Urteil des OLG Köln vom 09.05.2000

OLG Köln: eintritt des versicherungsfalls, entwendung, auszahlung der versicherungsleistung, grobe fahrlässigkeit, werkstatt, kennzeichen, entschädigung, diebstahl, kaskoversicherung, datum

Oberlandesgericht Köln, 9 U 66/99
Datum:
09.05.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 66/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 O 293/97
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.03.1999 verkündete Urteil
der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 293/97 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden Klägerin
auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 9.000,00 DM
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Den Parteien wird gestattet, die
Sicherheitsleistung auch in Form einer selbstschuldnerischen
Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder
öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
T a t b e s t a n d:
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Versicherungsleistungen aus der Kfz-
Kaskoversicherung hinsichtlich der behaupteten Entwendung ihrer beiden Fahrzeuge
Mercedes Benz 300 TD Turbo, amtliches Kennzeichen ..., und BMW 316 i, amtliches
Kennzeichen ..., am 14.06.1994 von ihrem Betriebsgelände.
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Die Klägerin, ein Stahlbauunternehmen, hatte ihren gesamten Fuhrpark bei der
Beklagten versichert. Dem Versicherungsvertrag bezüglich des Fahrzeug Mercedes
Benz lagen die AKB der Beklagten Stand 01.02.1992, dem Versicherungsvertrag
bezüglich des BMW lagen die AKB der Beklagten Stand 01.07.1993 zugrunde.
Bezüglich des BMW war ein 10%iger Abschlag bei Fahrzeugdiebstahl gemäß § 13 AKB
vereinbart, im übrigen betrug die vereinbarte Selbstbeteiligung in der
Kaskoversicherung für beide Fahrzeuge 300,00 DM.
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Am 24.12.1994 wurde der Beklagten von der Klägerin ein Schaden gemeldet. Ein
Fahrzeug der Klägerin, ein VW-Tarot, sei in den N. bei einem Unfall beschädigt worden.
Die Beklagte zahlte daraufhin eine Entschädigung in Höhe von 12.225,00 DM aus.
Tatsächlich hatte das Fahrzeug am 14.12.1994 in L. Totalschaden erlitten; der Fahrer,
ein Angestellter der Klägerin, H., hatte den Totalschaden unter Alkoholeinfluss stehend
verursacht und wurde deswegen auch rechtskräftig verurteilt. Das Fahrzeug war
anschießend in die N. transportiert worden, um vorzuspiegeln, das Fahrzeug habe dort
einen regulierungspflichtigen Unfallschaden erlitten. In der Schadenanzeige vom
24.12.1994 wurde als Fahrer des Fahrzeuges zur Unfallzeit und als Zeuge "W."
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angegeben. Unter dem 12.04.1995 verlangte die Klägerin in einem von dem Zeugen W.
unterzeichneten Schreiben die Auszahlung der Versicherungsleistung. Als sich infolge
eines anonymen Anrufs bei dem Mitarbeiter G. der Beklagten der wahre Sachverhalt
herausstellte, zahlte die Klägerin die mittlerweile geleistete
Versicherungsentschädigung an die Beklagte zurück.
Unter dem 17.06.1994 meldete die Klägerin den Diebstahl ihrer bei der Beklagten
versicherten Fahrzeuge, des BMW 316 i, amtliches Kennzeichen ..., sowie des
Mercedes Benz 300 TD Turbo, amtliches Kennzeichen .... Der Mercedes stand dem
Zeugen W., der Pkw BMW dem Zeugen K., beide leitende Mitarbeiter der Klägerin,
jeweils sowohl zur dienstlichen als auch privaten Nutzung zur Verfügung. Der am
28.05.1993 erstmals zugelassene Mercedes wies am 14.06.1994 eine
Kilometergesamtleistung von ca. 95000 Km auf, der am 24.08.1993 erstmals
zugelassene BMW eine solche von ca. 20000 bis 30000 Km.
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Im Rahmen der Schadensabwicklung legte die Klägerin der Beklagten die Schlüssel zu
beiden Fahrzeugen vor; in beiden Fällen fehlte jeweils ein Schlüssel. Der Zeuge W.
erklärte in diesem Zusammenhang, er habe beim Kauf des Fahrzeugs nur 3 Schlüssel
erhalten, während tatsächlich zu einem Fahrzeug dieses Typs 4 Schlüssel gehören. Der
Zeuge K. äußerte sich zunächst dahingehend, er habe diesen Schlüssel etwa im
Februar 1994 verloren. Später gab er an, er habe im Januar oder Februar 1994 bemerkt,
dass ein Schlüssel des BMW gefehlt habe, er habe diesen zuhause verlegt. Diese
Aussage korrigierte er später dahingehend, er habe im Februar 1994 bei einer
Urlaubsfahrt in der Tschechei seinen Hauptgebrauchsschlüssel für den BMW sowie
seinen Garagenschlüssel verloren. Die Beklagte beauftragte den Sachverständigen G.
mit der Erstellung eines Schlüsselgutachtens; in seinem Gutachten bezüglich der
Schlüssel des Mercedes kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass zu dem
vollständigen serienmäßigen Originalschlüsselsatz ein Hauptschlüssel fehle. Der
vorgelegte Hauptschlüssel weise geringe/ausgeprägte, der Werkstatt- und der
Reserveschlüssel wiesen keine Gebrauchsspuren auf. Von dem vorgelegten
Hauptschlüssel müsse ein Nachschlüssel gefertigt worden sein. Auf dem
Hauptschlüssel seien Abtastspuren erkennbar, die nicht von Gebrauchsspuren, jedoch
von Entgratungsspuren überlagert seien. Bezüglich der Schlüssel des BMW führte er
aus, der vorgelegte Hauptschlüssel weise geringe, der Werkstatt- und der
Reserveschlüssel wiesen keine Gebrauchsspuren auf. Zum vollständigen
serienmäßigen Originalschlüsselsatz fehle ein Hauptschlüssel, der häufige
Gebrauchsspuren aufweisen müsse.
6
Die Klägerin hat behauptet, die beiden Pkw Mercedes Benz und BMW seien am
14.06.1994 von ihrem Betriebsgelände gestohlen worden. Beide Fahrzeuge seien dort
ordnungsgemäß verschlossen abgestellt worden. Mitarbeiter hätten gesehen, wie die
Fahrzeuge gegen 16:15 Uhr vom Hof gefahren worden seien.
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Die Klägerin hat weiter behauptet, der Zeuge W. habe bezüglich des verunfallten VW-
Tarot weder die Schadenanzeige vom 24.12.1994 noch die Unfallschilderung vom
25.01.1995 geschrieben und unterschrieben. Er habe keine Kenntnis vom wirklichen
Unfallhergang gehabt. Das Schreiben vom 12.04.1995, in dem die Beklagte zur
Schadenregulierung aufgefordert worden sei, habe der Zeuge W. in Unkenntnis des
wahren Sachverhalts unterschrieben. Die Entschädigungsleistung sei - was unstreitig ist
- zurückerstattet worden, nachdem sich der wahre Hergang des Unfalls herausgestellt
habe.
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Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe für den Verlust des Pkw Mercedes Benz
eine Entschädigung in Höhe von 84.048,50 DM und für den Verlust des Pkw BMW eine
solche in Höhe von 35.360,05 DM zu, insgesamt also 119.408,55 DM. Wegen der
Einzelheiten wird auf die Aufstellung in der Klageschrift, Bl. 4 d. A., verwiesen. Die
Klägerin hat außerdem behauptet, sie nehme Bankkredit in Anspruch, den sie mit
10,25% zu verzinsen habe.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 119.408,55 DM nebst 10,25% Zinsen hieraus seit
dem 22.08.1997 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15
Die Beklagte hat den Diebstahl beider Fahrzeuge bestritten. Sie hat die Ansicht
vertreten, sie sei von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei, da die Mitarbeiter der Klägerin
den Diebstahl jedenfalls grob fahrlässig herbeigeführt hätten. Tatsächlich seien nämlich
beide Fahrzeuge, so hat sie behauptet, auf dem offen zugänglichen Betriebsgelände der
Klägerin unverschlossen mit steckenden Fahrzeugschlüsseln abgestellt worden. Hierfür
sprächen insbesondere die Erkenntnisse des von ihr beauftragten Sachverständigen G.
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Sie hat weiter behauptet, der Zeuge W. sei durchaus in den Versicherungsbetrug im
Zusammenhang mit dem Unfallschaden des Pkw VW-Tarot verwickelt gewesen. Der
anonyme Anrufer, der ihren Mitarbeiter G. auf diesen Betrug hingewiesen habe, habe
sie außerdem darüber informiert, dass beide Fahrzeuge zur Zeit der Entwendung
unabgeschlossen mit steckenden Fahrzeugschlüsseln auf dem Betriebsgelände der
Klägerin gestanden hätten.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Anhörung von W. und Vernehmung der
Zeugen K., B., H. und G. gemäß Beweisbeschluss vom 25.06.1998, Bl. 186 d. A. Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen
Verhandlung des Landgerichts vom 04.03.1999, Bl. 208 ff. d. A., verwiesen.
18
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es
könne dahinstehen, ob die Fahrzeuge entwendet worden seien. Die Beklagte sei
gemäß § 61 VVG leistungsfrei. Es liege ein in objektiver und subjektiver Hinsicht grob
fahrlässiges Verhalten vor, wenn wertvolle Fahrzeuge auf einem offen zugänglichen
Firmengelände unverschlossen und mit steckendem Schlüssel abgestellt würden. Nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass beide Fahrzeuge
unverschlossen mit steckenden Schlüsseln abgestellt worden seien. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird vollumfänglich auf das erstinstanzliche Urteil Bezug
genommen.
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Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 05.05.1999 zugestellte Urteil der 24.
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Zivilkammer des Landgerichts Köln, verkündet am 25.03.1999, - 24 O 293/97 - hat die
Klägerin am 04.06.1999 Berufung einlegen lassen, die nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.08.1999 mit einem an diesem Tag bei Gericht
eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist.
Mit der Berufung begehrt die Klägerin Entschädigung für beide Fahrzeuge in Höhe von
insgesamt 103.595,68 DM nebst 4 % Zinsen. Sie wiederholt und vertieft ihren
erstinstanzlichen Vortrag. Sie meint, es könne nicht als bewiesen angesehen werden,
dass die Fahrzeuge mit dem fehlenden Hauptschlüssel entwendet worden seien.
Hilfsweise macht sie sich den Vortrag der Beklagten zu eigen, der Zeuge K. habe sein
Fahrzeug kurzfristig unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel geparkt. Sie
meint, hierbei handele es sich nicht um grob fahrlässiges Verhalten im Sinne von § 61
VVG. Es sei dann davon auszugehen, dass der Mercedes Benz mittels des
Nachschlüssels gestohlen worden sei, wobei sich die Täter angesichts der günstigen
Situation entschlossen hätten, auch den BMW zu entwenden. Bezüglich der
Berechnung der in II. Instanz geforderten Entschädigung wird auf Bl. 290 ff. d. A. Bezug
genommen. Die Klägerin behauptet weiter, sie habe für das entwendete Fahrzeug
Mercedes Benz gemäß Rechnung vom 23.08.1994 ein Ersatzfahrzeug angeschafft.
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Die Klägerin beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Köln vom
25.03.1999 die Beklagte zu verurteilen, an sie 103.595,68 DM nebst 4% Zinsen seit
dem 22.08.1997 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihren
erstinstanzlichen Vortrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14.12.1999
(Bl. 320) durch Vernehmung der Zeugen H. und W.. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom
29.02.2000, Bl. 334 ff. d. A. Die Akten der Staatsanwaltschaft L. - 704 Js 15632/95 - und
- 503 Js 37575/94 - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die
Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf
Entschädigungsleistung aus der Kfz-Kaskoversicherung wegen der angeblichen
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Entwendung der Fahrzeuge Mercedes Benz 300 TD Turbo, amtliches Kennzeichen ...,
und BMW 316 i, amtliches Kennzeichen ..., am 14.06.1994 von ihrem Betriebsgelände
(§§ 1 Abs. 1 Satz 1, 49 VVG, 12 Abs. 1 I. b AKB). Es kann dahinstehen, ob die beiden
Fahrzeuge tatsächlich entwendet worden sind. Die Beklagte ist bezüglich der geltend
gemachten Ansprüche auf Entschädigungsleistung aus der Kaskoversicherung gemäß
§ 61 VVG leistungsfrei, da nach dem Ergebnis der in erster und zweiter Instanz
durchgeführten Beweisaufnahme feststeht, dass die Zeugen K. und W. die
Versicherungsfälle als Repräsentanten der Klägerin grob fahrlässig dadurch
herbeigeführt haben, dass sie die Fahrzeuge jeweils unverschlossen und mit
steckendem Zündschlüssel auf dem Betriebsgelände der Klägerin abstellten.
1. Leistungsfreiheit bezüglich der Entschädigung für das Fahrzeug BMW
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Gemäß § 61 VVG wird der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der
Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig
herbeigeführt hat. Ein Herbeiführen des Versicherungsfalls im Sinne des § 61 VVG liegt
vor, wenn die dringende Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls - hier also des
Diebstahls - entsteht. Der Versicherungsnehmer muss durch sein Verhalten - Tun oder
Unterlassen - den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit
gegenüber der Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten haben (BGH VersR 1984, 29).
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Der vertraglich vorausgesetzte Sicherheitsstandard bezüglich der Diebstahlsgefahr war
zur Tatzeit hinsichtlich des Pkw BMW 316 i dadurch deutlich unterschritten, dass dieser
unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel auf dem offen zugänglichen
Firmengelände der Klägerin abgestellt war. Hierdurch wurde eine ganz erheblich
gesteigerte Diebstahlsgefahr geschaffen, da jeder Beliebige ungehinderten Zugriff auf
das dergestalt abgestellte Fahrzeug hatte.
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Nach den Gesamtumständen ist der Senat aufgrund der erstinstanzlichen und der in
zweiter Instanz ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der
Pkw BMW zur Tatzeit unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel auf dem
Firmengelände parkte.
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Unstreitig konnte nach dem Abhandenkommen des Fahrzeugs der
Hauptgebrauchsschlüssel zu dem BMW nicht vorgelegt werden.
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Die Aussagen des Zeugen K. zu dem Abhandenkommen des Hauptgebrauchschlüssels
sind nicht glaubhaft und nach Überzeugung des Senats bewusst wahrheitswidrig erfolgt.
Dies folgt aus der mangelnden Konstanz der diesbezüglichen Aussagen des Zeugen K.
in einem zentralen Punkt - dem Ort des Abhandenkommens des Schlüssels - sowie dem
Gutachten des Sachverständigen G. zu den ihm vorgelegten Schlüsseln des Fahrzeugs
BMW.
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Bezüglich des fehlenden Hauptschlüssels des BMW gab der Zeuge K. zunächst an, er
habe diesen Schlüssel etwa im Februar 1994 verloren (Bericht Z. vom 06.07.1994, Bl.
87). Erneut zu dem Abhandenkommen dieses Schlüssels befragt, erklärte er, er habe im
Januar oder Februar 1994 bemerkt, dass ein Schlüssel des BMW gefehlt habe, er habe
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diesen zuhause verlegt (Bericht Z., Bl. 105). Das Amtsgericht L. stellte im Urteil vom
10.09.1996 - 58 Ds 704 Js 15632/95 - erkennbar aufgrund der dortigen Aussage des
Zeugen K. - fest, der Zeuge K. habe im Februar 1994 bei einer Urlaubsfahrt in der T.
seinen Hauptgebrauchsschlüssel für den BMW sowie seinen Garagenschlüssel
verloren (Urteil des Amtsgerichts L. vom 10.09.1996, Bl. 108). Bei seiner
erstinstanzlichen Vernehmung vom 04.03.1999 hat der Zeuge K. zunächst ausgesagt,
der Zweitschlüssel für den BMW sei ihm in dem vorherigen Urlaub anhanden
gekommen (Bl. 210). Diese Aussage hat er dahin korrigiert, er sei missverstanden
worden, bei dem verlorenen Schlüssel habe es sich um den von ihm bis dahin als
Hauptschlüssel benutzten Schlüssel gehandelt. Es sei der größere der beiden
Hauptschlüssel gewesen.
Aus dem Umstand, dass der Zeuge K. wechselhafte Angaben zum Verbleib des
fehlenden Hauptschlüssels gemacht hat, ist zu schließen, dass der Zeuge K. in diesem
Punkt bewusst die Unwahrheit gesagt hat. Der Senat ist nämlich davon überzeugt, dass
der Zeuge K. im Falle des Verlierens des Hauptschlüssels bemerkt und erinnert hätte,
wo ihm der Verlust des Schlüssels aufgefallen war und wo er demzufolge nach ihm
gesucht hatte - zuhause oder im Urlaub in der Tschechei. Das Fehlen des
Hauptschlüssels seines Fahrzeugs - zuhause oder im Urlaub - wäre dem Zeugen K.
nicht verborgen geblieben. Nach der Lebenserfahrung registriert man genau, ob man
sein Fahrzeug - wie gewöhnlich - mit dem Hauptschlüssel oder wegen des Fehlens des
Hauptschlüssels mit einem Ersatzschlüssel fährt. Nach einem fehlenden
Hauptschlüssel wird gesucht, wenn man sein Fehlen bemerkt. Hätte der Zeuge K. - wie
von ihm angegeben - den Hauptschlüssel zum Fahrzeug im Februar 1994 verloren,
hätte er angesichts der Bedeutung des Verlustes zuverlässig erinnern müssen, ob ihm
dies zuhause oder während des Urlaubs in Tschechien aufgefallen war und ob er hier
oder dort nach dem Schlüssel gesucht hatte.
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Aus der fehlenden Konstanz der Angaben des Zeugen K. in diesem Punkt schließt der
Senat, daß der Zeuge K. den Hauptschlüssel entgegen seiner Angabe nicht im Februar
1994 verloren hat, sondern er dies vorgibt, um davon abzulenken, dass der BMW unter
Verwendung des fehlenden Hauptschlüssels am 14.06.1994 entwendet wurde.
41
Dass die Angaben des Zeugen K. zum Abhandenkommen dieses Schlüssels bewusst
wahrheitswidrig erfolgt sind, ergibt sich zudem aus dem Privatgutachten des
Sachverständigen G..
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Aus dem Gutachten des Sachverständigen G. zu den Schlüsseln des BMW ist zu
schließen, dass der Verlust des fehlenden Hautschlüssels in engem zeitlichen
Zusammenhang mit dem Abhandenkommen des Fahrzeugs stand oder mit diesem
zusammenfiel. Wäre der Hauptschlüssel - wie von dem Zeugen K. angegeben -
spätestens im Februar 1994 verloren gegangen, hätte bis zum Zeitpunkt der
Fahrzeugentwendung am 14.06.1994 der zweite Hauptschlüssel die Funktion des
Hauptgebrauchsschlüssels übernehmen und ständig im Gebrauch sein müssen. Bei
einer angegebenen Laufleistung des Fahrzeugs von 20000 bis 30000 Km von dem
Datum der Erstzulassung am 24.08.1993 bis zu der Entwendung am 14.06.1994 hätte
der zweite Hauptschlüssel in diesem Fall wesentlich ausgeprägtere Gebrauchsspuren
aufweisen müssen als die von dem Sachverständigen G. festgestellten geringen
Gebrauchsspuren. Geringe Gebrauchsspuren sind nach der Definition des
Sachverständigen G. solche, die über das Maß der Herstellung hinaus Spuren einer
weiteren geringfügigen Benutzung feststellen lassen. Die von dem Sachverständigen G.
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festgestellten geringen Gebrauchsspuren an dem zweiten Hauptschlüssel des
Fahrzeugs sowie das ebenfalls festgestellte Fehlen von Gebrauchsspuren an dem
Werkstatt- und Reserveschlüssel sprechen vielmehr dafür, dass das Fahrzeug bis zu
seiner Entwendung mit dem Hauptgebrauchsschlüssel gefahren wurde, während der
zweite Hauptschlüssel als Zweitschlüssel nur selten benutzt wurde.
Die theoretisch denkbare Möglichkeit, dass der Hauptgebrauchsschlüssel des BMW
kurz vor der Fahrzeugentwendung verloren ging und der bis dahin unbenutzte zweite
Hauptschlüssel die Funktion des Hauptgebrauchsschlüssels übernahm - was den
geringen Grad an Gebrauchsspuren erklären würde - ist angesichts der konstanten
Aussage des Zeugen K., der Hauptschlüssel sei spätestens im Februar 1994 verloren
worden, auszuschließen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum der Zeuge K. nicht
wahrheitsgemäß angegeben haben sollte, er habe den Hauptschlüssel des Fahrzeugs
kurze Zeit vor der Entwendung verloren, wenn dies tatsächlich der Fall gewesen wäre.
Stattdessen hat der Zeuge - wie ausgeführt - wahrheitswidrig angegeben, er habe den
Hauptgebrauchsschlüssel spätestens im Februar 1994 verloren.
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Der Senat hat keinen Anlass gesehen, zu den Schlüsselverhältnissen des BMW ein
gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen. Die Untersuchungen des
Sachverständigen G. sind erkennbar sorgfältig und sachkundig durchgeführt worden.
Die Ausführungen des Sachverständigen sind überzeugend, an seiner Sachkunde
bestehen keine Zweifel. Das von der Beklagten vorgelegte Privatgutachten ist daher
geeignet, dem Senat die für eine zuverlässige Beurteilung der Schlüsselverhältnisse
erforderlichen Grundlagen zu vermitteln (vgl. BGH r+s 1990, 130; VersR 1987, 1007 f;
NJW 1982, 2874 (2875)).
45
Hat der Zeuge K. zum einen bewusst unwahre Angaben zum Verbleib des
Hauptgebrauchschlüssels gemacht und ist aus dem Sachverständigengutachten G. zum
anderen zu schließen, dass der ursprüngliche Hauptgebrauchsschlüssel in engem
zeitlichem Zusammenhang mit der Fahrzeugentwendung oder mit dem Fahrzeug
abhanden gekommen ist, rechtfertigen diese Umstände den Schluss, dass der Zeuge K.
die unwahren Angeben zum Verbleib des Schlüssels gemacht hat, um zu verschleiern,
dass der BMW entwendet wurde, als er ihn unverschlossen und mit steckendem
Zündschlüssel auf dem Firmengelände geparkt hatte. Eine andere naheliegende
Erklärung für die vorsätzliche Falschangabe des Zeugen K. findet sich nicht.
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Die Überzeugung des Senats, dass der Pkw BMW zur Zeit seiner Entwendung
unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel auf dem Firmengelände abgestellt
war, steht in Einklang mit dem bei dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen G.,
eingegangenen anonymen Anruf. Der Zeuge G. hat in erster Instanz überzeugend
bekundet, ein anonymer Anrufer habe ihm angegeben, dass die entwendeten
Fahrzeuge mit steckenden Schlüsseln abgestellt worden seien, das sei so üblich
gewesen (Zeugenaussage G., Bl. 213 f; Vermerk Bl. 50). Auch wenn nicht zu verkennen
ist, dass solchen anonymen Anrufen mit Skepsis zu begegnen ist, spricht für die
Richtigkeit der dort gemachten Angaben immerhin der Umstand, dass die Angaben
bezüglich des Unfalls des VW-Tarot erwiesenermaßen richtig sind, was dafür spricht,
dass der Anonymus auch bezüglich der vorliegend in Rede stehenden Diebstähle die
Wahrheit angegeben hat. Dazu fügt sich der Inhalt der zurückhaltenden Aussage des
Zeugen H. in erster Instanz (Bl. 212 f), die dieser in zweiter Instanz bestätigt hat (Bl. 334
ff). Der Zeuge H. hat zum einen ausgesagt, er habe den Zeugen H. in früherer Zeit
darauf aufmerksam gemacht, dass er den Schlüssel nicht im Wagen stecken lassen
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dürfe. Zum anderen hat der Zeuge H. bekundet, es sei nach dem Diebstahl viel darüber
gesprochen worden, ob die Schlüssel im Wagen waren oder nicht - eine Diskussion, zu
der kein Anlass bestanden hätte, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche
Annahme bestanden hätten. Dazu passt wiederum die Angabe in dem Bericht des
Ermittlers Z. vom 06.07.1994 (Bl. 87), der Ersatzwagen des Zeugen K. habe wiederum
unverschlossen vor dem Firmengebäude der Klägerin gestanden.
Der Umstand, dass das Fahrzeug unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel
zur Tatzeit abgestellt war, erklärt schließlich auch zwanglos den Tathergang.
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Dem Zeugen K. ist vorzuwerfen, dass er sich grob fahrlässig verhalten hat, indem er den
BMW unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel auf den Firmengelände der
Klägerin parkte. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt durch ein auch subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten in hohem Maße
außer Acht gelassen und das Nächstliegende, was jedem in der gegebenen Situation
einleuchtet, nicht beachtet wird (BGH VersR 1989, 141). Die Gefahr, dass ein etwa ein
Jahr altes Fahrzeug der gehobenen Preisklasse von dem frei zugänglichen
Firmengelände der Klägerin in unverschlossenem Zustand mit steckendem
Zündschlüssel gestohlen würde, lag auf der Hand. Dies gilt auch dann, wenn der Zeuge
K., wie die Klägerin hilfsweise behauptet, das Fahrzeug nur kurzfristig unverschlossen
mit steckendem Zündschlüssel abstellte, um in das Bürogebäude zurückzugehen und
etwas zu holen, was er vergessen hatte. Bei dem Wert des Fahrzeugs und der frei
zugänglichen Örtlichkeit hat der Zeuge K. das Nächstliegende außer Acht gelassen,
indem er nicht zumindest den Zündschlüssel des Fahrzeugs abzog, bevor er es
unverschlossen zurückließ.
49
Der objektiv schwerwiegende Sorgfaltsverstoß begründet vorliegend auch im
subjektiven Bereich den Vorwurf grober Fahrlässigkeit, da keine Umstände gegeben
sind, die den Zeugen K. im subjektiven Bereich von dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit
entlasten könnten (vgl. OLG Braunschweig r+s 1993, 384).
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Das in Rede stehende Verhalten des Zeugen K. war auch zumindest mitursächlich für
den Eintritt des Versicherungsfalls. Es ist davon auszugehen, dass sich der Dieb die
günstige Situation, das Fahrzeug unverschlossen und mit sichtbar steckendem
Schlüssel vorzufinden, zunutze machte, um das Fahrzeug zu entwenden.
51
Die Klägerin muss sich das grob fahrlässige Verhalten des Zeugen K. zurechnen
lassen, da er im Rahmen der Risikoverwaltung Repräsentant der Klägerin ist.
Repräsentant im Rahmen der Risikoverwaltung ist derjenige, dem der
Versicherungsnehmer wesentliche Aufgaben und Befugnisse aus seinem eigenen
Pflichtenkreis zur selbständigen Erledigung übertragen hat (BGH r+s 1996, 385). Die
Klägerin hatte vorliegend den BMW ausschließlich dem Zeugen K. auf Dauer zur
geschäftlichen und privaten Nutzung überlassen. Der Zeuge K. war auch für die
Betriebs- und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs verantwortlich. Da ihm somit
wesentliche Aufgaben und Befugnisse der Klägerin zur selbständigen Erledigung
übertragen worden sind, ist er Repräsentant der Klägerin im Rahmen der
Risikoverwaltung (vgl. hierzu OLG Köln r+s 1995, 402).
52
Die Beklagte ist bezüglich der Entwendung des BMW gemäß § 61 VVG leistungsfrei, da
der Zeuge K. den Eintritt des Versicherungsfalls grob fahrlässig herbeigeführt hat und
sich die Klägerin das Fehlverhalten ihres Repräsentanten zurechnen lassen muss.
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1. Leistungsfreiheit gemäß § 61 VVG bezüglich der Entwendung des Pkw Mercedes
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Der vertraglich vorausgesetzte Sicherheitsstandard bezüglich der Diebstahlsgefahr war
zur Tatzeit hinsichtlich des Pkw Mercedes Benz 300 TD, amtliches Kennzeichen ...,
ebenfalls dadurch deutlich unterschritten, dass dieser unverschlossen und mit
steckendem Zündschlüssel auf dem offen zugänglichen Firmengelände der Klägerin
abgestellt war.
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Nach den Gesamtumständen ist der Senat aufgrund der erstinstanzlichen und der in
zweiter Instanz ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der
Pkw Mercedes zur Tatzeit unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel auf dem
Firmengelände parkte.
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Unstreitig konnte nach der Entwendung des Fahrzeugs ein Hauptschlüssel zu dem
Mercedes nicht vorgelegt werden.
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Aus dem Privatgutachten des Sachverständigen G. folgt, dass es sich bei dem
fehlenden Fahrzeugschlüssel um den Hauptgebrauchsschlüssel des Fahrzeug handelte
und dass dieser entweder zeitnah zur Fahrzeugentwendung oder zeitgleich mit dem
Fahrzeug abhanden gekommen ist.
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Der Sachverständige G. hat ausgeführt (Bl. 97 ff), ihm seien zu dem Fahrzeug Mercedes
Benz 300 TD ein Haupt-, ein Werkstatt- und ein Reserveschlüssel vorgelegt worden,
womit ein Hauptschlüssel fehle. Der ihm vorgelegte Hauptschlüssel weise
geringe/ausgeprägte Gebrauchsspuren auf. Geringe Gebrauchsspuren definiert der
Sachverständige als solche, die über das Maß der Herstellung hinaus Spuren einer
weiteren geringfügigen Benutzung feststellen lassen, etwa bei einem selten benutzten
Schlüssel. Ausgeprägte Gebrauchsspuren sind solche, die über das Maß der geringen
Gebrauchsspuren hinaus Spurenzeichnungen erkennen lassen, jedoch deutlich
weniger als sie bei ständiger Benutzung entstehen, wie dies bei einem Zweitschlüssel
der Fall ist. Spuren, wie sie üblicherweise beim ständigen Gebrauch entstehen, werden
hingegen als häufige Gebrauchsspuren bezeichnet. Der Werkstatt- und der
Reserveschlüssel wiesen nach den Ausführungen des Sachverständigen G. keine
Gebrauchsspuren auf. Auch insoweit ist der Senat von der Zuverlässigkeit der
Untersuchungen des Sachverständigen G. und von seiner Sachkunde überzeugt. Die
Ausführungen des Sachverständigen G. in dem von der Beklagten vorgelegten
Privatgutachten sind insbesondere von der Klägerin nicht angegriffen worden. Der
Senat hat keinen Zweifel daran, dass das Privatgutachten ihm die erforderlichen
Grundlagen zur Beurteilung der Schlüsselverhältnisse zuverlässig vermittelt.
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Der Umstand, dass ein Hauptschlüssel zu dem Fahrzeug fehlte, folgt zum einen daraus,
dass ein Originalschlüsselsatz zu dem Fahrzeug unstreitig aus zwei Vierkantschlüsseln
(Hauptschlüsseln), einem Werkstatt- und einem Reserveschlüssel besteht, während die
Klägerin nur einen Schlüssel jeder Sorte vorlegen konnte. Zum anderen müsste der
Hauptgebrauchsschlüssel des Fahrzeugs bei einer angegebenen
Kilometergesamtleistung von ca. 95000 Km vom Datum der Erstzulassung am
28.05.1993 bis zur Entwendung 14.06.1994 häufige Gebrauchsspuren aufgewiesen
60
haben. Der vorgelegte Hauptschlüssel wies hingegen nur geringe/ausgeprägte
Gebrauchsspuren auf, wie sie einer Nutzung als Zweitschlüssel entsprechen.
Aus dem Umstand, dass der vorgelegte Hauptschlüssel geringe/ausgeprägte
Gebrauchsspuren aufwies, folgt zudem, dass der Hauptgebrauchsschlüssel entweder
zeitnah zur Fahrzeugentwendung oder zeitgleich mit dem Fahrzeug abhanden
gekommen sein muss. Hätte der vorgelegte Hauptschlüssel längere Zeit als
Hauptgebrauchsschlüssel gedient, hätte er ausgeprägtere Gebrauchsspuren als die
festgestellten geringen bis ausgeprägten Gebrauchsspuren aufgewiesen. Der
festgestellte Befund ist nur so zu erklären, dass der vorgelegte Hauptschlüssel bis zum
Verlust des Hauptgebrauchsschlüssels sehr selten genutzt wurde und er anschließend
bei der intensiven Fahrzeugnutzung nur kurze Zeit als Hauptgebrauchsschlüssel diente
oder er ausschließlich als Zweitschlüssel genutzt wurde, während der
Hauptgebrauchsschlüssel mit dem Fahrzeug entwendet wurde.
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Der Zeuge H. - dieser ist inzwischen nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin - hat zu
den Schlüsselverhältnissen wechselhafte Angaben gemacht, die den Schluss zulassen,
dass er wahrheitswidrig vorgegeben hat, nicht zu wissen, wo der
Hauptgebrauchsschlüssel des Fahrzeugs geblieben ist.
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Wie ausgeführt ist angesichts der Laufleistung des Fahrzeugs und der vergleichsweisen
geringen Ausprägung der Gebrauchsspuren auf dem vorhandenen Hauptschlüssel
davon auszugehen, dass ein Hauptgebrauchsschlüssel für das Fahrzeug existierte.
Dem entsprechen die Angaben des Zeugen H. gegenüber dem Ermittler Z. (Bericht Z.
vom 06.07.1994, Bl. 85) und bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung (Bl. 209). Danach
wurde regelmäßig ein Hauptschlüssel zum Gebrauch des Fahrzeugs benutzt, während
die anderen Schlüssel die untergeordnete Bedeutung von selten genutzten Zweit-,
Werkstatt- oder Reserveschlüsseln hatten.
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Gab es einen regelmäßig im Einsatz befindlichen Hauptgebrauchsschlüssel, glaubt der
Senat dem Zeugen H. nicht, dass dieser den Verlust des Hauptgebrauchsschlüssels
nicht zeitnah bemerkt haben will. Nach der Lebenserfahrung fällt spätestens bei der
nächsten beabsichtigten Benutzung eines Fahrzeugs auf, wenn der regelmäßig
genutzte Hauptgebrauchsschlüssel nicht vorhanden ist. Der Zeuge H. hat nicht
plausibel zu erklären gewusst, wieso ihm dies nicht aufgefallen sein soll. Soweit der
Zeuge H. versucht hat, diesen Umstand bei seiner zweitinstanzlichen Vernehmung
damit zu erklären, er habe unterschiedliche Schlüssel zum Fahrzeug benutzt, so dass
ihm nicht aufgefallen sei, dass er statt des Hauptgebrauchsschlüssels den zweiten
Hauptschlüssel benutzt habe, und er auch die Benutzung des Werkstattschlüssels nicht
ausgeschlossen hat, ist diese Aussage nach Überzeugung des Gerichts bewusst
wahrheitswidrig erfolgt. Dass der Zeuge H. entgegen seiner zweitinstanzlichen Aussage
nicht beliebig mal diesen, mal jenen Fahrzeugschlüssel benutzte, ergibt sich aus dem
Gutachten des Sachverständigen G.. Danach muss es - wie ausgeführt - einen
hauptsächlich benutzten Hauptgebrauchsschlüssel gegeben haben, einen als
Zweitschlüssel genutzten weiteren Hauptschlüssel, während Werkstatt- und
Reserveschlüssel nicht benutzt wurden. Dem entsprechen die Angaben des Zeugen H.
gegenüber dem Ermittler Z. (Bericht Z. vom 06.07.1994, Bl. 85) und bei seiner
erstinstanzlichen Anhörung (Bl. 209). Nach den Angaben des Zeugen H. gegenüber
dem Ermittler Z. fuhr der Zeuge H. das Fahrzeug ständig mit einem Schlüssel, in
Ausnahmefällen wurde es von dem Betriebsleiter H. und dem Bauleiter H. und am
Wochenende von seiner Frau gefahren, und zwar mit dem von ihm benutzten Schlüssel,
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nicht mit den Reserveschlüsseln, die zudem in Holland aufbewahrt wurden, also am
Geschäftssitz der Klägerin nicht zur Verfügung standen. Diese spielten für die
Benutzung des Fahrzeugs keine nennenswerte Rolle. Bei der erstinstanzlichen
Aussage des Zeugen H. (Bl. 209) hat dieser ebenfalls zum Ausdruck gebracht,
üblicherweise einen Schlüssel benutzt zu haben, während der Ersatzschlüssel sich -
sorgfältig und getrennt aufbewahrt - im Tresor befunden habe. Dem widerspricht es,
wenn der Zeuge H. in zweiter Instanz versucht, dass angebliche Nichtbemerken des
Verlustes des Hauptgebrauchsschlüssels mit der Nutzung des gleichaussehenden
zweiten Hauptschlüssels zu erklären (Bl. 340). Nach seinen vorangegangenen
Angaben musste der zweite Hauptschlüssel für einen Einsatz aus dem Tresor geholt
oder aus Holland beschafft werden, konnte also nicht unbewusst durch den Zeugen H.
eingesetzt werden. Der Zeuge H. hat in zweiter Instanz vorgegeben, dass der
unbewußte Einsatz des zweiten Hauptschlüssels ohne weiteres möglich gewesen sei,
weil Hauptgebrauchsschlüssel und Reserveschlüssel sich nicht an einem
Schlüsselbund oder Schlüsselanhänger befunden hätten, sondern nur jeweils an einem
Ring (Bl. 341). Dem wiederum widerspricht die erstinstanzliche Angabe des Zeugen H.,
der von ihm benutzte Zweitschlüssel habe sich an einem Schlüsselbund befunden,
zusammen mit anderen Schlüsseln. Das Fehlen eines solchen Schlüsselbundes bleibt
allenfalls bis zur beabsichtigten Benutzung eines Schlüssels des Schlüsselbundes
unbemerkt. Der Senat schließt auch aus, dass die aufgezeigten Widersprüche in der
Aussage des Zeugen H. darauf beruhen, dass dieser sich nach dem eingetretenen
Zeitablauf nicht mehr hinreichend genau an die Umstände zu erinnern vermag. Dem
steht entgegen, dass man eine über längere Zeit gepflegte Übung auch nach längerer
Zeit zu erinnern vermag.
Nach allem sieht sich der Senat nicht in der Lage, dem Zeugen H. zu glauben, dass er
das Fehlen des Hauptgebrauchsschlüssels des Fahrzeugs nicht bemerkt haben will.
Die gleichwohl erfolgte diesbezügliche Angabe des Zeugen H. ist - in Ermangelung
einer anderen nachvollziehbaren Erklärung - nur mit einer bewussten Falschangabe
des Zeugen H. in diesem Punkt zu erklären. Zu einer solchen Falschangabe des
Zeugen H. bestand nur Anlass, wenn das Fahrzeug gestohlen worden war, als es mit
steckendem Schlüssel auf dem Firmengelände abgestellt war. Eine andere
naheliegende Erklärung, weshalb H. bezüglich des Verbleibs des
Hauptgebrauchsschlüssels des Fahrzeugs bewusst unwahre Angaben gemacht haben
sollte, ist nicht ersichtlich.
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Die Überzeugung des Senats, dass der Pkw Mercedes zur Zeit seiner Entwendung
unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel auf dem Firmengelände der
Klägerin abgestellt war, steht in Einklang mit dem bereits erwähnten anonymen Anruf
bei dem Mitarbeiter G. der Beklagten, bei dem der Anrufer schilderte, dass die
entwendeten Fahrzeuge mit steckenden Schlüsseln abgestellt worden seien, was üblich
gewesen sei, wenn bei der Bewertung dieses anonymen Anrufs auch Zurückhaltung
geboten ist. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Zusammenhang mit der
Entwendung des BMW wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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Hierzu fügt sich die Bekundung des Zeugen H.. Dieser hat bei seiner zweitinstanzlichen
Vernehmung (Bl. 334 ff) ausgesagt, es sei seinerzeit teilweise die Annahme geäußert
worden, dass der Mercedes zur Zeit der Entwendung unabgeschlossen und mit
steckendem Zündschlüssel auf dem Betriebsgelände gestanden habe. Er selbst habe
dies jedoch nicht wahrgenommen. Mehrere Monate vor der Entwendung des Mercedes
habe er den Zeugen H. einige Male darauf hingewiesen, dass er den Mercedes nicht
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unabgeschlossen und mit steckendem Zündschlüssel auf dem Betriebsgelände der
Klägerin stehen lassen könne. Er habe in der Folgezeit mehrfach beobachtet, dass H.
sich an seine Anregung gehalten habe. Dies schließt allerdings nicht aus, dass der
Zeuge H. später - zur Zeit der Fahrzeugentwendung - in die ursprüngliche Gewohnheit,
das Fahrzeug unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel abzustellen,
zurückgekehrt ist.
Auszuschließen ist es demgegenüber, dass das Fahrzeug Mercedes unter Verwendung
eines Nachschlüssels gestohlen worden ist.
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen G. ist von dem verbliebenen
Hauptschlüssel des Mercedes kurze Zeit vor der Fahrzeugentwendung ein
Nachschlüssel gefertigt worden. In den Schafteinschnitten beider Seiten des
Hauptschlüssels waren Spuren vorhanden, die aus werkzeugspurenkundlicher Sicht die
Feststellung zulassen, dass dieser Schlüssel als Vorlage zur Fertigung weiterer
Schlüssel auf einer mechanischen Kopierfräsmaschine diente. Die Abtastspuren waren
nicht von Gebrauchsspuren, sondern nur von Entgratungsspuren überlagert. Der Zeuge
H. hat überzeugend ausgeschlossen, dass er einen Nachschlüssel zu dem
Hauptschlüssel des Mercedes habe anfertigen lassen.
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Auch wenn demnach davon auszugehen ist, dass ein Unberechtigter im Besitz eines
Nachschlüssels zu dem Fahrzeug war, ist es nach Überzeugung des Senats
auszuschließen, dass der Mercedes unter Verwendung des Nachschlüssels gestohlen
worden ist. Wäre dies der Fall gewesen, hätte der Zeuge H. in der Lage sein müssen,
den vollständigen Schlüsselsatz zu dem Mercedes - insbesondere den
Hauptgebrauchsschlüssel - vorzulegen. Dieser konnte hingegen nicht vorgelegt werden,
ohne dass dieser Umstand plausibel erklärt worden wäre. Im übrigen spricht auch die
Art der Tatbegehung gegen diese Annahme. Ein Täter, der sich im Besitz eines
Nachschlüssels zu dem Mercedes befand, hätte eher eine Gelegenheit zur Entwendung
abgepasst, bei der der Wagen bei Dunkelheit an einer wenig belebten Stelle abgestellt
war, statt ihn bei Tag während der Betriebszeit mit entsprechenden Risiken vom
Betriebsgelände der Klägerin zu stehlen. Auch wäre ein solcher Täter kaum darauf
eingerichtet gewesen, die günstige Gelegenheit zu nutzen, zusätzlich den
unverschlossenen und mit steckendem Zündschlüssel abgestellten Pkw BMW des
Zeugen K., zu dem - soweit ersichtlich - kein Nachschlüssel angefertigt worden war, zu
entwenden. Dies setzte nämlich das Vorhandensein eines zweiten Fahrers voraus, der
angesichts des unnötigen Risikos nicht anwesend gewesen sein dürfte, wenn - nur - die
Entwendung des Mercedes mittels eines Nachschlüssels geplant gewesen wäre.
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Auch dem Zeugen H. ist der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens in objektiver und
subjektiver Hinsicht zu machen. Wie im Zusammenhang mit der Entwendung des BMW
ausgeführt, ist von grob fahrlässigem Verhalten in objektiver und subjektiver Hinsicht
auszugehen, indem der Zeuge H. - ohne Angabe subjektiver Entschuldigungsgründe -
den gut ein Jahr alten, hochwertigen Mercedes Benz unverschlossen und mit
steckendem Zündschlüssel auf dem frei zugänglichen Firmengelände der Klägerin
abstellte.
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Das Verhalten H.s war ebenso mitursächlich für die Entwendung des Mercedes Benz
wie das des Zeugen K. für die Entwendung des BMW. Auf die diesbezüglichen
Ausführungen kann Bezug genommen werden.
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Die Klägerin muss sich das grob fahrlässige Verhalten H.s zurechnen lassen. H. war zur
Zeit der Fahrzeugentwendung Repräsentant der Klägerin im Rahmen der
Risikoverwaltung. Wie der Zeuge H. ausgesagt hat, hatte die Klägerin ihm den
Mercedes auf Dauer zur geschäftlichen und privaten Nutzung überlassen. Er war für die
Betriebs- und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs verantwortlich. Die Ausführungen
bezüglich der Repräsentanteneigenschaft des Zeugen K. im Rahmen der
Risikoverwaltung gelten für den Zeugen H. entsprechend, so dass auf diese zur
Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden kann.
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Die Beklagte ist demzufolge bezüglich der Entwendung des Mercedes Benz ebenfalls
gemäß § 61 VVG leistungsfrei wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des
Versicherungsfalls.
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1. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 108, 708 Nr. 10,
711 ZPO.
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Streitwert zweiter Instanz und Wert der Beschwer der Klägerin: 103.595,68 DM
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