Urteil des OLG Köln vom 04.12.1995

OLG Köln (kläger, operation, eingriff, behandlung, treu und glauben, kenntnis, einwilligung, verjährungsfrist, aufklärung, behandlungsfehler)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 134/94
Datum:
04.12.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 134/94
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 11 O 241/93
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.11.1993 verkündete Urteil
der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 11 O 241/93 - unter
Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und wie
folgt neu gefaßt: Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist,
dem Kläger allen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm als Folge
der Kieferhöhlenoperation vom 25.2.1977 entstanden ist oder künftig
noch entstehen wird, soweit Ersatzansprüche nicht auf öffentlich-
rechtliche Versorgungsträger oder Dritte übergegangen sind. Im übrigen
wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten beider Rechtszüge haben
der Kläger 5/7 und der Beklagte 2/7 zu tragen. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Mit der am 19.7.1993 beim Landgericht Aachen eingegangenen und am 20.8.1993
zugestellten Klage nimmt der Kläger, der Kassenpatient der B. kasse ist, den Beklagten
wegen einer am 25.2. 1977 durchgeführten Kieferhöhlenoperation in Anspruch.
2
Im Juli 1976 suchte der Kläger den Beklagten, einen Facharzt der Hals-, Nasen- und
Ohrenheilkunde wie auch der Anästhesie, wegen langjähriger Kopfschmerzen,
rezidivierenden Schnupfens und Drucks in der Gesichtsgegend auf. Nach einer
röntgenologischen Untersuchung sowie einer Spiegelung der Kieferhöhlen
diagnostizierte der Beklagte eine beiderseitige chronische Entzündung der
Kieferhöhlen. In der rechten Kieferhöhle stellte er mehrere Zysten fest, links eine
chronisch verdickte, gefäßinjizierte Schleimhaut. Aufgrund dieses Befundes empfahl der
Beklagte dem Kläger eine Kieferhöhlenoperation rechts und eine Fensterung der linken
Kiefernhöhle.
3
Am 24.2.1977 wurde der Kläger zur Durchführung der Operation im M.hospital D.- B.dorf
stationär aufgenommen, wo der Beklagte als Belegarzt tätig war. Auf einem
Standardformular unterschrieb der Kläger seine Einwilligung zu der Operation. Ob der
Kläger zuvor über die Risiken sowie Art den Umfang des vorzunehmenden Eingriffs
bzw. dessen mögliche Erweiterung auf die linke Kieferhöhle aufgeklärt worden war, ist
zwischen den Parteien streitig.
4
Am 25.2.1977 führte der Beklagte bei dem Kläger eine beidseitige radikale
Kieferhöhlenoperation nach der Methode Caldwell- Luc durch. Den Eingriff nahm der
Beklagte unstreitig ohne Hinzuziehung eines weiteren Facharztes für Anästhesie oder
einer sonstigen ausgebildeten Anästhesieassistenz vor. Streitig ist zwischen den
Parteien, ob der Beklagte überhaupt eine Unterstützung bei dem Eingriff hatte. Es
existiert ein Protokoll der Abteilung für Anästhesie für den Eingriff vom 25.2.1977,
dessen Eintragungen nicht die Handschrift des Beklagten tragen.
5
Am 3.3.1977 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Zwischen
dem 4.3.1977 und dem 26. 5.1977 fanden Nachbehandlungen in der Praxis des
Beklagten statt.
6
In der Folgezeit konsultierte der Kläger den Beklagten- abgesehen von einer einmaligen
Speichelsteinentfernung im Oktober 1982- nicht mehr. Wegen von ihm zunächst
geklagter Taubheitsgefühle in den Vorderzähnen bzw. der Oberlippe- die Quellen sind
insoweit nicht eindeutig- und einer in den folgenden Jahren geklagten Entwicklung von
Druckschmerzen im Oberkieferbereich ließ sich der Kläger in der Zeit von 1977 bis 1979
von dem Hals- Nasen - und Ohren - Facharzt Dr. H. behandeln. Dieser erklärte ihm, daß
bei der Operation sämtliche Schleimhäute entfernt worden seien, weshalb eine
Änderung des von dem Kläger vorgetragenen Beschwerdebildes nicht erwartet werden
könne. Seit November 1982 befindet sich der Kläger in dauernder ärztlicher Behandlung
bei Dr. R.,der die Praxis Dr. H.s im Jahre 1979 übernommen hatte. Als Grund für diese
Konsultationen nennt der Kläger ständige Gesichtsschmerzen. Am 12.8.1986 stellte Dr.
R. dem Kläger eine ärztliche Bescheinigung aus, mit welcher er die Versorgung des
Klägers mit Kontaktlinsen anstelle der bis dahin getragenen Brille befürwortete. In dem
Attest bescheinigte Dr. R., daß "bei dem o.g. Patienten der Zustand nach
Kieferhöhlenoperation beidseits von 1976 besteht. Der Patient leidet seitdem unter
Druckschmerzhaftigkeit im Bereich beider infraorbitaler Nervenaustrittspunkte. Er hat
aus diesem Grund auch oft Beschwerden beim Brilletragen."
7
Im Frühjahr 1989 diagnostizierte der Neurologe Dr. Willscheidt- Lebeau bei dem Kläger
eine Trigeminusneuralgie, die medikamtös behandelt wurde. In der Zeit vom 1.9.1989
bis zum 31.5.1990 befand sich der Kläger in schmerztherapeutischer Behandlung der
Krankenanstalten D.. In einer ärztlichen Bescheinigung vom 8.7.1990 (Bl. 17-19 ), auf
die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, attestierte der dort tätige Dr. med. K. dem
Kläger einen " schmerzhaften Restzustand nach Kieferhöhlenoperation ( Caldwell- Luc)
beiderseits mit möglicher Schädigung des Nervus infraorbitalis, re.##blob##gt; li., und
mit erheblicher psychischer Überlagerung des Krankheitsbildes." Die tpische
Charakteristik einer echten Trigeminusneuralgie im Sinne von blitzartig
einschießenden, kurz andauernden Schmerzen wurde in dieser Bescheinigung im
übrigen bei dem Kläger verneint.
8
Mit anwaltlichem Schreiben vom 1.3.1991 forderte der Kläger den Beklagten zur
Übersendung der Krankenunterlagen auf, die ihm mit Schreiben vom 12.3.1991
zugeleitet wurden.
9
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe den Eingriff ohne seine Einwilligung
eigenmächtig erweitert, indem er in der linken Kieferhöhle statt der geplanten
Fensterung ebenfalls eine Radikaloperation durchführte. Diese Erweiterung sei im
übrigen medizinisch nicht indiziert gewesen; die ursprünglich geplante Fensterung hätte
ausgereicht.
10
Auch sei er vor der Operation nicht über die mit der Methode nach Caldwell- Luc
verbundenen Risiken - Verursachung von Gesichtsschmerzen bzw. deren
Verschlimmerung, Taubheitsgefühl und Nervschädigungen- aufgeklärt worden. Genau
diese Risiken hätten sich bei ihm jedoch verwirklicht. Er habe die Behandlung bei dem
Beklagten abgebrochen, da sich seine Schmerzen trotz dessen Vertröstungen, dies sei
nach einer derartigen Operation normal, nicht gebessert hätten.
11
Seine bis heute andauernden Gesichtsschmerzen beruhten, so hat der Kläger weiter
vorgetragen, auf einer Trigeminusneuralgie und einer Schädigung des Nervus
infraorbitalis links und rechts. Beides habe der Beklagte schuldhaft durch eine
fehlerhafte Operation verursacht. Der Kläger hat dazu die Auffassung vertreten, daß die
Operationsmethode nach Caldwell- Luc bereits veraltet gewesen sei. Auch sei es
fehlerhaft gewesen, daß der Beklagte in eigener Person auch die Anästhesie
durchführte, weil er sich infolge dieser Doppeltätigkeit nicht ausreichend auf den
eigentlichen Eingriff habe konzentrieren können. Falsch sei es auch gewesen, daß
seine Oberlippe während der Operation mittels eines Hakens angehoben worden sei.
Die hierdurch verursachten Quetschungen des Infraorbitalnerven würden andere
Operateure dadurch vermieden haben, daß sie die Oberlippe von einem Assistenten
mittels der Finger hätten anheben lassen.
12
In Anbetracht seines langjährigen Schmerzzustandes hat der Kläger ein
Schmerzensgeld von 50.000,- Dm für angemessen gehalten.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen
Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4% Zinsen seit
Klagezustellung zu zahlen;
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festzustellen,
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daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen Schaden zu ersetzen,
der ihm künftig als Folge der Kieferhöhlenoperation vom 25.2.1977 entstanden ist
oder noch entstehen wird, soweit Ersatzansprüche nicht auf öffentlich- rechtliche
Versorgungsträger oder Dritte übergegangen sind.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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30
Er hat die von ihm gewählte Operationsmethode nach Caldwell- Luc verteidigt und
behauptet, sie habe dem seinerzeit gültigen medizinischen Standard entsprochen.
31
Er hat ferner behauptet, den Kläger ordnungsgemäß mündlich über die
Operationsrisiken aufgeklärt und ihn insbesondere auf die Möglichkeit von
postoperativen Schwellungen und Taubheitsgefühlen wie auch auf die Gefahr der
Berührung des Trigeminusnerven hingewiesen zu haben. In Anbetracht des seit den
Untersuchungen im Sommer 1976 verstrichenen Zeitraumes habe er dem auch Kläger
erklärt, daß sich der Zustand der linken Kieferhöhle zwischenzeitlich verschlechtert
haben könne und deshalb eventuell auch links eine Kieferhöhlenoperation erforderlich
sei. Auf eine erneute Spiegelung habe er wegen der Gefahr einer Blutung, die sich für
die Operation am darauffolgenden Tage nachteilig ausgewirkt hätte, verzichtet.
Tatsächlich habe der bei der Operation erhobene Befund auch links eine
Kieferhöhlenoperation erforderlich gemacht.
32
Die Operation sei erfolgreich verlaufen. Die angeblichen Schmerzen des Klägers seien
nicht auf eine Nervschädigung zurückzuführen, sondern psychosomatisch bedingt.
33
Darüber hinaus hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben. Aus dem
Vorbringen des Klägers ergebe sich, daß dieser schon 1977 von Dr. H. erfahren habe,
daß seine Beschwerden auf die Operation zurückzuführen seien. Spätestens sei dem
Kläger diese Erkenntnis durch die Diagnose Dr. R.s vermittelt worden. Der Hausarzt Dr.
D. habe den Kläger überdies im Jahre 1989 über einen möglichen Behandlungsfehler
aufgeklärt. Die im Jahre 1991 erhaltenen Krankenunterlagen hätten , so hat der
Beklagte gemeint, dem Kläger keine Kenntnisse vermitteln können, die er nicht schon
vorher gehabt habe.
34
Mit seinem am 24.11.1993 verkündeten Urteil hat das Landgericht Aachen die Klage
abgewiesen. Es hat dahingestellt sein lassen, ob der Kläger gegen den Beklagten der
Sache nach zu Recht den Vorwurf der fehlerhaften Behandlung wie auch der
mangelnden Aufklärung bzw. der fehlenden Einwilligung erhebe. Ein
Schmerzensgeldanspruch stehe dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil bei Eingang
der Klage die Verjährungsfrist von drei Jahren bereits verstrichen gewesen sei. Soweit
der Kläger seinen Anspruch auf den Vorwurf stütze, der Beklagte habe die Erweiterung
des Eingriffs auf die linke Kieferhöhle ohne seine Einwilligung vorgenommen, ohne daß
hierfür eine medizinische Notwendigkeit bestanden habe, sei ein etwaiger
Schmerzensgeldanspruch jedenfalls seit dem 13.8.1989 verjährt; denn die für die
Geltendmachung von Ansprüchen erforderliche diesbezügliche Tatsachenkenntnis sei
dem Kläger durch das Attest des Dr. R. vom 12.8.1986 vermittelt worden. Gleiches gelte
35
hinsichtlich der nach Behauptung des Klägers unterbliebenen Aufklärung über die
Risiken der Operation. Im übrigen hätten das im unmittelbaren Anschluß an die
Operation geklagte Taubheitsgefühl im Bereich der Vorderzähne, die angeblichen
starken Druckschmerzen im Gesicht- die zuvor jedenfalls nicht in dieser Intensität
vorhanden gewesen seien- und die häufigen Erkältungen bereits so deutlich für einen
Zusammenhang mit der Operation gesprochen, daß der Kläger sich der naheliegenden
Erkenntnis, ihm seien die Risiken der Operation verschwiegen worden, nicht hätte
verschließen dürfen. Nach Treu und Glauben müsse er sich deshalb so behandeln
lassen, als habe er bereits hierdurch die für den Verjährungsbeginn erforderliche
Kenntnis von dem Fehlen einer entsprechenden Aufklärung gehabt.
Die Vorwürfe des Klägers, die Operationsmethode nach Caldwell- Luc sei bereits
veraltet gewesen, hat das Landgericht für unsubstantiiert gehalten, darüber hinaus seien
etwaige Ansprüche insoweit ebenfalls verjährt. Dies treffe schließlich auch auf den -
zweifelhaften- Vorwurf der fehlerhaften Verwendung eines Hakens zu. Insoweit sei ein
kenntnisbegründender Hinweis an den Kläger in der Bescheinigung der
Krankenanstalten D. vom 8.7.1990 enthalten.
36
Für unbegründet hat das Landgericht auch die Feststellungsklage gehalten. Soweit mit
ihr zugleich Ansprüche wegen sog. positiver Vertragsverletzung geltend gemacht
würden, greife die Verjährungseinrede des Beklagten zwar nicht durch. Da zwischen
dem Kläger als Kassenpatienten und dem Beklagten jedoch keine vertraglichen
Beziehungen bestünden, sei die Klage auch insoweit unbegründet.
37
Wegen der Einzelheiten des angefochtenen Urteils wird auf Bl. 81- 96 d.A. verwiesen.
38
Gegen dieses dem Kläger am 6.12.1993 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6.1.1994
Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel mit einem am Montag, den 7.3.1994 beim
Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Frist zur
Berufungsbegründung auf seinen rechtzeitig gestellten Antrag bis zu diesem Tag
verlängert worden war.
39
Der Kläger vertritt, zur Begründung seines Anspruches auf sein erstinstanzliches
Vorbringen bezugnehmend, die Auffassung, daß das Landgericht die Voraussetzungen
für den Eintritt der Verjährung deliktischer Schadensersatzansprüche verkannt habe.
Tatsächlich sei eine Verjährung seiner Schadensersatzansprüche nicht eingetreten. Die
für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche Kenntnis eines Patienten liege nicht
schon dann vor, wenn dem Patienten der negative Ausgang einer ärztlichen
Behandlung bekannt sei. Zur Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen gehöre
das Wissen, daß sich in dem Mißlingen der ärztlichen Tätigkeit das Behandlungsrisiko
und nicht nur das Krankheitsrisiko verwirklicht hat. Dieses Wissen habe er als Laie, so
behauptet der Kläger unter teilweiser Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens,
vor Einsicht in die Krankenunterlagen nicht gehabt und insbesondere vorher weder
gewußt, daß statt der vorgesehenen Fensterung ebenfalls eine Ausräumung der linken
Kieferhöhle vorgenommen werde, noch daß die Methode nach Caldwell- Luc u.a. das
Risiko der Zunahme von Gesichtsschmerzen in sich barg. Selbst wenn man aber den
Beginn der Verjährungsfrist zu einem früheren Zeitpunkt ansetzen wolle, so müsse
berücksichtigt werden, daß der Lauf der Verjährungsfrist für die Dauer von
Verhandlungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten bzw. dessen
Haftpflichtversicherer gehemmt gewesen sei. Beendet worden seien diese erst mit dem
am 16.7.1992 zugegangenen Schreiben der Versicherung vom 13.7.1992.
40
Hätte er gewußt, so behauptet der Kläger weiterhin, welche Risiken die Operation nach
der Methode Caldwell - Luc in sich barg, und daß auch schonendere
Eingriffsmöglichkeiten in Betracht gekommen wären, hätte er seine Zustimmung zu dem
Eingriff nicht erteilt.
41
Bezüglich seines Fetstellungsantrages trägt der Kläger vor, daß ihm u.a.
krankheitsbedingt Fahrt- und Behandlungskosten entstanden seien, die nicht von der
Krankenkasse gedeckt seien.
42
Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den erstinstanzlichen
Schlußanträgen zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
50
Der Beklagte tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und verteidigt das
landgerichtliche Urteil.
51
Er ergänzt und vertieft dazu sein erstinstanzliches Vorbringen und behauptet unter
anderem, daß der Kläger auch von Dr. R. über die Ursächlichkeit der Operation für seine
angeblichen Schmerzen informiert worden sei, und zwar spätestens anläßlich der
Kontaktlinsen- Verschreibung im Jahre 1986. Im übrigen bestreitet er, daß es jemals
Verhandlungen mit dem Kläger über dessen Forderungen gegeben habe. Die
Ansprüche des Klägers seien vielmehr stets zurückgewiesen worden.
52
Der Senat hat gemäß seinem Auflagen- und Beweisbeschluß vom 20.10.1994 ( Bl. 166-
168d.A.), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, Beweis erhoben
durch schriftliche Vernehmung des Zeugen Dr. H. sowie durch Einholung eines
Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. M.. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Aussage des Zeugen Dr. H. vom 6.2.1995 (Bl.
198 d.A.) sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 22.3.1995 (Bl.
221- 232 d.A.) und dessen mündliche Erläuterungen in der Sitzung vom 26.10.1995 ( Bl.
307- 314 d.A.) Bezug genommen.
53
Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze und deren
54
Anlagen verwiesen.
55
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
56
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie frist- und formgerecht
eingelegt und in der rechten Weise begründet worden. In der Sache ist das Rechtsmittel
zu einem Teil gerechtfertigt. Die Berufung ist hinsichtlich des
Schmerzensgeldanspruches unbegründet, hinsichtlich des Feststellungsantrages hat
sie Erfolg.
57
I.) Den Schmerzensgeldanspruch des Klägers hat das Landgericht im Ergebnis zu
Recht abgewiesen.
58
Dem Kläger steht ein solcher Anspruch gegen den Beklagten nicht zu, weil dem
Beklagten keine Behandlungsfehler unterlaufen sind und, soweit die Klage auf
Aufklärungsversäunmnisse bzw. auf das Fehlen einer Einwilligung in den auf die linke
Kieferhöhle erweiterten Eingriff gestützt ist, die von dem Beklagten erhobene Einrede
der Verjährung durchgreift.
59
1) Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung sind allerdings die mit der
Klage verfolgten deliktischen Ansprüche wegen vermeintlicher Behandlungsfehler nicht
schon gemäß § 852 Abs. 1 BGB verjährt.
60
Die Verjährungsfrist von Ersatzansprüchen wegen vermeintlicher Behandlungsfehler
beginnt nicht zu laufen, bevor nicht der Patient Kenntnis von den Tatsachen hat, aus
denen sich eine Abweichung der an ihm vorgenommenen Behandlung vom ärztlichen
Standard ergibt. Hierfür genügt nicht allein das Wissen um den Fehlschlag bzw.
Mißerfolg einer Operation, weil dieser nicht notwendig auf einer Verwirklichung des
Behandlunsgrisikos beruhen muß. Vielmehr muß der Patient Einzelheiten des
ärztlichen Tuns oder Unterlassens kennen, und es muß ihm möglich sein, sich aus
seiner Laiensicht den Stellenwert des ärztlichen Handelns für den Behandlunsgerfolg
bewußt zu machen (BGH NJW 1990, 2350).
61
Um den Kläger in diesen Kenntnisstand zu versetzen, genügten die ärztlichen
Bescheinigungen des Dr. R. vom 12.8.1986 und der Krankenanstalten D. vom 8.7.1990
nicht; denn aus ihnen konnte der Kläger lediglich einen Zusammenhang zwischen
seinen Beschwerden und der Operation vom 25.2.1977 entnehmen, ohne daß sich
hieraus für einen Laien mögliche Rückschlüsse auf etwaige Behandlungsfehler ziehen
ließen.
62
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger auf anderem Wege,
nämlich durch entsprechende Informationen von Seiten Dr. H.s oder Dr. R.s, Kenntnis
davon erhalten hatte, daß dem Beklagten bei der Operation Behandlungsfehler
unterlaufen sein könnten. Seine Behauptung, schon Dr. H. habe den Kläger hierüber
aufgeklärt, hat der Beklagte nicht beweisen können. Dr. H. hat in seiner schriftlichen
Zeugenaussage vom 6.2.1995 bekundet, daß dies schon deshalb nicht zutreffe, weil er-
was inzwischen unstreitig geworden ist- seine Praxis bereits 1979 an Dr. R. übergeben
habe. Im übrigen hat sich Dr. H. an den Kläger als Patienten nicht mehr erinnern
können. Das weitere Beweisangebot des Beklagten, Dr. R. dazu zu vernehmen, daß
auch dieser den Kläger über die Ursächlichkeit der Operation für die von ihm geklagten
Schmerzen aufgeklärt habe, half nicht weiter, da sich daraus - die Richtigkeit dieser
Behauptung unterstellt- für den Kläger kein Anhaltspunkt für das Vorliegen etwaiger
Behandlungsfehler ergeben hätte. Soweit sich der Beklagte auf eine vermeintliche
63
Information des Klägers durch dessen Hausarzt berufen hat, ist sein Vorbringen zu
unbestimmt, um hierauf eine Beweisaufnahme zu stützen.
Vor Einsichtnahme in die Krankenakten konnte der Kläger die für den Beginn der
Verjährung notwendigen Kenntnisse nicht haben, wie beispielsweise schon daraus
erhellt, daß er vorher über die näheren Umstände der Narkose- bzw.
Operationsassistenz, die einen für die Beurteilung des Behhandlunsgeschehens
bedeutsamen Aspekt bilden, nichts Näheres wissen konnte. Dafür, daß dem Kläger die
Möglichkeit, zur Klärung eines Verdachts auf einen Behandlungsfehler die
Krankenakten einzusehen, schon vor Einschaltung seines Anwalts geläufig war und er
die Einsichtnahme in seine Behandlungsunterlagen bewußt verzögerte, bestehen
keinerlei Anhaltspunkte.
64
Die in der Berufungsinstanz durchgeführte Beweisaufnahme hat indes nicht erbracht,
daß dem Beklagten Behandlunsgfehler zur Last fallen.
65
Wie der Sachverständige Prof. Dr. M. in seinem schriftlichen Gutachten vom 22.3.1995
überzeugend ausgeführt hat, war die am 25.2.1977 durchgeführte Operation aufgrund
des Beschwerdebildes,des Krankheitsverlaufes und des erhobenen klinischen und
röntgenologischen Befundes indiziert und sachgerecht. Chronische rhinogene
Nasennebenhöhlenentzündungen lösen, wie der Sachverständige plausibel dargelegt
hat, vielfach Begleiterscheinungen aus, die in Form von Kopfschmerzen, Müdigkeit,
Abgeschlagenheit u.ä. das Allgemeinbefinden und damit die Arbeitsfähigkeit
beeinträchtigen und infolgedessen, sofern durch konservative Maßnahmen keine
Besserung zu erreichen ist, der operativen Behandlung bedürfen. Nach den nicht
angegriffenen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils gab der Kläger, als er sich im
Sommer 1976 bei dem Beklagten in dessen Praxis vorstellte, langjährige
Kopfschmerzen, rezidivierenden Schnupfen und Druckempfindungen in der
Gesichtsgegend an. Mit diesem Beschwerdebild korrespondierten die bei der
röntgenologischen Untersuchung sowie bei einer Spiegelung der Kieferhöhlen durch
den Beklagten diagnostizierten Anzeichen einer chronischen Kieferhöhlenentzündung,
nämlich Zysten in der rechten Kieferhöhle und links eine chronisch verdickte,
gefäßinjizierte Schleimhaut. Die nachvollziehbare Feststellung des Sachverständigen,
daß in Anbetracht dieser Befunde die am 25.2.1977 durchgeführte
Kieferhöhlenoperation aus medizinischer Sicht angebracht gewesen sei, bedeutet, daß
eine Indikation auch für die Radikaloperation der linken Kieferhöhle gegeben war, so
daß es nicht darauf ankommt, welche zusätzlichen Befundverschlechterungen der
Beklagte im einzelnen im Bereich der linken Kieferhöhle am 25.2.1977 vorfand.
66
Die von dem Beklagten gewählte Operationsmethode nach Caldwell- Luc entsprach
auch medizinischem Standard. Es handelt sich hierbei um ein, wie der Sachverständige
überzeugend dargelegt hat, auch heute noch anerkanntes chirurgisches Verfahren zur
Behandlung entzündlicher Nasennebenhöhlenerkrankungen (vgl. dazu auch BGH
AHRS Kza 2520/11 ). Durch die in der Praxis häufiger angewandten endoskopisch
kontrollierten endonasalen Operationsverfahren ist die Operationsmethode nach
Caldwell- Luc, bei der nach Eröffnung der Kieferhöhle die erkrankte Schleimhaut
entfernt wird, zwar etwas in den Hintergrund getreten; sie verfügt jedoch nach den
plausiblen Erläuterungen des Sachverständigen über durchaus zufriedenstellende
Erfolgs- und Heilungschancen- die Ausheilungserfolge bei der Kieferoperation nach
Caldwell- Luc liegen bei einem Mittelwert von 84,3% - und bietet zudem den Vorteil
einer übersichtlichen Darstellung des Operationsgebietes.
67
Auch der von dem Kläger mißbilligte Einsatz von Haken ist nicht zu beanstanden. Das
Anheben der Oberlippe mittels stumpfer Haken gehört, wie der Sachverständige in
seinem schriftlichen Gutachten veranschaulicht hat, zum typischen Vorgehen bei der
Kieferhöhlenoperation nach Caldwell- Luc: Nach einem Mundvorhofschnitt werden zur
ausreichend weiten Eröffnung der Kieferhöhle Schleimhaut und Periost nach
Abschieben von der knöchernen Unterlage mit der Oberlippe in der Regel mittels zweier
Haken gehalten. Auch in der von dem Kläger beigebrachten wissenschaftlichen
Literatur findet sich die Verwendung von Haken als eine Regelfalldarstellung. Ob der
Beklagte bei der Operation des Klägers Klammern oder Haken einsetzte, die von selbst
hielten oder ob er- wie er im Zuge der mündlichen Anhörung des Sachverständigen
behauptet hat- ausschließlich Haken benutzt, die von einer Operationsassistenz
gehalten werden müssen, bedarf an dieser Stelle keiner Klärung. Denn auch die
Verwendung von selbsthaltenden Haken bzw. Klammern würde in Einklang mit den
Regeln der ärztlichen Kunst stehen.
68
Schließlich ist dem Beklagten auch nicht deshalb der Vorwurf eines
Behandlungsfehlers zu machen, weil er keine ausgebildete Anästhesieassistenz zu
dem Eingriff hinzuzog. Der Hinzuziehung eines Facharztes für Anästhesie bedurfte es
ohnehin nicht, weil der Kläger selbst Anästhesist ist.
69
Wie Prof. M. bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat verdeutlicht hat, kam es
nur darauf an, daß eine Hilfsperson, bei der es sich nicht notwendig um eine
ausgebildete Anästhesieschwester handeln mußte, zugegen war, die den Beklagten im
Zuge der fortlaufenden Kontrolle und bei den routinemäßigen Handreichungen
entlastete, damit auf diese Weise sichergestellt war, daß sich der Beklagte auf das
Operationsgebiet und den eigentlichen Eingriff konzentrieren konnte.
70
Eine solche Hilfsperson war nach der Überzeugung des Senats während der Operation
zugegen, auch wenn deren Anwesenheit nicht durch Namensnennung im
Narkoseprotokoll dokumentiert ist. Der Beklagte hat ein- in Fotokopie bereits
erstinstanzlich zu den Akten gereichtes- Narkoseprotokoll von der Operation vorgelegt,
an dessen zeitgerechter Erstellung keine durchgreifenden Zweifel bestehen. Die in dem
Formular befindlichen Eintragungen stammen nicht von dem Beklagten, wie die
Handschrift zweifelsfrei erkennen läßt. Wenn es auch üblich sein mag- wie Prof. M. bei
seiner mündlichen Anhörung gemeint hat-, daß in einem solchen Protokoll der Name
der anwesenden Assistenzperson vermerkt wird, läßt sich aus der Tatsache, daß das
vorliegende Protokoll offensichtlich von dritter Hand ausgefüllt wurde, nach Auffassung
des Senats schließen, daß eine Schwester oder eine sonstige Pflegekraft zugegen war.
Da die Eintragungen zudem korrekt und fachgerecht sind, kann des weiteren kein
Zweifel daran bestehen, daß es sich hierbei um eine für diese Zwecke geeignete Kraft
handelte, die den Beklagten in der von dem Sachverständigen geforderten Weise zu
entlasten vermochte.
71
Es gibt im übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Trigeminus- Nerv des
Klägers, dessen für die Haut von Unterlid, Nase, Oberlippe und Wange zuständigen Ast
der Nervus infraorbitalis bildet, bei dem Eingriff unmittelbar geschädigt wurde.
72
Der von dem Kläger u.a. gegenüber den Krankenanstalten D. geschilderte
Dauerschmerz im Bereich beider Oberkiefer - wobei die Beschwerden rechts stärker
waren als links- bzw. die von ihm bei einer neurologischen Untersuchung im Klinikum
73
der RWTH Aachen am 16.1.1992 ( vgl. den Bericht vom 4.3.1992) beschriebenen
ständigen Schmerzen beidseits der Nase - die auch den Anlaß für die Kontaktlinsen-
Empfehlung durch Dr. R. waren- lassen sich, wie Prof. M. bei seiner mündlichen
Anhörung verdeutlicht hat, zwanglos durch eine narbige Einschnürung des Nerven im
Zuge des Abheilungsprozesses erklären. Eine auf eine unmittelbare Läsion des Nerven
hindeutende Trigeminusneuralgie- die , wie der Sachverständige hervorgehoben hat,
von einer bloßen Trigeminusirritation unterschieden werden muß- ist bei dem Kläger
zwar vermutet, jedoch nicht festgestellt worden. Sowohl der Bericht der
Krankenanstalten D. vom 8.7.1990 als auch der der Neurologischen Klinik in Aachen
vom 4.3.1992 weisen darauf hin, daß der sonstige neurologische Befund unaufffällig
war und insbesondere die für eine echte Trigeminusneuralgie kennzeichnende, jeweils
für kurze Zeit einschießende Schmerzsymptomatik fehle. Demgemäß enthält der Bericht
der Krankenanstalten D. vom 8.7.1990 auch - nur- die Feststellung, daß die
Schilderungen des Klägers dort als " typische Restschmerzen nach
Kieferhöhlenausräumung" gedeutet wurden, was mit dem Resümee des A.er Berichts
vom 4.3.1992 übereinstimmt, es sei bekannt, daß Schmerzen von der Art, wie sie von
dem Kläger beschrieben worden seien, nach Kieferhöhlenoperationen auftreten
könnten. Dieser Bericht enthält im übrigen auch die Feststellung, daß in dem dort am
16.1.1992 durchgeführten CCT keine Eingriffsfolgen zu erkennen gewesen seien.
Der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung zudem deutlich gemacht, daß
der Trigeminusnerv in dem betreffenden Operationsgebiet deutlich sichtbar ist, so daß
schon von daher eine unmittelbare Schädigung bei der Operation wenig wahrscheinlich
ist. Es kommt hinzu, daß eine solche Schädigung nach den einleuchtenden
Schilderungen Prof. M.s unmittelbar nach dem Nachlassen der Anästhesiewirkung nach
dem Eingriff charakteristische Symptome - Taubheit im Ausbreitungsgebiet des Nerven
neben starken Schmerzen- gezeigt hätte, wie sie hier von dem Kläger nicht geschildert
worden sind. Dem Einwand des Klägers , er habe gleich nach der Operation über
Schmerzen und Taubheitsempfindungen im Zahnbereich geklagt, ist der
Sachverständige überzeugend damit begegnet, daß dies bei der Operation zunächst
normal sei.
74
Ob der Beklagte bei dem Eingriff am 25.2.1977 eine Siebbeinzellenausräumung
vornahm - wie es in der für den Kläger geführten Karteikarte vermerkt und auch in dem
Schreiben vom 12.3.1991, welches allerdings nicht von dem Beklagten stammt, erwähnt
ist -, kann dahinstehen. Sollte dies entgegen dem jetzigen Bestreiten des Beklagten
tatsächlich der Fall gewesen sein, wäre ein Zusammenhang mit den von dem Kläger
geklagten Schmerzen zumindest nicht nachgewiesen. Da der Nervenkanal in einem
anderen Bereich verläuft, hat der Sachverständige eine Ursächlichkeit für die
Beschwerden bezweifelt.
75
Die Beweislast für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers liegt bei dem Kläger. Die
Nichterweislichkeit geht damit zu seinen Lasten.
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2) Soweit der Kläger seinen Schmerzensgeldanspruch auf den Vorwurf mangelnder
Aufklärung über die Mißerfolgsrisiken der Operation und auf das Fehlen einer
Zustimmung zu der Erweiterung des Eingriffs nach der Methode Caldwell- Luc auf die
linke Kieferhöhle gründet, greift die von dem Beklagten erhobene Einrede der
Verjährung durch.
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Ersatzansprüche wegen Aufklärungsversäumnissen können zu anderer Zeit verjähren
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als solche wegen Behandlungsfehlern (Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-
Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 6. Auflage S. 187). Entscheidend kommt es
gemäß § 852 Abs. 1 BGB für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Kenntnis des
Geschädigten von dem Schaden und der Person des Schädigers an. Während die
Verjährungsfrist von Ansprüchen wegen vermeintlicher Behandlungsfehler nicht zu
laufen beginnt, bevor nicht der Patient die Tatsachen kennt, aus denen sich aus seiner
Laiensicht auf die Verwirklichung des Behandlungsrisikos schließen läßt, genügt es bei
Ansprüchen wegen Aufklärungsversäumnissen, wenn der Patient mit dem Fehlschlag
der Operation konfrontiert wird. Daß der behandelnde Arzt ihn über die Möglichkeit
eines Fehlschlags der Operation bzw. einer risikotypischen nachteiligen Auswirkung
nicht aufgeklärt hat, wird dem Patienten zu dem Zeitpunkt bewußt, zu dem er den
Fehlschlag der Operation am eigenen Leibe erfährt und Kenntnis davon erhält, daß die
von ihm geklagten Beschwerden auf den Eingriff zurückzuführen sind.
Solche Kenntnis hatte der Kläger spätestens aufgrund der Bescheinigung des Dr. R.
vom 12.8.1986. In diesem Attest sind die von dem Kläger geklagten Beschwerden -
Druckschmerzhaftigkeit im Bereich beider infraorbitaler Nervenaustrittspunkte- in einem
auch für einen Laien deutlich erkennbaren ursächlichen Zusammenhang mit dem von
dem Beklagten durchgeführten Eingriff gebracht worden, indem Dr. R. sie als "Zustand
nach Kieferhöhlenoperation beidseits" bezeichnet hat. Weiterer Erkenntnisse bedurfte
es nicht, um dem Kläger klarzumachen, daß seine Beschwerden auf die Operation
zurückzuführen seien. Ihm war damit auch bewußt, daß sich Risiken der Operation
verwirklicht hatten, auf die der Beklagte ihn nicht hingewiesen hatte.
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Spätestens aufgrund des ärztlichen Attestes von Dr. R. vom 12.8.1986 war dem Kläger
ferner bekannt, daß eine beidseitige und nicht nur, wie ursprünglich geplant, eine
einseitige Kieferhöhlenoperation stattgefunden hatte. Die Überlegung, der Kläger könne
zu diesem Zeitpunkt noch gemeint haben, links sei lediglich die vorgesehene
Kieferhöhlenfensterung erfolgt, stellt sich nicht ernstlich. Zwar mögen einem Laien im
Regelfall die unterschiedlichen Bezeichnungen der beiden Eingriffe nicht ohne weiteres
verständlich sein, so daß es vorkommen mag, daß Patienten auch eine Fensterung der
Kieferhöhle als "Kieferhöhlenoperation" bezeichnen. Dies erscheint bei dem Kläger
jedoch allein schon deshalb wenig wahrscheinlich, weil er sich zu diesem Zeitpunkt
bereits in langjähriger ärztlicher Behandlung befunden und sich offensichtlich mit seinen
Problemen intensiv befaßt hatte. Vor allem aber hat der Kläger erstinstanzlich selbst
vorgetragen, ihm sei durch Dr. H., als er sich noch in dessen Behandlung befand,
mitgeteilt worden, daß bei der Operation sämtliche Schleimhäute entfernt worden seien.
Diese Aussage beinhaltete zwanglos, daß auf beiden Seiten des Oberkiefers der
gleiche Eingriff vorgenommen worden war. Die in dem ärztlichen Attest vom 12.8.1986
enthaltene Formulierung "Kieferhöhlenoperation beidseits" konnte der Kläger
demgemäß nur so verstehen, daß abweichend von dem ursprünglich Geplanten auch
auf der linken Seite eine Kieferhöhlenausräumung vorgenommen werden war.
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Ob der Kläger die ärztliche Bescheinigung der Krankenanstalten D. vom 8. Juli 1990 , in
welcher nun die Operation klar als "beiderseitige Kieferhöhlenoperation nach Caldwell-
Luc" bezeichnet worden ist, alsbald nach ihrer Abfassung zur Kenntnis nahm und
infolgedessen auch auf diese Weise die dreijährige Verjährungsfrist bis zur
Klageeinreichung bereits verstrichen war, kann unter diesen Umständen dahinstehen.
Es erscheint dem Senat allerdings wenig wahrscheinlich, daß Dr. K. mit dem Kläger
nicht unabhängig von der Bescheinigung die Ursachen seiner Schmerzsymptomatik im
Zuge der Behandlung in den Krankenanstalten D. erörtert haben sollte. Immerhin geht
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aus der Bescheinigung auch hervor, daß sich der Kläger für die Dauer eines
Dreivierteljahres dort in regelmäßiger schmerztherapeutischer Behandlung befunden
hatte, in deren Verlauf neben umfassenden Untersuchungen auch ausgiebige
Therapiegespräche mit dem Kläger geführt worden waren. Daß der über seine
Krankengeschichte gut informierte Kläger dabei nicht auch die Diagnose der
Krankenanstalten in Erfahrung brachte, erscheint wenig lebensnah.
Eine Hemmung der Verjährung gemäß § 852 Abs. 2 BGB, für die der Kläger
darlegungs- und beweispflichtig wäre, hat nicht stattgefunden. Nur eine noch im Lauf
befindliche Verjährungsfrist kann durch Verhandlungen über den geltend gemachten
Anspruch gehemmt werden. Als der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 1.3.1991 erstmals
mit seinen Ansprüchen an den Beklagten herantrat, waren aber seine deliktischen
Ansprüche, soweit sie sich auf Aufklärungs- bzw. Einwilligungsmängel stützten, bereits
verjährt. Die Frist war mit dem 12.8.1989 abgelaufen, wie sich aus den obigen
Erwägungen zum Verjährungsbeginn ergibt. Darüber hinaus sind Verhandlungen von
den Kläger auch nicht dargetan. Die bei den Akten befindlichen Unterlagen - das bereits
erwähnte Schreiben vom 12.3.1991 wie auch das Schreiben der Haftpflichversicherung
vom 13.7.1992- machen eine durchgängig zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der
klägerischen Ansprüche deutlich.
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II) Erfolg hat die Berufung des Klägers demgegenüber im Hinblick auf seinen
Feststellungsantrag. Dieser ist gemäß § 256 ZPO zulässig und auch begründet, so daß
der Berufung insoweit - mit der infolge eines offensichtlichen sprachlichen Versehens
veranlaßten Korrektur- stattzugeben war.
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Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse daran, gegen den Beklagten das Bestehen
eines Anspruchs auf Ersatz seines bereits entstandenen und des zukünftig
entstehenden materiellen Schadens festgestellt zu wissen, soweit dieser dadurch
verursacht ist, daß der Beklagte den Kläger vor dem Eingriff schuldhaft nicht
ordnungsgemäß über die mit der Operation nach der Methode Caldwell- Luc
verbundenen Risiken aufgeklärt und auch nicht die Einwilligung des Klägers zu der
Erweiterung dieses Eingriffs auf die linke Kieferhöhle eingeholt hat. Dieser Anspruch ist
nicht verjährt, da sich der Kläger insoweit im Wege der Anspruchskonkurrenz auf sog.
positive Vertragsverletzung stützen kann. Solche vertraglichen Ansprüche verjähren erst
nach dreißig Jahren.
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Die Tatsache, daß es sich bei dem Kläger um einen Kassenpatienten handelt, hindert
nicht die Geltendmachung eines vertraglichen Ersatzanspruches durch den Kläger. Die
Übernahme der Behandlung eines Kassenpatienten verpflichtet den Kassenarzt, hier
also den Beklagten, zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts,
§ 76 Abs. 4 SGB bzw. für die hier interessierende Zeit § 368 d Abs. 4 RVO. Selbst wenn
man davon ausgeht, daß das Behandlungsverhältnis nicht auf unmittelbarer
vertraglicher Basis zwischen dem Kläger und dem Beklagten beruhte, sondern auf
einem Vertrag zwischen der Krankenkasse des Klägers und dem Beklagten in dessen
Eigenschaft als Belegarzt, wären dem Kläger hieraus Ersatzansprüche wegen
vertraglichen Fehlverhaltens jedenfalls gemäß § 328 BGB erwachsen.
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Der Beklagte hat seine Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt, indem er den
Kläger weder über die spezifischen Risiken der von ihm geplanten radikalen
Kieferoperation nach der Methode Caldwell- Luc aufklärte noch seine Zustimmung zu
der Erweiterung dieses Eingriffes auf die linke Kieferhöhle einholte. Der Beklagte
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bestreitet selbst nicht, daß es vor dem hier erfolgten Eingriff nach der Methode Caldwell-
Luc einer Aufklärung des Klägers über die mit diesem Eingriff verbundenen Risiken- wie
u.a. ein vorübergehendes oder auch dauerndes Taubheitsgefühl im Gesichtsbereich
und das Auftreten bzw. die Verschlimmerung von möglicherweise neuralgieartigen
Schmerzen infolge von Läsionen oder Irritationen des Trigeminusnervs- bedurfte, um
seiner Einwilligung in den Eingriff rechtfertigende Wirkung zu verleihen. Ob er den
Kläger außerdem über die Möglichkeit eines endonasalen Eingriffs - der wiederum mit
erheblichen anderweitigen Risiken verbunden gewesen wäre- hätte informieren
müssen, kann dahinstehen. Daß auch die Durchführung einer Radikaloperation der
linken Kieferhöhle anstelle einer bloßen Fensterung der rechtfertigenden Einwilligung
des Klägers bedurfte, liegt hingegen allein schon deshalb auf der Hand, weil dieser
Eingriff als solcher risikoreicher als die ursprünglich geplante Fensterung war und
zudem zu einem insoweit irreversiblen Zustand führte, als sich die vollständig entfernten
Schleimhäute, die in den Nasennebenhöhlen u.a. eine Schutzfunktion bilden, nicht
wieder regenerieren.
Den ihm obliegenden Beweis für seine Behauptung, den Kläger über die Art des
Eingriffs und die möglichen Folgen der radikalen Kieferoperation aufgeklärt und ihn
vorsorglich darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß eine Befundverschlechterung in
der linken Kieferhöhle auch dort eine Radikaloperation erforderlich machen könnte, hat
der Beklagte nicht erbracht. Die von ihm beigebrachte Dokumentation - der Stempel "
Mündliche Aufklärung" auf der Karteikarte des Klägers neben den Notizen über die
ambulante Behandlung im Sommer 1976 und der dabei notierten
Operationsempfehlung wie auch die Chronologie über die stationäre Behandlung- ist
unstreitig nachträglich, nachdem der Kläger mit Ansprüchen an den Beklagten
herangetreten war, erstellt worden. Zum Beweis der behaupteten Aufklärung sind diese
Aufzeichnungen nicht geeignet, da sie - im Gegensatz zu einer zeitnah angefertigte
Dokumentation- unter diesen Umständen nicht mehr Wert haben als bloßer
Parteivortrag. Diese Unterlagen reichen nicht einmal aus, um eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens des Beklagten zu begründen,
zumal der Beklagte erstinstanzlich noch hierzu im Widerspruch hatte vortragen lassen,
die Eintragung über die mündliche Aufklärung sei vor der Operation erfolgt. Für eine
Parteivernehmung des Beklagten gemäß § 448 ZPO war deshalb kein Raum.
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Weitere Beweismittel stehen dem Beklagten nicht zu Gebote. Von der Möglichkeit, sich
auf eine Parteivernehmung des Klägers zu beziehen, hat er keinen Gebrauch gemacht.
88
Eine sog. hypothetische Einwilligung des Klägers kann nicht angenommen werden. Es
erscheint plausibel, daß der Kläger in Kenntnis des Risikos, daß sich dauernde
Gesichtsschmerzen einstellen bzw. die bei ihm vorhandenen Schmerzen verschlimmern
konnten, vor dem Eingriff zurückgeschreckt hätte und gegebenenfalls noch einen
anderen Hals- Nasen- und Ohren- Arzt aufgesucht hätte. Angesichts eines solch
grundlegenden Entscheidungskonflikts erübrigen sich hypothetische Überlegungen zu
der Frage, ob der Kläger bei rechtzeitiger Aufklärung über eine Befundverschlechterung
in der linken Kieferhöhle der von dem Beklagten vorgenommenen Radikalausräumung
anstelle der Fensterung zugestimmt hätte, wenn dies rechtezeitig mit ihm besprochen
worden wäre.
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Aus diesem Grunde ist es auch ohne Belang, daß sich der Sachverständige bei seiner
mündlichen Anhörung offensichtlich in einem Irrtum befand, als er erklärte, diese
Ausdehnung habe nicht zu nachteiligen Auswirkungen geführt, weil der Nervschaden
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rechtseitig enstanden sei. Richtig ist insoweit lediglich, daß nach den bereits erwähnten
ärztlichen Befunden die Schmerzsymptomatik von dem Kläger rechtsseitig stärker
geklagt worden ist als linksseits. Dieser Irrtum des Sachverständigen, den er bei einem
Einblick in die vorhandenen Unterlagen - das schriftliche Gutachten geht insoweit von
zutreffenden Voraussetzungen aus - ohne weiteres hätte korrigieren können, hat
keinerlei Einfluß auf die hier zu beurteilenden Fragen. Er mindert insbesondere auch
nicht die Überzeugungskraft des Gutachtens, soweit der Sachverständige festgestellt
hat, daß die von dem Kläger geklagten Beschwerden mit "ausreichender
Wahrscheinlichkeit" Operationsfolge sind. Angesichts der charakteristischen Ansiedlung
der von dem Kläger geklagten Schmerzen im Bereich des Nervus infraorbitalis wie auch
der Entwicklungsgeschichte der Schmerzsymptomatik und der übereinstimmenden
Feststellung der Ärzte Dr. R. und Dr. K. wie auch des neurologischen Befundes der
RWTH Aachen, es handele sich bei dem Kläger um einen (Rest-) Zustand nach einem
Caldwell- Luc- Eingriff, besteht für den Senat kein Zweifel daran, daß sich bei dem
Kläger ein spezifisches Risiko der Operation nach der Methode Caldwell- Luc
verwirklicht hat. Daß sich das Ausmaß dieser operationsbedingten Beeinträchtigungen
nicht objekitv bestimmen läßt, ist wiederum für solche Nervirritationen typisch.
Ausschließen läßt sich jedenfalls mit genügender Sicherheit, daß die von dem Kläger
geklagten Schmerzen allein eine Fortdauer des präoperativen Zustandes darstellen,
zumal auch für die Zeit vor dem Eingriff keine annähernd vergleichbare
Krankengeschichte bekannt ist.
Offen bleiben kann, inwieweit das Beschwerdebild durch psychsomatische
Zusatzursachen mitbestimmt wird. Im hier allein zu entscheidenden Verfahren zum
Anspruchsgrund bedarf es insoweit keiner näheren Abgrenzungen.
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Daß ihm ein - im einzelnen noch nicht genau bezifferter - Schaden entstanden ist, hat
der Kläger ebenso hinreichend dargetan wie die Möglichkeit, daß ihm auch zukünftig
noch materieller Schaden als Folge der Operation entstehen kann.
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Auf die Berufung des Klägers war demgemäß die angefochtene Entscheidung teilweise
abzuändern.
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Die Kostenquotelung hatte dem Teilerfolg des Klägers Rechnung zu tragen, §§ 92, 97
Abs. 1 ZPO.
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Die sonstigen prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
95
Wert des Berufungsverfahrens. DM 70.000,- ( Schmerzensgeldanspruch : 50.000,- DM;
Feststellungsantrag: 20.000,- DM)
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Beschwer des Klägers : DM 50.000,-
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Beschwer des Beklagten: DM 20.000,-
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