Urteil des OLG Köln vom 19.04.2001

OLG Köln: aufrechnung, sequester, berechtigung, gegenforderung, geständnis, verrechnung, nichterfüllung, verdienstausfall, steuerberater, kaufpreis

Oberlandesgericht Köln, 12 U 151/00
Datum:
19.04.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 U 151/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 10 O 177/99
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des
Landgerichts Aachen vom 20.Juni 2000 - 10 O 177/99 - teilweise
geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht der geltend
gemachte Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nicht zu.
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1.
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Der vom Kläger verfolgte Anspruch ist zum einen bereits unter Berücksichtigung des
erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der vom Landgericht durchgeführten
Beweisaufnahme um 3.000 DM überhöht. Nach der Vernehmung der Zeugin Sch. und
der daraufhin erfolgten teilweisen Klagerücknahme war zwischen den Parteien
hinsichtlich der Frage, welche Ratenzahlungen die Gemeinschuldnerin auf die
Kaufpreisforderung des Klägers erbracht hatte, nur noch streitig, ob auch im August
1998 eine Rate von 3.000 DM gezahlt worden war. Die Zeugin S. hat diese Zahlung
aber bei ihrer Vernehmung unter Bezug auf die ihr vorliegenden Unterlagen bestätigt
(GA 121), ohne dass ersichtlich ist, dass dies bei der Entscheidung berücksichtigt
worden ist. Es besteht auch kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln,
da sie durch weitere Umstände gestützt wird. Der Beklagte hat zu dieser Zahlung mit
Schriftsatz vom 12.1.2000 (GA 136) ergänzend vorgetragen, die Augustrate sei zwar
nicht durch Überweisung eines Betrags von 3.000 DM gezahlt worden, vielmehr sei nur
ein Betrag von 1.320,29 DM angewiesen worden; dies sei deshalb erfolgt, weil die
Gemeinschuldnerin den PKW des Klägers repariert hatte und ihr insoweit ein
Werklohnanspruch von 1.679,71 DM zugestanden habe, mit dem man aufgerechnet
habe; es sei deshalb nur die Differenz ausgezahlt worden. Diesem konkreten Vortrag
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des Beklagten hat der Kläger erstinstanzlich nicht nur nicht widersprochen, er hatte
sogar mit Schriftsatz vom 23.11.1999 (GA 98) selbst vorgetragen, im August 1998 von
der Gemeinschuldnerin 1.320,29 DM erhalten zu haben, wobei ein weiterer Betrag auf
eine Autoreparatur anzurechnen sei (wobei er diesen Betrag aber - versehentlich - um
2.000 DM höher veranschlagt hat und deshalb sogar für August 1998 von einer Zahlung
der Gemeinschuldnerin von 5.000 DM ausgegangen war). Danach hätte die Klage
bereits erstinstanzlich in Höhe eines weiteren Teilbetrags von 3.000 DM abgewiesen
werden müssen.
Dass der Gemeinschuldnerin gegen ihn eine Werklohnforderung aus der Autoreparatur
in Höhe von 1.679,71 DM zustand, hat der Kläger auch im Berufungsrechtszug nicht in
Abrede gestellt, so dass weiterhin davon auszugehen ist, dass in dieser Höhe die
Kaufpreisforderung des Klägers durch die erklärte Aufrechnung erloschen ist. Soweit
der Kläger mit Schriftsatz vom 21.3.2001 erstmals behauptet, er habe im August 1998
keine Zahlung in Höhe von 1.320,29 DM von der Gemeinschuldnerin erhalten, vermag
er damit nicht durchzudringen. Diese Zahlung hat er im ersten Rechtszug zugestanden
gem. § 288 ZPO; dieses Geständnis behält seine Wirksamkeit auch für die
Berufungsinstanz, § 532 ZPO; einen Sachverhalt, der ihn berechtigen könnte, das
Geständnis zu widerrufen (vgl. § 290 ZPO), hat der Kläger nicht vorgetragen. Selbst
wenn Letzteres in dem genannten Schriftsatz erfolgt wäre, wären diesbezügliche
Beweisantritte gem. §§ 527, 520 I ZPO nicht zuzulassen gewesen, da sie im Rahmen
der Berufungserwiderung hätten vorgebracht werden müssen und eine
Berücksichtigung zur Anberaumung eines Termins zur Beweisaufnahme und
Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und damit zur Verzögerung der Erledigung
des Rechtsstreits geführt hätte.
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2.
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Die Klage ist aber auch im übrigen abzuweisen, da ein Schadensersatzanspruch des
Klägers dem Grunde nach nicht gegeben ist. Es lässt sich nämlich nicht feststellen, dass
der Beklagte gegen eine ihm in seiner Eigenschaft als Sequester obliegende Pflicht
schuldhaft verstoßen hat.
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Nach § 82 KO haftet der Konkursverwalter allen Beteiligten, wenn er eine der ihm
obliegenden Verpflichtungen schuldhaft verletzt. Nach heute ganz h.M. genügt es dafür
nicht, dass er irgendeine Pflichtverletzung begeht, sondern die Haftung besteht nur für
die Verletzung konkursspezifischer Pflichten (BGH NJW-RR 1990, 411, 413;
Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 82 KO Anm. 1). Der Verwalter hat u.a. die
konkurs-spezifische Pflicht, die Rechte von Aus- und Absonderungsberechtigten zu
wahren und haftet, wenn er ein Aussonderungsrecht schuldhaft verletzt (BGH a.a.O.;
Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 82 RN 1e, 7e). Dieselbe Haftung trifft den gem. § 106 I
2 KO bestellten Sequester (vgl. Merz KTS 1989, 277, 289/90). Da der
Gesamtvollstreckungsverwalter gem. § 8 I 2 GesO anerkanntermaßen so haftet wie der
Konkursverwalter gem. § 82 KO, ist auch anerkannt, dass der im Gesamtvollstreckungs-
eröffnungsverfahren bestellte Sequester unter denselben Voraussetzungen haftet wie
der Sequester nach der Konkursordnung (vgl. dazu BGH NJW 1998, 2213, 2215 unter
II.3.). Der Beklagte würde vorliegend folglich dann haften, wenn er das Eigentum des
Klägers unberechtigt schuldhaft der Masse einverleibt hätte, was dann der Fall wäre,
wenn er fahrlässig die Sachlage unzureichend aufgeklärt oder eine klare Rechtslage
falsch beurteilt hat (BGH a.a.O.).
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Von einer fahrlässig unzureichenden Sachaufklärung kann aber nicht ausgegangen
werden. Soweit das Landgericht darauf abhebt, der Beklagte habe fahrlässig gehandelt,
weil er auf Grund der vorgefundenen Korrespondenz darauf vertraut habe, dass die von
der Gemeinschuldnerin erfolgte Aufrechnung wirksam erfolgt sei, ohne einen Beleg
dafür zu haben, dass der Kläger mit der Aufrechnung einverstanden gewesen sei,
vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, dass es kein Schriftstück gibt,
aus dem sich entnehmen lässt, der Kläger habe der Aufrechnungserklärung der
Gemeinschuldnerin ausdrücklich zugestimmt. Wenn eine aufrechenbare
Gegenforderung bestand, kam es auf das Einverständnis des Klägers mit der
Aufrechnung aber auch nicht an, vielmehr wirkte dann schon die (unstreitig erfolgte)
einseitige Aufrechnungserklärung der Gemeinschuldnerin schuldtilgend. Entscheidend
ist folglich, ob der Beklagte auf Grund des vorgefundenen Schriftwechsels schuldlos
davon ausgehen durfte, es bestehe die von der Gemeinschuldnerin aufgerechnete
Forderung. Dabei kann an ihn nicht der strenge Verschuldensmaßstab angelegt
werden, wie an den Schuldner selbst im Rahmen des § 285 BGB (vgl. OLG Köln NJW
1991, 2570 = ZIP 1991, 1606; Kilger/Schmidt a.a.O. Anm. 2b). Dies rechtfertigt sich
daraus, dass er - anders als der Schuldner - keine eigene Kenntnis über die Sachlage
besitzt und er hauptsächlich nur auf die Geschäftsunterlagen und Angaben des
Gemeinschuldners zurückgreifen kann. Ob diese den Sachverhalt zutreffend
wiedergeben, kann er im Regelfall nicht unmittelbar selbst beurteilen, vielmehr kann er
nur versuchen, unter Einbeziehung anderer Erkenntnisquellen die erhaltenen
Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.
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An Unterlagen, die der Beklagte zur Ermittlung und Beurteilung des Sachverhalts
heranziehen konnte, hatte der Beklagte zum einen die Abrechnung der
Gemeinschuldnerin vom 13.6.1995 gegenüber dem Steuerberater des Klägers (GA
38/42), in der diese im Einzelnen vorrechnete, welcher Verdienstausfall ihr durch die
Nichterfüllung des Werkvertrags seitens des Klägers entstanden war. Dafür, dass der
Kläger dem in irgendeiner Weise zum Grund oder zur Höhe widersprochen hätte, fand
sich in den Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin nichts, was daraus folgt, dass
selbst der Kläger im Rechtsstreit derartiges nicht vorgelegt hat. Mit weiterem Schreiben
vom 17.8.1995 (GA 43) hatte die Gemeinschuldnerin auf ihre frühere Mitteilung Bezug
genommen und die einverständliche Verrechnung ihrer Forderung mit der
Kaufpreisforderung angeregt und um Rückäußerung unter Fristsetzung gebeten. Da der
Kläger auch auf dieses Schreiben nicht reagiert hat, hat die Gemeinschuldnerin dann
unter dem 22.9.1995 die Aufrechnung erklärt (GA 44). Auch dem hat der Kläger nicht
widersprochen. Der Kläger hat noch nicht einmal zeitnah reagiert, nachdem die
Gemeinschuldnerin die Raten für Dezember 1995 und Januar 1996 nicht zahlte. Das
Schreiben des Klägers vom 8.2.1996 (GA 16) war für den Beklagten auch wenig
aufschlussreich, da es lediglich den Hinweis enthielt, die Gemeinschuldnerin habe den
Kaufpreis nur teilweise entrichtet, wohingegen Angaben zur Höhe der erbrachten oder
nach Auffassung des Klägers noch ausstehenden Zahlungen völlig fehlten und
insbesondere jegliche Stellungnahme zu der erklärten Aufrechnung unterblieb. Dass
der Kläger dieser nach Grund und Höhe entgegentreten wollte (wie er es schließlich im
Rechtsstreit getan hat), war dem Schreiben auch nicht andeutungsweise zu entnehmen.
Dass die Unterlagen der Gemeinschuldnerin über die von ihr auf Grund des
Kaufvertrags erbrachten Leistungen zudem korrekt waren, bestätigte der Kläger mit
seinem weiteren Schreiben vom 26.3.1996 (GA 34/5), in dem er exakt dieselben
Ratenzahlungen aufführte, die die Beklagte im Rechtsstreit vorgetragen hat. Der von der
Gemeinschuldnerin zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch wurde erstmals
in diesem Schreiben vom Kläger ausdrücklich angegriffen, wobei er bemerkenswerter
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Weise für die Arbeitseinstellung einen ganz anderen Grund angab, als er es im
vorliegenden Rechtsstreit getan hat. Denn während er sich im Prozess auf
Arbeitsunfähigkeit beruft (die zu keinem Zeitpunkt durch ärztliches Attest belegt worden
ist), gab er in dem erwähnten Schreiben an, er sei zur Arbeitseinstellung gezwungen
gewesen, weil die Gemeinschuldnerin die vereinbarten Vergütungen nicht gezahlt habe.
Dieser Grund war augenscheinlich nicht zutreffend, denn im Rechtsstreit hat der Kläger
erst gar nicht den Versuch unternommen, sich hierauf zu berufen. Der Widerspruch
gegen die Aufrechnung kam zudem zu spät, da zwischenzeitlich die Verwertung schon
erfolgt war.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Unterlagen der Gemeinschuldnerin
durchaus bei dem Beklagten den Eindruck erwecken konnten, dass sie vollständig und
sorgfältig erstellt worden waren und die wechselseitigen Ansprüche der Parteien
zutreffend wiedergaben, wohingegen von Seiten des Klägers innerhalb des
maßgebenden Zeitraums keine Äußerungen erfolgt waren, die Zweifel an der
Berechtigung der Gegenforderung hätten begründen können. Es ist aber auch nicht
ersichtlich, was der Beklagte hätte tun können, um mit Aussicht auf Erfolg den der
Aufrechnungsforderung zu Grunde liegenden Sachverhalt so aufzuklären, dass ihm
Bedenken hinsichtlich deren Berechtigung hätten kommen müssen. Die Berufung weist
zutreffend darauf hin, dass der Beklagte nicht eine Beweisaufnahme durchführen
konnte, wie sie das Landgericht vorgenommen hat. Er konnte allenfalls die zuständigen
Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin zum Sachverhalt befragen. Diese, nämlich die
Zeugen W. und H. , haben aber bei ihrer Vernehmung im vorliegenden Rechtsstreit
geschildert, dass sie seinerzeit mehrfach versucht hätten den Kläger zu erreichen und
zwar unter den verschiedenen bekannten Telefonnummern, dass er aber weder
erreichbar gewesen sei, noch sich von sich aus gemeldet und - was zudem unstreitig ist
- auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder sonstige Entschuldigung für sein
Fernbleiben beigebracht habe (GA 127; 130/1). Da davon auszugehen ist, dass sie dem
Beklagten auf Befragen ähnliches erklärt haben (oder erklärt hätten), bestand für den
Beklagten auch insoweit kein Anlass, an der grundsätzlichen Berechtigung der
Schadensersatzforderung der Gemeinschuldnerin zu zweifeln.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Berufungsstreitwert und Beschwer des Klägers: 31.149 DM
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