Urteil des OLG Köln vom 05.02.2009

OLG Köln: treu und glauben, vergleich, bruchteil, unfall, prozess, versicherungsnehmer, streitgenosse, dienstfahrt, ausgleichung, zustellung

Oberlandesgericht Köln, 17 W 28/09
Datum:
05.02.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 W 28/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 5 O 281/07
Tenor:
Der Kostenfestsetzungsbeschluss II des Rechtspflegers beim
Landgericht Köln vom 18. April 2008 - 5 O 281/07 - wird unter
Zurückweisung der soforti-gen Beschwerde im Übrigen teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Aufgrund des Beschlusses der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln
vom 23. Oktober 2007 sind von der Klägerin 888,22 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB
seit dem 25. Oktober 2007 an den Beklagten zu 1) zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 54 % und
der Beklagte zu 1) zu 46 %.
Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 1.635,66 €
G r ü n d e
1
I.
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Der Beklagte zu 1) befand sich für die Beklagte zu 2) auf einer Dienstfahrt. Dabei kam
es zu einer Kollision mit dem von der Klägerin gesteuerten Fahrzeug. Mit ihrer Klage hat
die Klägerin Schadenersatz gegen die Beklagten als Gesamtschuldner geltend
gemacht. Mit Schriftsätzen vom 20. Juli 2007 bestellten sich L.-er Rechtsanwälte für
beide Beklagte sowie ein C.-er Rechtsanwalt für den Beklagten zu 1). Im Termin zur
mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin nach mehrfach schon zuvor erteilten
Hinweisen des Landgerichts auf Artikel 34 GG die gegen den Beklagten zu 1) gerichtete
Klage zurück mit der entsprechenden Kostenfolge. Die Klägerin und die Beklagte zu 2)
schlossen im Termin einen Vergleich, der eine Kostenquote vorsieht.
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Sowohl die Prozessbevollmächtigten, die sich allein für den Beklagten zu 1) bestellt
hatten als auch diejenigen, die sich für beide Beklagte gemeldet hatten, haben Kosten
zur Festsetzung angemeldet. Der Rechtspfleger hat zugunsten des Beklagten zu 1) die
Kostenfestsetzung antragsgemäß durchgeführt, im Verhältnis der Klägerin und der
Beklagten zu 2) entsprechend der im Vergleich vereinbarten Kostenquote.
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Die Klägerin rügt mit ihrem Rechtsmittel die Festsetzung zugunsten des Beklagten zu 1)
und ist der Ansicht, die Verursachung entsprechender Kosten sei nicht notwendig
gewesen, da sich die beiden Beklagten durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt hätten
vertreten lassen können und müssen. Hierzu verweist sie auf eine Entscheidung des
BGH.
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Der Beklagte zu 1) meint dagegen, die angeführte Entscheidung sei nicht vergleichbar,
weil vorliegend keine Versicherung am Rechtsstreit beteiligt sei und von daher
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§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AKB, wonach der Versicherungsnehmer der Versicherung die Führung
des Rechtsstreites zu überlassen hat, nicht einschlägig sei bzw. eine vergleichbare
Vorschrift, die hier zur Anwendung kommen könnte, nicht existiere. Schließlich sei die
Interessenlage der beiden Beklagten wegen eines im Raume stehenden Re-gresses
nicht absolut gleichgerichtet gewesen.
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Der Rechtspfleger hat sich die Ansicht des Beklagten zu 1) zu eigen gemacht, dem
Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
8
II.
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Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch
ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der
Sache nur teilweise Erfolg.
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Dem Beklagten zu 1) steht lediglich ein Erstattungsanspruch in Höhe von 888,22 € zu.
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1.
12
a)
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Mit seinen beiden Grundsatzentscheidungen hat sich der BGH (NJW-RR 2004, 536 =
JB 2004, 323 = Rpfleger 2004, 314; MDR 2007, 1160 = NJW 2007, 2257) der u.a. vom
erkennenden Senat schon von jeher vertretenen Ansicht (zuletzt: Beschluss vom 17.
Juni 2008 - 17 W 130/08 -) angeschlossen, dass die Frage, ob Streitgenossen gehalten
sind, sich von einem gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, nur aufgrund der
Umstände im jeweiligen Einzelfall entschieden werden kann. Rechtsmissbräuchliches
Verhalten ist nur dann zu bejahen, wenn es ausnahmsweise keinen sachlichen Grund
für die Einschaltung mehrerer Anwälte gibt und ein gemeinsamer
Prozessbevollmächtigter uneingeschränkt zu einer interessengerechten Rechtsberatung
und Prozessführung in der Lage ist (ausführlich: Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u.a.,
RVG, 18. Aufl., Nr. 1008 VV RVG Rdnr. 321 ff. m. w. N.). Die Begründung des
Rechtspflegers in seinem Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss, die erstgenannte
Entscheidung des BGH sei nicht maßgeblich, weil vorliegend keine Versicherung am
Rechtsstreit beteiligt sei, liegt gänzlich neben der Sache, da der zweiten Entscheidung
ein Fall aus dem Mietrecht zugrunde lag.
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Die Mandatierung verschiedener Anwälte ist etwa dann gerechtfertigt, wenn der Halter
eines Kraftfahrzeuges zusammen mit seiner Haftpflichtversicherung verklagt wird,
letztere ihren Versicherungsnehmer aber verdächtigt, den Unfall zusammen mit dem
Unfallgegner gestellt zu haben (Senat, Beschluss vom 26. September 2005 - 17 W
200/05 - = MDR 2006, 896; Beschluss vom 6. September 2004 - 17 W 165/04 - = MDR
2005, 106; Belz MK-ZPO, 3. Aufl., § 91 Rdnr. 89 m. w. N.). Werden zwei Rechtsanwälte
als Streitgenossen verklagt, die sich sodann selbst vertreten oder sich jeweils durch
einen dritten Rechtsanwalt vertreten lassen, so liegt etwa in einem Regressprozess ein
sachlicher Grund hierfür jedenfalls dann vor, wenn nur einer der verklagten
Rechtsanwälte das Mandat seinerzeit betreut hat und der andere nach Beendigung des
Mandates aus der gemeinsamen Sozietät ausgeschieden ist (OLG Karlsruhe, Beschluss
vom 31. August 1994 - 11 W 86/94 -).
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b)
16
Im vorliegend zu entscheidenden Fall ist für eine derartige Ausnahme nichts ersichtlich.
Wenn auch ein möglicherweiser drohender Regress grundsätzlich geeignet wäre, die
Vertretung durch einen eigenen Rechtsanwalt wegen denkbarer Interessenskonflikte
auch in erstattungsrechtlicher Hinsicht zu billigen, so reicht eine rein theoretisch
bestehende Möglichkeit hierfür nicht aus (OLG Hamm OLGR 2007, 771 = AGS 2007,
476; Müller-Rabe, a.a.O., Rdnr. 323). Der Vortrag des Beklagten zu 1), aufgrund eines
im Raume stehenden Regresses seien die Interessen der beiden Beklagten nicht
absolut gleich gerichtet gewesen, ist substanzlos und wird durch keinerlei Tatsachen
erhärtet. Die gemeinsame Rechtsverteidigung beider Beklagten war vielmehr darauf
gerichtet, dass die Klägerin den Unfall allein verursacht hat.
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Nach Treu und Glauben ist jede Partei verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die
sie bei erfolgreichem Ausgang vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig als
möglich zu halten, so lange ihre berechtigten Interessen nicht tangiert werden (BGH
MDR 2007, 1160, 1161; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rdnr. 12 m. w. N.).
Hiergegen hat der Beklagte zu 1) verstoßen. Er befand sich auf Dienstfahrt, so dass er
gehalten gewesen wäre, spätestens nach Zustellung der Klageschrift seinen
Dienstherrn zu kontaktieren. Anlässlich dessen hätte das weitere Vorgehen
abgesprochen werden können und müssen, insbesondere im Hinblick darauf, in
welcher Art und Weise die Rechtsverteidigung gestaltet werden soll. Angesichts
dessen, dass sich die Rechtsanwälte D. & Partner für beide Beklagten bestellt hatten,
zeigt sich, dass der Dienstherr des Beklagten zu 1), die Beklagte zu 2), bereit war,
dessen Rechtsverteidigung zu übernehmen.
18
2.
19
Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze, die typischerweise den Fall betreffen, dass
die gegen zwei Streitgenossen, die von unterschiedlichen Anwälten vertreten werden,
klagende Partei den Prozess verliert, dürfen allerdings andererseits auch nicht zu einer
Begünstigung einer Partei im Rahmen der Kostenfestsetzung führen.
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Hier hat nach der Kostengrundentscheidung des Landgerichts die Klägerin die
außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) in voller Höhe und nach dem Vergleich
diejenigen der Beklagten zu 2) zu 20 % zu tragen. Auf eine solche, durch nichts
gerechtfertigte Bevorteilung des Beklagten zu 1) läuft jedoch die vom Rechtspfleger
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vorgenommene Kostenfestsetzung zu dessen Gunsten hinaus.
a)
22
Wenn Streitgenossen, von denen einer obsiegt und der andere teilweise verliert, von
dem selben Rechtsanwalt vertreten werden, so kann nur der der Beteiligung des
obsiegenden Streitgenossen am Prozess entsprechende Bruchteil der Anwaltskosten
gegen die Gegenpartei festgesetzt werden (BGH NJW-RR 2006, 215; 1508; 2003, 1507;
MDR 2003, 1140; Senat, Beschluss vom 11. Februar 2004 - 17 W 239/03 -). Handelt es
sich um zwei Beklagte, von denen der eine Beklagte in vollem Umfang obsiegt und der
andere nur teilweise, dann kann der obsiegende Streitgenosse die Hälfte der auf
Beklagtenseite insgesamt angefallenen außergerichtlichen Kosten in voller Höhe gegen
die klagende Partei geltend machen und der andere Streitgenosse von der zweiten
Hälfte nur den Bruchteil, der seinem Obsiegen entspricht. Nichts anderes kann im
vorliegenden Fall unter der Annahme gelten, dass sich die beiden Beklagten von dem
selben Prozessbevollmächtigten hätten vertreten lassen. Zu beachten ist jedoch, dass
bei dieser Berechnung nur solche außergerichtlichen Kosten Berücksichtigung finden
können, die infolge des Prozessverlaufs für beide Streitgenossen entstanden wären.
23
b)
24
Dies führt zu folgender Berechnung (s.: Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 1008 VV RVG Rdnr.
283 ff.) unter Beachtung des Umstandes, dass der Beklagte zu 1) am Vergleich und
damit an der Entstehung der Einigungsgebühr nicht beteiligt ist:
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1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG 683,80 €
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0,3 Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG 157,80 €
27
1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG 631,20 €
28
Auslagenpauschale 20,00 €
29
1.492,80 €
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zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer 283,63 €
31
1.776,43 €
32
50 %, die hiervon auf den Beklagten zu 1) entfallen, betragen 888,22 €, die dieser von
der Klägerin erstattet verlangen kann.
33
3.
34
Soweit der Rechtspfleger in Verkennung der Rechtslage die der Beklagten zu 2)
zustehenden 20 % zu Unrecht auf der Basis der vollen Anwaltsgebühren berechnet hat
und nicht aufgrund der der Beklagten zu 2) lediglich zustehenden Hälfte, ist der Senat
an einer Abänderung gehindert, da der Kostenfestsetzungsbeschluss, der die
Ausgleichung zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) betrifft, rechtskräftig
geworden ist.
35
4.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, Nr. 1812 KV-
GKG.
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