Urteil des OLG Köln vom 30.05.2008

OLG Köln: schranke, streitige gerichtsbarkeit, säumnis, gefährdung, werkstatt, anhalten, mitverschulden, fahrzeugführer, haftpflichtversicherer, rechtsgrundlage

Oberlandesgericht Köln, 3 U 186/07 BSchRh
Datum:
30.05.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 186/07 BSchRh
Schlagworte:
Sorgfaltsanforderungen beim Autofährbetrieb
Normen:
GVG § 16; BinSchVerfG §§ 11, 15; BGB § 823 Abs. 1, FährVO § 9 Abs.
1, 2
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Rheinschifffahrtsgerichts St. Goar vom 11.10.2007, Az. 4 C 4/07,
BSchRh, wird das angefochtene Urteil wie folgt abgeändert:
Das Versäumnisurteil des Rheinschifffahrtsgerichts St. Goar vom
07.05.2007, Az. 4 C 4/07 BSchRh, bleibt aufrechterhalten, soweit der
Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 940,46 Euro nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
29.08.2006 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von
78,50 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil des Rheinschifffahrtsgerichts St.
Goar vom 07.05.2007, Az. 4 C 4/07 BSchRh, aufgehoben und die Klage
abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis des
Beklagten in erster Instanz verursachten Kosten trägt der Kläger zu 2/3,
der Beklagte zu 1/3. Die durch die Säumnis des Beklagten in erster
Instanz verursachten Kosten trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
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(Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs.2, 313a ZPO
abgesehen)
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Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat teilweise Erfolg, denn der Beklagte ist
dem Kläger gem. § 823 Abs.1 BGB zum Ersatz eines Drittels des an seinem PKW
entstandenen Schadens nebst Zinsen und eines Teils der geltend gemachten
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verpflichtet.
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1.
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Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt
worden. Soweit die Berufung bei dem Schifffahrtsobergericht und nicht bei dem
zuständigen Rheinschifffahrtsobergericht eingelegt worden ist, führt dies nicht zur
Unzulässigkeit der Berufung. Denn mit dem rechtzeitigen Eingang von Berufung und
Berufungsbegründung bei dem Oberlandesgericht Köln sind die entsprechenden
Schriftsätze zugleich sowohl in die Verfügungsgewalt (vgl. Rheinschifffahrtsobergericht
Karlsruhe, VRS 102, 182 ff. = ZfB 2002, Nr.6, 61-63) des bei dem Oberlandesgericht
Köln angesiedelten Schifffahrtsobergerichts Köln als auch des ebenfalls bei dem
Oberlandesgericht Köln angesiedelten Rheinschifffahrtsobergerichts Köln gelangt, die
jeweils keine besonderen Gerichte, sondern ordentliche Gerichte sind, die die
ordentliche streitige Gerichtsbarkeit im Rahmen einer besonders gearteten sachlichen
Zuständigkeit, ähnlich wie bei der Verteilung zwischen Zivilkammern und Kammern für
Handelssachen ausüben (vgl. BGH, Urt. v. 05.05.1966, II ZR 174/64, BGHZ 45, 237 ff.) .
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2.
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Die Berufung ist auch teilweise begründet.
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a.
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Der Beklagte haftet dem Kläger gem. § 823 Abs.1 BGB wegen schuldhafter
Beschädigung des PKW des Klägers. Unstreitig hat der Beklagte einen Schaden kausal
verursacht, indem er am 30.06.2006 die Schranke an der Fähre S-L-M betätigt hat, denn
dies hat dazu geführt, dass der PKW des Klägers von der Schranke getroffen und
dadurch beschädigt wurde. Diese Schadenszufügung geschah widerrechtlich, denn ein
Rechtfertigungsgrund ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus hat der Beklagte auch
schuldhaft gehandelt. Der Beklagte hat gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt
verstoßen, denn er durfte die Schranke, die das Fahrzeug des Klägers beschädigt hat,
zu dem Zeitpunkt als sich der Kläger mit seinem PKW noch vor der Fähre befand, um
auf diese aufzufahren, jedenfalls nicht schließen, ohne im weiteren darauf zu achten, ob
der Schließvorgang gegebenenfalls zu einer Gefährdung eines noch auf die Fähre
auffahrenden PKW führen würde. Nach eigenen Angaben hat aber der Beklagte selbst
in der Folge genau hierauf nicht geachtet, sondern den auf die Schranke zufahrenden
klägerischen PKW erst wieder wahrgenommen, als dieser gegen die Schranke stieß.
Darauf, dass dies für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei, kann sich der Beklagte nicht
berufen, denn selbst wenn der Kläger zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte die Schranke
betätigte, noch nicht angefahren war und sich noch nicht eindeutig in Richtung der
Schranke eingeordnet hatte, konnte er nicht mit der erforderlichen Gewissheit
ausschließen, dass nicht der Kläger gegebenenfalls noch in den Bereich der Schranke
einfahren würde. Unstreitig waren die rechten Fahrspuren noch nicht vollständig belegt,
sondern war jedenfalls noch Platz für einen Kleinwagen, wie der Beklagte im Rahmen
seiner in erster Instanz erfolgten Parteivernehmung selbst eingeräumt hat. Auch wenn
danach objektiv kein ausreichender Platz für den PKW des Klägers vorhanden war und
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das Verhalten des Klägers als unvernünftig zu bezeichnen ist, schließt dies nicht aus,
dass auch solches Verhalten bei Bestimmung des im Interesse der Verkehrssicherung
Gebotenen in Betracht zu ziehen ist (vgl. OLG Schleswig, VersR 2008, 80). Dies gilt
insbesondere vor dem Hintergrund, dass – unabhängig davon, ob es, wie der Beklagte
unbestritten geltend gemacht hat, bislang noch nie zu entsprechenden Vorfällen
gekommen ist - ein dem Beklagten bekannter besonderer Anreiz bestand, auf einer der
rechten, von der schließenden Schranke gesicherten Spuren aufzufahren, weil die auf
den rechten Fahrspuren stehenden Fahrzeuge beim Entladen der Fähre zuerst wieder
von der Fähre herunterfahren dürfen.
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b.
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Den Kläger trifft ein überwiegendes, anspruchskürzendes Mitverschulden, § 254 Abs.1
BGB, denn er hätte schon im eigenen Interesse selbst auf die Schranken achten
müssen. Indem er dies nicht in ausreichendem Maße getan hat, hat der Kläger sowohl
gegen § 9 Abs.1 FährVO verstoßen, wonach die Fährbenutzer jegliche Gefährdung des
Fährbetriebs ausschließen müssen, und auch die Anforderungen des 9 Abs.2 FährVO
nicht erfüllt, wonach Fahrzeugführer ihre Fahrzeuge jederzeit anhalten können müssen,
was dem Kläger hier offensichtlich nicht mehr rechtzeitig gelungen ist. Der Einholung
eines vom Kläger noch beantragten unfallanalytischen Sachverständigengutachtens
bedurfte es insoweit zur weiteren Aufklärung des Hergangs nicht; für ein solches
Gutachten fehlt es offensichtlich schon an ausreichenden tatsächlichen
Anknüpfungspunkten hinsichtlich des genauen zeitlichen Ablaufs des
Unfallgeschehens. Bei Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge hält der
Senat eine Verteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Klägers für angemessen.
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c.
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Der Höhe nach hat der Kläger demzufolge Anspruch auf 1/3 des gem. § 249 BGB
erstattungsfähigen Schadens. Dieser beläuft sich insgesamt auf 2.822,88 Euro netto, so
dass 940,96 Euro vom Beklagten zu zahlen sind. Soweit der Kläger einen Schaden in
Höhe von insgesamt 2.942,08 Euro netto geltend gemacht hat, ist dieser in zuerkanntem
Umfang unstreitig geblieben. Hinsichtlich der vom Beklagten als nicht nachweisbar
angefallen gerügten Verbringungs- und Reinigungskosten in Höhe von insgesamt
119,20 Euro kommt eine Erstattung nicht in Betracht, da trotz Bestreitens dieser
Schadenspositionen näherer Vortrag zur Erforderlichkeit dieser Kosten im Sinne des §
249 BGB unterblieben ist; hierzu wäre die Darlegung erforderlich gewesen, dass und
warum eine Lackierung nicht in einer ohnehin zu beauftragenden Werkstatt selbst
möglich war (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 2002, 87 f.) und woraus sich die Notwendigkeit
einer entsprechenden Reinigung nach Lackierung ergeben soll.
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d.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs.1, 286 Abs.1, Abs.2 Nr.3 BGB; nachdem der
gem. § 5 Abs.7 AHB regulierungsbefugte und als Vertreter des Beklagten auftretende
(vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2006, IV ZR 329/05, BGHZ 169, 232 ff.) Haftpflichtversicherer
des Beklagten die Ansprüche des Klägers ernsthaft und endgültig zurückgewiesen
hatte, befand sich der Beklagte mit dieser Zurückweisung in Verzug. Ein Anspruch auf
Erstattung dem Grunde nach nicht bestrittener vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, die
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Erstattung dem Grunde nach nicht bestrittener vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, die
ausweislich der Klageschrift lediglich mit ihrem Nettobetrag geltend gemacht werden,
besteht nach dem oben Ausgeführten nur ausgehend von einem Streitwert in Höhe von
940,46 Euro, unter Einschluss der Auslagenpauschale in Höhe von 20 Euro mithin in
Höhe von 78,50 Euro netto.
3.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 344 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die
Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der
Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
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Streitwert für das Berufungsverfahren:
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