Urteil des OLG Köln vom 04.03.2008

OLG Köln: vorläufiger rechtsschutz, auflage, verfahrenskosten, vollstreckung, unterhalt, geldstrafe, familie, festnahme, arbeitsstelle, unternehmer

Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 678/07
Datum:
04.03.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 678/07
Leitsätze:
Ein nur wegen einer Geldstrafe oder der voraussichtlichen
Verfahrenskosten in Betracht kommender Arrest darf nicht angeordnet
werden, wenn er auf Antrag des Betroffenen gemäß § 11 d Abs. 3 StPO
sogleich wieder aufzuheben wäre.
Tenor:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten darin
erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
G r ü n d e :
1
I.
2
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht einen Betrag iHv 9.280,-- €,
der bei dem Angeklagten im Zuge der Ermittlungen sichergestellt worden war,
zugunsten des Landes Nordrhein-Westfalen für angefallene Verfahrenskosten arrestiert.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 15.10.2007, der das
Landgericht nicht abgeholfen hat und die der Angeklagte mit Schriftsatz seines
Verteidigers vom 22.02.2008 weiter begründet hat.
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II.
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Die gem. § 304 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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Gem. § 111d Abs. 1 StPO kann wegen – u.a. – der voraussichtlich entstehenden
Verfahrenskosten der dingliche Arrest in das Vermögen des Schuldners angeordnet
werden; hierbei gelten die Vorschriften der §§ 917 und 920 Abs. 1 sowie die §§ 923,
928, 930 bis 932 und 934 Abs. 1 ZPO sinngemäß (§ 111d Abs. 2 StPO). Hieraus folgt,
dass die Anordnung des Arrestes neben einem – hier unzweifelhaft dem Grunde nach
gegebenen - Arrestanspruch einen Arrestgrund voraussetzt, den § 917 Abs. 1 ZPO als
die Besorgnis beschreibt, dass ohne Verhängung des Arrestes die Vollstreckung (des
Kostentitels) vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. In der zivilprozessualen
Kommentarliteratur wird diese Voraussetzung (einschränkend) dahingehend
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Kommentarliteratur wird diese Voraussetzung (einschränkend) dahingehend
verstanden, dass hierfür in erster Linie Vereitelungshandlungen des Schuldners wie das
Verschleiern oder Verschleudern von Vermögen in Betracht kommen (Walker in:
Schuschke, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Auflage, § 917 Rz. 3;
Musielak, ZPO, 5. Auflage, § 917 Rz. 3; Dreschner in: MüKo-ZPO, 3. Auflage, § 917 Rz.
4 f. jew. mwN). Nicht hingegen soll das Bestehen einer schlechten Vermögenslage als
solcher für die Anordnung des Arrests genügen (OLG Hamburg, WM 1998, 522, 523; LG
Bonn, StraFo 2005, 111; LG Kiel, wistra 2001, 319, 320; Nack in: Karlsruher Kommentar
zur StPO, 5. Auflage, § 111d Rz. 6; Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 111d Rz. 8 aE;
Walker, aaO, Rz. 4; Musielak aaO; Rz. 4; Grunsky in: Stein-Jonas, ZPO, 22. Auflage, §
917 Rz. 5).
Der Senat lässt offen, ob letztere Erwägung schlechthin und ohne Einschränkungen
tragfähig ist, da zweifellos bei sehr schlechter Vermögenslage des Schuldners die
Vollstreckung des (Kosten)titels vereitelt oder wesentlich erschwert wird und die
Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 ZPO ihrem Wortlaut nach erfüllt sind. Die vorstehend
zitierte Einschränkung scheint auf der – eher "zivilistischen" – Überlegung zu beruhen,
dass ja niemand gezwungen ist, Rechtsgeschäfte mit einem Schuldner zu tätigen,
dessen Vermögenslage (erkanntermaßen) schlecht ist, so dass die Arrestanordnung
eine weitere Verschlechterung der Vermögenslage voraussetzt. Diese Erwägung trägt
aber in Strafsachen, in welchen sich der Fiskus den Schuldner nicht "aussuchen" kann,
gerade nicht. Dabei eröffnet § 111d Abs. 2 StPO, der die nur "sinngemäße" Geltung der
Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Arrest anordnet, den Weg, zwischen
Zivil- und Strafverfahren insoweit bestehende Unterschiede zu berücksichtigen.
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Indessen bedarf die aufgeworfene Frage keiner abschließenden Entscheidung, da der
angeordnete Arrest bereits aus anderen Gründen aufzuheben ist: § 111d Abs. 3 StPO
schreibt vor, dass eine Vollziehungsmaßnahme aufzuheben ist, wenn der Beschuldigte,
gegen den der Arrest nur wegen einer Geldstrafe oder – wie hier – der voraussichtlich
entstehenden Verfahrenskosten angeordnet worden ist, den Pfandgegenstand zur
Aufbringung der Kosten seiner Verteidigung, seines Unterhalts oder des Unterhalts
seiner Familie benötigt. Der Senat entnimmt dieser Regelung die gesetzgeberische
Wertung, dass die genannten Verpflichtungen des Arrestschuldners den Ansprüchen
des Justizfiskus auf Vollstreckung (einer Geldstrafe und) der Verfahrenskosten in dem
Sinne vorgehen, dass ein Arrest nicht angeordnet werden darf, der auf Antrag des
Betroffenen sofort wieder aufzuheben wäre (so auch Nack in: Karlsruher Kommentar zur
StPO, 5. Auflage, § 111d Rz. 6).
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Gemessen hieran kann die Arrestanordnung vom 27.09.2007 keinen Bestand haben.
Der Angeklagte hat vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung vom 21.02.2008
glaubhaft gemacht, dass er den arrestierten Betrag zum Bestreiten seines und seiner
Familie Lebensunterhalts benötige. Er verdiene 1.255,-- € netto monatlich, wovon er den
Unterhalt für drei minderjährige Kinder (eines aus erster, zwei aus der gegenwärtigen
Ehe) und seine nicht berufstätige Ehefrau zu bestreiten habe, wobei den Unterhalt für
die Tochter aus erster Ehe momentan nicht aufbringen könne. Er sei mit monatlichen
Raten für einen PKW iHv 299,-- € belastet, den er für die Fahrten von seinem Wohnort
zu seiner in S. gelegenen Arbeitsstelle benötige. Zudem hat die Strafkammer im Urteil
vom 05.04.2007 festgestellt, dass der Angeklagte zur Finanzierung des Erwerbs eines
mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücks in A. kurz vor seiner Festnahme bei
einem befreundeten Unternehmer und zeitweiligem Arbeitgeber ein Darlehen iHv
50.000,-- € aufgenommen hat. Ob und inwieweit der Angeklagte hierauf Rückzahlungen
leistet, ist dem Senat nicht bekannt. Bei der vorstehend geschilderten Sachlage, bei
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welcher die monatlichen Einkünfte des Angeklagten die Pfändungsfreigrenze gem. §
850c ZPO deutlich unterschreiten und ihm mithin kein pfändbares Einkommen verbleibt,
ist indessen davon auszugehen, dass der Angeklagte den arrestierten Betrag für seinen
Unterhalt und den Unterhalt seiner Familie benötigt. Bei Kenntnis dieser Umstände
hätte der angefochtene Arrestbeschluss daher nicht ergehen dürfen; er ist daher auf die
Beschwerde des Angeklagten aufzuheben.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1
StPO.
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