Urteil des OLG Köln vom 11.02.2009

OLG Köln: gemischte schenkung, erblasser, unentgeltliche zuwendung, gegenleistung, grundstück, vernehmung von zeugen, verlängerung der frist, grundbuch, zwangsvollstreckung, kopie

Oberlandesgericht Köln, 2 U 80/03
Datum:
11.02.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 U 80/03
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 16 O 497/98
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 25. April 2003 verkündete
Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 16 O 497/98 -
teilweise geändert und unter Zurückweisung der weitergehenden
Berufung wie folgt neu gefaßt :
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, wegen einer
Forderung der Klägerin zu 1) in Höhe von EUR 23.995,14 nebst 4 %
Zinsen seit dem 31. Oktober 1998 die Zwangsvollstre-ckung in das im
Grundbuch von M., Blatt 00000, eingetragene Grundstück zu dulden.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner fer-ner verurteilt, wegen
einer weiteren Forderung der Klägerin zu 2) in Höhe von EUR 23.995,14
nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Oktober 1998 die Zwangsvollstreckung in
das im Grundbuch von M., Blatt 00000, eingetragene Grundstück zu
dulden.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten beider Instanzen des Rechtsstreits ha-ben die Beklagten zu
4/5 und die Klägerinnen zu je 1/10 zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Be-klagten können die
Zwangsvollstreckung beider Klägerinnen wegen des Ausspruchs zur
Hauptsache jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von je EUR
35.000,-- abwenden, wenn nicht die jeweilige Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Im übrigen können beide Seiten die Zwangsvoll-streckung der
Gegenseite wegen der Kosten durch weitere Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des von der Gegenseite aufgrund dieses Urteils zu
vollstreckenden Anspruch auf Kosten-erstattung abwenden, wenn nicht
der vollstre-ckende Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % der von ihm zu vollstreckenden Kosten leistet.
G r ü n d e
1
(gemäß § 540 Abs. 1 ZPO anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen)
2
I.
3
Die Klägerinnen sind die Töchter und - zu je ½ Anteil - einzigen Erb-innen des
am 17. Juni 1923 geborenen und am 13. August 1997 verstorbenen Herrn L. G.
N. (im folgenden: Erblasser). Sie sind die einzigen Abkömmlinge des im
Zeitpunkt seines Todes verwitweten Erblassers. Sein Nachlaß wurde in einem
für das Amtsgericht Bergheim erstellten Nachlaßverzeichnis vom 17. November
1997 (Kopie Bl. 16 f. d.A.) - die Angabe eines abweichenden Datums im
Tatbestand des landgerichtlichen Urteils beruht auf einem offensichtlichen
Schreibfehler - nach Abzug der Beerdigungskosten auf DM 2.416,02 beziffert.
Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau, Frau B. N., hatten sich durch
einen notariellen Erbvertrag vom 10. März 1958 gegenseitig zu Alleinerben
eingesetzt. Durch einen weiteren, hiermit wegen seiner Einzelheiten in Bezug
genommenen notariell beurkundeten Erbvertrag vom 4. Januar 1989 (Kopie Bl.
500 ff. d.A.) hatten der Erblasser und seine Ehefrau diese Regelung des
Vertrages vom 10. März 1958 bestätigt und zugleich dahin ergänzt, daß der
Längstlebende der Eheleute deren gemeinsame Kinder, die Klägerinnen, "zu je
1/2 Anteil" bestimme. Die Wörter "zu Erbinnen" finden sich in diesem Satz des
§ 2 des Vertrages vom 4. Januar 1989 nicht.
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Der Erblasser war bis 1991 Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus
bebauten Grundstücks in O.-X., C. XX, gewesen. Dieses im Grundbuch von M.,
Blatt 00000, verzeichnete Objekt hatte er durch einen hiermit wegen seiner
Einzelheiten in Bezug genommenen notariellen Vertrag vom 10. Juni 1991 -
UR.-Nr. 1620/1991 der Notarin Dr. P.-H. in O. (Kopie Bl. 8 ff. d.A.) - auf die
Beklagten übertragen. Als Gegenleistung für die Übertragung des in den
Abteilungen II und III des Grundbuchs lastenfreien Objekts bewilligten die
Beklagten dem Erblasser ein mit dem Eigentumswechsel im Grundbuch
einzutragendes Wohnungsrecht an zwei Zimmern des Hauses. Ferner
verpflichteten sich die Beklagten, den Erblasser ab sofort zu betreuen und zu
verpflegen, soweit nicht aufgrund ärztlicher Anweisung ein Krankenhaus- oder
Heimaufenthalt erforderlich werde, das Grab der Familie des Erblassers ab
sofort und auch nach seinem Tode bis zum Ablauf der Ankaufszeit zu pflegen
sowie an den Erblasser DM 30.000,-- zu zahlen. Das Wohnungsrecht umfaßte
die freie Gewährung von Heizung, Strom und Wasser sowie die Mitbenutzung
von Bad und Toilette und den freien Umgang in Hof und Garten. Für den Fall,
daß der Erblasser die Pflege und Betreuung durch die Beklagten nicht in
Anspruch nehmen wolle, verpflichteten sie sich ersatzweise, an ihn DM 500,--
pro Monat zu zahlen. Die Beklagten wurden am 12. September 1991 als neue
Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Sie waren Nachbarn
des Erblassers gewesen und pflegten ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm.
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des Erblassers gewesen und pflegten ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm.
Durch eine weitere notarielle Urkunde vom 10. Juni 1991 - UR.-Nr. 1621/1991
der Notarin Dr. P.-H. (Kopie Bl. 498 f.) hatte der Erblasser die Beklagten zu
seinen Alleinerben eingesetzt und erklärt, hieran durch frühere Verfügungen von
Todes wegen nicht gehindert zu sein.
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Die Beklagten zogen nach der Übertragung des Objekts in das Haus ein und
wohnten dort zunächst mit dem Erblasser. 1992 erlitt er einen Unfall und kam
sodann in ein Pflegeheim, wo er bis zu seinem Tod verblieb.
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Die Klägerinnen haben die Beklagten mit der diesen am 31. Oktober 1998
zugestellten Klage auf Pflichtteilsergänzung in Anspruch genommen. Sie haben
die Auffassung vertreten, bei der Übertragung des Grundstücks habe es sich um
eine gemischte Schenkung gehandelt. Die Klägerinnen haben behauptet, die
Beklagten hätten den Erblasser nach dem Tod seiner Ehefrau zur Übertragung
des Hauses überredet. Der Wert des Grundstücks habe im Zeitpunkt seiner
Übertragung auf die Beklagten mindestens DM 350.000,-- betragen. Die
Gegenleistungen der Beklagten seien demgegenüber nur mit DM 30.000,-- für
die Zahlung, DM 46.680,-- als Wert der Pflegeleistungen, DM 12.04,85 als Wert
der Grabpflege und DM 24.086,88 als Wert des Wohnrechts, insgesamt daher
mit DM 112.812,48. Ihnen, den Klägerinnen, stehe deshalb, so haben sie weiter
ausgeführt, ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung in Höhe der Hälfte der
Differenz zwischen dem Grundstückswert und der Gegenleistungen der
Beklagten zu. Wegen und in Höhe dieses Anspruchs von DM 118.593,73
könnten sie deshalb die Duldung der Zwangsvollstreckung in das übertragene
Grundstück verlangen.
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Die Klägerinnen haben vor dem Landgericht beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, wegen einer
Forderung in Höhe von DM 118.593,73 nebst 4 % Zinsen seit dem 31.
Oktober 1998 die Zwangsvollstreckung in das im Grundbuch von M.,
Blatt 00000, eingetragene Grundstück zu ihren, der Klägerinnen,
Gunsten zu dulden.
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Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.
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Sie haben behauptet, sie und der Erblasser seien sich darüber einig gewesen,
daß es sich bei der Übertragung des Grundstücks nicht um eine unentgeltliche
Zuwendung handeln solle. Sinn der Übertragung sei gewesen, daß sie zu dem
Erblasser ziehen und ihn versorgen sollten. Bei dem Vertrag vom 10. Juni 1991
habe es sich mithin um einen Versorgungsvertrag gehandelt. Der Erblasser
selbst habe dieses Geschäft angeregt. Er und sie seien übereinstimmend der
Auffassung gewesen, daß sie mit der Übereignung des Hausgrundstücks einen
gerechten Ausgleich für die Leistungen erhalten würden, welche sie für den
Erblasser erbringen sollten. Alles habe darauf hingedeutet, daß er noch 15 bis
20 Jahre leben werde. Er, der Erblasser, selbst sei von einem Wert des Hauses
von DM 150.000,-- ausgegangen. Diesen Wert habe nämlich der Zeuge F. dem
Erblasser bei einer Begehung des Hauses genannt. Hiervon habe man den
Wert des Wohnrechts und der weiteren Verpflichtungen, welche der Zeuge
ebenfalls eingeschätzt habe, abgezogen. Der Erblasser habe dann zunächst
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einen Barbetrag von DM 50.000,-- haben wollen. Man habe sich aber darauf
geeinigt, daß der Vervielfältigungsfaktor von 7,78 zur Berechnung des Werts
des Wohnungsrechts zu hoch sei, da der Erblasser sehr rüstig gewesen sei und
eine hohe Lebenserwartung gehabt habe. Deshalb habe am den Barbetrag auf
DM 30.000,-- reduziert. Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, selbst wenn
die Einschätzung des Werts durch die Vertragsparteien nicht zutreffend
gewesen sein sollte, könne nicht von einer Schenkung gesprochen werden, da
man bei Vertragsschluß darüber einig gewesen sei, daß sich Leistung und
Gegenleistung die Waage halten würden.
Die Beklagten haben ferner behauptet, das Haus sei in hohem Maße schadhaft
gewesen. Sie hätten unter anderem deshalb nach dessen Übertragung Um- und
Einbauten erheblichen Umfangs vorgenommen, deren Wert an Material und
Arbeitsleistung zusammen mehr als DM 200.000,-- umfaßt habe. Erst deshalb
habe das Haus zum Zeitpunkt der Verhandlung im ersten Rechtszug einen Wert
von DM 280.000,-- gehabt. Sein Inventar habe der Erblasser bei ihrem Einzug
überwiegend weggegeben. Den Schmuck seiner Ehefrau habe er bereits nach
deren Tod verschenkt. Das für das Amtsgericht Bergheim erstellte
Nachlaßverzeichnis sei unrichtig.
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Das Landgericht hat mit dem aus den schriftlichen Gutachten des
Sachverständigen Q. vom 24. Januar 2000 (Bl. 122 ff. d.A.) und vom 14. Mai
2001 (Bl. 286 ff. d.A.) sowie aus den Sitzungsniederschriften vom 7. Dezember
2001 (Bl. 386 ff. d.A.), 30. August 2002 (Bl. 417 ff. d.A.) und vom 28. März 2003
(Bl. 486 ff.) ersichtlichen Ergebnis durch Einholung jener Gutachten, die der
Sachverständige in dem Termin vom 7. Dezember 2001 erläutert hat, und durch
Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben.
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Durch das mit der Berufung angefochtene, aufgrund der letzten mündlichen
Verhandlung erster Instanz am 28. März 2003 ergangene und am 25. April 2003
verkündete Urteil (Bl. 454 ff. d.A.), auf das hiermit wegen seines Inhalts und -
einschließlich seiner Verweisungen - wegen aller weiteren Einzelheiten des
erstinstanzlichen Vorbringens Bezug genommen wird, hat das Landgericht die
Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, hier könne nicht von einer gemischten
Schenkung ausgegangen werden. Ob eine solche gemischte Schenkung
vorliege, hänge von dem Wert der auszutauschenden Leistungen ab.
Unabhängig davon, ob hier überhaupt ein auffallend grobes Mißverhältnis
zwischen der Leistung des Erblassers und der Gegenleistung gegeben sei, sei
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, daß der
Erblasser den Beklagten jedenfalls subjektiv keine unentgeltliche, schenkweise
Zuwendung habe machen wollen, so daß eine entsprechende Einigung nicht
zustande gekommen sei. Zwar habe der zu dieser Frage vernommene Zeuge F.
nicht bekunden können, ob der Wert der Leistungen des Erblassers und der
Beklagten nach deren Absprache ausdrücklich hätten gleich sein sollen. Die
Bekundung des Zeugen stütze aber den Vortrag der Beklagten, daß er, der
Zeuge, seinerzeit zu Gesprächen über den Zeitwert des Hauses hinzugezogen
worden sei; auch habe er bekunden können, daß in diesen Gesprächen
zwischen dem Erblasser und den Beklagten nicht von Unentgeltlichkeit die
Rede gewesen sei. Deshalb sei davon auszugehen, daß der Erblasser
entsprechend dem Vortrag der Beklagten keine unentgeltliche Zuwendung
gewollt habe. Denn anders wäre nicht zu erklären, weshalb einerseits über den
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Zeitwert gesprochen wurde, während andererseits nicht erwähnt wurde, daß ein
Teil der Zuwendung hätte schenkweise erfolgen sollen.
Gegen dieses ihnen zu Händen ihrer erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten
am 6. Mai 2003 zugestellte Urteil wenden sich die Klägerinnen mit der am 14.
Mai 2003 bei dem Oberlandesgericht eingelegten Berufung, die sie nach
Verlängerung der Frist zur Vorlage der Berufungsbegründung bis zum 6. August
2003 durch einen am 31. Juli 2003 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen
Schriftsatz vom Vortage begründet haben.
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Die Klägerinnen wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie machen geltend, das Landgericht habe die Voraussetzungen einer
gemischten Schenkung nicht zutreffend erkannt. Das Landgericht habe das
Ergebnis seiner umfangreichen Beweisaufnahme zum Wert der beiderseitigen
Leistungen nicht berücksichtigt, sondern sich statt dessen allein auf eine indes
völlig unergiebige Zeugenaussage, die Bekundung des Zeugen F., gestützt.
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Aufgrund des erheblichen Mißverhältnisses zwischen der Leistung des
Erblassers und der Gegenleistung der Beklagten stehe eine gemischte
Schenkung zu vermuten. Dabei stützen sie sich teilweise auf die Angaben des
Sachverständigen Q.. Hiernach betrage der Verkehrswert des Grundstücks im
Zeitpunkt seiner Umschreibung im Grundbuch auf die Beklagten DM 347.000,--
- bzw. bei Berücksichtigung der von den Beklagten behaupteten, aber nicht
nachgewiesenen Schäden DM 312.000,--. Im Zeitpunkt des Erbfalls habe er
entsprechend DM 410.000,-- bzw. 370.000,-- betragen. Rechne man den Wert
zum Zeitpunkt der Übertragung unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes
auf den Zeitpunkt des Erbfalls hoch, so ergebe sich vom Ausgangswert von DM
347.000,-- ein Wert von DM 402.364,-- und vom Ausgangswert von 315.000,--
ein Wert von DM 365.258,--. Nach dem Niederstwertprinzip sei jeweils der
geringere Wert anzusetzen, hier also ohne Berücksichtigung der von den
Beklagten behaupteten Schäden ein Wert von DM 370.000,--.
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Die Gegenleistungen der Beklagten seien mit DM 30.000,-- (Barzahlung) und
weiteren DM 58.725,60 (Pflegeverpflichtung) zu bewerten, also mit rund DM
89.000,--. Das Wohnrecht sei nach dem Niederstwertprinzip nicht in Ansatz zu
bringen, jedenfalls aber nur für den Zeitraum von etwa 10 Monaten, während
derer der Erblasser noch nach der Übertragung des Hausgrundstücks gewohnt
habe. Der Vergleich zwischen dem Wert der Leistung von DM 370.000,-- und
jenem der Gegenleistung von DM 89.000,-- ergebe ein grobes Mißverhältnis,
was die tatsächliche Vermutung begründe, daß sich die Vertragsparteien über
die unentgeltliche Zuwendung der Wertdifferenz einig gewesen seien. Diese
Vermutung sei nicht widerlegt. Insbesondere sei die Ausgabe des Zeugen F.
unergiebig. Für den Willen des Erblassers, den Beklagten sein Vermögen
teilweise unentgeltlich zuzuwenden, spreche zudem sein am Tage des
Vertragsschlusses mit den Beklagten errichtetes Testament, mit dem er gegen
die Bindung an den mit seiner Ehefrau geschlossenen Erbvertrag verstoßen
habe.
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Ausgehend von einem Grundstückswert zur Zeit des Erbfalls von DM 370.000,--
und Gegenleistungen von DM 89.000,-- berechne sich der unentgeltliche Teil
mit DM 281.000,--. Dies ergebe für jede der beiden Klägerin eine
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Pflichtteilsergänzung von DM 70.250,--, zusammen also von DM 140.500,--, so
daß das Klagebegehren selbst dann gerechtfertigt sei, wenn man den
Grundstückswert deutlich niedrigen ansetzen würde.
Die Klägerinnen haben mit der Berufungsbegründung den Antrag angekündigt,
21
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als
Gesamtschuldner zu verurteilen, wegen einer Forderung der Klägerinnen
in Höhe von EUR 60.636,01 nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Oktober 1998
die Zwangsvollstreckung in das im Grundbuch von M., Bl. 00000,
eingetragene Grundstück zu dulden.
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Im Anschluß an den ihnen von dem Senat durch Beschluß vom 23. August 2004
(Bl. 531 d.A.) erteilten Hinweis, daß der Anspruch aus § 2329 BGB ein
individueller Anspruch des jeweils einzelnen Pflichtteilsberechtigten auf
Duldung der Zwangsvollstreckung wegen des ihm zustehenden
Ergänzungsanspruchs sei, beantragen sie nunmehr,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils
24
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, wegen einer Forderung der
Klägerin zu 1) in Höhe von EUR 30.318,01 nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Oktober
1998 die Zwangsvollstreckung in das (im) Grundbuch von M. Blatt 00000
eingetragene Grundstück zu dulden, und
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, wegen einer Forderung der
Klägerin zu 2) in Höhe von EUR 30.318,01 nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Oktober
1988 die Zwangsvollstreckung in das im Grundbuch von M. Blatt 00000
eingetragene Grundstück zu dulden.
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26
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Ergänzung
ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Bereits auf der Grundlage der vom
Landgericht zutreffend gewürdigten Aussage des Zeugen F. ergebe sich, daß
kein teilweise unentgeltliches Geschäft vorliege.
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Zudem sei der Wert der von ihnen im Vertrag vom 10. Juni 1991 übernommenen
Gegenleistungen teilweise weit höher anzusetzen als von den Klägerinnen und
dem Sachverständigen Q. angenommen. Dabei stellen die Beklagten
verschiedene Berechnungen nebeneinander an.
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Entgegen der Auffassung der Klägerinnen sei auch das Wohnungsrecht zu
berücksichtigen. Da der Erblasser nicht verpflichtet gewesen wäre, auf die
Pflege und Versorgung zu verzichten und statt dessen den im Vertrag
ersatzweise in Ansatz gebrachten Betrag von DM 500,-- monatlich zu fordern,
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könne die Pflegeverpflichtung nicht nur mit diesem Monatsbetrag in Ansatz
gebracht werden. Vielmehr hätten sie, die Beklagten, den Erblasser
gegebenenfalls auch im Falle der Bettlägerigkeit und hoher Pflegebedürftigkeit
pflegen müssen; die Inanspruchnahme einer solchen Dienstleistung habe im
Jahre 1991 monatlich mindestens DM 5.000,-- zuzüglich Mehrwertsteuer
gekostet (Beweis: Gutachten eines Sachverständigen). So daß sich bei einer
Kapitalisierung unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung
(Kapitalisierungsfaktor 8,3) ein Wert von DM 498.000,-- ergebe. Schon beim
Ansatz des Pflegesatzes der gesetzlichen Krankenkassen von DM 1.200,-- pro
Monat ergebe sich ein Jahresbetrag von DM 14.400,-- und bei einem
Kapitalisierungsfaktor von 8,3 ein Gesamtwert von DM 119.500,--. Überdies sei
jedenfalls ein Zuschlag von 30 % bis 50 % gerechtfertigt, so daß sich - nach
Maßgabe der hiermit in Bezug genommenen Berechnung auf Seite 8 der
Berufungserwiderung (Bl. 517 d.A.) - ein Gesamtwert der Gegenleistung in
Höhe von DM 233.256,-- und damit kein auffälliges Mißverhältnis zu der
Leistung des Erblassers ergebe.
Die Beklagten machen ferner in Auseinandersetzung mit den in der
Sitzungsniederschrift vom 3. November 2004 (Bl. 548 f.) festgehaltenen
vorläufigen Überlegungen des Senats geltend, nach der Statistik werde heute
rund ein Viertel der über 70jährigen Personen pflegebedürftig. Für jeden
Pflegefall sei von monatlichen Kosten von EUR 3.000,--, entsprechend DM
5.800,-- auszugehen. Dies ergebe Pflegekosten in Jahr von DM 69.600,--; dem
entspreche bei einem Kapitalisierungsfaktor von 8,3 ein Gesamtbetrag von DM
577.680,--. Wende man hierauf den statistischen Wert der
Eintrittswahrscheinlichkeit der Pflegebedürftigkeit von 25 % an und
berücksichtige weiter, daß eine Wahrscheinlichkeit von 50 : 50 dafür bestanden
habe, daß der Erblasser sich in einem Heim pflegen lasse, so ergebe sich ein
Betrag von mindestens DM 72.210,-- für die Pflegeverpflichtung.
31
Zudem sei der Wert des Hausgrundstücks von dem Sachverständigen Q. zu
hoch angesetzt. Die fehlende öffentlich-rechtliche Erschließung sei von diesem
Sachverständigen unzureichend berücksichtigt worden. Die Beklagten stützen
sich insoweit auf eine von ihnen in Kopie (Bl. 563 ff.) zu den Akten gereichte
Ausarbeitung des Sachverständigenbüros Dr. T. + Partner.
32
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen
gewechselten Schriftsätze einschließlich der als Anlagen zu diesen
Schriftsätzen überreichten Unterlagen Bezug genommen. Der Senat hat mit
dem aus der gutachtlichen Stellungnahme des Sachverständigen Q. vom 17.
Januar 2006 (Bl. 615 f. d.A.) ersichtlichen Ergebnis ergänzend Beweis erhoben.
33
II.
34
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung ist mit dem jetzt zur
Entscheidung gestellten Berufungsantrag teilweise begründet. Auf das
Berufungsverfahren sind nach § 26 Nr. 5 EGZPO die zum 1. Januar 2002 in
Kraft getretenen Bestimmungen anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung
im ersten Rechtszug am 28. März 2003 und damit nach dem in dieser
Bestimmung bezeichneten Stichtag geschlossen worden ist.
35
Den Klägerinnen steht gegen die Beklagten gemäß § 2329 Abs. 1 BGB zur
Pflichtteilsergänzung der in der Urteilsformel bezeichnete Anspruch auf
Duldung der Zwangsvollstreckung in das ihnen, den Beklagten, von dem
Erblasser übertragene Grundstück zu. Die Klägerinnen sind - als Abkömmlinge
des Erblassers - dem Grunde nach berechtigt, diesen Anspruch geltend zu
machen. Zwar haben sie aufgrund des zwischen ihren Eltern geschlossenen
Erbvertrages vom 4. Januar 1989 den Erblasser, ihren Vater, unstreitig zu je ½-
Anteil beerbt. Daß in der hierfür maßgeblichen Bestimmung des § 2 dieses
Erbvertrages die Wörter "als Erben" fehlen, steht dem nicht entgegen; vielmehr
ergibt sich aus dem übrigen Inhalt des Erbvertrages zweifelsfrei, daß die
Klägerinnen zu je ½-Anteil zu Erbinnen des zuletzt Versterbenden der beiden
Eheleute berufen wurden. Infolge der Bindungswirkung dieses Erbvertrages
nach § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB, die es dem Erblasser unter Berücksichtigung
ihrer Einschränkung in § 5 des Erbvertrages nur erlaubt hätte, den Nachlaß
unter seinen Töchtern abweichend zu verteilen, nicht aber Dritte zu seinen
Erben zu berufen, ist die von dem Erblasser in dem notariellen Testament vom
10. Juni 1991 verfügte Einsetzung der Beklagten zu seinen Erben unwirksam.
Auch darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Trotz ihrer Stellung als
Erbe können die Klägerinnen indes gegen die Beklagten als von dem Erblasser
Beschenkte den Anspruch aus § 2329 Abs. 1 BGB geltend machen. Bei
wertlosem oder zur Befriedigung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen nicht
ausreichendem Nachlaß kann auch jeder der Miterben in entsprechender
Anwendung von § 2329 Abs. 1 Satz 2 BGB direkt gegen den Beschenkten
vorgehen (vgl. BGHZ 80, 205 ff.; Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl. 2009,
§ 2329, Rdn. 1). So liegt es hier.
36
Bei der Übertragung des Hausgrundstücks gemäß dem notariellen Vertrag vom
10. Juni 1991, der durch Umschreibung des Eigentums im Grundbuch auf die
Beklagten am 12. September 1991 vollzogen worden ist, handelt es sich um
eine gemischte Schenkung. Eine solche gemischte Schenkung, bei welcher der
Wert der Leistung einer Seite dem der Gegenleistung nur zum Teil entspricht, ist
zur Pflichtteilsergänzung nach den §§ 2325, 2329 BGB der den Wert der
Gegenleistung des anderen Teils übersteigende, unentgeltliche Teil der
Leistung des Erblassers heranzuziehen (vgl. nur Palandt/Edenhofer, a.a.O.,
§ 2325, Rdn. 19).
37
Der Begriff der Schenkung in den §§ 2325, 2329 BGB entspricht zwar
grundsätzlich dem der Schenkung in § 516 Abs. 1 BGB. Ergänzungsansprüche
nach den §§ 2325, 2329 Abs. 1 BGB setzen mithin voraus, daß der Erblasser
dem in Anspruch genommenen Dritten eine Schenkung im Sinne von § 516
BGB gemacht hat, also eine Zuwendung, die den Empfänger aus dem
Vermögen des Gebers bereichert und bei der beide Teile darüber einig sind,
daß sie unentgeltlich erfolgt (vgl. BGHZ 59, 132 [135]; BGHZ 157, 178 ff. unter II,
1). Der Einordnung als Schenkung im Sinne von § 516 Abs. 1 BGB steht es
dabei nicht entgegen, daß nur ein Teil der Leistung unentgeltlich erfolgt.
Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr zur Bejahung einer gemischten
Schenkung, daß sich die Vertragsparteien über die teilweise Unentgeltlichkeit
der Zuwendung einig sind (vgl. BGH NJW-RR 1996, 754 [755]). Der Wille der
Beteiligten muß sich bei einer gemischten Schenkung darauf richten, daß der
Mehrwert der Leistung unentgeltlich zugewandt werden soll (vgl. BGH NJW-RR
38
1993, 773 [774]).
Zwar kann ein entgeltlicher Vertrag selbst dann gegeben sein, wenn zwischen
der Zuwendung und der Gegenleistung in objektiver Hinsicht ein grobes
Mißverhältnis besteht (vgl. BGH FamRZ 1970, 195 [196]; OLG Brandenburg,
OLG-Report 2008, 795). Der Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen des §§
2325, 2329 Abs. 1 BGB und damit auch des Vorliegens einer - auch gemischten
- Schenkung obliegt demjenigen, der den Anspruch nach diesen Bestimmungen
geltend macht (vgl. Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2325, Rdn.25). Dabei kann er
sich indes auf eine in der Rechtsprechung anerkannte Beweiserleichterung
berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt,
ist eine gemischte Schenkung dann zu vermuten, wenn zwischen der Leistung
und der Gegenleistung ein objektives, über ein geringes Maß deutlich
hinausgehendes Mißverhältnis besteht (vgl. BGHZ 82, 274 [281 f.]; BGH NJW
1987, 890 [892]; BGH NJW 1995, 1349 [1350]; BGH, Urteil vom 3. Dezember
2008 - IV ZR 58/07 -, Rdn. 17, hier zitiert nach juris). Dabei obliegt es dem
Tatrichter, die für diese Beurteilung maßgeblichen Werte notfalls auf der
Grundlage von § 287 Abs. 2 ZPO zu ermitteln und zu beziffern (vgl. BGH NJW
1995, 1349 [1350]; BGH NJW-RR 1996, 754 [755]; OLG Celle, OLG-Report
2008, 770 f.).
39
Ein derartiges Mißverhältnis ist hier gegeben. Dabei ist der Wert der Leistung
des Erblassers - die Übertragung des Eigentums am Hausgrundstück - mit dem
Wert des bebauten Grundstücks zum Zeitpunkt seiner Übertragung auf die
Beklagten und damit auf der Grundlage der Ausführungen in dem eingehenden
und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Q. vom 24. Januar 2000
mit DM 312.000,-- anzusetzen. Da es sich bei dem Objekt um ein mit einem
Einfamilienhaus bebautes Grundstück handelt, hat der Sachverständige
zutreffend in Anlehnung an die §§21 ff. WertV seiner Bewertung im Ergebnis
nicht den Ertrags-, sondern den Sachwert des Hauses zugrunde gelegt.
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Die gegen diese Bewertung von beiden Seiten erhobenen Einwendungen
veranlassen keine abweichende Beurteilung. Darauf, welchen Wert das
Hausgrundstück im Jahre 1997, zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers hatte,
und wie sein Wert im Zeitpunkt der Übertragung auf die Beklagten unter
Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Zeitpunkt des Erbfalls
hochzurechnen ist, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob eine gemischte
Schenkung oder ein vollständig entgeltliches Geschäft vorliegt, nicht an. Auch
das Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB spielt für sie (noch)
keine Rolle. Sie beantwortet sich vielmehr allein nach den Verhältnissen im
Zeitpunkt der Übertragung des Grundstücks auf die Beklagten. Das
Niederstwertprinzip ist vielmehr erst bei der Berechnung des
Pflichtteilsergänzungsanspruchs heranzuziehen, der voraussetzt, daß ein im
Zeitpunkt seiner Vornahme auch subjektiv teilweise unentgeltliches Geschäft
vorliegt.
41
Da die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines teilweise
unentgeltlichen Geschäfts die Klägerinnen als die Gläubiger des mit der Klage
verfolgten Ergänzungsanspruchs tragen, kann der Bewertung nur der Zustand
des Hauses im Jahre 1991 mit den Schäden zugrunde gelegt werden, wie sie
von den Beklagten behauptet und dem Sachverständigen gegenüber
42
angegeben worden sind. Unter Berücksichtigung dieser von den Beklagten
unwiderlegt vorgetragenen Schäden hat der Sachverständige den Wert der
baulichen Anlagen mit DM 124.950,-- und hieran anknüpfend den Sachwert des
Objekts im Jahre 1991 mit rund DM 315.000,-- festgestellt.
Die dagegen seitens der Beklagten erhobenen, u.a. auf die Ausarbeitung des
Sachverständigenbüros T. gestützten Einwendungen sind nicht berechtigt.
Davon, daß der Sachverständige Q. in seinem Gutachten die - der Ermittlung
des Bodenwerts zu Grunde gelegte - derzeit zulässige bauliche Nutzung des
Grundstücks zutreffend beschrieben hat, geht auch jene Ausarbeitung aus. Die
beiden in jener Ausarbeitung aufgestellten alternativen Berechnungen beruhen
jeweils - darauf hat der Senat in seinem Beschluß vom 9. Februar 2005
hingewiesen - auf der Annahme eines "Minderwerts des Grundstücks aufgrund
zukünftiger Herabstufung von Bauland in Gartenland". Dies ist - auch darauf hat
der Senat in jenem Beschluß hingewiesen - schon im Ansatz nicht
nachvollziehbar. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen im
Gutachten des Sachverständigen Q. vom 24. Januar 2000 lag das - teilweise vor
1952 bebaute - Grundstück im Jahre 1991 im Geltungsbereich eines
genehmigten Bebauungsplans, nämlich des Plans Nr. 58475/02, welcher am
10. Januar 1973 Bestandskraft erlangte, dabei aber nur mit einem schmalen Keil
innerhalb der Bebauungsgrenzen. Da das Grundstück zu diesem Zeitpunkt
indes bereits bebaut war, genoß die Bebauung - wie der Sachverständige in
seinem weiteren Gutachten vom 14. Mai 2001 erläutert hat - Bestandsschutz.
Auf der Grundlage dieser zutreffenden Feststellungen hat der Sachverständige
den von ihm angesetzten Bodenwert durch Preisvergleich mit
Vergleichsgrundstücken ermittelt, welche in Lage und Erschließungszustand mit
dem zu bewertenden Grundstück übereinstimmen. Dies ist nicht zu
beanstanden. Auf dieser Grundlage hat der Sachverständige nachvollziehbar
und überzeugend erläutert, daß und wie er für den Zeitpunkt der Übertragung im
Jahre 1991 ausgehend vom Wert eines Vergleichsgrundstücks von 410,--
DM/m² unter Berücksichtigung der Lage außerhalb der Baugrenzen einen Wert
von 350,-- DM/m² und hieran anknüpfend bei einer Grundstücksgröße von 549
m² einen Bodenwert des Grundstücks von rund DM 190.000,-- ermittelt hat. Daß
eine der beiden Parzellen, aus denen das Grundstück besteht, nämlich die
Parzelle 12/4, nach einem von den Beklagten vorgelegten Bescheid nicht
gesondert bebaut werden kann, hat der Sachverständige Q. ausweislich seiner
weiteren Stellungnahme vom 17. Januar 2006 bei seinem Gutachten bereits
berücksichtigt. Nachdem der in Rede stehende Bebauungsplan am 14. August
1995 aufgehoben wurde, richtete sich die Zulässigkeit eines Neubaus auf dem
Grundstück jetzt ohnehin nach § 34 Abs. 1 BauGB. Nach den Feststellungen
des Sachverständigen und den seinem Gutachten vom 24. Januar 2000
beigegebenen Lichtbildern fügt sich die derzeit vorhandene Bebauung des
Grundstücks in die Umgebung ein und hält sich im Rahmen des Ortsüblichen.
Für einen etwaigen Neubau - im Falle der Zerstörung des Objekts - würde somit
nichts anderes gelten. Der Senat sieht deshalb keinen Anlaß zur Einholung
eines weiteren Gutachtens zum Bodenwert des Grundstücks.
43
Auf den Aufwand, den die Beklagten nach ihrer Darstellung nach dem Erwerb
des Objekts für die Instandsetzung und Modernisierung des Hauses aufgewandt
haben, kommt es für die Feststellung seines Werts im Jahre 1991 nicht an. Wie
der Sachverständige Q. in seinem Gutachten vom 14. Mai 2001 überzeugend
44
erläutert hat, erhöhen Modernisierungsmaßnahmen den Wert eines Objekts
nicht um den Betrag der für sie aufgewandten Kosten, und zwar bereits deshalb,
weil im Zuge der Modernisierung regelmäßig Bauteile entfernt werden, die noch
einen Wert haben. Der Sachverständige hat dies am Beispiel des Ersatzes
vorhandener Fenster durch eine Isolierverglasung plausibel erläutert. Deshalb
kommt auch eine Rückrechnung durch Abzug der von den Beklagten
behaupteten Modernisierungskosten von dem danach festgestellten Wert nicht
in Betracht. Vielmehr kann die Bewertung für das Jahr 1991 nur nach der
unwiderlegten Darstellung seines Zustandes durch die Beklagten erfolgen,
welche der Sachverständige bei seiner Abschätzung des Werts des Gebäudes
zugrunde gelegt hat. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der
Sachverständige auch den gegen sein Gutachten vom 24. Januar 2000
erhobenen Einwand der Beklagten, das Haus sei teilweise bereits 1850
errichtet worden, weshalb im hier maßgeblichen Zeitpunkt kein wesentlicher
Restwert mehr anzusetzen sei, in seinem weiteren Gutachten vom 14. Mai 2001
verworfen. Dabei hat der Sachverständige zum einen darauf verwiesen, daß es
sich bei den etwa aus dem Jahre 1850 stammenden Bauteilen sicher nur um
Mauerwerk mit nahezu unbegrenzter Lebensdauer handele, zum anderen
darauf, daß das Gebäude im Jahre 1952 erweitert und aufgestockt wurde sowie
ein neues ausbaufähiges Dach erhielt. Zudem bemißt sich - auch darauf hat der
Sachverständige hingewiesen - die Wertminderung wegen des Alters eines
Gebäudes nach § 23 WertV nach dem Verhältnis der Rest- zur
Gesamtnutzungsdauer der baulichen Anlagen. Das von den Beklagten im
ersten Rechtszug in Kopie zu den Akten gereichte Gutachten des
Gutachterausschusses der Stadt O. vom 30. August 2001 (Kopie Bl. 360 ff. d.A.)
verhält sich lediglich über den Bodenwert des Objekts zum Stichtag vom 13.
August 1997 und besagt deshalb für dessen Wert im Jahre 1991 nichts. Die in
der genannten Ausarbeitung des Büros Schwirley vorgenommene
Rückrechnung aus dem vom Gutachterausschuß in Ansatz gebrachten
Bodenwert im Jahre 1997 auf den Wert im Jahre 1991 ist nicht tragfähig. Die
überzeugend auf den Vergleich mit dem Bodenwert anderer Grundstücke in
vergleichbarer Lage gestützten Feststellungen werden hierdurch nicht entkräftet.
Von dem Wert des Hausgrundstücks abzusetzen ist indes der Wert des dem
Erblasser eingeräumten Wohnungsrechts. Daß ein solches lebenslanges
Wohnungsrecht bei der Berechnung zum Stichtag des Erbfalls außer Ansatz
bleibt, weil es mit dem Erbfall erlischt, ist für die hier vorzunehmende
Beurteilung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt der
Schenkung unerheblich; bei der Bewertung zu diesem hier maßgeblichen
Zeitpunkt ist vielmehr der Wert der Nutzung als Belastung abzuziehen. Nur den
so ermittelten Restwert hat der Verfügende, hier also der Erblasser, im Zeitpunkt
des Vollzugs des Geschäfts aus seinem Vermögen ausgegliedert (vgl. BGHZ
118, 49 [51]; BGHZ 125, 395 [397]; BGH NJW-RR 1996, 705 [707]).
45
Den Monatswert der Nutzung der beiden Räume durch den Erblasser
veranschlagt der Senat im Anschluß an die überzeugenden Ausführungen in
dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Q. vom 14. Mai 2001 mit DM
250,--. Den ortsüblichen Mietzins für diese Räume hat der Sachverständige mit
DM 192,-- beziffert. Dabei sind die freie Mitbenutzung von Bad und Toilette und
der freie Umgang in Hof und Garten mit abgegolten, weil sich sonst ein deutlich
geringerer Mietzins ergeben würde. Hinzuzurechnen sind die von den
46
Beklagten zu übernehmenden Nebenkosten einschließlich der Kosten der
Beheizung dieser Räume, so daß entsprechend den Feststellungen des
Sachverständigen ein Monatsbetrag von EUR 250,-- anzusetzen ist. Zwar stand
bei Vertragsabschluß der Zeitraum, für den dem Erblasser das lebenslängliche
Wohnrecht zustehen werde, nicht fest. Vielmehr handelt es sich bei einem
Rechtsgeschäft, durch das - wie hier - eine Seite Leistungen für die Lebenszeit
der anderen verspricht, um ein Risikogeschäft mit der Folge, daß je nach dem
Verlauf der Dinge die Leistung der einen Seite höher oder niedriger ausfallen
kann. Dies ist den Vertragsparteien bei Vertragsabschluß indes bewußt.
Deshalb ist bei der Bewertung eines derartigen Geschäfts auf die Verhältnisse
bei Vertragsabschluß abzustellen und zur Bewertung der für die Lebenszeit des
einen Teils zu gewährenden Leistungen eine Kapitalisierung mit dem Faktor
aus der Anlage 9 zu § 14 des Bewertungsgesetzes vorzunehmen (vgl. OLG
Celle, NJW-RR 2002, 1448 f.; OLG Celle, OLG-Report 2008, 770 f.). Bei einer
davon abweichenden Bewertung, es sei auch ein anderer Verlauf möglich,
würde dem Erwerber, der bewußt eine Verpflichtung mit ungewisser Dauer
übernommen hat, im Hinblick auf die Pflichtteilsergänzung das eingegangene
Risiko abgenommen, was nicht gerechtfertigt ist, weil bei der Anwendung der §§
2325, 2329 BGB schützenswerte Interessen Dritter berührt werden (vgl. BGH
NJW 1995, 1349 [1350]; OLG Celle, OLG-Report 2008, 770 f.), nämlich das
auch verfassungsrechtlich verbürgte Recht der Kinder auf Teilhabe am Nachlaß
ihrer Eltern (vgl. BVerfGE 112, 332 ff.). Andererseits ist wegen des
Risikocharakters des Geschäfts hier nicht auf die tatsächlich geringere Dauer
der Nutzung des Wohnungsrechts durch den Erblasser abzustellen, der nach
seinem Unfall im Jahre 1992 bis zu seinem Tode in einem Pflegeheim lebte.
Der Erblasser ist am 17. Juni 1923 geboren, war bei der Vollziehung des
Vertrages vom 10. Juni 1991 durch Umschreibung im Grundbuch am 12.
September 1991 und damit bei der Begründung des Wohnungsrechts mithin 68
Jahre alt. Nach der damals, nämlich in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 26.
Juni 1993 gültigen Tabelle der Anlage 9 zu § 14 BewG in der Fassung des
Bewertungsgesetzes vom 1. Februar 1991 beträgt der Kapitalisierungsfaktor für
einen Mann dieses Alters 7,502. Bei einem Jahreswert des Wohnrechts von (12
x DM 250,-- =) DM 3.000,-- ergibt sich hieraus ein Kapitalwert von (7,502 x DM
3.000,-- =) DM 22.506,--, so daß sich der Wert des übertragenen Grundstücks
abzüglich der dem Erblasser verbliebenen Nutzung mit (DM 315.000,-- - DM
22.506,-- =) DM 292.494,-- berechnet.
47
Diesem Betrag stehen die von den Beklagten in dem Vertrag von 10. Juni 1991
weiter zugesagten Gegenleistungen gegenüber. Hierbei ist zum einen die
Barzahlung von DM 30.000,-- zu berücksichtigen, über deren Höhe kein Streit
besteht.
48
Hinzu kommt der Wert der von den Beklagten übernommenen Verpflichtung zur
Versorgung und Pflege des Erblassers. Ihn veranschlagt der Senat nach § 287
Abs. 2 ZPO mit DM 1.000,-- pro Monat. Dabei sind für die Verpflegung des
Erblassers DM 400,-- pro Monat und für die Verpflichtung der Beklagten zu
seiner Pflege weitere DM 600,-- anzusetzen. Für diese Bewertung sind folgende
Umstände maßgebend :
49
Im Ansatz fehl geht die Berechnung der Beklagten, die daran anknüpft, daß für
50
eine Vollzeitpflege eines schwerst Pflegebedürftigen ein Betrag von DM 5.800,--
angemessen sei. Denn der Erblasser war im Zeitpunkt des Abschlusses des
Vertrages vom 10. Juni 1991 weder schwerst, noch - mangels gegenteiligen
Vorbringens - überhaupt pflegebedürftig, so daß der von den Beklagten zur
Grundlage ihrer Berechnung gemachte Fall zunächst nicht vorlag und auch zu
einem späteren Zeitpunkt eintreffen konnte. Auch die von der Beklagten
genannte Prozentsatz, daß 25 % der über 70-jährigen pflegebedürftig seien, der
sich offenbar auf einen von den Beklagten vorgelegten Ausdruck von zwei
Seiten eines Internet-Portals der Privaten Krankenversicherer (Bl. 570 f. d.A.)
stützt, wo nach dem Stand von "heute" (20.11.2004) 8,5 Millionen über 70-
jährigen 2,1 Mio Pflegebedürftige gegenüber gestellt werden, berücksichtigt
nicht, daß nur ein kleiner Teil der Pflegebedürftigen in dem von den Beklagten
genannten Ausmaß, also schwerst pflegebedürftig ist. Überdies lassen die
Beklagten außer Betracht, daß gerade für diesen Fall eine Pflege durch sie
nicht zu erwarten stand, weil im notariellen Vertrag vom 10. Juni 1991 gerade
der Fall, daß aufgrund ärztlicher Anordnung ein Krankenhaus- oder
Heimaufenthalt erforderlich wurde, von der Pflegeverpflichtung ausgenommen
war. Von einer solchen Anordnung wäre indes im Fall schwerster
Pflegebedürftigkeit, welche entsprechend den Darlegungen der Beklagten eine
Pflege "rund um die Uhr" erforderlich machte, auszugehen.
Vielmehr ist hier zu berücksichtigen, daß es sich bei der Übernahme der
Pflegeverpflichtung gleichfalls um ein Risikogeschäft in dem vorstehend
beschriebenen Sinne handelt, wobei hier im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
nicht nur der Zeitraum bis zum Ende einer etwaigen Pflegeverpflichtung,
sondern zugleich ungewiß war, ob und gegebenenfalls wann sie überhaupt
einsetzen würde. Gewiß war insoweit lediglich, daß zunächst - bis zum Tode
des Erblassers oder bis zu seiner Übersiedlung in ein Heim oder seiner
Einweisung in ein Krankenhaus - die Beklagten verpflichtet waren, den
Erblasser zu verpflegen und zu betreuen, ihm also behilflich zu sein.
51
Für die Verpflichtung der Beklagten zur Verpflegung und Betreuung des mit
ihnen in einem Haus zusammen wohnenden Erblassers setzt der Senat DM
400,-- pro Monat an. Dem ist der Wert der Pflegeverpflchtung hinzuzurechnen.
Ausgehend von dem von den Beklagten selbst genannten Wert des
Versorgungssatzes der Krankenkassen von DM 1.200,-- und unter
Berücksichtigung des Umstandes, daß die Notwendigkeit einer Pflege durch die
Beklagten nicht gewiß, sondern ungewiß war, hält der Senat hier einen Ansatz
von DM 600,-- für die potentielle Pflegeverpflichtung für angemessen. Dem steht
nicht entgegen, daß die Vertragsparteien den Betrag der Zahlung, welche die
Beklagten ersatzweise für den Fall entrichten sollten, daß der Erblasser die
Verpflegung und Pflege durch sie nicht in Anspruch nehmen wolle, lediglich auf
DM 500,-- pro Monat festgelegt haben. Zwar ist das Vorbringen der Beklagten,
hierfür sei maßgeblich gewesen, daß sie eine höhere monatliche Zahlung nicht
hätten aufbringen können, nicht ohne weiteres mit ihrem weiteren Vorbringen zu
vereinbaren, für den Ausbau und die Modernisierung - ohne Berücksichtigung
ihrer Eigenleistungen - jedenfalls rund DM 140.000,-- aufgewandt zu haben.
Indes ist nicht auszuschließen, daß die Vertragsparteien das Risiko einer
Pflegebedürftigkeit des Erblassers für eher gering eingeschätzt haben. Diese
subjektive Sicht mindert hier, bei der Feststellung eines objektiven
Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung, indes den zu
52
berücksichtigenden Wert der Gegenleistung nicht.
Hiernach errechnet sich ein Jahresbetrag der in Rede stehenden
Verpflichtungen von ([DM 600,-- + DM 400,--] x 12 =) DM 12.000,-- und
entsprechend auf der Grundlage des genannten Kapitalisierungsfaktors von
7,502 ein Gesamtwert dieser Verpflichtungen von (DM 12.000,-- x 7,502 =) DM
90.024,--.
53
Schließlich ist die von den Beklagten übernommene Verpflichtung zur
Grabpflege zu berücksichtigen. Den Wert dieser Grabpflege hat der
Sachverständige mit DM 50,-- pro Monat bewertet. Dem schließt sich der Senat
an (§ 287 Abs. 2 ZPO), zumal eine bestimmte, aufwendige Ausschmückung des
Grabes nicht vereinbart worden ist. Auf dieser Grundlage ergibt sich ein
Jahresbetrag von DM 600,-- bei einer Dauer der - nicht mit dem Tode des
Erblassers endenden - Verpflichtung zur Grabpflege von 20 Jahren abgezinst
ein Gesamtbetrag von DM 9.000,--. Daß die Beklagten einen doppelt so hohen
Betrag, nämlich DM 18.000,-- in Ansatz bringen, beruht darauf, daß sie der
Berechnung statt des auf Seite 43 des Gutachtens des Sachverständigen Q.
vom 24. Januar 2000 (Bl. 164 d.A.) genannten Monatsbetrages von DM 50,--
den auf Seite 41 desselben Gutachtens (Bl. 162 d.A.) infolge eines
Schreibfehlers genannten Betrag von DM 100,-- pro Monat zugrunde legen.
Diesen Schreibfehler hat der Sachverständige Q. indes auf Seite 18 seines
Gutachtens vom 14. Mai 2001 (Bl. 303 d.A.) korrigiert.
54
Insgesamt beträgt der Wert der Gegenleistungen der Beklagten daher (DM
30.000,-- + DM 90.024,-- + DM 9.000,-- =) DM 129.024,--. Der Wert der Leistung
des Erblassers von DM 292.494,-- beträgt somit rund 226,7 % des Wertes der
Gegenleistung der Beklagten und übersteigt diese Gegenleistung daher in
einem solchen Ausmaß, daß hierdurch die Vermutung der Einigung der
Vertragsparteien über den teilweise unentgeltlichen Charakter des Geschäfts
begründet wird.
55
Diese zu Gunsten der Klägerinnen streitende tatsächliche Vermutung wird
entgegen der Auffassung des Landgerichts durch das Ergebnis der
Beweisaufnahme im übrigen nicht entkräftet. Die vom Landgericht
vernommenen Zeugen U., I., R. und J. sind ausschließlich zu anderen Fragen
als der hier in Rede stehenden vernommen worden. Auch die Bekundungen der
Zeugen S. V. und K. zu dieser Frage sind unergiebig. Der Zeuge S. V. hat
hierzu angegeben, er wisse weder, welche Beweggründe den Erblasser
seinerzeit bewogen hätten, noch, welche Preisvorstellungen der Erblasser
gehabt und was die Beklagten geboten hätten. Ihm, dem Zeugen V. , sei auch
nicht bekannt, ob der Erblasser den Beklagten etwas unentgeltlich zuwenden
wolle. Der Zeuge K. hat angegeben, mit dem Erblasser zu keiner Zeit über
dessen Vorstellungen im Zusammenhang mit der Übertragung des Hauses auf
die Beklagten gesprochen zu haben. Über die Einzelheiten betreffend die
Übertragung des Hauses sei er, der Zeuge, nicht informiert. Auf die Aussagen
dieser Zeugen hat sich das Landgericht auch nicht gestützt.
56
Es hat seiner Entscheidung insoweit allein die Bekundung des Zeugen F.
zugrunde gelegt. Dieser hat zum einen bekundet, der Erblasser habe in seiner,
des Zeugen, Gegenwart zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht, den
57
Beklagten etwas schenken zu wollen. Dazu, ob seinerzeit Leistung und
Gegenleistung gleichwertig sein sollten, könne er, der Zeuge, nichts sagen. Das
wisse er nicht. Konkret könne er, der Zeuge, auch nicht mehr sagen, was er in
diesem Zusammenhang habe tun sollen, habe aber ein Gespräch über den
Zeitwert des Objekts geführt.
Den hieraus von dem Landgericht gezogenen Schluß darauf, daß sich die
Vertragsparteien trotz des - vom Landgericht nicht festgestellten, aber für
möglich erachteten - Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung
über die Entgeltlichkeit des Geschäfts einig gewesen seien, so daß die zu
Gunsten der Klägerin streitende tatsächliche Vermutung - nach dem
Argumentationansatz des Landgerichts : jedenfalls - entkräftet sei, vermag der
Senat nicht zu teilen. Das Landgericht gründet diesen Schluß allein darauf, daß
es dem Erblasser - wie das Gespräch mit dem Zeugen über den Zeitwert zeige -
darauf angekommen sei, den Zeitwert des Objekts zu kennen und daß er keine
unentgeltliche Zuwendung gewollt habe. Anders wäre es - so das Landgericht -
nicht erklärlich, daß der Zeitwert Gegenstand der Gespräche war, aber nicht
erwähnt wurde, daß ein Teil der Zuwendung unentgeltlich erfolgen sollte.
58
Dieser Schluß geht fehl. Daß mit dem Zeugen F. der Zeitwert des Objekts
besprochen wurde, läßt zwar darauf schließen, daß der Erblasser diesen Wert
vor Abschluß des Geschäfts kennen wollte. Zu der Frage, ob er teilweise
unentgeltlich verfügen wollte, ergibt sich daraus indes nichts. Auch wer ein
Geschenk macht, kann daran interessiert sein, den Wert des Geschenks zu
kennen. Bei einer gemischten Schenkung, wie sie nach den objektiven
Wertverhältnissen zu vermuten steht, ist zudem nicht auszuschließen, daß der
Verfügende das Verhältnis von unentgeltlichem und entgeltlichem Teil des
Geschäfts bestimmen und hierfür den Wert seiner Leistung kennen will. Daß der
Erblasser - wovon nach der Bekundung des Zeugen F. auszugehen ist - in
dessen Gegenwart zu keinem Zeitpunkt von auch nur teilweise unentgeltlichen
Übertragung gesprochen hat, veranlaßt keine abweichende Beurteilung. Denn
es liegt nicht fern, daß er damals keinen Anlaß sah, seine Motive und
Beweggründe einem Außenstehenden zu offenbaren und mit diesem zu
erörtern. Hiermit steht in Einklang, daß nach der Aussage des Zeugen K., des
Stiefsohns des Erblassers, mit diesem seinerzeit "nicht zu reden" war und sich
der Erblasser vielmehr nach dem Tod seiner Ehefrau, der Mutter der
Klägerinnen und des Zeugen, "abgekapselt" hatte.
59
Hinzu kommt, daß die für die Klägerinnen streitende Vermutung durch das
weitere Verhalten des Erblassers gestützt und bekräftigt wird. Am selben Tage,
an dem er mit den Beklagten den Übertragungsvertrag geschlossen hat, hat er
ein notarielles Testament errichtet, in dem er - abweichend von dem zuvor
geschlossenen Erbvertrag und ohne die durch diesen begründete Bindung zu
erwähnen - die Beklagten zu seinen Erben eingesetzt hat. Dies stellt ein starkes
Indiz für seinen Willen dar, die Beklagten zu begünstigen. Vor diesem
Hintergrund kam auch der Höhe der Gegenleistung der Beklagten kein
ausschlaggebendes Gewicht zu, nachdem er bis zu seinem Tode in ihrem Haus
leben wollte und sie ihn anschließend ohnehin beerben sollten. Es ist daher von
dem Willen des Erblassers, den Beklagten das Hausgrundstück teilweise
unentgeltlich zuzuwenden, und einer entsprechenden Einigung der
Vertragsparteien auszugehen.
60
Eine erneute Vernehmung des Zeugen F. ist nicht geboten. Der Senat weicht
mit seiner Entscheidung weder von der Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit
noch von der Beurteilung des Inhalts seiner Aussage durch das Landgericht ab.
Der Senat teilt den Standpunkt des Landgerichts, daß der Zeuge glaubwürdig
und seine Aussage - auch und gerade, weil der Zeuge offen bekundet hat, was
er wußte und was nicht - glaubhaft ist. Der Senat legt seiner Beurteilung auch
uneingeschränkt die Feststellungen des Landgerichts über den Inhalt und
Verlauf der zwischen dem Zeugen und den Vertragsparteien geführten
Gespräche zu Grunde. Nur den von dem Landgericht aus diesem festgestellten
Sachverhalt gezogenen Schluß auf den inneren Willen vermag der Senat - auch
unter Berücksichtigung des Testaments des Erblassers vom 10. Juni 1991 -
nicht zu teilen. Eine erneute Vernehmung des Zeugen ist deshalb nicht geboten.
61
Für die Berechnung des hiernach dem Grunde nach gegebenen
Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Klägerinnen gilt folgendes :
62
Unstreitig hätten die Klägerinnen den Erblasser als dessen einzige
Abkömmlinge (auch) bei gesetzlicher Erbfolge zu je ½ beerbt. Die
Pflichtteilsquote beträgt daher jeweils ¼.
63
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist in der Weise zu berechnen, daß der Wert
des Geschenks dem Nachlaß hinzugerechnet, hiervon der Pflichtteil berechnet
und von diesem das abgezogen wird, was der Berechtigte bereits - hier als Erbe
- aus dem Nachlaß erlangt hat, § 2325 Abs. 1 BGB. Dabei ist hier das
Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenso zu berücksichtigen
wie der zwischen der - hier teilweise - unentgeltlichen Verfügung des Erblassers
und dem Erbfall eingetretene Kaufkraftschwund. Hierzu ist zunächst der Wert
des Geschenks im Zeitpunkt seiner Vollziehung zu ermitteln und nach den
Grundsätzen über die Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Tag
des Erbfalls umzurechnen; ihm ist der Wert des Geschenks im Zeitpunkt des
Erbfalls gegenüber zu stellen; der niedrigere von beiden Beträgen ist dann
maßgeblich und zur Berechnung des Ergänzungsanspruchs dem Nachlaßwert
hinzuzurechnen (vgl. BGHZ 118, 149 ff.; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2325,
Rdn. 18).
64
Der Wert des unentgeltlichen Teils der Zuwendung im Jahre 1991 betrug nach
dem Gesagten (DM 292.494,-- - DM 129.024,-- =) DM 163.470,--. Unter
Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf das Jahr 1997 ergibt sich hieraus
ein anzusetzender Betrag von (DM 163.470,-- : 83,6 x 97,1 =) DM 189.867,67.
Dieser Betrag liegt niedriger als der zum Vergleich heranzuziehende Wert des
unentgeltlich Zugewandten am Stichtag des Erbfalls am 13. August 1997 von
(DM 370.000,-- - DM 30.000,-- - DM 9.000,-- - DM 90.024,-- =) DM 240.976,--.
Nichts anderes ergibt sich im Ergebnis, wenn man die von den Beklagten
übernommenen Gegenleistungen von zusammen (DM 30.000,-- + DM 9.000,-- +
DM 90.024,-- =) DM 129.024,-- mit Rücksicht darauf, daß es sich nicht um eine
vollständig unentgeltliche Leistung, sondern um eine gemischte Schenkung
handelt, zur Herstellung der Vergleichbarkeit ebenfalls unter Berücksichtigung
des Kaufkraftschwundes auf das Jahr 1997 hochrechnet. Dann sind von dem
Betrag von DM 370.000,-- statt des Nennbetrages der Gegenleistung (DM
129.024,-- : 83,6 x 97,1 =) DM 149.859,22 abzusetzen, so daß der Wert des
65
Geschenks zum Stichtag des Erbfalls (DM 370.000,-- - DM 149.859,22 =) DM
220.140,78 beträgt. Auch in diesem Fall ist der hochgerechnete Wert des
unentgeltlich zugewandten zum Stichtag der Übertragung niedriger, so daß im
Ergebnis nur dieser Wert von DM 189.867,67 maßgebend ist. Der Wert des für
den Erblasser bestellten Wohnungsrechts ist bei der Bewertung nach dem
Stichtag zum Erbfall, anders als bei der zum Stichtag der Übertragung des
Hausgrundstücks, nicht abzusetzen, weil es mit dem Erbfall erloschen ist (vgl.
BGHZ 118, 49 ff.; BGHZ 125, 395 [397, 399]; BGH NJW-RR 2006, 877 ff.).
Hieraus ergibt sich folgende Berechnung: Rechnet man den Betrag von DM
189.867,67 dem in dem Nachlaßverzeichnis bezeichneten Nachlaßwert von DM
2.146,02 hinzu, so ergibt sich ein Gesamtbetrag von (DM 189.867,67 + DM
2.146,02 =) DM 192.013,69. Jeder der beiden Klägerinnen steht daher ein
Ergänzungsanspruch in Höhe von ¼ dieses Betrages, also von DM 48.003,42
abzüglich ihres Anteils am Nachlaß von (DM 2.146,02 : 2 =) DM 1.073,01, also
ein Ergänzungsanspruch in Höhe von jeweils (DM 48.003,42 - DM 1.073,01 =)
DM 46.930,41, entsprechend EUR 23.995,14, zu, wegen dessen sie nach
§ 2329 Abs. 1 BGB jeweils die Duldung der Zwangsvollstreckung in den
übertragenen Grundbesitz verlangen können. Die demgegenüber von den
Beklagten mit der Klageerwiderung im ersten Rechtszug vertretene Auffassung,
es könne nur auf Zahlung geklagt werden, berücksichtigt die Regelung des §
2329 Abs. 1 BGB nicht zutreffend. Nach ihr kann Herausgabe des Geschenks
verlangt werden; dieser Anspruch richtet sich auf Duldung der
Zwangsvollstreckung in den übertragenen Gegenstand.
66
Dafür, daß weitere Nachlaßgegenstände vorhanden waren, deren Wert in die
Berechnung einzustellen wäre, ist nichts konkret dargetan oder sonst ersichtlich.
Insbesondere ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom
23. November 1998 nichts für einen höheren als den von den Klägerinnen
genannten Nachlaßwert.
67
Daß der Erblasser im Zusammenhang mit dem Einzug der Beklagten in das
Haus einen wesentlichen Teil seines Inventars entsorgt haben soll, ist für die
Beurteilung des Ergänzungsanspruchs unerheblich. Daß er dem Vorbringen der
Beklagten zufolge nach dem Tod seiner Ehefrau deren Schmuck an Dritte
verschenkt haben soll, mag zwar einen weitergehenden Anspruch auf
Pflichtteilsergänzung begründen. Die für einen solchen Anspruch
darlegungspflichtigen Klägerinnen haben hierzu jedoch nichts konkret
vorgetragen. Der Anspruch gegen die Beklagten mindert sich insoweit nicht,
weil der Schmuck der Ehefrau des Erblassers nach dem Vorbringen der
Beklagten in der Zeit nach dem Tode seiner Ehefrau und damit vor dem
Abschluß des hier in Rede stehenden Vertrages verschenkt worden ist. Somit
haften die Beklagten als die später Beschenkten nach § 2329 Abs. 3 BGB vor
den etwaigen Empfängern des Schmucks. An die Klägerinnen ist der Schmuck
nach dem Vorbringen der Beklagten nicht übergeben worden.
68
Zinsen können die Klägerinnen ab Rechtshängigkeit beanspruchen.
69
Die weitergehende Klage ist aus den vorstehend genannten Gründen nicht
begründet.
70
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 BGB. Der
Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
71
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO in
Verbindung mit der Übergangsregelung des § 26 Nr. 5 und 7 EGZPO sind im
Streitfall nicht erfüllt. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Der Senat folgt der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Im übrigen beruht die Beurteilung des
Streitfalls nur auf einer Würdigung seiner konkreten tatsächlichen Umstände in
Verbindung mit einer
72
tatrichterlichen Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO.
73
Berufungsstreitwert : EUR 60.636,01
74