Urteil des OLG Köln vom 20.04.1994

OLG Köln (einkommen, gewinn, bundesrepublik deutschland, wirtschaftliche einheit, reaktive depression, höhe, unterhalt, ausbildung, zeitpunkt, abzug)

Oberlandesgericht Köln, 27 UF 94/93
Datum:
20.04.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 UF 94/93
Vorinstanz:
Amtsgericht Königswinter, 8 F 36/91
Tenor:
Auf die Berufungen beider Parteien wird das am 4. August 1993
verkündete Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht -
Königswinter - 8 F 36/91 - im Ausspruch über den Unterhaltsantrag (Ziff.
3 des Tenors) unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel
teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Die Antragstellerin wird
verurteilt, an den Antragsgegner ab Rechtskraft des
Ehescheidungsurteils einen monatlichen Unterhalt von 2.320,-- DM
davon 1.824,-- DM Elementarunterhalt und 1.496,-- DM
Altersvorsorgeunterhalt, bis zum 31. Dezember 1998 zu zahlen. Der
weitergehende Unterhaltsantrag wird abgewiesen. Die Kosten der
ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des
Berufungsverfahrens tragen die Antragstellerin zu 2/5, der
Antragsgegner zu 3/5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung des Antragsgegners und die selbstän-dige Anschlußberufung der
Antragstellerin sind zulässig, haben in der Sache aber nur teilweise Erfolg.
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Dem Antragsgegner steht gegen die Antragstellerin nach § 1573 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5
BGB, 1578 BGB ein sog. Aufstockungsunterhalt in Höhe von monatlich 2.320,- DM
bis zu 31.12.1998 zu. Die - fiktiven - Einkünfte aus einer angemessenen
Erwerbstätigkeit des Antragsgegners reichen zu dessen vollen Unter-halt nicht aus,
so daß er den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen
Unterhalt verlangen kann.
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Das Maß des Unterhalts bestimmt sich gem. § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den
ehelichen Lebensver-hältnissen der Parteien. Diese wurden in früheren Jahren von
den Einkünften der Antragstellerin aus Erwerbstätigkeit und dem Verzehr des
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Vermögens des Antragsgegners geprägt, in den letzten Jahren je-doch ganz
überwiegend durch die Einkünfte der An-tragstellerin aus Erwerbstätikeit bestimmt.
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Bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des An-tragsgegners ist nicht darauf
abzustellen, daß die Parteien nach der Behauptung der Antragstellerin schon bei
Beginn ihrer Ehe getrennte Kassen ver-einbart und nach dieser Vereinbarung auch
gelebt haben. Für den Trennungsunterhalt hat der Bundes-gerichtshof mehrfach (vgl.
FamRZ 1988, 839) einen entsprechenden Anspruch auch dann bejaht, wenn die
Ehegatten zu keinem Zeitpunkt ihres Zusammenlebens eine wirtschaftliche Einheit
gebildet, sondern mit getrennten Kassen gewirtschaftet haben und sogar für den Fall
dem Unterhaltsberechtigten einen An-spruch zuerkannt, wenn die Ehegatten von
Anfang an getrennt gelebt haben. Entscheidend ist derjenige Lebensstandard, der
nach den ehelichen Lebensver-hältnissen vom Standpunkt eines vernünftigen Be-
trachters als angemessen erscheint (BGH a.a.O.). Da die ehelichen
Lebensverhältnisse auch für den nachehelichen Unterhalt maßgebend sind, gelten
diese Erwägungen auch für den Unterhalt nach Scheidung.
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Der maßgebende Zeitpunkt für die Feststellung der ehelichen Lebensverhältnisse ist
grundsätzlich der Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils, denn bis dahin
besteht die Ehe fort (BGH FamRZ 1989, 1160). Veränderungen nach der Trennung
sind daher grundsätzlich zu berücksichtigen. Eine Ausnahme ist nur zu machen,
wenn sie auf einer unerwarteten Enwicklung beruht (BGH FamRZ 1983, 352; 1992,
1045). Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. Die Antragstellerin hat sich mit
Beginn des Jahres 1989 selbständig gemacht, die Parteien haben sich jedoch erst im
Oktober 1989 getrennt. Die Antragstellerin hat also bereits vor der Tren-nung der
Parteien eine selbständige Tätigkeit auf-genommen, sicher auch mit dem Ziel und in
der be-rechtigten Erwartung, aus einer selbständigen Tä-tigkeit höhere Einkünfte als
monatlich 4.500,00 DM netto zu erzielen.
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Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ist regelmä-ßig als Durchschnittseinkommen
aus dem Gewinn der letzten drei aufeinander folgenden Kalenderjahre zu ermitteln,
um eine sichere Beurteilung der Einkommensverhältnisse zu ermöglichen (BGH
FamRZ 1982, 152). Fallen allerdings in diesen Zeitraum eine Anlauf- und eine
Konsolidierungsphase, ist nur letzte maßgebend (BGH FamRZ 1985, 472). Das
bedeutet, daß für die Einkommensermittlung der Antragstellerin nur die in den Jahren
1992 und 1993 erzielten Gewinne zugrundezulegen sind. Die Antragstellerin hat sich
mit Beginn des Jahres 1989 selbständig gemacht. Die Anlaufphase beträgt im
allgemeinen bis zu drei Jahren. Es ist nicht ersichtlich, daß es sich bei der
Antragstellerin anders verhalten hat. Die Gewinne betrugen nämlich ausweislich des
Steuerbescheides im Jahre 1989 88.600,00 DM, ausweislich der Einnahme-
Überschuß-Rechnungen im Jahre 1990 100.532,39 DM, im Jahre 1991 69.031,38
DM, im Jahre 1992 208.883,11 DM und im Jahre 1993 178.468,89 DM. Diese
Entwicklung läßt darauf schließen, daß die Anlaufphase erst im Jahre 1991 beendet
war.
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Von dem für die Unterhaltsberechnung maßgebli-chen handelsrechtlichen Gewinne
im Jahre 1992 von 208.883,11 DM ist die Einkommensteuer, berech-net nach einem
steuerlichen Jahresüberschuß von 231.756,87 DM, abzuziehen.
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Das Einkommen der Antragstellerin für das Jahr 1992 ist wie folgt zu ermitteln:
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Der steuerliche Jahresübeschuß betrug 231.756,87 DM. Der Gewinn ist um einen
Teil Betriebsausgaben zu erhöhen, denn das steuerlich relevante Einkommen und
das unterhaltspflichtige Einkommen sind nicht identisch. Die steuerlichen
Absetzungen haben unterhaltsrechtlich außer Be-tracht zu bleiben, soweit sie sich
nicht mit einer tatsächlichen Verringerung der für den Lebensbe-darf verfügbaren
Mittel decken. Der Unterhalts-pflichtige, der sich auf sein zu versteuerndes
Einkommen bezieht, muß die hierbei abgesetzten Be-träge so darlegen, daß die
allein steuerrechtlich beachtlichen von den auch unterhaltsrechtlich ab-zugsfähigen
Aufwendungen abgegrenzt werden können (BGH NJW 1985, 909). Die
entsprechende Darlegung läßt die Antragstellerin vermissen. Das hat zur Folge, daß
die Ausgabeposten jedenfalls zum Teil dem Gewinn hinzuzurechnen sind.
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Bei den auffällig hohen Bewirtungskosten von 50.076,17 DM, deren berufsbedingte
und berufsnot-wendige Veranlassung nicht dargetan ist, veran-schlagt der Senat den
Eigenanteil und den Anteil, der den unterhaltsrechtlich angemessenen Rahmen
überschreitet, auf 50 %, das sind 25.038,00 DM. Denn die Bewirtungskosten
betrugen im Jahre 1991 noch 30.831,86 DM und im Jahre 1990 31.095,69 DM. Aus
welchem Grund sie berufsbedingt und berufsnot-wendig im Jahre 1992 auf über
50.000,00 DM gestie-gen sind, ist nicht nachzuvollziehen.
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Den Eigenanteil der Reisekosten schätzt der Senat auf 25 %. Mangels
entgegenstehender Darlegung ist davon auszugehen, daß die Reisekosten
jedenfalls nicht in vollem Umfang berufsbedingt und notwendig waren. Dem Gewinn
hinzuzurechnen sind folglich rund 8.882,00 DM.
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Da der geleaste Pkw nicht nur betrieblich, sondern auch privat genutzt wird, ist in den
Leasing- und Fahrzeugkosten ein Eigenanteil enthalten, den der Senat mangels
substantiierter Angaben auf 25 % schätzt, das sind bei monatlichen Leasingraten von
rund 2.000,00 DM und sonstigen Fahrzeugkosten von 8.216,07 DM rund 8.054,00
DM.
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Die Aufwendungen für betriebliche Geschenke werden mit rund 30.660,00 DM
angegeben. Ihre unterhalts-rechltiche Beachtlichkeit ist indessen nicht dar-getan. Sie
sind daher dem Gewinn hinzuzurechnen.
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Dasselbe gilt für die "übrigen Posten" von 3.440,57 DM.
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Den Eigenanteil der betrieblichen Aufwendungen für Telefon, Zeitschrift, Beiträge
und Gebühren setzt der Senat mit 10 %, das sind rund 2.038,00 DM, an.
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Soweit es sich nicht um einen Eigenanteil han-delt, sondern die Positionen mangels
Darlegung der unterhaltsrechtlichen Beachtlichkeit nicht an-zuerkennen sind, sind sie
dem zu versteuernden Einkommen hinzuzurechnen. Denn da die Ausgaben der
Antragstellerin tatsächlich entstanden sind, er-scheint es nicht richtig, die Ausgaben
einerseits unberücksichtigt zu lassen, andererseits aber den durch sie erzielten
Steuervorteil ebenfalls in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen. Das zu ver-
steuernde Einkommen beträgt somit nach Abzug der Freibeträge in Anlehnung an
den Steuerbescheid für 1990 224.246,87 DM 50 % Bewirtungskosten +25.038,00 DM
Geschenke +30.660,00 DM übrige Kosten + 3.440,57 DM 283.385,44 DM. Nach der
Grundtabelle
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beträgt die Steuerschuld 127.327,00 DM.
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Der Solidaritätszuschlag ist vorliegend ohne Be-deutung, da er im hier fraglichen
Zeitraum der Un-terhaltsschuld nach Scheidung nicht mehr anfällt.
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Da für die Unterhaltsberechnung nicht der steuer-liche, sondern der
handelsrechtliche Gewinn maß-gebend ist, errechnet sich folgender unterhalts-
rechtlich beachtlicher Gewinn nach Steuern:
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208.883,11 DM Bewirtungskosten +25.038,00 DM Geschenke +30.660,00 DM
"übrige Kosten" + 3.440,00 DM Eigenanteil der Reisekosten + 8.882,00 DM
Eigenanteil der Fahrtkosten + 8.054,00 DM Eigenanteil der Kosten für Telefon,
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Zeitschriften und Beiträge + 2.038,00 DM rund 286.995,00 DM Einkommenssteuer -
127.327,00 DM verbleibendes Einkommen rund 159.668,00 DM
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Einkommensmindernd sind die Vorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen, die sich
aus ausweislich des Schreibens der Firma K. vom 25. Januar 1993 (Bl. 19 UE) auf
rund 37.825,00 DM
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beliefen.
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Abzugsfähig ist auch die für den Veranlagungs-zeitraum 1990 gemäß Bescheid vom
1. Dezember 1992 festgesetzte Einkommenssteuer einschließlich Zin-sen von
28.810,00 DM.
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Die Tilgung des Privatdarlehens bei der Sparkasse B. in Höhe von 17.000,00 DM ist
nicht zu berück-sichtigen. Wann, in welcher Höhe und zu welchem Zweck das
Darlehen aufgenommen worden ist, legt die Antragstellerin substantiiert nicht dar. Die
Tilgung hat auch deshalb außer Ansatz zu bleiben, weil die Antragstellerin per 31.
Dezember 1992 eine saldierte Guthabenforderung gegen die D. Bank in Höhe von
134.951,89 DM hatte. Es ist nicht er-sichtlich, daß diese Guthabenforderung zur
Tilgung des Privatdarlehens nicht hätte herangezogen wer-den können.
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Das Einkommen der Antragstellerin ist danach im Jahre 1992 auf 93.033,00 DM zu
veranschlagen.
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Nach der vorläufigen Gewinn- und Verlustrechnung für 1993 ergibt sich auf der
Grundlage dieser Be-rechnung für 1993 folgendes Einkommen:
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Jahresüberschuß rund 178.469,00 DM
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50 % Bewirtungskosten rund + 21.776,00 DM
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Geschenke rund + 13.884,00 DM
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Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen und allgemeinen Büroaufwendungen von
insgesamt rund 60.372,00 DM sind nicht spezifiziert. Es kann davon ausgegangen
werden, daß hierin die Aufwen-dungen für Rechtsberatung, Porto, Telefon, Bürobe-
darf, Kongresse, Buchführungskosten, Werbekosten und Geldverkehr enthalten sind.
Diese Aufwendungen beliefen sich im Jahre 1992 auf insgesamt rund 43.224,00 DM.
Es ist anzunehmen, daß diese Kosten in ähnlicher Höhe im Jahre 1993 angefallen
sind. Jedenfalls hat die Antragstellerin die unterhalts-rechtliche Relevanz der
höheren Aufwendungen für diese Positionen nicht dargetan. Um die Differenz von
rund + 17.148,00 DM
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ist der Gewinn daher zu erhöhen. Ins-
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gesamt betrug er 231.277,00 DM.
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Die Einkommensteuer beläuft sich bei einem zu ver-steuernden Einkommen von
223.767,00 DM auf rund 95.730,00 DM.
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Dem Einkommen nach Steuern von 231.277,00 DM - 95.730,00 DM 135.547,00 DM
ist der Eigenanteil von 25 % der
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Reisekosten von insgesamt 54.875,75 DM, das sind rund 13.719,00 DM
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von 25 % der Fahrzeugkosten von ins- gesamt 35.888,51 DM, das sind rund 8.972,00
DM
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und 10 % der Aufwendungen für Tele-
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fon, Zeitschrifen und Beiträge wie
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im Jahr 1992 von 2.038,00 DM
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hinzuzusetzen, so daß sich eine Gesamt-
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summe von 160.276,00 DM
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ergibt.
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Rechnet man die Vorsorgeaufwendungen wie im Vor-jahr mit 37.825,00 DM ab,
verbleiben 122.451,00 DM
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Der unterhaltsrechtlich beachtliche Gewinn belief sich in den beiden Jahren 1992
und 1993 auf ins-gesamt +93.033,00 DM
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215.484,00 DM, das sind monatlich rund 9.000,00 DM.
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Nach Abzug des sog. Anreizsiebtels von 1.286,00 DM standen den Parteien 7.714,00
DM zur Verfügung.
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Dem Antragsgegner sind Zinseinkünfte von durch-schnittlich monatlich 125,00 DM
zuzurechnen. Sein Vortrag im nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Fe-bruar 1994,
die Zinseinkünfte beliefen sich nun-mehr bereinigt nur noch auf 567,44 DM im Jahr,
kann nach § 296 a ZPO nicht berücksichtigt werden. Es handelt sich um neuen
Sachvortrag. Dem Antrags-gegner war gem. § 283 ZPO nur gestattet worden, sich
zum Vortrag der Antragstellerin in deren Schriftsatz vom 3. Februar 1994 zu erklären.
Der vorstehende Sachvortrag geht darüber hinaus und erfordert die Anhörung der
Antragstellerin.
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Von höheren Zinseinkünften als monatlich 125,00 DM ist nicht auszugehen. Im
Schriftsatz vom 19. März 1993 hat der Antragsgegner substantiiert Auskunft über sein
Vermögen erteilt. Es ergeben sich keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte, daß er
weitere nicht angegebene Kapitalerträgnisse hat. Nach dem von beiden Parteien
vorgetragenen Lebensstil während ihres Zusammenlebens erscheint es glaubhaft,
daß der Antragsgegner sein ererbtes Vermögen bis auf den angegebenen Rest
verbraucht hat. Der Lebensstil war auch nach dem Vortrag der Antragstellerin so
aufwendig, daß er nach deren Meinung selbst unter Berücksichtigung ihrer
Beteiligung an den Mietkosten und Pkw-Kosten nicht aus einem Vermögen von nur
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250.000,00 DM hätte bestritten werden können. Daß die Antragstellerin über den
Verkaufserlös des ererbten Hauses im Unklaren gelassen wurde, ist durch den
notariel-len Kaufvertrag, den die Antragstellerin mitunter-schrieben hat, widerlegt.
Bestand der begründete Verdacht, der Antragsgegner besitze derzeit außer dem
angegebenen noch weiteres Vermögen, hätte sie den ihr nach § 1580 BGB
zustehenden Auskunftsan-spruch weiter verfolgen müssen, indem sie sich die
Richtigkeit der Angaben an Eides Statt versichern ließ. Die von der Antragstellerin
begehrte Vorlage des Vermögensverzeichnisses und der Erbschafts-steuererklärung
bezüglich des Nachlasses der Mut-ter des Antragsgegners hilft nicht weiter, da das
Vermögen wegen des aufwendigen Lebensstils der Parteien keinen verläßlichen
Rückschluß darauf zuläßt, daß das gegenwärtige Vermögen des Antrag-stellers
höher ist als von ihm angegeben wird. Die angebliche Erklärung des Antragsgegners
gegenüber den Eheleuten G., er verfüge noch über ein Vermö-gen von 180.000,00
DM, besagt nicht, daß dies auch zutrifft, da es für eine solche - auch unrichti-ge -
Erklärung naheliegende Gründe gibt.
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Der Antragsgegner ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin gem. § 1577 Abs.
3 BGB nicht gehalten, den Stamm seines Vermögens zu seinem Un-terhalt
einzusetzen. Das wäre unter Berücksichti-gung der beiderseitigen wirtschaftlichen
Verhält-nisse unbillig, da die Antragstellerin den ver-bleibenden Unterhaltsbedarf des
Antragsgegners aus ihren laufenden Einkünften decken kann. Daß der
Antragsgegner während des Zusammenlebens nicht nur von den
Kapitalerträgnissen, sondern auch vom Ka-pital selbst gelebt hat, steht dem nicht
entgegen. Ebensowenig wie sich der Ehegatte nach der Tren-nung an einem in der
Ehe geübten Konsumverzicht festhalten muß, braucht sich der Antragsgegner auf
den weiteren Verbrauch seines Vermögensstamms verweisen zu lassen, zumal es
sich um ein eher be-scheidenes Vermögen handelt.
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Von den beiderseitigen Einkommen von insgesamt 7.839,00 DM steht dem
Antragsgegner die Hälfte, das sind 3.920,00 DM zu, wovon 125,00 DM durch die
Zinserträgnisse gedeckt werden. Es verbleibt eine Bedarfslücke von 3.795,00 DM.
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Diese ist durch fiktive Erwerbseinkünfte des An-tragsgegners in Höhe von 1.971,00
DM als gedeckt anzusehen.
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Der Antragsgegner muß sich fiktive Erwerbseinkünf-te in dieser Höhe zurechnen
lassen. Wegen der Be-gründung nimmt der Senat auf die ausführlichen und im
wesentlichen zutreffenden Gründe des angefoch-tenen Urteils Bezug. Der Vortrag
des Antragsgeg-ners in der Berufung gibt insoweit zu einer Ände-rung der
Entscheidung zu seinen Gunsten keinen An-laß. Ergänzend ist noch folgendes
auszuführen:
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Den Einsatzzeitpunkt für die Ausbildungsobliegen-heit hat das Amtsgericht für etwa
Oktober/November 1990, das entspricht einem Zeitraum von gut einem Jahr ab
Trennung der Parteien angenommen. Dem stimmt der Senat zu. Der Senat hat zwar
in Ausnah-mefällen bei einer langjährigen Ehe der als Nur-hausfrau tätigen Ehefrau
eine Orientierungsphase von bis zu drei Jahren nach der Trennung zugebil-ligt.
Hierbei handelte es sich um Fälle, in denen die sich in schon fortgeschrittenem Alter
befind-liche Ehefrau mangels Ausbildung und Erwerbstätig-keit in der Ehe und
infolge langjähriger Kinder-erziehung den Kontakt zum Erwerbsleben in jeder
Beziehung verloren hatte. In einer solchen Lage befand sich der Antragsgegner bei
der Trennung der Parteien nicht. Er war damals 42 Jahre alt, befand sich also in
gutem Erwerbsalter. Zwar hatte er keine abgeschlossene Ausbildung. Doch stand er
dem Erwerbsleben wesentlich näher als eine wie oben beschriebene Nurhausfrau.
Wie er selbst vorträgt, hat er der Antragstellerin eine Vielzahl von Behördengängen
abgenommen und sich gleichsam als deren Privatsekretär betätigt. Nach dem Akten-
inhalt verfügt er über Kontaktfreudigkeit und hat nach seinem Vortrag verschiedene
Kontakte auch für die Antragstellerin angeknüpft. Anfang der 80er Jahre war er für
zwei Jahre journalistisch tätig und erzielte monatliche Honorareinnahmen von
1.000,00 bis 1.100,00 DM. In den Jahren 1990 und 1991 betätigte er sich erneut als
Journalist und Übersetzer. Dem Antragsgegner war es daher zuzumu-ten, sich nach
Ablauf von gut einem Jahr um die Eingliederung in das Erwerbsleben zu bemühen
(vgl. zum Zeitpunkt der Erwerbsobliegenheit OLG Hamm FamRZ 1986, 1108).
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Es mag sein, daß der Antragsgegner ohne abge-schlossene Ausbildung eine
angemessene Erwerbstä-tigkeit nur unter großen Schwierigkeiten hätten finden
können. Da dies von vornherein abzusehen war, hätte er sich einer Ausbildung
unterziehen müssen. Diese Obliegenheit kann den Unterhaltsbe-rechtigen schon
während der Trennungszeit treffen (BGH NJW 1985, 1695, 1986, 985, 986). So
verhält es sich vorliegend aus den vorgenannten Gründen.
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Die vom Antragsgegner vorgetragenen Gründe vermö-gen ihn von der
Ausbildungsobliegenheit nicht zu entlasten. Wenn er auch im Jahre 1990 nicht mehr
an dem einjährigen Umschulungskursus des Arbeit-samtes teilnehmen konnte, weil
der Kursus bereits seit langem begonnen hatte, so war er jedoch nicht gehindert, den
Kursus im Jahre 1991 zu absolvie-ren. Sein Vortrag, es sei ihm trotz intensivster
Bemühungen im Jahre 1992 nicht gelungen, die Ab-schlußprüfung zu schaffen, ist
unsubstantiiert und ohne Beweisantritt. Er legt noch nicht einmal dar, ob er sich
überhaupt der Abschlußprüfung unterzo-gen und ob und mit welchem Erfolg oder
Mißerfolg er sich während des Kurses Leistungskontrollen ge-stellt hat. Gegen seine
Konzentrationsunfähigkeit in Prüfungssituationen spricht die Tatsache, daß er nach
seinem Vortrag alle zur Zulassung zum 1. juristischen Staatsexamen geforderten
Scheine erworben hat. Zumindest bei der Anfertigung der Klausurarbeiten befand er
sich dabei in der einer Prüfung vergleichbaren Situation. Wenn die Prü-fungsangst
ihn regelmäßig in einen prüfungunfähi-gen Zustand versetzt, ist auch nicht
verständlich, daß er im Jahre 1993 den Eingangstest bei der Firma S./N. bestanden
hat. Es leuchtet im übrigen nicht ein, aus welchem Grund er sich nicht schon im Jahre
1990 um Aufnahme in diesen Lehrgang bemüht hat. Damals wäre er wegen der
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Unterhalts-zahlungen der Antragstellerin und aufgrund seines Vermögens in der
Lage gewesen, die Kosten für den Lehrgang aufzubringen.
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Der Antragsgegner hat nicht ausreichend dargelegt, daß er infolge Krankheit
gehindert war, eine Aus-bildung zu absolvieren. Nach dem Attest des Dr. S. vom 27.
August 1993 befand sich der Antragsgegner wegen einer schweren reaktiven
Depression bis August 1990 in dessen nervenärztlicher Behandlung. Der hier in
Rede stehende Zeitraum beginnt erst ab Oktober/November 1990. Für die Zeit ab
August 1990 bis August 1993 ist eine reaktive Depression nicht belegt. Unabhängig
hiervon wird weder im At-test vom 27. August 1993 noch in dem vom 27. Janu-ar
1994 eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Ei-ner Beweiserhebung bedarf es nicht, da
eine Minde-rung der emotionalen Belastbarkeit und Belastungs-fähigkeit nicht
zwangsläufig eine Arbeitsunfähig-keit indiziert. Unterstellte man dennoch für Au-gust
1993 und/oder für Januar 1994 eine vorüberge-hende Arbeitsunfähigkeit, änderte
dies nichts. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, daß der An-tragsgegner
nach einer im Jahre 1991 oder 1992 ab-geschlossenen Ausbildung eine Arbeitsstelle
gefun-den und im Krankheitsfall Lohnfortzahlung erhalten hätte.
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Das vom Antragsgegner erzielbare monatliche Netto-einkommen schätzt der Senat
im Übereinstimmung mit dem Amtsgericht auf netto 2.150,00 DM. Hinzuzu-rechnen
ist das üblicherweise gezahlte Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld von geschätzt
monatsanteilig 150,00 DM, so daß von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen
von 2.300,00 DM auszugehen ist. Nach Abzug des sog. Anreizsiebtels von 329,00
DM ist das verbleibende Einkommen von 1.971,00 DM im Wege der
Anrechnungsmethode von dem Restbedarf von 3.795,00 DM abzuziehen, so daß
sich der verblei-bende Restbedarf auf 1.824,00 DM beläuft.
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Der Vorsorgeunterhalt beträgt nach der vom Amtsge-richt angewandten zutreffenden
Berechnungsmethode 496,00 DM.
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Dem Bedarf von 3.795,00 DM entspricht bei Anwen-dung der sog. Bremer Tabelle
ein Altersvorsorge-unterhalt von ca. 1.130,00 DM (vgl. Altersvorsor-geunterhalt,
entsprechend Bremer Tabelle, FamRZ 1994, 84). Nach Abzug des fiktiven
Altersvorsor-geunterhaltes von rund (19,2 % von 3.300,00 DM als fiktives
Bruttoentgelt) 634,00 DM verbleibt ein noch zu deckender Altersvorsorgeunterhalt
von 496,00 DM.
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Die Einwendungen des Antragstellers gegen den Anspruch auf
Altersvorsorgeunterhalt greifen nicht durch. Es mag sei, daß der Antragsgegner bei
Fort-bestehen der Ehe keine Altersversorgungsanwart-schaften erworben hätte, weil
er keiner Berufstä-tigkeit nachgegangen wäre. Darauf kommt es indes-sen nicht an.
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Er hätte an die Altersversorgung, die sich die Antragsstellerin aufbaut, teilgenom-
men. Daß dieser Anteil geringer wäre als eine von ihm noch aufzubauende
Altersversorgung, ist nicht ersichtlich.
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Einen Beitrag zur Krankenversicherung kann der An-tragsgegner aus den Gründen
des angefochtenen Ur-teils nicht verlangen.
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Der Gesamtunterhaltsanspruch beläuft sich danach auf 2.320,00 DM. Einer erneuten
Berechnung des Elementarunterhaltes unter Berücksichtigung des
Altersvorsorgeunterhaltes bedarf es im Hinblick auf das gute Einkommen der
Antragstellerin nicht.
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Der Unterhalt ist nach §§ 1575 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB zeitlich bis zum 31.
Dezember 1998 zu begrenzen. Die Zuerkennung einer zeitlich unbe-grenzten
Unterhaltsrente enspricht nicht der Bil-ligkeit. Der Antragsgegner hat keine
ehebedingten Nachteile erlitten, die noch fortwirken. Er hat sein Studium der
Rechtswissenschaft aus freien Stücken aufgegeben, ohne durch die im Laufe der
Ehe übernommenen Aufgaben gehindert worden zu sein, dieses zu Ende zu bringen.
Die Unterstüt-zungsleistungen, die er nach seinem Vortrag der Antragstellerin
erbracht hat, konnten nach ihrer Art und ihrem Umfang nur einen verhältnismäßig
geringen Teil seiner Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Sie mögen in der Zeit kurz
nach der Über-siedlung der Antragstellerin in die Bundesrepublik Deutschland für
eine gewisse Zeit den Fortschritt im Studium verzögert haben. Sie waren aber kein
Grund, das Studium wegen Zeitmangels aufzugeben. Dagegen spricht schon, daß es
dem Antragsteller im Jahr 1974 gelungen ist, die beiden restlichen sog. großen
Scheine im BGB und im öffentlichen Recht zu erwerben. Gerade der Umstand, daß
die Parteien im Jahre 1974 eine Wochenendehe führten - der Antragsgegner
studierte in B., die Antrag-stellerin wohnte in A. - versetzte ihn in die Lage, sein
Studium zielstrebig fortzuführen. Wenn er das Studium dennoch nicht zum Abschluß
brachte, ist dies nicht auf die Übernahme der Aufgaben eines Hausmanns, sondern
auf andere in der Per-son des Antragsgegners liegende Gründe zurückzu-führen.
Deshalb sprechen keine Billigkeitsgründe für eine dauerhafte
Lebensstandardgarantie. Die Erwägungen, die bei einer langen Ehedauer zu ei-nem
unbegrenzten Unterhaltsanspruch führen können, tragen hier nicht. Je länger eine
Ehe dauert, um so wahrscheinlicher ist erfahrungsgemäß eine zu-nehmende
Verflechtung und Abhängigkeit der Lebens-verhältnisse und ein sich verfestigendes
Gefühl wirtschaftlicher Absicherung durch Unterhalt (BGH FamRZ 1990, 858). Diese
Erwägung entbehrt hier der Grundlage, weil die Parteien wesentlich auch vom
Vermögen des Antragsgegners gelebt haben, das irgendwann aufgezehrt sein
mußte. Von einer wach-senden wirtschaftlichen Abhängigkeit des Antrags-gegners
von dem Einkommen der Antragstellerin kann hier keine Rede sein. Die Ehedauer
von 18 Jahren allein steht einer Begrenzung des Unterhaltsan-spruchs nicht
entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es vielmehr
auf die Umstände des Einzelfalls an, eine abstrakte Zeit-grenze besteht nicht (BGH
FamRZ 1990, 858; NJW RR 1991, 130, 132). Auch unter Berücksichtigung der
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Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätig-keit wäre ein unbegrenzter
Unterhaltsanspruch un-billig, da der Haushalt der Parteien aus zwei Per-sonen
bestand und sich die Parteien zeitweise der Mithilfe von Haushaltskräften bedient
haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 93 a, 92 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreck-barkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Grundsätze für eine Begrenzung des Unterhalts nach § 1573 Abs. 5 BGB liegen
nach der Rechtsprechung des BGH fest. Danach ist die Frage der Begrenzung nach
den Besonderheiten des Einzelfalles zu entscheiden.
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