm erteilten
Provisionsabrechnungen einen Buchauszug für alle Geschäfte zu verlangen, für die ihm
nach § 87 HGB in Verbindung mit dem Handelsvertretervertrag eine Provision zusteht.
Dem Handelsvertreter ist dadurch ein Kontrollrecht eröffnet, das über den Zweck einer
Provisionsabrechnung (§ 87 c Abs. 1 HGB) weit hinaus geht. Die
Provisionsabrechnungen dienen nur dazu, dem Handelsvertreter unter Vergleich mit
seinen eigenen Unterlagen die Prüfung zu ermöglichen, ob alle ihm zustehenden
Provisionen (§§ 87, 87 a HGB) und sonstigen Vergütungen lückenlos erfasst sind (BGH
WM 1989, 1074; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 1,
3. Aufl., Rn. 1478 m.w.N.). Demgegenüber soll der Buchauszug dem Handelsvertreter
die Nachprüfung ermöglichen, ob die erteilte Provisionsabrechnung richtig und
vollständig ist, und zwar im Hinblick auf jedes einzelne provisionspflichtige Geschäft
(BGH WM 1982, 153; OLG Düsseldorf, OLG-R 1996, 219; Hopt, Handelsvertreterrecht,
2. Aufl., § 87 c Rn. 13, 14; Küstner/Thume, a.a.O., Rn. 1478 ff.). Aus diesem Zweck des
Buchauszuges folgt, dass sein Inhalt für den Zeitpunkt seiner Aufstellung einerseits eine
bis ins einzelne gehende Bestandsaufnahme der Kundenbeziehungen des
Unternehmers, soweit sie die Provisionsansprüche berühren, und andererseits der
vertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmer und Handelsvertreter darstellen
muss. Er muss die für die Berechnung, Höhe und Fälligkeit der Provisionen des
Handelsvertreters relevanten Geschäftsbeziehungen vollständig wiederspiegeln, eine
aus sich selbst heraus verständliche Übersicht sein und in übersichtlicher Weise eine
Zusammenstellung von Geschäften beinhalten, die für den Handelsvertreter von
Bedeutung sind. In dem Buchauszug müssen hierbei auch solche Geschäfte
aufgenommen werden, hinsichtlich derer Meinungsverschiedenheiten zwischen
Unternehmer und Handelsvertreter darüber bestehen, ob der Handelsvertreter
Provisionsansprüche aus diesen Geschäften herleiten kann. Der Buchauszug bezieht
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sich auf alle Geschäfte, für die dem Handelsvertreter gemäß den vertraglichen
Vereinbarungen ein Provisionsanspruch zusteht oder zustehen könnte. Daher sind auch
Annullierungen und Stornierungen anzugeben, und zwar mit den jeweiligen Gründen,
von denen dann gem. § 87 a S. 3 HGB abhängt, ob der Provisionsanspruch trotz der
völligen oder teilweisen Nichtausführung erhalten geblieben ist (vgl. hierzu BGH WM
1989, 1073, 1074; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Hamm NJW-RR 1997, 1322; Hopt,
a.a.O., Rn. 13 - 15; Küstner/Thume, a.a.O., Rn. 1478 ff.). Wegen der unterschiedlichen
Zielsetzung von Provisionsabrechnungen und Buchauszug vermag auch eine
ordnungsgemäße Provisionsabrechnung in aller Regel einen Buchauszug nicht
überflüssig zu machen. Nur ausnahmsweise kommt dies in Betracht bei regelmäßigen
Abrechnungen, die so umfassend sind, dass sie als Buchauszug gewertet werden
können, da sie alle Angaben enthalten, die von einem Buchauszug gefordert werden
(BGH WM 1991, 196, 200; OLG Düsseldorf a.a.O.; Hopt, a.a.O., Rn. 14). Dazu genügt
entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, dass die Provisionsabrechnungen in
Verbindung mit weiteren übersandten Unterlagen insgesamt alle in einem Buchauszug
gehörenden Angaben beinhalten. Denn es ist nicht Sache des Handelsvertreters, sich
aus der Gesamtheit der ihm übermittelten Unterlagen die in einen Buchauszug
gehörenden Einzelheiten selbst heraus zu ziehen und zu einer Art eigenen
Buchauszug-Ersatz zusammen zu stellen (OLG Hamm a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.).
Vielmehr ist die Erstellung des Buchauszuges kraft Gesetzes Sache des Unternehmers
und von diesem auf eigene Kosten zu erbringen.
Im Rahmen eines für einen Versicherungsvertreter zu erstellenden Buchauszuges muss
dieser, um den genannten Anforderungen zu genügen, hinsichtlich der fällig
gewordenen Abschluss-, Bestandspflege-, Dynamik- und sonstigen Provisionen aus
den vom Kläger vermittelten Versicherungsverträgen die im landgerichtlichen Tenor
enthaltenen Angaben beinhalten, da nur diese Angaben den Kläger in die Lage
versetzen, die Richtigkeit der Provisionsabrechnungen hinsichtlich sämtlicher
provisionspflichtiger Geschäfte nachzuprüfen.
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Vergeblich wenden sich die Beklagten dagegen, dass in dem Buchauszug die Anschrift
des jeweiligen Versicherungsnehmers enthalten sein muss. Dass die Anschrift ein
geeignetes Identifizierungsinstrument für den vermittelten Vertrag ist (OLG Hamm
a.a.O.), steht außer Frage und wird auch nicht deshalb überflüssig, weil eine
Identifizierung - auch - anhand anderer Kriterien möglich ist.
92
3.
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Den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges in der soeben dargestellten Form
haben die Beklagten nach ihrem eigenen Vorbringen nicht erfüllt. Einen förmlichen
Buchauszug im Sinne einer gesonderten übersichtlichen Zusammenstellung aus ihren
Büchern zusätzlich zu den erteilten Provisionsabrechnungen haben die Beklagten dem
Kläger nicht übermittelt. Was der Kläger von ihnen bekommen hat, ersetzt entgegen der
Ansicht der Beklagten einen Buchauszug nicht. Soweit die Beklagten mit der Berufung
geltend machen, der Kläger verfüge auf Grund der monatlichen
Provisionsabrechnungen und der wöchentlich zugesandten Stornogefahrmitteilungen
(deren regelmäßigen Zugang der Kläger im übrigen bestreitet) über sämtliche
Informationen, die den Anforderungen eines Buchauszuges entsprächen, kann dem
nicht gefolgt werden. Denn damit tragen die Beklagten nichts anderes vor, als dass sie
dem Kläger alle Unterlagen überlassen haben, aus deren Gesamtheit sich der Kläger
die Informationen selbst heraus suchen kann, die zur Ermittlung seiner Provision und
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Kontrolle der Provisionsabrechnungen erforderlich sind. Dass der Handelsvertreter
gerade nicht verpflichtet ist, sich aus der Vielzahl der ihm überlassenen Unterlagen
selbst einen Buchauszug zu erstellen, wurde bereits ausgeführt. Die Arbeit und den
Aufwand für eine geordnete und übersichtliche Zusammenstellung der geschäftlichen
Verhältnisse in Form eines Buchauszugs trifft nicht den Handelsvertreter, sondern den
Unternehmer, der ein dem Vertreter kraft Gesetzes zustehendes Recht zu erfüllen hat.
Die von den Beklagten aufgestellten Provisionsabrechnungen genügen auch in
Verbindung mit den wöchentlichen Stornogefahrmitteilungen, deren regelmäßige
Übersendungen der Kläger zudem bestreitet, aber ohnehin nicht den aufgezeigten
Anforderungen an einem Buchauszug. Sie können deshalb den zu erstellenden
Buchauszug auch nicht ersetzen. Da der Buchauszug sich auch auf die Stornierungen
und die Gründe der Stornierungen in den Einzelheiten erstreckt, ist der
Versicherungsvertreter im Stornofall zusätzlich auf folgende Informationen angewiesen:
Datum der Stornierung, Stornogrund, Erhaltungsmaßnahmen, Höhe der geleisteten
Beitragszahlungen und Höhe und Fälligkeit der offenen Beitragszahlungen. Für die
Beurteilung der Frage, in welchem Umfang trotz der Stornierung Provisionsansprüche
bestehen geblieben sind, ist der Versicherungsvertreter auf diese Informationen
angewiesen, da für diese Frage entscheidend ist, in welchem Umfang bereits Beiträge
gezahlt worden sind, und ob die Beklagte sich hinreichend bemüht hat, den
Versicherungsvertrag zu erhalten. Letzteres kann wiederum nur beurteilt werden, wenn
die Gründe für die Stornierung bekannt gegeben werden (siehe OLG Hamm a.a.O.).
Diese Informationen, deren der Versicherungsvertreter zur Überprüfung der
Provisionsabrechnung bedarf, sind in den von den Beklagten vorgelegten
Abrechnungen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht enthalten. Dass der
Kläger sich an Hand der - unterstellt - regelmäßig zugesandten
Stornogefahrmitteilungen weitere (jedoch schon nicht alle oben als erforderlich
bezeichneten) Angaben heraus suchen könnte, genügt nach dem vorher Gesagten
gerade nicht (ebenso mit ausführlicher Begründung OLG Köln, Urteil vom 19.3.1999, 4
U 42/98). Dass dies mit Rücksicht auf die nach dem Gesetz gerade auf Seiten der
Beklagten bestehende Pflicht zur Erteilung des Buchauszuges für den Kläger nicht
zumutbar ist, ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten, wonach die
Erteilung eines Buchauszugs einen Kostenaufwand von voraussichtlich 300.000,00 DM
erfordere. Gerade das zeigt deutlich, dass die Überlassung von Unterlagen, die ja auch
der Beklagten zur Verfügung stehen, noch weit von dem entfernt ist, was unter einem
Buchauszug zu verstehen ist. Wenn die Beklagte selbst nicht zur Erteilung des
Buchauszuges wegen des hohen Kostenaufwandes bereit ist, überwälzt sie diesen
hohen Aufwand auf den Kläger, dem jedenfalls mit Rücksicht auf sein kraft Gesetzes
zustehendes Recht auf Erteilung eines Buchauszuges ein derartiger Aufwand nicht
zugemutet werden kann. Vor diesem Hintergrund ist ihr Vorbringen, die Erteilung eines
Buchauszuges sei ihr wegen des unverhältnismäßigen Kostenaufwandes nicht
zumutbar und wirtschaftlich unmöglich, nicht nur widersprüchlich, sondern belegt
anschaulich, dass sie schon nach ihrem eigenen Vorbringen die Pflicht zu Erteilung
eines Buchauszuges nicht erfüllt haben.
95
4.
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Dass der Aufwand für die Erstellung des Buchauszuges nach den Behauptungen der
Beklagten äußerst hoch ist, vermag sie nicht zu entlasten. Der Hinweis der Beklagten
auf den hohen Aufwand, der zur Erteilung des Buchauszuges erforderlich ist, ist allein
deshalb unerheblich, weil es ihre Sache war, ihre Buch- und Kontoführung so
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einzurichten, dass der Buchauszug im laufenden Geschäftsgang erstellt werden kann
(BGHZ 56, 290; OLG Düsseldorf a.a.O.). Die Beklagten verfügen - EDV-mäßig verwaltet
- über sämtliche die Vertragsverhältnisse betreffenden Informationen. Wenn sie hieraus
nur mit dem von ihnen geschilderten Kostenaufwand einen Buchauszug erstellen
können, dann kann das nur daran liegen, dass sie die für die Erteilung eines
Buchauszuges erforderlichen Datenverarbeitungsprogramme nicht eingerichtet haben.
Dies beinhaltet einen Organisationsfehler, da sie ihren Betrieb so zu organisieren
haben, dass der Buchauszug ohne nennenswerte Belastung im laufenden
Geschäftsgang erstellt werden kann. Wenn die Beklagten auf eine entsprechende
Betriebsorganisation aus Kostengründen verzichtet haben, weil ein Buchauszug
regelmäßig nur bei - vergleichsweise selten auftretender - streitiger Vertragsbeendigung
eines Vertreters abverlangt zu werden pflegt, können sie sich in dem Einzelfall, in dem
ein Vertreter von dem ihm kraft Gesetzes zustehenden Recht Gebrauch macht, nicht auf
die dadurch verursachten hohen Kosten berufen. Denn ein Unternehmer, der mit
Handelsvertretern bzw. Versicherungsvertretern arbeitet, muss sich von vornherein auf
ein mögliches Buchauszugsverlangen einstellen und hat daher schon im eigenen
Interesse seine Buchführung so einzurichten, dass er dem Verlangen des
Handelsvertreters/Versicherungsvertreters unschwer und mit möglichst geringem
eigenen Aufwand nachkommen kann. Hat der Unternehmer dies versäumt, so geht ein
durch die erforderliche umständliche Auswertung der Geschäftsbücher bzw. Daten
entstehender Aufwand allein zu seinen Lasten.
5.
98
Die Beklagten können den nunmehr geforderten Buchauszug auch nicht deswegen
verweigern, weil der Kläger nach ihrem Vorbringen während der jahrelangen
Vertragsbeziehungen in der Vergangenheit keine einzige Provisionsabrechnung
beanstandet hat. Da der Anspruch auf Buchauszug im Hinblick auf die
Provisionsansprüche, deren Bezifferung und Durchsetzung er dienen soll, lediglich
Hilfscharakter hat, entfällt er zwar, wenn der Handelsvertreter und der Unternehmer sich
über die Provision und/oder Abrechnung endgültig geeinigt haben (BGH NJW 1981,
457). Eine Einigung in dem genannten Sinne liegt dabei jedoch nicht schon in einer -
sei es auch mehrjährigen - widerspruchslosen Hinnahme der Provisionsabrechnungen
durch den Vertreter (BGH WM 1982, 152; NJW 1996, 588).
99
II.
100
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger auch nicht lediglich einen
Anspruch auf Ergänzung hinsichtlich nicht bereits mit den Provisionsabrechnungen und
den Stornogefahrmitteilungen erfolgten Angaben. Ein Ergänzungsanspruch kommt nur
hinsichtlich eines bereits erteilten Buchauszugs in Betracht. Einen solchen haben die
Beklagten, wie ausgeführt, bislang aber noch gar nicht erteilt.
101
III.
102
Dem Einwand der Beklagten, die Klage falle bei verständiger Würdigung der
Gesamtumstände unter das Schikaneverbot der §§ 226, 242 BGB, da der Kläger an
keiner Stelle vortrage, warum er die begehrten Angaben benötige, kann nur entgegen
gehalten werden, dass der Kläger auch gar nicht verpflichtet ist, einen Grund für die
Geltendmachung seines nicht zu seinen Lasten einschränkbaren Rechts zu benennen.
Wenn sich die Beklagte im Gegensatz zu anderen Versicherern (wie gerichtsbekannt)
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nicht, wozu sich aber organisatorisch verpflichtet wäre, auf die Erteilung eines
Buchauszugs eingerichtet hat, ist es weder schikanös noch aberwitzig (GA 102), wenn
ein Versicherungsvertreter ein ihm zustehendes Recht ohne Angaben von Gründen
geltend macht.
IV.
104
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 100, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
105
V.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für die
Beklagten: 50.000,00 DM.
107
Den Streitwert hat der Senat trotz der Angaben der Beklagten zu den durch den
Buchauszug entstehenden Kosten auf 50.000,00 DM festgesetzt. Zwar richtet sich nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1999, 3049, 3050 m.w.N.)
der Wert der Berufung gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft und
dementsprechend eines Buchauszuges nach dem Aufwand, den dessen Erteilung bei
dem hierzu Verurteilten verursacht. Diesen beziffern die Beklagten zwar auf mindestens
300.000,00 DM, ohne dies allerdings ausreichend substantiiert und nachprüfbar
darzulegen. Hinzu kommen zwei weitere Gesichtspunkte. Zum einen kann es nicht
angehen, die in Kenntnis der Gesetzeslage erfolgte organisatorische Untätigkeit der
Beklagten durch eine Aufblähung des Streitwerts zu belohnen. Zum anderen ist die
(behauptete) Investition in Höhe von 300.000,00 DM keine einzelfall- bezogene,
sondern amortisiert sich, da die nunmehr zu erstellenden Programme der Beklagten
über den Einzelfall hinaus in Zukunft zugute kommen werden und dementsprechend die
Kosten auf eine Vielzahl von Einzelfällen (gedanklich) umzulegen sind. Unter
Berücksichtigung all dieser Umstände hält der Senat einen Wert von 50.000,00 DM für
angemessen.
108