Urteil des OLG Köln vom 24.10.2000

OLG Köln: eintritt des versicherungsfalles, positive vertragsverletzung, täuschung, entschädigung, verwirkung, anteil, schuldrecht, versicherungsnehmer, wiedereröffnung, form

Oberlandesgericht Köln, 9 U 82/00
Datum:
24.10.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 82/00
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 10 0 316/99
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 03.02.2000 verkündete Urteil
des Landgerichts Aachen - 10 0 316/99 - wird zurückgewiesen. Die
Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
1
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung
der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
2
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn der Klägerin
steht ein Anspruch auf Entschädigungsleistung aus der mit der Beklagten
abgeschlossenen Hausratsversicherung gemäß §§ 1, 49 VVG, 5 VHB 92 wegen des
behaupteten Einbruchdiebstahls nicht zu.
3
Das Landgericht hat einen Anspruch der Klägerin bereits deshalb verneint, weil die
Klägerin den Versicherungsfall grob fahrlässig im Sinne von § 61 VVG herbeigeführt
hat. Eine Anwendung von § 61 VVG begegnet im vorliegenden Fall jedoch Bedenken,
denn der Tatzeitraum kann nicht näher eingegrenzt werden, so daß die längere
Abwesenheit der Klägerin nicht nachweislich ursächlich für den Eintritt des
Versicherungs-falles geworden ist. War aber der der Klägerin zu machende Vorwurf, die
Wohnung mehrere Stunden verlassen zu haben, ohne das Fenster und die Tür
ordnungsgemäß zu verschließen, nicht nachweislich ursächlich für den Eintritt des
Versicherungsfalles, so scheidet eine Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 61 VVG
aus (vergl. OLG Hamm, r + s 97, 338 (339)).
4
Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, denn ein
Entschädigungsanspruch der Klägerin scheitert bereits aus anderen Gründen.
5
Eine mögliche Entschädigungspflicht der Beklagten ist gemäß § 22 Abs. 1 VHB 92 in
Wegfall gekommen. Die Klägerin hat versucht, die Beklagte durch Vorlage von falschen
Belegen über Tatsachen zu täuschen, die für die Höhe der Entschädigung von
Bedeutung sind.
6
Die Beklagte hat vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß die Klägerin die Geräte
7
"Sony Hifi Camcorder mit Farbmonitor" zum Preis von 2.139,00 DM und "Fotokamera
mit Spiegelreflex von Canon" zum Preis von 1.399,00 DM entgegen den vorgelegten
Belegen nicht am 12.09.1996 und am 12.11.1996 bei der Fa. O. Versand gekauft haben
kann, da zu diesem Zeitpunkt der Bestellshop, in dem sie die Bestellung aufgegeben
haben will, nicht mehr existiert hat. Sie behauptet, die auf dem Beleg vom 12.11.1996
(Bl. 35 d.A.) angegebene Kundennummer des Sammelbestellers sei dem Bestellshop
der Zeugin G. zuzuordnen. Die Zeugin G. habe aber seit Mitte 1996 keine Bestellungen
mehr entgegengenommen, weil sie nicht mehr als Sammelbestellerin für den O.-
Versand tätig gewesen sei. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten, so daß nur
eine Fälschung dieser Belege in Betracht kommt, weil ein Bezug über den
angegebenen Bestellshop nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten ausscheidet.
Der Vortrag der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 19.09.2000 (Bl. 175
d.A.) gibt keinen Anlaß, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Es kommt im
vorliegenden Fall nicht darauf an, ob diese Waren beim O.-Versand erworben werden
konnten, sondern ob eine Bestellung beim Sammelbesteller mit der Nummer ... möglich
war. Soweit die Klägerin nunmehr behauptet, die Zeugin G. sei bis Januar 1998 für den
O.-Versand tätig gewesen, gibt auch dies keinen Anlaß zur Wiedereröffnung. Die
Klägerin hatte hinreichend Gelegenheit rechtzeitig, d.h. vor der mündlichen
Verhandlung zum Vortrag der Beklagten Stellung zu nehmen, zumal dieser im zweiten
Rechtszug nicht neu war (vgl. schon GA 56). Dem Schriftsatz vom 19.09.2000 war
weder ein Schreiben der Zeugin G. vom 14.09.2000 noch eine Forderungsaufstellung
beigefügt.
8
Aufgrund der Täuschung bei der Schadensermittlung nach dem Versicherungsfall
entfällt jede Entschädigungspflicht auch dann, wenn die Täuschung sich nur auf
Teilschäden bezog oder erfolglos blieb. Dies ist eine gewollt harte Konsequenz auf eine
positive Vertragsverletzung, wie sie das übrige Schuldrecht nicht kennt; ein
Verwirkungstatbestand mit Strafcharakter (Prölss/Martin/ Kollhosser, VVG 26. Aufl., § 16
AFB Rn 13). Nach der Rechtsprechung kann in Anwendung von § 242 BGB die völlige
Verwirkung der Entschädigung als unbillig erscheinen, z.B. wenn die unwahren
Angaben sich auf besonders geringe Werte beziehen und der Versicherungsnehmer bei
Verlust seiner sämtlichen Ansprüche seine Existenz verlieren würde. Die
Rechtsprechung (so OLG Hamm, VersR 86, 1177) neigt dazu, bei falschen Angaben in
Höhe von mehr als 10 % des tatsächlichen Regulierungsbetrages nicht mehr von einer
geringfügigen Täuschung zu sprechen. Hier beträgt der Anteil der verlangten
Entschädigungssumme, der durch die Belege des "O. Versandes" nachgewiesen
werden sollte, 3.538,00 DM, also weit mehr als 10 % des Regulierungsbetrages von
rund 19.000,-- DM. Eine völlige Verwirkung der Entschädigung durch die Vorlage der
unrichtigen Belege kann somit nicht als unbillig angesehen werden.
9
Da die Beklagte bereits gemäß § 22 Abs. 1 VHB 92 von der Leistungspflicht frei
geworden ist, bedarf es keiner weiteren Erörterungen, ob die Klägerin das äußere Bild
eines Einbruchdiebstahls ausreichend substantiiert vorgetragen und unter Beweis
gestellt hat.
10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die übrigen prozessualen
Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
11
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin: 19.002,50 DM
12