Urteil des OLG Köln vom 19.06.1998

OLG Köln (uwg, bezug, stand der technik, kritik, berühmte marke, tätigkeit, zeitlicher zusammenhang, verkehr, begriff, qualität)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 215/97
Datum:
19.06.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 215/97
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 O 99/97
Schlagworte:
Geschäftlicher Verkehr Produktkritik
Normen:
UWG §§ 1, 14, 15; BGB §§ 823, 824, 826. 1004
Leitsätze:
1. Werden in einem Rundschreiben eines Wohnungseigentümers an die
Miteigentümer in Bezug auf Qualität und Verarbeitung der
Außenfassade und das Verhalten des Verwalters herabsetzende
Äußerungen gemacht und hierbei der Name eines im
Außenfassadenbereich eingesetzten Produktes eines bekannten
Herstellers verwendet, liegt hierin - auch wenn der Briefschreiber sich
beruflich auf dem Bau- und Immobiliensektor betätigt - kein Handeln zu
Zwecken des Wettbewerbs. Derartigen Schreiben fehlt auch die für eine
Anwendung der §§ 823 I, 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt des
Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetrieb
erforderliche Betriebsbezogenheit. 2. Zur Frage der Verletzung des
allgemeinen unternehmerischen Persönlichkeitsrechts und der
Zulässigkeit - unterhalb der Schwelle der Schmähkritik angesiedelter -
herabsetzender Äußerungen über ein Produkt.
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25. Juni 1997 verkündete
Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 99/97 - wird
zurückgewie-sen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin
zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Zwangsvollstreckung der Be-klagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 15.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor
Sicherheit in derselben Höhe leisten. Den Parteien wird jeweils
nachgelassen, diese Sicherheiten in Form der unbedingten,
unbefristeten, unwiderruflichen, selbstschuldnerischen, schriftlichen
Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen
Sparkasse zu erbringen. Die mit diesem Urteil für die Klägerin
verbundene Beschwer wird auf 100.000,00 DM festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin befaßt sich mit der Herstellung von Baustoffen, darunter
Faserzementplatten, die unter anderem zur Fassadenverkleidung von Gebäuden
2
verwendet werden.
Die Beklagten sind Eigentümer von in der Wohnungseigentumsanlage I. R. , M.
gelegenen Eigentumswohnungen. Nachdem in dieser Anlage im Jahre 1996 Arbeiten
zur Fassadensanierung unter Verwendung von Faserzementplatten durchgeführt
worden waren, wandte sich der Beklagte zu 1) mit den aus Blatt 7 d. A. (= Anlage K 1)
sowie Blatt 28 ff (= Anlage 2) ersichtlichen Schreiben, bezüglich deren Wortlauts im
einzelnen auf den Akteninhalt verwiesen wird, an die übrigen Miteigentümer. Die in
diesen Schreiben enthaltenen Formulierungen
3
"... Die Primitivverkleidung der Fassaden im billigstem Eternit ist an keiner Stelle
wasserdicht, die Stoßfugen sind allesamt bis zu 5 mm offen ..."
4
und
5
"... sollen wir, wie alle anderen treugläubigen Miteigentümer, diese "-
Fassadenverkleidung -" finanzieren, als Baufachmann fühlt man sich hier betrogen,
denn diese Machart ist ein nach neueren Kenntnissen überholtes und unbrauchbares
Verfahren aus den 60er Jahren, als Styroporverbund mit Putz oder Fliesen noch
unbekannt war ..."
6
sind Gegenstand der Beanstandung der Klägerin, die sich und ihre Produkte hierdurch
in unzulässiger, auch wettbewerblich relevanter Weise herabgesetzt sieht.
7
Die Klägerin hat hierzu unter Bezugnahme auf ein vorprozessual von der Verwalterin
der Wohnungseigentumsanlage, der Firma D. Hausverwaltung KG, eingeholtes
Privatgutachten behauptet, die in die vorbezeichneten Schreiben eingestellten
Aussagen betreffend die Fassadenverkleidung, die als Tatsachenbehauptungen
qualifiziert werden müßten, seien objektiv falsch, diffamierten sie - die Klägerin - bzw.
ihre Produkte und seien ferner geeignet, sie zu schädigen. Die von ihr - der Klägerin, die
große Bekanntheit genieße - unter der Bezeichnung ETERNIT vertriebenen
Faserzementplatten seien hochwertige Baustoffe, die dem Stand der Technik
entsprächen und, soweit aus baurechtlicher Sicht erforderlich, allgemein bauaufsichtlich
zugelassen seien. Fassadenverkleidungen mit ETERNIT-Faserzementplatten stellten
technisch ausgereifte und allen heutigen Anforderungen an die Technik der
vorgehängten, hinterlüfteten Fassade entsprechenden Systeme dar. Es treffe weiter
auch nicht zu, daß es sich bei ETERNIT um eine "landläufige Bezeichnung" für
Faserzementplatten handele, die von mehreren Firmen produziert würden.
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Die Klägerin hat beantragt,
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10
I.
11
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12
die Beklagten zu verurteilen,
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14
1.
15
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16
es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben
werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten
(Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 500.000,00 DM, Ordnungshaft insgesamt
höchstens 2 Jahre),
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18
zu unterlassen,
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20
folgende Behauptungen zu verbreiten:
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22
1.1
23
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24
Die Primitivverkleidung der Fassaden der Wohnanlage M. in billigstem Eternit ist an
keiner Stelle wasserdicht, die Stoßfugen seien allesamt bis zu 5 mm offen;
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26
1.2
27
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28
die Eternit-Fassadenverkleidung in der Miteigentumsanlage in M. sei ein nach
neueren Kenntnissen überholtes und unbrauchbares Verfahren aus den 60er Jahren;
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30
2.
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32
Auskunft zu erteilen unter Angabe von Namen und Adressen, wem gegenüber die
Beklagten die in Ziffer 1 aufgestellten Behauptungen abgegeben haben.
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34
II.
35
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36
Festzustellen, daß die Beklagten sich als Gesamtschuldner verpflichten, den ihr - der
Klägerin - aus der unter I. 1. beschriebenen Handlungsweise entstandenen und noch
entstehenden Schaden zu ersetzen.
37
Die Beklagten haben beantragt,
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39
die Klage abzuweisen.
40
Der Beklagte zu 2) hat sich bereits für nicht passivlegitimiert gehalten, da er die beiden
Schreiben lediglich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten zu 1)
unterzeichnet habe. Aber auch gegenüber letzterer scheitere das Klagebegehren. Denn
die Klägerin sei durch die beanstandeten Aussagen, bei denen es sich um Werturteile
und Meinungsäußerungen handele, überhaupt nicht betroffen bzw. angegriffen. Anlaß
und Gegenstand der in Rede stehenden Aussagen sei vielmehr die Kritik an der
Tätigkeit der Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage, der Firma D. Hausverwaltung
KG, unter anderem im Zusammenhang mit der Fassadensanierung. Der Begriff "Eternit"
falle nur beiläufig und habe lediglich der Beschreibung der Art der bei der
Fassadensanierung verwendeten Platten gedient. Es hätte ebenso gut von
"Faserzementplatten" die Rede sein können. Sie - die Beklagten - wüßten im übrigen
auch nicht, ob die Klägerin überhaupt das Material für die Fassadensanierung geliefert
habe. Im übrigen hielten sie - die Beklagten - die zur Fassadensanierung gewählte
"Stülpdecke" mit Eternitplatten in der Tat aus von ihnen näher ausgeführten Gründen für
ungeeignet. Es hätten sich auch bereits Schäden an der neuen Fassade gebildet.
Angesichts dieser Sachlage habe ein berechtigtes Interesse bestanden, die
Miteigentümer "aufzurütteln".
41
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. Juni 1997, auf welches zur näheren
Sachdarstellung Bezug genommen wird, abgewiesen. Das Unterlassungsbegehren der
Klägerin sowie die hierin anknüpfenden Ansprüche auf Auskunft und Feststellung der
Schadensersatzpflicht scheiterten, so hat das Landgericht zur Begründung dieser
Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, zum einen daran, daß es an der individuellen
Betroffenheit und damit an einem Eingriff in die rechtlich geschützte Sphäre der Klägerin
fehle. Soweit in den Schreiben, deren Zielrichtung erkennbar die Kritik der aus der Sicht
der Beklagten bestehenden Mißstände betreffend die Verwaltung der
Wohnungseigentumsanlage und der als mangelhaft aufgefaßte Zustand der
Fassadenverkleidung sei, der Begriff "Eternit" verwandt werde, diene das ersichtlich nur
der Bezeichnung des Baumaterials (Faserzementplatten). Sofern durch die ohnehin nur
in dem ersten Schreiben enthaltene einmalige Nennung des Begriffs "Eternit"
möglicherweise ein Bezug zur Klägerin als Unternehmen gleichen Namens hergestellt
werde, handele es sich hierbei um eine bloße Reflexwirkung der Äußerung, die nicht -
jedenfalls nicht unter den hier gegebenen Umständen - zu einer individuellen
Betroffenheit der Klägerin führe. Zum anderen, so hat das Landgericht weiter ausgeführt,
handele es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen auch nicht um
Tatsachenbehauptungen, sondern um Meinungsäußerungen bzw. Wertungen. Diese
seien aber, da es sich nicht um als Schmähkritik einzuordnende Aussagen handele,
durch das Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt.
42
Gegen dieses ihr am 4. Juli 1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 4. August 1997
eingelegte Berufung der Klägerin, die sie - nach entsprechender Fristverlängerung -
43
mittels eines am 6. Oktober 1997 eingegangenen Schriftsatzes rechtzeitig begründet
hat.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im übrigen hält
die Klägerin insbesondere an ihrem Standpunkt fest, daß sie durch die in Rede
stehenden Aussagen individuell betroffen und verletzt sei. Die Beklagten hätten sie, die
Klägerin, die eines der bekanntesten Unternehmen im Bereich der Herstellung von
Baustoffen sei, sowie ihre auch unter der berühmten Marke "ETERNIT" angebotenen
und vertriebenen Produkte durch die in den Schreiben erfolgte Nennung des Begriffs
"Eternit" heruntergemacht. Bei "Eternit" handele es sich auch nicht um eine
beschreibende Gattungsbezeichnung für Faserzementplatten, sondern um eine
individuelle Firmenbezeichnung, ein Firmenschlagwort sowie eine berühmte Marke.
Wer "Eternit" und "Eternit-Produkte" herabwürdige, der befasse sich folglich direkt mit
ihr, der Klägerin, ihrer berühmten Marke und den unter dieser Marke angebotenen
Produkten, die als Faserzementplatten ein wichtiges Standbein ihrer, der Klägerin,
Produktion bildeten. Es möge dabei durchaus zutreffen, daß das Fernziel der Kritik der
Beklagten dahin gegangen sei, die ihrer Auffassung nach nicht korrekte bzw.
mangelhafte Verwaltung anzuprangern und deren Ablösung zu erreichen. Dieses
Fernziel schließe es aber nicht aus, daß der Wille der Beklagten zunächst direkt und
unmittelbar darauf gerichtet gewesen sei, "Eternit" herunterzumachen, um mit diesem zu
bewirkenden Erfolg die Hausverwaltung verantwortlich zu machen und zu kritisieren.
Die Herabwürdigung ihres, der Klägerin, Unternehmens sowie ihres Produktes sei
gerade das Mittel und der Weg gewesen, der Verwaltung mangelhafte Vorgehensweise
zu attestieren. Dem landgerichtlichen Urteil könne ferner auch nicht gefolgt werden,
soweit es die beanstandeten Aussagen als Meinungsäußerungen und Wertungen
eingeordnet habe. Die Aussage "Primitivverkleidung der Fassaden in billigstem Eternit"
sei alles andere als ein bloßes Werturteil. Sie enthalte vielmehr einen deutlichen,
überwiegenden Tatsachenkern. Wer von "Fassaden in billigstem Eternit" spreche, der
behaupte, daß die eingesetzten Eternitbaustoffe billig, minderwertig, überholt und
unzweckmäßig seien. Die damit behauptete mindere Qualität und Unzweckmäßigkeit
sei als solche einer Überprüfung im Tatsächlichen zugänglich. Gleiches gelte für die
Aussage, daß es sich bei der Fassadenverkleidung in der Wohnungeigentumsanlage
um ein "nach neueren Erkenntnissen überholtes und unbrauchbares Verfahren aus den
60er Jahren" handele. Auch dies sei eine als Tatsachenbehauptung einzuordnende
Äußerung, die besage, daß es inzwischen modernere Baustoffe mit gleichen
Eigenschaften gebe, die "Eternit" in qualitativ hochwertigerer Form ersetzen könnten.
Da die Beklagte zu 1) als sich unter anderen mit dem Handel von Baustoffen
befassendes Unternehmen auch Wettbewerberin sei, ergebe sich nach alledem die
Begründetheit des Klagebegehrens nicht nur aus den §§ 824, 826, 823 Abs. 1, 823 Abs.
2 BGB in Verbindung mit den §§ 185, 186, 187 StGB, sondern zusätzlich auch auf den
§§ 14, 15, 1 UWG.
44
Die Klägerin beantragt,
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46
das Urteil des Landgerichts Köln vom 25. Juni 1997 (28 O 99/97) abzuändern und die
Beklagten zu verurteilen,
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48
I.
49
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50
es zur Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben
werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten
(Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 500.000,00 DM, Ordnungshaft insgesamt
höchstens 2 Jahre),
51
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52
zu unterlassen,
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54
sich in bezug auf sie, die Klägerin, wie folgt zu äußern:
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56
1.1
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58
"Die Primitivverkleidung der Fassaden in billigstem Eternit ist an keiner Stelle
wasserdicht, die Stoßfugen sind allesamt bis zu 5 mm offen ..."
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60
1.2
61
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62
"als Hauptanteil "- Rückstände -" sollen wir, wie alle anderen treugläubigen
Miteigentümer, diese "- Fassadenverkleidung -" finanzieren, als Baufachmann fühlt
man sich hier betrogen, denn diese Machart ist ein nach neueren Kenntnissen
überholtes und unbrauchbares Verfahren aus den 60er Jahren, als Styroporverbund
mit Putz oder Fliesen noch unbekannt war ..."
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wie nachstehend wiedergegeben:
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66
2.)
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68
Auskunft zu erteilen unter Angabe von Namen und Adressen, wem gegenüber die
Beklagten die in Ziff. 1. aufgestellten Behauptungen abgegeben haben.
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70
II.
71
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72
Festzustellen, daß die Beklagten sich als Gesamtschuldner verpflichten, den der
Klägerin aus der unter I. 1. beschriebenen Handlungsweise entstandenen und noch
entstehenden Schaden zu ersetzen.
73
Die Beklagten beantragen,
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75
die Berufung zurückzuweisen.
76
Die Beklagten, die ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholen, verteidigen
das landgerichtliche Urteil. Zu Recht habe das Landgericht darin eine individuelle
Betroffenheit und damit einen Eingriff in die rechtlich geschützte Sphäre der Klägerin
verneint. Der nur ein einziges Mal verwendete Begriff "Eternit" stehe nicht als
Firmenbezeichnung und Marke der Klägerin und auch nicht als Bezeichnung für ein
spezielles Produkt der Klägerin, sondern lediglich als Bezeichnung für das bei der
Fassadenverkleidung verwendete Baumaterial (Faserzementplatten). Dieses
Verständnis ergebe sich sowohl aus der Stellung des Begriffs "Eternit" innerhalb der in
Rede stehenden Textpassage als auch aus dem Gesamtzusammenhang des
Rundschreibens, welches nicht gegen die Klägerin, sondern allein gegen die
Verwalterin der Wohnanlage gerichtet sei. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des
Zusammenhangs, in den die beanstandeten Äußerungen gestellt seien, könnten diese
auch nicht als Tatsachenbehauptungen qualifiziert werden, die einer Überprüfung mit
den Mitteln des Beweises zugänglich seien. Vielmehr handele es sich hierbei um
zulässige Meinungsäußerungen bzw. Wertungen. Jedenfalls aber hätten sie, die
Beklagten in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt. Die Abwahl der
Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage sei ein legitimes und berechtigtes Anliegen
gewesen, um die zahlreichen Mißstände in der Wohnanlage zu beheben und einem
weiteren Wertverlust der Eigentumswohnungen zu begegnen. Auch und gerade wegen
der Höhe der Sonderumlage allein für die Fassadensanierung könne ihnen, den
Beklagten, nicht vorgeworfen werden, daß sie bei der Wahrung ihrer Interessen zu den
konkret angegriffenen Mitteln gegriffen hätten. Die Klage könne schließlich auch unter
wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten keinen Erfolg haben. Sie, die Beklagten, seien
keine Wettbewerber der Klägerin, da sie sich mit dem Verkauf von Baumaterial nicht
befaßt und einen Handel mit Baumaterialien nie ausgeübt hätten. Zudem seien die
streitgegenständlichen Äußerungen nicht zu Wettbewerbszwecken mit der Klägerin
aufgestellt worden, sondern einzig und allein innerhalb der
Wohnungseigentümergemeinschaft mit dem Ziel der Abwahl des Verwalters.
77
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf ihre in beiden
Instanzen jeweils gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
78
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
79
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin ist zwar insgesamt
zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
80
Zu Recht hat das Landgericht die Klagebegehren abgewiesen. Der Klägerin stehen die
damit geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
81
I.
82
1.
83
Soweit die Klägerin das Unterlassungsverlangen sowie die daran anknüpfenden
Annexansprüche auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus § 1 UWG
herleiten will, scheitert das daran, daß - was für den Unlautbarkeitstatbestand des § 1
UWG aber vorauszusetzen ist - auf Seiten der Beklagten kein Handeln im
geschäftlichen Verkehr vorliegt.
84
Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr erfordert eine selbständige, wirtschaftliche
Zwecke verfolgende Tätigkeit, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck
kommt, und die sich auf Mitbewerber auswirken kann (BGH GRUR 1993, 761/762 -
"Makler-Privatangebot" -; BGH GRUR 1971, 119 - "Branchenverzeichnis" -;
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., Rdnr. 208 Einleitung UWG;
Köhler/Piper, UWG, Einführung Rdnr. 156 f - jeweils mit weiteren Nachweisen). Nicht in
den Bereich des geschäftlichen Verkehrs fällt indessen das rein private Tätigwerden,
daß sich im Bereich des Einzelnen außerhalb von Erwerb und Berufsausübung und
ohne einen hinreichenden Bezug hierzu abspielt (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O.;
Köhler/Piper, a.a.O., Einführung Rdnr. 159 - jeweils mit weiteren Nachweisen). So liegt
der Fall aber bei den hier in Rede stehenden, in den beiden Schreiben der Beklagten
enthaltenen, von der Klägerin angegriffenen Äußerungen. Die Beklagten haben in
diesen Schreiben, mit denen sie in ihrer jeweiligen Eigenschaft als
Wohnungseigentümer Beanstandungen gegenüber der Verwalterin und der von ihr
verantwortlich betreuten Fassadensanierung zum Ausdruck gebracht haben, vielmehr in
einem ausschließlich der privaten Sphäre zuzuordnenden Bereich, nicht aber im
geschäftlichen Verkehr gehandelt. Der Senat verkennt dabei nicht, daß bei einem
Gewerbetreibenden ein Handeln im geschäftlichen Verkehr grundsätzlich vermutet wird,
wenn er eine Tätigkeit entfaltet, die - äußerlich betrachtet - der von ihm im übrigen
unternommenen sonstigen kaufmännischen - beruflichen - Tätigkeit zuzuordnen ist
(BGH a.a.O. - "Makler-Privatangebot" -; BGH GRUR 1962 34/36 - "Torsana" -).
Unabhängig davon, ob das Verfassen und Versenden der hier in Rede stehenden
Schreiben überhaupt der von den Beklagten entfalteten sonstigen kaufmännischen und
beruflichen Tätigkeit entspricht, ist diese Vermutung nach der für die Beurteilung
maßgeblichen, unter Heranziehung der den Einzelfall kennzeichnenden Umstände
vorzunehmenden Gesamtwürdigung im Streitfall aber jedenfalls widerlegt. Denn beide
Schreiben der Beklagten befassen sich eindeutig und offenkundig mit der Kritik an der
von den Wohnungseigentümern eingesetzten Hausverwaltung; gerade in diesem
Kontext wird die unter Verwendung von Faserzementplatten vorgenommene
Fassadensanierung ihrer Art und Qualität nach gegenüber den übrigen Mitgliedern der
Wohnungseigentümergemeinschaft beanstandet. Die Beklagten handeln dabei
erkennbar ausschließlich zur Wahrung ihrer Belange als Wohnungseigentümer, von
denen unter anderem für die Fassadensanierung eine als unberechtigt empfundene
Sonderumlage gefordert worden war. Die Schreiben betreffen und kommentieren daher
einen Sachverhalt, der mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Beklagten bzw. ihrer
85
Teilnahme am Erwerbsleben in keiner Verbindung steht, sondern ausschließlich den
gerade an ihre Stellung als Wohnungseigentümer gebundenen, als "privat"
einzuordnenden Bereich betrifft. Letzteres gilt dabei auch unter Berücksichtigung des
Umstandes, daß allein der private Charakter einer Konversation oder - wie hier -
Korrespondenz ein Handeln im geschäftlichen Verkehr dann nicht ausschließt, wenn
der sich Äußernde sie dazu benutzt, eigene oder fremde geschäftliche Interessen zu
fördern (BGH GRUR 1964, 208/209 - "Fernsehinterview" -; BGH GRUR 1954, 293/294;
Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdnr. 209 m.w.N.). Eine solche "geschäftliche Wendung"
erhalten die hier zu beurteilenden Schreiben selbst unter Berücksichtigung des
Umstandes nicht, daß - wie die Klägerin das in Übereinstimmung mit dem
Handelsregisterauszug betreffend die Beklagte zu 1) behauptet - auch die Beklagte zu
1) sich ihrem Unternehmensgegenstand nach auch mit dem Handel mit Baustoffen
befaßt. Denn es ist nicht ersichtlich, daß die Beklagten die in die beiden Schreiben
eingestellten, sich mit der Fassadensanierung befassenden Äußerungen gemacht
haben, um eigene oder fremde geschäftliche Interessen zu fördern. Auch soweit die
Ausführung der unter Verwendung von Faserzementplatten vorgenommenen
Fassadensanierung unter ausdrücklicher Nennung des Begriffs "Eternit" beanstandet
wird, läßt das nicht ohne weiteres darauf schließen, daß dies der Förderung der eigenen
oder fremder geschäftlicher Positionen dienen soll. Denn die Beklagten haben - und sei
es auch nur konkludent - weder auf andere Baustoffhersteller oder -lieferanten
hingewiesen, noch die Beklagte zu 1) als Lieferantin alternativer Baustoffe angeboten.
Ihre Aussagen erschöpfen sich vielmehr in der Kritik an der konkret vorgenommenen
Fassadensanierung und der Verwalterin. Einen Bezug zu ihren eigenen oder fremden,
u.a. mit dem Baustoffhandel verbundenen geschäftlichen Interessen wird durch die in
Rede stehenden Aussagen nicht hergestellt.
Sind die Beklagten nach alledem mit den beiden Schreiben im rein privaten Bereich
aufgetreten, scheidet infolge dessen § 1 UWG als Anspruchsgrundlage schon aus
diesem Grunde aus.
86
2.
87
Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich der weiter von der Klägerin geltend gemachten §§
14 und 15 UWG. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob auch diese Vorschriften ein
Handeln des Verletzers im geschäftlichen Verkehr voraussetzen. Das kann im Streitfall
deshalb offen bleiben, weil beide von der Klägerin angegriffenen Äußerungen hier nicht
unter den Anwendungsbereich der erwähnten Vorschriften fallen.
88
Die §§ 14 und 15 UWG untersagen nicht erweislich wahre kreditschädigende bzw.
wahrheitswidrige betriebsgefährdende Tatsachenbehauptungen. Um solche handelt es
sich bei den von der Klägerin im Streitfall angegriffenen Aussagen der Beklagten jedoch
nicht.
89
Als Tatsachenbehauptung ist eine Aussage dann einzuordnen, wenn sie greifbare, dem
Beweis zugängliche Vorgänge zum Gegenstand hat, und in diesem Sinne von einem
nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Empfänger auch aufgefaßt wird ( vgl.
BGHZ 3, 271/273 -"Constanze I" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 4 zu § 14 UWG;
Köhler/Piper, a.a.O., Rdn. 4 zu § 14 UWG - jeweils m. w. N. ). Im Gegensatz hierzu
stehen Werturteile bzw. Meinungsäußerungen, bei denen die einer Überprüfung auf die
objektive Richtigkeit hin entzogene subjektive Wertung eines Sachverhalts im
Vordergrund steht. Da sowohl Tatsachenbehauptungen wertende als auch Werturteile
90
tatsächliche Elemente enthalten können und häufig enthalten, kommt es für die
Zuordnung einer Äußerung zu einer dieser beiden Kategorien darauf an, welches
Element jeweils überwiegt und für den Gesamtcharakter einer Aussage aus der Sicht
der Adressaten bestimmend ist. Weist die eine subjektive Wertung zum Ausdruck
bringende Äußerung einen substanzarmen, d. h. unbestimmten, nicht näher
konkretisierbaren und daher der beweismäßigen Überprüfung unzugänglichen
Tatsachengehalt auf, ist sie danach insgesamt als Werturteil und nicht etwa als
Tatsachenbehauptung zu qualifizieren. Denn bei dieser Sachlage tritt die subjektive
Wertung gegenüber dem tatsächlichen Gehalt der Aussage in den Vordergrund, daß sie
deren Charakter in seiner Gesamtheit prägt ( vgl. BGH GRUR 1969, 555/557 -
"Cellulitis"-; Baumbach/Hefermehl, a.a.O.; Köhler/Piper, a.a.O. ). Unter Anwendung
dieser Maßstäbe sind die von der Klägerin im Streitfall angegriffenen Aussagen aber
jeweils als Werturteile zu qualifizieren:
Die in das erste Rundschreiben der Beklagten eingestellte Äußerung, in der die
vorgenommene Fassadensanierung als "Primitivverkleidung ...in billigstem Eternit ..."
bezeichnet ist, enthält zwar durchaus - wie die Klägerin das vorbringt - tatsächliche
Elemente, indem hiermit eine Aussage über die sinngemäß als "minderwertig"
dargestellte Qualität und Wertigkeit des für die Fassadensanierung verwendeten, mit
"Eternit" bezeichneten Baustoffs zum Ausdruck gebracht wird. Gleichzeitg bringen die
Beklagten damit aber erkennbar ihre persönliche Bewertung dieses bei der
Fassadensanierung verwendten Baustoffs zum Ausdruck. Diese subjektive Wertung tritt
dabei auch in einem Maß in den Vordergrund, daß sie den der Aussage
innewohnenden tatsächlichen Gehalt in den Hintergrund verdrängt. Denn die
Grundlagen der Bewertung, welche die Beklagten zu der Einordnung des verwendeten
Baustoffs als "billigst" veranlassen, bleiben dem Adressaten des Schreibens verborgen
mit der Folge, daß sich das in dem Begriff "billigst" niederschlagende Urteil über den
verwendeten Baustoff ( Faserzementplatten ) als letztlich subjektive, nicht durch eine
beweismäßige Überprüfung als wahr oder unwahr nachzuweisende, vorwiegend auf
subjektiven Kriterien beruhende Einschätzung darstellt. Daran ändert auch der Umstand
nichts, daß im weiteren Kontext einzelne Baumängel der Fassadenverkleidung konkret
beschrieben sind ( Wasserundichtigkeit der Verkleidung / offene Stoßfugen ), die
eindeutig als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren sind. Denn diese beziehen sich
offenkundig nicht auf die Verwendung des mit "Eternit" bezeichneten Baustoffs, sondern
auf die Ausführung der Arbeiten selbst, die aber unabhängig von der Art des
verwendeten Materials bzw. des verwendeten "Eternits" ist und die daher dessen
Bewertung als "billigst" auch aus der Sicht der Adressaten des Rundschreibens
erkennbar nicht begründen kann und soll. Dies würdigend ist aber der sich auf die
Qualität und Wertigkeit des von der Klägerin unter der Bezeichnung "ETERNIT" in den
Verkehr gebrachten Baustoffs beziehende tatsächliche Gehalt der Äußerung derart
substanzarm und unbestimmt, daß er von der mit dem Begriff "billigst" zum Ausdruck
gebrachten subjektiven Wertung verdrängt wird, die daher den Charakter der Aussage
dominiert und sie insgesamt als Werturteil einordnen läßt.
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Eine abweichende Beurteilung der Berechtigung des nach den vorstehenden
Ausführungen dem Anwendungsbereich der §§ 14,15 UWG folglich entzogenen
Klagebegehrens im hier betroffenen Teil ergibt sich dabei auch nicht im Hinblick auf den
der Aussage betreffend die Wasserdichtigkeit der Fassadenverkleidung sowie die
offenen Stoßfugen unzweifelhaft zukommenden Tatsachencharakter. Denn unabhängig
davon, inwiefern die Klägerin die Aussagen betreffend die Wasserdichtigkeit der
Fassadenverkleidung und die offenen Stoßfugen überhaupt isoliert angreifen will, ist sie
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- da diese sich nur auf die handwerkliche Qualität der Ausführung der
Fassadenverkleidung, nicht aber auf den verwendeten Baustoff beziehen - hierdurch
jedenfalls nicht individuell betroffen bzw. verletzt, weil insoweit kein Bezug zu ihr selbst,
ihrem Produkt oder ihrer Marke erkennbar ist.
Gleiches gilt hinsichtlich der in dem späteren Schreiben der Beklagten enthaltenen, in
bezug auf die Fassadenverkleidung erfolgten Aussage "..., denn diese Machart ist eine
nach neueren Kenntnissen überholtes und unbrauchbares Verfahren aus den sechziger
Jahren,...". Auch diese Äußerung ist ihrem Gesamtcharakter nach als Werturteil
einzuordnen. Zwar trifft es zu, daß ihr ebenfalls ein tatsächlicher Aussagegehalt
dahingehend innewohnt, wonach es Erkennnisse gebe, aufgrund derer sich andere,
neuere Verfahren der Fassadenverkleidung als die konkret für die
Wohnungseigentumsanlage gewählte als "brauchbarer" bzw. geeigneter darstellten.
Weshalb dies jedoch der Fall sei und in welcher Beziehung daher die konkret gewählte
"Machart" als zeitlich überholt und unbrauchbar einzuordnen sei, wird nicht mitgeteilt
und geht auch nicht aus dem übrigen textlichen Zusammenhang, in den die Aussage
gestellt ist, hervor. Das mit der Aussage zum Ausdruck gebrachte Urteil über den Wert
der Fassadenverkleidung als baulicher Sanierungsmaßnahme entbehrt daher eines
bestimmten, konkretisierbaren und der beweismäßigen Überprüfung zugänglichen
Tatsachengehalts. Dies würdigend tritt daher der subjektive Einschlag bzw. das
wertende Element der Äußerung derart in den Vordergrund, daß sie insgesamt als auf
einer vorwiegend persönlichen Wertung beruhende Meinungsäußerung bzw. als ein
Werturteil einzuordnen ist.
93
Ist aber auch die letztgenannte Aussage der Beklagten nicht als Tatsachenbehauptung
einzuordnen und daher schon aus diesem Grund dem Anwendungsbereich der §§ 14,
15 UWG entzogen, kommt es im weiteren nicht entscheidungserheblich darauf an,
inwiefern die Klägerin hierdurch überhaupt verletzt ist. Nur am Rande sei daher
ausgeführt, daß insoweit erhebliche Bedenken bestehen. Denn unabhängig davon, daß
der Begriff "Eternit" in dem zweiten Schreiben nicht erwähnt ist, bezieht sich die
Aussage nicht auf den verwendeten Baustoff (Faserzementplatten bzw. -schindeln),
sondern auf die konkrete "Machart" der Fassadenverkleidung, also die gewählte
Technik bzw. das Verfahren. Sofern dies überhaupt die Verwendung gerade von
Faserzementplatten einschließen sollte, ist jedenfalls ein Bezug auf die Firma , die
Marke sowie das Produkt "Eternit" der Klägerin nicht ohne weiters erkennbar. Soweit
unter dem Gesichtspunkt der "Fortwirkung" des den Begriff "Eternit" nennenden Inhalts
des früheren Rundschreibens bei den Adressaten ein Hinweis auf die Klägerin bzw. ihr
Produkt in Betracht kommen könnte, ist jedenfalls von der Klägerin nicht vorgetragen, in
welchem zeitlichen Abstand die beiden Schreiben aufeinanderfolgten und daher bei
Zugang des zweiten Schreibens noch eine konkrete Erinnerung an den Inhalt des
ersten Schreibens vorhanden war. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang läßt sich auch
dem übrigen Akteninhalt nicht zuverlässig entnehmen. Denn allein der Umstand, daß
die Beklagten mit dem zweiten Schreiben auf das vorangegangene, sich wiederum auf
das den übrigen Wohnungseigentümern am 28. August 1996 zugegangene erste
Rundschreiben der Beklagten beziehende Schreiben der Verwalterin vom 29. August
1996 replizierten, läßt nicht ohne weiteres den Rückschluß darauf zu, daß dies in
zeitlicher Nähe zu eben diesem ersten Schreiben geschah.
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II.
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Kann sich die Klägerin zur Begründung ihres Klagebegehrens nach alledem nicht auf
96
die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche der §§ 1, 14, 15 UWG stützen, scheiden weiter
aber auch die Vorschriften des BGB´s als Anspruchsgrundlagen aus.
1. Soweit die Klägerin die geltend gemachten Klageansprüche aus den §§ 824, 1004
BGB herleiten will, gilt das bereits deshalb, weil es sich bei den angegriffenen
Äußerungen um Werturteile handelt, die Bestimmung des § 824 BGB indessen nur
Tatsachenbehauptungen erfaßt.
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2. Ansprüche aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs
in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stehen der Klägerin
mangels "Betriebsbezogenheit" der Aussagen, die sich nicht speziell gegen den
betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der
Klägerin richten, ebenfalls nicht zu ( vgl. Palandt-Thomas, BGB, 56. Auflage, Rdn. 21 zu
§ 823 BGB m. w. N.).
98
3. Auch auf die §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB wegen etwaiger Verletzung des allgemeinen
unternehmerischen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ( Palandt-Thomas, a.a.O., Rdn.
181 zu § 823 BGB ), sowie die §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i. V. mit den §§ 185 ff StGB
kann die Klägerin ihre Klagebegehren nicht mit Erfolg stützen. Mit dem Landgericht ist
vielmehr davon auszugehen, daß ein durch die beiden als Meinungsäußerungen
einzuordnenden Aussagen etwa bewirkter Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der
Klägerin jedenfalls nicht widerrechtlich ist.
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Die Abwägung, ob der durch ein herabsetzendes Werturteil Betroffene dieses
hinzunehmen hat oder ob sich der Eingriff als widerrechtlich darstellt und daher zu
unterlassen ist, hat nach dem Prinzip der Güter- und Interessabwägung unter
sorgfältiger Würdigung aller Umstände, insbesondere des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit, stattzufinden. Dabei muß die soziale oder persönliche Nützlichkeit
der gefährdenden Handlung zur Wahrscheinlichkeit und Größe der erwarteten Nachteile
in Bezug gesetzt werden. Fällt diese Abwägung zum Nachteil des Angreifenden aus,
erweist sich der Eingriff als widerrechtlich ( BGHZ 24, 72; BGH NJW 1978, 2152;
Palandt-Thomas, a.a.O., Rdn. 184 zu § 823 m.w.N. ). Die nach den vorbezeichneten
Kriterien vorzunehmende Abwägung der hier in Rede stehenden Güter und Interessen
der Parteien, nämlich einerseits des unternehmerischen Persönlichkeitsrechts und des
Ehrenschutzes der Klägerin und andererseits des Rechts auf freie Meinungsäußerung
der Beklagten, im Rahmen der Meinungsbildung und Auseinandersetzung der
Wohnungseigentümergemeinschaft Kritik an der Fassadenverkleidung und dem damit
in Zusammenhang stehenden Vorgehen der WEG-Verwalterin anzubringen, ergibt aber
im Streitfall, daß die vorstehende Rechtsposition der Klägerin hinter das Recht zur freien
Meinungsäußerung der Beklagten zurückzutreten hat. Zu Gunsten der Beklagten fällt
dabei in´s Gewicht, daß sie die Äußerungen im Rahmen des auf die
Wohnungseigentümergemeinschaft beschränkten Kreises zur Darstellung der von ihnen
gegenüber der Fassadensanierung vorgebrachten Beanstandungen und nicht
zielgerichtet zur Diffamiertung gegenüber der Klägerin in der Öffentlichkeit vorgebracht
haben. Die Klägerin wird - wenn überhaupt - nur in verhältnismäßig begrenztem Umfang
in ihrer sozialen Wertgeltung als Wirtschaftunternehmen durch die zudem erkennbar
subjektiv gefärbten Ausagen bzw. Meinungsäußerungen der Beklagten berührt.
Zwischen dem von den Beklagten erstrebten Zweck, nämlich der anhand der
Beanstandungen u. a. der Fassadensanierung vorgebrachten Kritik gegenüber der
Tätigkeit der Hausverwaltung einerseits sowie andererseits einer hierdurch etwa
bewirkten Beeinträchtigung der Klägerin besteht danach ein vertretbares Verhältnis.
100
Eine abweichende Würdigung ergibt sich weiter auch nicht im Hinblick auf die Art und
inhaltliche Schärfe der Kritik, soweit darin ein bezug zur Klägerin und/oder ihrem
Produkt erkennbar wird. Zwar ist es richtig, daß das Recht zur freien Meinungsäußerung
in den Fällen der Schmähkritik regelmäßig hinter das Persönlichkeitsrecht des
Betroffenen zurücktreten muß. Die hier umstrittenen Meinungsäußerungen der
Beklagten sind jedoch nicht als eine solche Schmähkritik einzuordnen. Denn allein der
herabsetzende Charakter einer Äußerung macht diese - selbst wenn damit eine
ausfällige und überzogene Kritik formuliert wird - noch nicht zur Schmähung. Diesen
Charakter nimmt eine herabsetzende Äußerung vielmehr erst dann an, wenn in ihr nicht
mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im
Vordergrund steht; sie muß jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der
Herabsetzung der Person bestehen ( BVerfG NJW 1995, 3303; BVerfG NJW 1991,
1475/1477 ). Davon kann im Streitfall jedoch keine Rede sein. Den Beklagten ging es
vielmehr erkennbar darum, Kritik an der Tätigkeit der Verwalterin der
Wohnungseigentümergemeinschaft zu formuliern, wozu u. a. die gegenüber der
Fassadensanierung vorgebrachten Beanstandungen dienen sollten. Mit dieser ohne
weiteres erkennbaren Zielrichtung weisen die von der Klägerin angegriffenen Aussagen
aber einen hinreichenden Bezug zu dem sachlichen Anliegen auf, der den beiden
Schreiben insgesamt zugrunde liegt.
Scheidet somit eine Einordnung der beiden Aussagen als durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht
gedeckte Schmähkritik aus, ergibt die nach Maßgabe der vorbezeichneten Kriterien
vorgenommene Abwägung insgesamt, daß das Persönlichkeitsrecht der Klägerin
gegenüber dem Recht der Beklagten zur kritischen Meinungsäußerung im Streitfall
zurückzutreten hat und daher dem möglicherweise bewirkten Eingriff in das
unternehmerische Persönlichkeitsrecht der Klägerin jedenfalls die Widerrechtlichkeit
genommen ist.
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4. Ansprüche der Klägerin aus den §§ 826, 1004 BGB kommen schließlich ebenfalls
nicht in Betracht, weil angesichts der vorstehenden Ausführungen auf Seiten der
Beklagten nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie - soweit sie mit den
angegriffenen Aussagen eine Meinung über die Qualität und Geeignetheit der bei der
Fassadensanierung verwendeten Faserzementplatten zum Ausdruck gebracht haben -
hiermit gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen, mithin
die Klägerin sittenwidrig und vorsätzlich geschädigt haben.
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III.
103
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den
§§ 708 Nr. 10. 711 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert sich am Wert des
Unterliegens der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit.
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