Urteil des OLG Köln vom 11.10.2002

OLG Köln: wohl des kindes, gemeinsame elterliche sorge, eltern, gesetzliche vermutung, anhörung, kommunikation, trennung, form, umzug, kindeswohl

Oberlandesgericht Köln, 4 UF 24/02
Datum:
11.10.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 UF 24/02
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 41 F 354/01
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin, ihr unter Aufhebung der gemeinsamen
Sorgeberechtigung mit dem Antragsgegner das Sorgerecht für den Sohn
H. W., geboren am ... 1999, allein zu übertragen, wird abgelehnt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten
sind nicht zu erstatten.
Gründe:
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Die gemäß § 621 e Abs. 1, § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - die hier nach § 26 Nr. 10 EGZPO in
der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung finden, weil die
angefochtene Entscheidung entsprechend der richterlichen Verfügung vom 13.
Dezember 2001 (Bl. 75R d. A.) vor dem 1. Januar 2002 der Geschäftsstelle übergeben
worden ist - statthafte Beschwerde ist auch im übrigen zulässig, insbesondere
fristgerecht (§ 621 e Abs. 3, § 516 ZPO a. F.) eingelegt worden. Die Beschwerdeschrift
vom 11. Januar 2002 ist ausweislich der Datumsangaben in den Fax-Kennungen noch
am selben Tage mittels Telefax sowohl beim Amtsgericht (Bl. 82 d. A.) als auch beim
Oberlandesgericht (Bl. 84 d. A.) eingegangen. Sie ist damit vor Ablauf der an diesem
Tage endenden einmonatigen Beschwerdefrist jedenfalls auch bei dem
Beschwerdegericht (vgl. § 621 e Abs. 3 Satz 1 ZPO) eingereicht worden.
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Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist auch begründet. Nach den maßgeblichen
Vorschriften des deutschen Sachrechts, die das Amtsgericht mit Rücksicht auf Art. 21
EGBGB zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, kann nicht festgestellt
werden, daß die Alleinsorge der Antragstellerin dem Wohl des Kindes am besten
entspricht. Die gemeinsame Sorge beider Elternteile ist daher jedenfalls derzeit
beizubehalten. Der gegenteiligen Beurteilung des Amtsgerichts, die sich in wenigen
eher floskelhaften Sätzen erschöpft, vermag der Senat weder inhaltlich noch im
Ergebnis zu folgen.
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Leben Eltern, denen - wie hier aufgrund entsprechender Sorgeerklärungen (§ 1626a
Abs. 1 Nr. 1 BGB) - die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend
getrennt, so kann gemäß § 1671 Abs. 1 BGB jeder Elternteil beantragen, daß ihm das
Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil davon allein überträgt. Dem Antrag
ist unter anderem dann stattzugeben, wenn zu erwarten ist, daß die Aufhebung der
gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl
des Kindes am besten entspricht. Insoweit geht der Senat, der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (vgl. BGH FamRZ 1999, 1646, 1647) folgend, davon aus, daß die
Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge in § 1671 BGB durch das
Kindschaftsrechtsreformgesetz kein Regel- Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne enthält,
daß eine Priorität zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die
Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio in Betracht kommt
(vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 63, 99; Johannsen/Henrich/Jaeger Eherecht 3. Aufl. § 1671
Rdn. 34). Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, daß die
gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung
elterlicher Verantwortung ist. Einer solchen Regelung stünde bereits entgegen, daß sich
elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen läßt. Wenn sich die Eltern bei
Fortbestehen der gemeinsamen Sorge fortwährend über die das Kind betreffenden
Angelegenheiten streiten, kann dies zu Belastungen führen, die mit dem Wohl des
Kindes nicht vereinbar sind. In solchen Fällen, in denen die gemeinsame elterliche
Sorge praktisch nicht "funktioniert" und es den Eltern nicht gelingt, zu Entscheidungen
im Interesse des Kindes zu gelangen, ist der Alleinsorge eines Elternteils der Vorzug zu
geben. Die alleinige elterliche Sorge kann danach schon deshalb nicht nur als
"Ausnahmeregelung" oder sogar als "ultima ratio" behandelt werden, weil sie diejenige
Sorgerechtsform ist, die - bei Uneinigkeit der Eltern - nach dem Maßstab des
Kindeswohls gerichtlich bestimmt wird; nach dem Wohl des Kindes hat sich die
elterliche Sorge aber insgesamt auszurichten (vgl. BGH aaO).
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Nach diesen Grundsätzen kommt vorliegend die Aufhebung der gemeinsamen
elterlichen Sorge nicht in Betracht:
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Die Übertragung des Sorgerechts allein auf die Antragstellerin ist zunächst nicht schon
durch die - erhebliche - räumliche Entfernung zwischen den Wohnsitzen beider
Elternteile gerechtfertigt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt OLG Naumburg FamRZ 2002,
564, 565; OLG Hamm FamRZ 2002, 565, 566; Palandt/Diederichsen, BGB 61. Aufl. §
1571 Rdn. 17 m. weit. Nachw.). Denn gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB hat die
Antragstellerin als der Elternteil, bei dem H. sich mit Einwilligung des Antragsgegners
gewöhnlich aufhält, ohnehin die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in
Angelegenheiten des täglichen Lebens, also solchen, die häufig vorkommen und die
keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben
(Abs. 1 Satz 3 der Vorschrift). Demgegenüber steht dem Antragsgegner, solange H. sich
mit Einwilligung der Antragstellerin bei ihm aufhält, nach § 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB die
Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der täglichen Betreuung zu.
Lediglich zur Regelung von Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher
Bedeutung sind, bedarf es des gegenseitigen Einvernehmens (§ 1687 Abs. 1 Satz 1
BGB), wobei im Einzelfall bei fehlender Einigung das Familiengericht die Entscheidung
einem Elternteil übertragen kann (§ 1628 Satz 1 BGB). Durch dieses Normgefüge ist
insgesamt sichergestellt, daß es jedenfalls in alltäglichen Fragen von vornherein keiner
umständlichen Abstimmung zwischen den Elternteilen bedarf.
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Es läßt sich ferner nicht feststellen, daß es an der objektiven Kooperationsfähigkeit und
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subjektiven Kooperationsbereitschaft beider Elternteile fehlt. Ob dieses Erfordernis, das
nach ganz h. M. (vgl. OLG Dresden FamRZ 2002, 973, 974; OLG Nürnberg FamRZ
2002, 188, 189; OLG München FamRZ 2002, 189, 190; OLG Hamm aaO; Oelkers, MDR
2000, 32, 33 m. zahlr. Nachw.) zu den zentralen Voraussetzungen der Aufrechterhaltung
der gemeinsamen elterlichen Sorge gehört, gegeben ist, muß im Wege einer Prognose
aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Von wesentlicher Bedeutung
ist hierbei, ob es in der Vergangenheit wiederholt in das Kind betreffenden
Angelegenheiten zu keiner Einigung zwischen den Eltern gekommen ist und daraus
geschlossen werden kann, daß der notwendige Grundkonsens zerstört ist.
Davon, daß die Eltern in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung wiederholt zu
keiner Einigung gefunden hätten, kann vorliegend nicht ausgegangen werden. So hat
der Antragsgegner etwa seinen anfänglichen Widerstand gegen den Umzug des Kindes
von I. nach C. inzwischen aufgegeben und insbesondere seinen eigenen Antrag, ihm
das Aufenthaltsbestimmungsrecht für H. zu übertragen, bereits in erster Instanz nicht
mehr weiterverfolgt. In diesem Zusammenhang kann letztlich dahin stehen, ob das
Verhalten der Antragstellerin hinsichtlich der Verlagerung des Aufenthaltsortes des
Kindes, mit dem sie sich über den entgegenstehenden Willen des mit sorgeberechtigten
Vaters hinweg gesetzt hat, rechtmäßig war oder nicht (vgl. in letzterem Sinne OLG
Hamm aaO). Jedenfalls hat der Antragsgegner inzwischen akzeptiert, daß H. seinen
gewöhnlichen Aufenthalt bei der Antragstellerin in C. hat (vgl. zu diesem Gesichtspunkt
OLG Hamm aaO; OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 507, 508; OLG Karlsruhe FamRZ
2000, 111, 112).
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Darüber hinaus haben die Parteien auch bezüglich des Umgangsrechts des
Antragsgegners zu einem tragfähigen Grundkonsens außerhalb des gerichtlichen
Verfahrens gefunden. Seinen noch mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2001
angekündigten Antrag zum Umgangsrecht hat der Antragsgegner im zwei Tage später
durchgeführten Termin vor dem Amtsgericht schon nicht mehr gestellt, weil - wie in der
Sitzungsniederschrift ausdrücklich festgehalten ist - die Parteien sich insoweit
außergerichtlich einigen wollten. Tatsächlich ist eine solche Übereinkunft in der
Folgezeit erzielt worden und wird seither auch praktiziert. So haben nach der
Darstellung der Antragstellerin in der Beschwerdeerwiderung vom 17. April 2002 in der
Zeit vom 18. bis 21. Januar, vom 15. bis 17. Februar und vom 19. bis 21. April 2002
Umgangskontakte in C. stattgefunden; vom 29. März bis zum 1. April 2002 waren "die
Kinder" - also offenbar auch der ältere, nicht von ihm stammende Sohn der
Antragstellerin, M., an dem der Antragsgegner ebenfalls sehr hängt - beim
Antragsgegner in der S.. Im Ergebnis bestehen daher seit Anfang 2002 regelmäßige
monatliche Besuchskontakte; daß diese seit Mai 2002 nicht mehr in dieser Form
fortgesetzt werden, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Antragstellerin
überläßt dem Antragsgegner für die in C. stattfindenden Besuchstage
entgegenkommenderweise ihre dortige Wohnung und zieht für diese Tage mit ihrem
neuen Lebensgefährten aus, damit der Antragsgegner den Umgang nicht im Rahmen
eines - unpersönlicheren - Hotelaufenthalts durchführen muß und insoweit auch Kosten
sparen kann. Beim April-Termin verhielt es sich so, daß die Antragstellerin beide Kinder
zum Antragsgegner nach Z. brachte und sie in B. wieder abholte. Zudem war H., wie
sich in der Anhörung vor dem Senat ergeben hat, im Sommer diesen Jahres zu einem
Ferienaufenthalt bei dem Antragsgegner in der S.. Es kann nach alledem
vernünftigerweise keine Rede davon sein, daß die Parteien außer Stande wären, im
Interesse und zum Wohle des gemeinsamen Kindes miteinander - wenn auch in
begrenztem äußerem Rahmen - zu kooperieren. Dabei indiziert die Bereitschaft des
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Antragsgegners, für ihn kostspielige und weite Reisen auf sich zu nehmen, um den
regelmäßigen Kontakt insbesondere mit H. aufrecht zu erhalten, daß er die gemeinsame
Verantwortung für das Kind wahrnehmen will (vgl. ähnlich OLG Hamm aaO). In diesem
Rahmen ist des weiteren darauf hinzuweisen, daß der Antragsgegner nach der
Trennung der Parteien unstreitig sogar bereit war, M. ebenfalls zu sich zu nehmen, um
beiden Kindern einen gemeinsamen Verbleib am bisherigen Wohnort zu ermöglichen.
Es kann hier dahin stehen, welche effektive Realisierungschance dieses Angebot hatte.
Jedenfalls spricht es gegen die Annahme, daß es dem Antragsgegner darum gehen
könnte, die Übernahme von Verantwortung abzuwehren.
Schließlich ist auch hinsichtlich der Wahl des Kindergartens im Ergebnis keine
dauerhafte Meinungsverschiedenheit der Eltern verblieben. Der Antragsgegner, der
seinerseits ursprünglich einen nicht konfessionell gebundenen Kindergarten bevorzugt
hätte, hat letztlich mit Blick auf die ihm geschilderte örtliche Kindergartensituation die
von der Antragstellerin getroffene Auswahlentscheidung hingenommen. Ohnedies ist
darauf hinzuweisen, daß allein das Vorhandensein unterschiedlicher Auffassungen der
Eltern zu bestimmten Fragen, wie sie auch in einer intakten Partnerschaft immer wieder
vorkommen können, einem gemeinsamen Sorgerecht nicht grundsätzlich entgegen
stehen kann. Entscheidend ist vielmehr, ob es den Beteiligten gelingt, auftretende
Differenzen letztlich im Sinne einer am Kindeswohl orientierten Einigung auszuräumen.
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Weitere Angelegenheiten, deren Regelung für H. von erheblicher Bedeutung ist, stehen
- soweit ersichtlich - in absehbarer Zeit nicht an. Daß sich, worauf das Amtsgericht unter
anderem abgestellt hat, eine kompromißlose Haltung der Eltern in Bezug auf die
Schulwahl bereits "ankündigt", ist in der angefochtenen Entscheidung nicht
nachvollziehbar ausgeführt oder sonst dokumentiert. Im übrigen ist die Darstellung in
der Beschwerdebegründung unwidersprochen geblieben, wonach Differenzen
hinsichtlich des Schulbesuchs in keiner Weise Gegenstand der Erörterung vor dem
Amtsgericht waren.
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Unüberbrückbare Streitigkeiten im Hinblick auf Alltagsfragen sind von der
Antragstellerin ebenfalls weder konkret vorgetragen worden noch sonst erkennbar;
insbesondere wird nicht geltend gemacht, der Antragsgegner rede ihr insoweit
überhaupt "herein". Es kann deshalb offenbleiben, ob Streit in alltäglichen
Angelegenheiten mit Rücksicht auf die Verteilung der elterlichen Befugnisse in § 1687
Abs. 1 BGB für die Beurteilung der Kooperationsfähigkeit der Eltern überhaupt eine
Rolle spielen kann (vgl. dazu Oelkers aaO).
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Der Senat verkennt bei seiner Bewertung der maßgeblichen Vorgänge nicht, daß
vorliegend nur in geringem Umfange eine Kommunikation zwischen den Elternteilen
stattfindet. Vielfach kommen Einigungen wohl dergestalt zustande, daß die
Antragstellerin - wie etwa bei der Frage einer anstehenden ärztlichen Behandlung des
Kindes im Februar 2002 - einen Lösungsvorschlag präsentiert und der Antragsgegner
diesen, häufig auch nur durch Schweigen, akzeptiert. Auch im übrigen beklagt die
Antragstellerin, wie sie im Senatstermin etwa in Bezug auf den Ferienaufenthalt H.s
näher ausgeführt hat, eine ihres Erachtens zu große "Sprachlosigkeit" des
Antragsgegners vor allem hinsichtlich der Abwicklung der Umgangskontakte. Deren
Ursache kann im Ergebnis indes auf sich beruhen. So mag es sein, daß beim
Antragsgegner möglicherweise noch nicht bewältigte Vorgänge im Zusammenhang mit
der Trennung der Parteien seinen persönlichen Umgang mit der Antragstellerin
beeinflussen. Denkbar ist auch, daß grundlegende Unterschiede im Naturell bzw. im
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Temperament der Parteien eine Rolle spielen, wie sie in der Anhörung durch den Senat
offenbar geworden sind, soweit die Antragstellerin sich dort als der deutlich aktivere,
forderndere, aber auch in kontroversen Diskussionen schneller zu Heftigkeiten
neigende Teil von beiden, der Antragsgegner dagegen sehr zurückhaltend und im
Ganzen eher defensiv präsentiert hat. Im Ergebnis kommt es auf eine genauere
Ursachenklärung jedoch nicht an. Denn es steht der Beibehaltung der gemeinsamen
Sorge nicht entgegen, wenn - schon in der Vergangenheit - immer nur der
antragstellende Teil den ersten Schritt zur Lösung eines anstehenden Problems
machen mußte (vgl. Palandt/Diederichsen aaO m. weit. Nachw.); derartige, häufig in
Verschiedenheiten der Persönlichkeitsstruktur wurzelnde Verhaltensunterschiede, sind
für eine Vielzahl auch funktionierender Elternbeziehungen kennzeichnend, ohne daß
damit zwangsläufig Nachteile für das Wohlergehen gemeinsamer Kinder verbunden
sein müssen. Daß es vorliegend anders wäre, die von ihr beklagte Zurückhaltung des
Antragsgegners sich über das unmittelbare Verhältnis der Parteien hinaus ungünstig
gerade auf das Kindeswohl auswirkt, hat die Antragstellerin als der die Aufhebung der
gemeinsamen Sorge begehrende Elternteil nicht anhand konkreter einzelner Tatsachen
näher dargelegt. Das gilt umso mehr, als bislang - wie dargestellt - keine nennenswerten
Punkte zwischen den Eltern streitig geblieben sind. Ohnehin trifft es nicht zu, daß
überhaupt keine Kommunikation mehr zwischen den Parteien stattfindet. Immerhin
haben sie außergerichtlich eine Umgangsregelung initiiert und seit nunmehr fast einem
Jahr aufrecht erhalten, was ohne jedwede persönliche Kommunikation nicht
funktionieren kann. Darüber hinaus hat die Antragstellerin in der Anhörung vor dem
Senat beispielsweise von einer Begegnung auf dem Flughafen in jüngerer Zeit
berichtet, wo man etwa 20 Minuten einmal "locker" miteinander geredet habe. Insoweit
ist vorliegend ein anderer Fall gegeben, als er etwa der Entscheidung des
Oberlandesgerichts Dresden vom 27. Februar 2002 (FamRZ 2002, 973) zugrunde lag,
zumal dort nach dem mitgeteilten Sachverhalt nicht einmal eine Verständigung der
Eltern über das Umgangsrecht zustande gekommen war und der Kindesvater auch gar
kein Interesse an den Belangen der Kinder hatte. Im Streitfall spricht überdies nichts
dafür, daß sich die persönliche Kommunikation, wenn sich die Dinge noch weiter
beruhigt haben, nicht noch weiter verbessern könnte. Im übrigen betreffen die von der
Antragstellerin beklagten Verhaltensweisen des Antragsgegners - etwa nicht
genügende oder zu kurzfristige Anmeldungen der Besuchstermine, aus ihrer Sicht
unzureichende Beantwortung einzelner Fragen bezüglich der Durchführung des
Sommerurlaubs von H. - in erster Linie die Umgangskontakte und nicht die Ausübung
des Sorgerechts. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß Begleiterscheinungen oder auch
Unzuträglichkeiten solcher Art bei Bestehen eines alleinigen Sorgerechts nicht mehr
auftreten. Der Entzug der elterlichen Sorge ist jedoch kein Mittel, um den Antragsgegner
zu einem "besseren" oder weniger "schwerfälligen" Umgang anzuhalten. Entscheidend
für die Sorgerechtsfrage ist vielmehr ausschließlich die Fähigkeit der Eltern, im
Interesse des Kindeswohls zu einvernehmlichen Lösungen anstehender Probleme zu
gelangen. Die in diesem Zusammenhang von der Antragstellerin behaupteten Vorfälle
aus der Zeit vor der Trennung bzw. der Trennungsphase selbst sind nicht geeignet, die
Schlußfolgerungen, die aus den aktuellen Geschehnissen seit dem Umzug der
Antragstellerin nach C. gezogen werden können, in Frage zu stellen.
Sonstige Umstände, die die von der Antragstellerin erstrebte Sorgerechtsentscheidung
rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Weder ist der Antragsgegner - das macht auch
die Antragstellerin nicht geltend - zur Pflege und Erziehung des Kindes ungeeignet noch
liegen andere Gründe vor, die zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge
führen können (vgl. im einzelnen Oelkers in Gerhardt u. a., Handbuch des Fachanwalts
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Familienrecht, 3. Aufl. 4. Kapitel Rdn. 168 ff.).
Bei der dargestellten Sachlage kommt auch die Übertragung (nur) eines Teilbereichs
der elterlichen Sorge zur alleinigen Ausübung auf die Antragstellerin nicht in Betracht.
Das gilt insbesondere für das Aufenthaltsbestimmungsrecht, zumal der Antragsgegner
den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes bei der Antragstellerin ohnehin nicht in Frage
stellt.
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Von einer Anhörung des heute knapp dreieinhalb Jahre alten H. hat der Senat mit
Rücksicht auf das Alter des Kindes abgesehen. Der Einholung sachverständiger Hilfe
bedurfte es zur Beantwortung der streitentscheidenden Fragen nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Gerichtsgebühren aus § 131 Abs. 1 Satz 2
KostO. Eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten entspricht nicht
billigem Ermessen nach § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.
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Beschwerdewert: 3.000,00 EUR (§131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO)
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