Urteil des OLG Köln vom 13.04.1994

OLG Köln (wiedereinsetzung in den vorigen stand, abweisung der klage, sachlicher zusammenhang, zpo, höhe, beschwer, zahlung, wohnung, alleineigentum, ehepartner)

Oberlandesgericht Köln, 11 U 239/93
Datum:
13.04.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 239/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 18 0 471/92
Schlagworte:
PKH Rechtschutzinteresse Instanz
Normen:
PKH; RECHTSCHUTZINTERESSE; INSTANZ;
Leitsätze:
Ein Prozeßkostenhilfegesuch nach rechtskräftigem Abschluß des
Berufungsverfahrens ist mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig. Ein
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist insoweit
unstatthaft.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. September 1993
verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 18 0
471/92 - teilweise abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die
Klägerin 15.450,-- DM nebst 4 % Zinsen seit 29. Dezember 1993 zu
zahlen. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin ab 1. Januar
1994 ein monatliches Nutzungsentgelt in Höhe von 1.900,-- DM für die
Nutzung des Einfamilienhauses auf dem Grundstück der Klägerin H.. 2
in H. zu zahlen. Im übrigen verbleibt es bei der Abweisung der Klage.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Von
den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 1/4, der
Beklagte 3/4. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin
zur Last. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zu-lässig.
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Die in den Anträgen der Klägerin zu Ziff. 1) und 2) enthaltene Klageänderung, die nicht
mehr unter § 264 ZPO fällt und der der Beklagte widersprochen hat, ist gemäß §§ 523,
263 ZPO als sachdienlich zuzulassen. Zwi-schen dem in erster Instanz erhobenen
Anspruch und der in zweiter Instanz geltend gemachten Nutzungsentschädi-gung
besteht ein sachlicher Zusammenhang; der bisherige Prozeßstoff kann im
wesentlichen verwertet werden. Durch die Zulassung der Klageänderung wird der
Streit der Parteien über eine finanzielle Entschädigung der Klägerin für die Nutzung
des Hauses durch den Beklagten endgültig beigelegt und ein neuer Prozeß vermieden
(siehe MünchKomm/Lüke, ZPO, § 263, Rdn. 32, 33).
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Da die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag den ursprüngli-chen Klageantrag weiterverfolgt,
strebt sie mit der Berufung auch die Beseitigung der erstinstanzlichen Entscheidung
an, so daß die erforderliche Beschwer vor-liegt (vgl. dazu BGH WM 91, 609; BGH
NJW-RR 87, 124).
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Die Berufung ist überwiegend begründet.
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Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Nutzungsentgelt für die
Nutzung des in ihrem Alleinei-gentum stehenden Einfamilienhauses ab 1. Januar 1993
entsprechend den Vorschriften §§ 745 Abs. 2, 1361 b Abs. 2 BGB zu.
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Eine gesetzliche Regelung für Fälle der vorliegenden Art, in denen ein Ehepartner aus
dem bis dahin als Ehewohnung dienenden, in seinem Alleineigentum stehen-den
Haus auszieht und im weiteren Verlauf der andere Partner weder Zahlungen zur
Nutzung des Hauses noch zur Darlehensrückführung leistet, fehlt, wenn wie hier eine
gerichtliche Zuweisung der Ehewohnung gemäß § 1361 b BGB nicht erfolgt ist.
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In Anlehnung an die Entscheidung des OLG Köln vom 7. Oktober 1991 (FamRZ 92,
440 = NJW-RR 92, 1348; mit gleichem Ergebnis: OLG Frankfurt FamRZ 92, 677) ist ein
Anspruch des weichenden Ehepartners auf Nutzungsentgelt für diese Fälle zu
bejahen. Denn nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH wird ein
Anspruch auf Nutzungsvergütung bei einer im Miteigentum der Eheleute stehenden
Wohnung stets unter den Vorausset-zungen bejaht, daß eine deutliche
Zahlungsaufforderung vorangegangen ist und eine solche Regelung der Billig-keit
entspricht (vgl. z.B. BGH NJW 82, 1753; BGHZ 87, 265; BGH FamRZ 86, 434; BGH
NJW 89, 1030). Die hier vorliegende familiäre Situation ist mit der in den vom BGH
entschiedenen Fällen vergleichbar. Ein sachlicher Grund, weshalb der Ehepartner,
dessen Alleineigentum nach der Trennung von dem anderen Partner genutzt wird,
anders und damit schlechter gestellt werden sollte als derjenige, der nur Miteigentum
an der Ehewohnung hat, ist nicht erkennbar. Deshalb ist parallel zur höchst-
richterlichen Rechtsprechung zu § 745 Abs. 2 BGB dem Ehepartner, der über
Alleineigentum verfügt, unter den gleichen Voraussetzungen ein Anspruch auf
Nutzungsver-gütung zuzubilligen (vgl. OLG Köln vom 7. Oktober 1991, a.a.0.).
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Demnach muß ein deutliches Zahlungsverlangen vorange-gangen sein, damit der in
Anspruch Genommene sich auf seine Zahlungsverpflichtung einstellen kann (OLG
Köln, a.a.0.; OLG Düsseldorf NJW-RR 89, 1483). Das ist hier erst durch das Schreiben
vom 4. Dezember 1992 mit der erforderlichen Deutlichkeit erfolgt. Im Schreiben vom
20. Februar 1992 steht noch die Frage der Zahlung von Darlehensraten im
Vordergrund, wobei die Klägerin dem Beklagten die Tilgung nahelegt und diese
Zahlungen hilfsweise auch als Mietzahlungen betrachtet wissen will. Mit der von ihr
gewählten Formulierung ("er mag ... die entsprechenden Zins- und Tilgungsleistungen
erbringen") stellt sie zwar entsprechende Ansprüche in den Raum, läßt aber eine
eindeutige Aufforderung zur Zahlung, die zugleich ein Verlangen nach Neuregelung
der Benutzungsverhältnisse mit eben solcher Deutlich-keit beinhaltet, vermissen.
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Das für den Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis 31. De-zember 1993 geforderte
Nutzungsentgelt in Höhe von 1.285,-- DM monatlich entspricht auch unter Berücksich-
tigung der Einkünfte des Beklagten (im Jahre 1993 im Schnitt monatlich 1.650,-- DM
zuzüglich Mieteinnahmen) der Billigkeit.
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Unabhängig von den Gründen, aus denen die Klägerin die Ehewohnung verlassen
hat, kann der Beklagte sich schon deshalb nicht auf ein Aufdrängen der Alleinnutzung
berufen, da ihm das Verlassen der Ehewohnung möglich und zumutbar war, nachdem
er Eigentümer einer 40 Qua-dratmeter großen Eigentumswohnung ist, in der 1993 ein
Mieterwechsel stattgefunden hat. Daß der Bezug dieser Wohnung für ihn wegen einer
Gehbehinderung kaum zumut-bar sei, hat der Beklagte nicht ausreichend belegt. Nach
dem von ihm vorgelegten Bescheid des Versorgungs-amtes Köln vom 8. Oktober 1992
ist er aufgrund zwei-er verschiedener gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu
insgesamt 30 % und nicht 60 % behindert, weil nur eine dieser Beeinträchtigungen
möglicherweise Einfluß auf das Gehvermögen hat. Ferner besteht nach diesem
Bescheid keine äußerlich erkennbar dauernde Einbuße der körperlichen
Beweglichkeit. Das zu diesem bestrittenen Sachvortrag erstmals mit Schriftsatz vom
14. März 1994 formulierte Beweisangebot durch Zeugnis eines Arztes ist als verspätet
zurückzuweisen, §§ 527, 520 Abs. 2, 296 Abs. 1 ZPO, da eine Beweiserhebung zu
dieser Frage den Prozeß verzögern würde.
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Schließlich fehlt es auch deshalb an einer aufgedräng-ten Alleinnutzung, da die
Klägerin den Beklagten wie-derholt seit Herbst 1991 zum Verlassen des Hauses auf-
gefordert hat, so daß bis zum Jahre 1993 genügend Zeit zur Verfügung stand, um eine
den wirtschaftlichen Ver-hältnissen des Beklagten entsprechende kleinere Wohnung
anzumieten.
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Daß das Begehren der Klägerin rechtsmißbräuchlich sein soll, hat der Beklagte nicht
schlüssig dargelegt. Die Möglichkeit eines Wohnungswechsels besteht nach dem
Dargelegten für den Beklagten unabhängig von der Aus-zahlung eines eventuellen
Zugewinns.
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Ab 1. Januar 1994 kann die Klägerin weiter Nutzungs-entgelt in Höhe von 1.900,-- DM
monatlich fordern, da dieser Betrag der ortsüblichen Miete für das Haus entspricht.
Dies hat der Sachverständige Sch. in seinem Gutachten vom 17. September 1993
ausführlich dargelegt.
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Eine Nutzungsentschädigung in dieser Höhe ist nicht unbillig, weil der Beklagte - wie
bereits ausgeführt - wegen eines Mieterwechsels 1993 problemlos die eigene
Eigentumswohnung hätte beziehen können, die auch von Zuschnitt und Größe her
seinen Bedürfnissen genügen würde. Mit dem Hinweis auf eine erhebliche, 60 %-ige
Behinderung kann der Beklagte auch hier nicht gehört werden.
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Weitergehende Ansprüche für die Zeit von März 1992 bis Dezember 1992 stehen der
Klägerin nicht zu.
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Ansprüche gemäß §§ 987 ff. BGB aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis oder aus § 812
BGB entfallen schon deshalb, da dem Beklagten bis zur rechtskräftigen Scheidung
nach bisheriger Rechtsprechung ein Besitzrecht an der Ehewohnung zusteht (BGH
NJW 78, 1529; BGH NJW 86, 1339; OLG Frankfurt FamRZ 92, 677). Selbst wenn
dieses Recht nach den Herausgabeverlangen der Klägerin nicht mehr bestehen sollte,
stünden entsprechende Ansprüche unter dem Vorbehalt der Voraussetzungen der
Nutzungsentgelt-ansprüche gem. § 745 Abs. 2 BGB, d.h. sie kämen eben-falls nur
nach einem vorangegangenen deutlichen Zah-lungsverlangen zur Entstehung.
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Der Hilfsanspruch, der bezüglich des Freistellungsver-langens für den Zeitraum März
1992 bis Dezember 1992 zu prüfen ist, ist unbegründet, wie das Landgericht be-reits
zutreffend festgestellt hat.
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Zwar hat sich der Beklagte als Gesamtschuldner mit der Klägerin gegenüber der
darlehensgewährenden Bank ver-pflichtet, was aber für das Innenverhältnis unbeacht-
lich ist. Ein hälftiger Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entfällt, da
die Eheleute hier eine andere Regelung getroffen haben, wonach die Klägerin im
Innenverhältnis allein zur Rückzahlung verpflichtet ist. In diesem Sinne hatten sich die
Parteien während der Ehezeit stillschweigend geeinigt. Denn anders sind die
Zahlungen der Klägerin auf das Darlehen (gleichgül-tig, aus welchen Mitteln) nicht zu
verstehen. Der vom Beklagten gezahlte geringfügige Beitrag von 100,-- DM fällt nicht
ins Gewicht. Daß die Parteien nach der Trennung eine andere, abweichende
Regelung vereinbart oder gewollt haben könnten, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil hat
der Beklagte nun keine Veranlassung mehr, das Vermögen der Klägerin durch
entsprechende Zahlungen zu mehren (BGHZ 87, 276, 270). Auch die tatsächliche
Nutzung durch den Beklagten begründet eine solche Ver-einbarung nicht.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 2 ZPO.
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Das überwiegende Obsiegen der Klägerin in zweiter Instanz beruht auf neuem
Vorbringen, ohne das ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben wäre. Die Klägerin war
imstande, diesen Sachvortrag bereits in erster Instanz geltend zu machen. Da der
Erfolg der auf einer Ausgleichspflicht basierenden Klage fraglich war, hätte sie ihren
Anspruch zumindest hilfsweise in der mündli-chen Verhandlung vom 2. Juli 1993 auf
Nutzungsentgelt stützen müssen, nachdem das Schreiben vom 4. Dezember 1992
inzwischen vorlag und darüber hinaus Bedenken gegen die Schlüssigkeit des
Klagevorbringens bestanden (siehe richterlichen Hinweis vom 4. November 1992). Die
Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf einen Verstoß gegen § 139
Abs. 1 ZPO berufen, weil ein Anspruch auf Nutzungsvergütung in der mündlichen Ver-
handlung auch nicht als Hilfsantrag vorformuliert war und vom Klägervertreter auch
nicht angesprochen wurde.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 51.070,-- DM.
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Beschwer des Beklagten: 38.250,-- DM, Beschwer der Klägerin: 12.820,-- DM.
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