Urteil des OLG Köln vom 01.03.2000

OLG Köln: marke, händler, fahrzeug, handelsvertreter, gesamtumsatz, abschlag, betrug, anteil, unternehmen, sicherheitsleistung

Oberlandesgericht Köln, 12 U 108/99
Datum:
01.03.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 U 108/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 85 O 182/98
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.03.1999 verkündete Urteil
der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln ( AZ.: 85 O
182/98 ) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch die Kläger gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 490.000,--DM abzuwenden, wenn nicht zuvor die Kläger in
gleicher Höhe Sicherheit leisten. Die Sicherheitsleistung kann auch
durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank
oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d
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Die Kläger haben in G. einen Betrieb geführt, der sich mit dem Verkauf und der
Reparatur von Ford-Fahrzeugen beschäftigte. Die Beklagte unterhält Ford-
Betriebsstätten in B., O., W., M., A. und We.. Ebenso gehört G. zu ihrem Absatzgebiet.
Der Betrieb der Kläger wird nunmehr von dem Sohn des Klägers zu 1. in Form einer
GmbH geführt, die Fahrzeuge der Marke Nissan vertreibt.
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Die Kläger standen bereits seit 1961 mit der Beklagten aufgrund eines Ford-
Werkstättenvertrages für das Gebiet G. in Geschäftsbeziehung, der sie berechtigte, von
der Beklagten neue Ford-Fahrzeuge zu beziehen und in eigenem Namen an
Endverbraucher zu verkaufen. Zuletzt lag den vertraglichen Beziehungen der
Kommissionsagentenvertrag und Werkstättenvertrag vom 19.02.1986 zugrunde. 1996
änderte die Ford-Werke AG ihre Vertriebsstruktur und unterteilte die Händler in A-, B-
und C-Händler. Die früheren Haupthändler, wozu die Beklagte zählte, wurden A-
Händler und zwar die Beklagte seit dem 01.01.1997. Die Kläger bewarben sich um den
B-Händlerstatus. Dies scheiterte am Widerstand der Beklagten, die für die Kläger
lediglich einen C-Händlerstatus befürwortete. Der Vertrag mit den Klägern wurde
mangels Einigung über den zukünftigen Status von der Beklagten mit Schreiben vom
26.09.1996 zum 30.09.1997 gekündigt. Daraufhin beanspruchten die Kläger mit
Schreiben vom 12.02.1998 eine Ausgleichszahlung nach § 89b HGB analog.
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Den Ausgleichsanspruch haben die Kläger mit der vorliegenden Klage in Höhe von
403.791,55 DM geltend gemacht. Sie haben die Auffassung vertreten, dass der
Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB auch von Kommissionsagenten verlangt
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werden könne und legen ihrer Berechnung die sog. Münchener Formel zugrunde.
Sie haben beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 403.751,55 DM nebst 5%
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Zinsen seit dem 01.10.1997 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben die Anwendbarkeit von § 89b HGB verneint und eingewandt, dass die Kläger
lediglich als Kommissionsagenten tätig gewesen seien und als solche kein
kaufmännisches Risiko getragen hätten. Auch seien aufgrund der Übernahme einer
Nissan-Vertretung keine Nachteile auf Seiten der Kläger entstanden. Des Weiteren hat
die Beklagte die Berechnung der Kläger, insbesondere die zugrunde gelegten
Umsatzzahlen, beanstandet und für die Sogwirkung der Marke Ford einen höheren
Prozentzatz für gerechtfertigt gehalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Das Landgericht ist der Berechnungsweise der Kläger gefolgt und hat durch Urteil vom
23.03.1999 die Klage vollumfänglich zugesprochen. Gegen das am 08.04.1999
zugestellte Urteil hat die Beklagte fristgerecht am Montag, den 10.05.1999, Berufung
eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 27.07.1999 mit
an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz vom 27.07.1999 begründet.
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Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag
weiter. Sie rügt zum einen, dass das Landgericht Ausführungen dazu habe vermissen
lassen, ob das vorliegende Vertragsverhältnis einen Ausgleichsanspruch nach § 89b
HGB rechtfertige, da die Kläger nicht die Stellung eines Vertragshändlers innegehabt
hätten. Zur Höhe des Anspruches verneint sie die Anwendbarkeit der sog. Münchener
Formel. Sie meint, dass die Kläger bei ihrer Berechnung lediglich Kunden aus dem
Gebiet G. berücksichtigen könnten, weil außerhalb des Gebietes Geschäftsbeziehungen
händlerbezogen seien und nicht der Beklagte zugute kämen. Weiter moniert sie die
Angaben über den Einkaufs- und Verkaufsumsatz, sie hält die Auflistung der
Mehrfachkunden für falsch und geht von einer Sogwirkung bei Ford-Fahrzeugen von 33
1/3% aus.
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Sie beantragt,
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unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage
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abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Kläger wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie treten den
Einwänden der Beklagten im einzelnen unter Hinweis auf die Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vom 26.02.1997 ( NJW 1997,1503ff) entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf die im
Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen
verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
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Den Klägern steht gegen die Beklagte nach Kündigung des
Kommissionsagentenvertrages vom 19.02.1986 ein Ausgleichsanspruch in der
zuerkannten Höhe zu.
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A.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Anspruch der Kläger aus § 89b HGB
analog herzuleiten. Für den Vertragshändler hat die Rechtsprechung einen Anspruch in
analoger Anwendung von § 89b HGB entwickelt, wenn dieser in die Absatzorganisation
des Herstellers eingegliedert ist, d.h. wenn er in erheblichem Umfang Aufgaben zu
erfüllen hat, die sonst einem Handelsvertreter zukommen. Dies wird dann angenommen,
wenn er sich für den Vertrieb des Erzeugnisses einsetzt und auch sonst Bindungen und
Verpflichtungen unterliegt, wie sie für einen Handelsvertreter typisch sind. Außerdem ist
Voraussetzung, dass der Vertragshändler zur Überlassung des für das eigene
Unternehmen aufgebauten Kundenstammes verpflichtet ist (Küstner/v.Manteuffel/Evers
Handbuch des gesamten Außendienstrechts 6.Aufl. Bd. 2 Rdn. 95ff). Für den
Kommissionsagenten ist unter Zugrundelegung dieser Kriterien ein Ausgleichsanspruch
ebenfalls möglich. Der Ausgleichsanspruch ist dann davon abhängig, dass der
Kommissionsagent ständig und nicht nur vorübergehend damit betraut ist, für Rechnung
des Unternehmers Geschäfte abzuwickeln, in die Absatzorganisation miteingebunden
und zur Überlassung des Kundenstammes verpflichtet ist (Küstner/v.Manteuffel/Evers
aaO Rdn. 128ff).
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Diese Erfordernisse sind erfüllt. Da ein Ausgleichsanspruch sowohl für einen
Hauptvertreter als auch für Untervertreter anerkannt ist, kann es entgegen der
Auffassung der Beklagten nicht darauf ankommen, dass die Beklagte nicht Hersteller,
sondern selbst Haupthändler war bzw. A-Händler ist. Nach Ziffer 2. des
Kommissionsvertrages vom 19.02.1986 waren die Kläger berechtigt, im eigenen Namen
Ford-Fahrzeuge für Rechnung der Beklagten an Endverbraucher zu verkaufen. In Ziffer
6. des Vertrages ist geregelt, dass die Kläger die Fahrzeug-Verkäufe entsprechend den
Richtlinien der Beklagten durchführen werden, aus Ziffer 10. ergibt sich der
Provisionsanspruch der Kläger. Schließlich räumt Ziffer 13. des Vertrages der Beklagten
das Recht ein, sämtliche Geschäftsunterlagen einzusehen. Unstreitig waren die Kläger
auch verpflichtet, der Beklagten die Kundendaten mitzuteilen, wenngleich dies nach
Angaben der Beklagten nicht aufgrund eines eigenen autonomen Verlangens geschah,
sondern auf Anforderung der Ford-Werke AG. Die Kläger waren mithin eng in die
Vertriebsorganisation der Beklagten eingegliedert und erfüllen die Kriterien, die zur
Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs in analoger Anwendung von § 89b HGB
berechtigen.
26
B.
27
Der Ausgleichsanspruch ist auch in der geforderten Höhe begründet.
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Die Kläger haben zutreffend bei der Ermittlung des Kundenstammes auch solche
Kunden berücksichtigt, die außerhalb des Gebietes G. ansässig sind. Der Einwand der
Beklagten, nur die in G. aufgebauten Geschäftsbeziehungen kämen ihr zugute,
außerhalb von G. seinen Geschäftsbeziehungen händlerbezogen zu sehen, greift nicht
durch. Auch die Auffassung der Beklagten, die in ihrem eigenen Gebiet wohnhaften
Kunden seien ihr in der Vergangenheit von den Klägern "abgenommen" worden, diese
Geschäftsbeziehungen brächten ihr keine Vorteile, die auf einer Tätigkeit der Kläger
beruhten, überzeugt nicht. Der Anspruch nach § 89b HGB soll einen Ausgleich schaffen
für Provisionsverluste des Handelsvertreters einerseits und für entsprechende Vorteile
auf Seiten des Unternehmers andererseits. Aufgrund der Tätigkeit der Kläger sind
Kunden sowohl im Gebiet G. als auch in den umliegenden Gebieten der Beklagten und
darüber hinaus außerhalb dieses Bezirks geworben worden. Die Tätigkeit der Kläger
war kausal für die Geschäftsabschlüsse und hat der Beklagten entsprechende Vorteile
gebracht. Die Kläger waren auch berechtigt, an Endverbraucher außerhalb des G.er
Gebietes zu verkaufen, wie sich aus Ziffer 2. des Kommissionsagentenvertrages ergibt.
Eine Einschränkung enthält der Vertrag lediglich dahingehend, dass eine Akquirierung
von Kunden außerhalb des zugewiesenen Gebietes von der Zustimmung des
Haupthändlers abhängig war. In den zurückliegenden Jahren hat die Beklagte
offensichtlich die Akquirierung außerhalb von G. akzeptiert und keine Einwände
erhoben. Nach dem Ausfall der Kläger kann die Beklagte diese Geschäftsverbindungen
für sich nutzbar machen und zwar sowohl für das eigene Gebiet als auch außerhalb.
Wenn nicht ortsansässige Kunden zuvor schon bei den Klägern Käufe getätigt haben,
kann der Umstand der Ortsnähe für sie keine entscheidende Rolle gespielt haben, so
dass auch Käufe bei der Beklagten möglich sind. In diesem Zusammenhang weisen die
Kläger zudem zu Recht darauf hin, dass vielfach Verkäufe an größere Unternehmen
erfolgt sind, die ihren Hauptsitz zwar nicht in G. haben, die ihre Tätigkeit aber in diesem
Gebiet verrichten und durchaus zum Kundenstamm zählen, der dann auch von der
Beklagten genutzt werden kann. Eine Unterscheidung zwischen ortsansässigen und
nicht ortsansässigen Kunden ist somit nicht vorzunehmen.
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Soweit die Kläger zur Berechnung ihres Ausgleichsanspruches die sog. Münchener
Formel anwenden, ist auch dies nicht zu beanstanden. Die von drei
Handelskammervorsitzenden entwickelte Formel ( abgedruckt und kommentiert in DB
1998,2407ff) ist an der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26.02.1997 (NJW
1997,1503ff) ausgerichtet. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung
ausdrücklich eine Ermittlung des Mehrfachkundenumsatzes dergestalt zugelassen, dass
der für den Ausgleichsanspruch maßgebliche Stammkundenumsatz durch Multiplikation
des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prognosezeitraum
errechnet wird. Auch die sonstigen von dem Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien
sind bei der Münchener Formel berücksichtigt. Zwar wird in der oben zitierten
Entscheidung auch auf eine andere Möglichkeit der Berechnung des relevanten
Stammkundensatzes hingewiesen, indem festgestellt wird, welcher Anteil der
Erstkunden bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Nachbestellungen zu
Mehrfachkunden geworden sind und welcher Anteil der Kunden in der Vergangenheit
keine Nachbestellungen mehr vorgenommen hat. Gegen diese Berechnungsweise
spricht indes, dass sie einen weitaus größeren Aufwand erfordert, ohne dass sie zu
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besseren Ergebnissen führt, denn beide Berechnungsweisen beinhalten letztlich eine
Schätzung/Prognose, so dass außer in den Fällen, in denen das letzte Vertragsjahr
nicht außergewöhnliche Ergebnisse gebracht hat und aus dem Rahmen fällt, auf die
erstgenannte Berechnungsmethode zurückgegriffen werden kann.
C.
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Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist von folgenden Grundlagen für die Berechnung
des Ausgleichsanspruches auszugehen:
32
1.
33
Für die Bestimmung des Umsatzes ist die unverbindliche Preisempfehlung (UPE)
zugrunde zu legen, wovon die Parteien nunmehr übereinstimmend ausgehen. Der
gesamte UPE-Netto-Gesamtumsatz betrug im letzten Vertragsjahr nach den zu den
Akten gereichten Unterlagen 2.206.519,--DM.
34
2.
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Soweit die Beklagte rügt, dass die handschriftlichen Belege zu den VK-Umsatzzahlen
und den EK-Umsatzzahlen nicht mit den übrigen Anlagen übereinstimmen, kann dem
nicht gefolgt werden. Die von den Klägern zugrunde gelegten Zahlen sind stimmig,
wenn jeweils die Überführungskosten von 306,--DM von den Rechnungen der
Beklagten an die Kläger abgezogen werden.
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Der VK-Umsatz netto betrug im letzten Vertragsjahr 2.009.446,--DM, der EK-Umsatz
netto belief sich auf 1.927.830,--DM, wie aus der als Anlage K9 eingereichten
Kundenliste zu ersehen ist.
37
3.
38
Des Weiteren ist der ermittelte Rabattsatz nicht zu beanstanden. Die von dem
Vertragshändler auf den Listenpreis des Herstellers gewährten Rabatte entsprechen
den Provisionen des Handelsvertreters. Zu eliminieren sind Kosten für Lagerhaltung,
Preisschwankungsrisiken, Absatzrisiken u.ä., die bei einem Handelsvertreter nicht
anfallen können (Küstner/v.Manteuffel/Evers aaO Rdn. 847ff).
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Die Kläger haben die erhaltenen Rabatte bzw. Prämien und Boni im letzten Vertragsjahr
auf 198.377,80 DM beziffert und dies mit den Prämien- und Boniabrechnungen des
letzten Vertragsjahres belegt. Die Höhe der gewährten Prämien und Boni hat die
Beklagte nicht bestritten. Die gewährten Prämien und Boni sind bei der Ermittlung des
nach § 89b I 1 Nr.2 HGB relevanten Provisionsverlustes zu berücksichtigen (BGH NJW
1997,1503(1505); BGH ZIP 1996,1294(1296)).
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Für verwaltende Tätigkeiten ist entsprechend den Vorgaben der Kläger lediglich ein
Abzug von 2,5% vorzunehmen. Soweit die Beklagte dies moniert, hat sie konkrete
Einwände nicht vorgebracht. Für den nicht ausgleichsfähigen Rabattanteil trägt sie
indes die Darlegungs- und Beweislast (BGH NJW 1997,1506). Da sie selber über die
erforderlichen Unterlagen zu den Prämienzahlungen und Boni verfügt, wäre sie in der
Lage gewesen, substantiiert Vorbehalte zu äußern und Anhaltspunkte für die nach ihrer
Auffassung nicht anrechenbaren Anteile vorzubringen. Auch hätte sie ihrer
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Darlegungslast durch Angabe von Erfahrungswerten aus ihrer Händlerorganisation
nachkommen können.
Schließlich sind Preisnachlässe, die die Kläger ihren Kunden auf den Listenpreis
gewähren, zu berücksichtigen. Dem haben die Kläger hinreichend Rechnung getragen,
indem sie bei der Ermittlung des Rohertrages die Differenz zwischen VK-Umsatz und
EK-Umsatz ins Verhältnis zum UPE-Umsatz gesetzt haben.
42
4.
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Hinsichtlich der Ermittlung des Mehrfachkundenumsatzes sind, wie bereits erläutert, die
Mehrfachkunden einzubeziehen, die ihren Sitz nicht in G. haben. Allerdings ist der
Einwand der Beklagten berechtigt, dass die Kundin K. bei der Feststellung des
Mehrfachkundenumsatzes nicht berücksichtigt werden könne, da sie zuletzt 1991 ein
Fahrzeug gekauft habe. Bei der Ermittlung des Mehrfachkundensatzes wird ein
Zeitraum von fünf Jahren zugrunde gelegt. Die Fünf-Jahres-Prognose im Kfz.Handel
orientiert sich an dem typischerweise gegebenen Käuferverhalten (BGH WM
1987,1462) und stellt eine nachvollziehbare und praktikable Regelung dar. Es ist daher
angezeigt, auch im Einzelfall nicht davon abzuweichen, weil eine zeitliche
Grenzziehung ansonsten ins Leere laufen würde. Wenn die Kläger nämlich darauf
abstellen, dass es sich bei dieser Kundin um eine solche mit einer niedrigen km-
Leistung handele, die nur in größeren Intervallen ein Fahrzeug kaufe, so zeigt gerade
dies die Notwendigkeit, es grundsätzlich bei dem festgelegten Zeitraum zu belassen,
anderenfalls das Verhalten jedes einzelnen Kunden untersucht würden müßte. Dies
wäre aber keine praktikable Lösung zur Ermittlung des Mehrfachkundenumsatzes. Der
mit der Kundin K. erzielte Umsatz von 20.843,--DM ist daher abzusetzen. Außerdem ist
auch der mit dem Kunden L. mit 45.609,--DM gemachte Umsatz herauszurechnen, der
zuletzt 1990 ein Fahrzeug gekauft hat. Es verbleibt danach ein Betrag von 1.144.207,--
DM. Die weiteren Einwände der Beklagten sind nicht nachvollziehbar, denn die Kläger
haben erkennbar die Umsätze von Mehrfachkunden des letzten Vertragsjahres (10/1996
bis 9/97) zugrunde gelegt, wie sich aus den mit Anlage K10 vorgelegten Listen ergibt.
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Im Rahmen der Billigkeitsprüfung ist schließlich die Sogwirkung der vertriebenen Marke
mit 30% anzusetzen. Insoweit vermag der Senat nicht den Klägern zu folgen, die eine
Sogwirkung nur mit 10%, die Beklagte allerdings mit 33 1/3% ansetzen. Der Einfluß
einer konkreten Marke auf das Käuferverhalten, kann nur im Rahmen einer Schätzung
bestimmt werden. Für die Marke Fiat/Lancia hat der Bundesgerichtshof eine Sogwirkung
von 25% (BGH ZIP 1996,1294(1297)) angenommen; ebenso wurde für die Marke
Renault ein Prozentsatz von 25% nicht beanstandet (BGH NJW 1997,1503(1505)); für
die Marke BMW wurde ein pauschaler Abzug von 1/3 für gerechtfertigt gehalten
(Kümmel in Der Ausgleichsanspruch des Kfz.Händlers-Berechnung nach der
"Münchener Formel", DB 1998,2407(2408)). Im vorliegend zu entscheidenden Fall ist
von Bedeutung, dass sich eine Ford-Produktionsstätte in Köln, also in unmittelbarer
Nähe des Firmensitzes der Kläger befindet und die Marke Ford in Köln einen großen
Marktanteil hält, der sich auch im Umland fortsetzt. Im Hinblick darauf ist der von den
Klägern vorgenommene Abschlag von 10% zu niedrig angesetzt. Wenn schon für
ausländische Marken wie Fiat und Renault eine Sogwirkung von 25% angenommen
wird, erscheint es gerechtfertigt, im Hinblick auf die örtlichen Besonderheiten eine
Sogwirkung von 30% zugrunde zulegen.
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Soweit erstinstanzlich seitens der Beklagten Nachteile der Kläger bestritten wurden,
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weil sie nahtlos Konkurrenzautos verkaufen, soll dieser Einwand offensichtlich nicht
weiter verfolgt werden. Ein Abschlag ist insoweit auch nicht zwangsläufig erforderlich,
weil eine Vergleichbarkeit der früher vertriebenen, in unmittelbarer Nähe produzierten
Marke Ford mit Fahrzeugen der japanischen Marke Nissan nicht gegeben ist (BGH NJW
1997,1503(1506); BGH ZIP 1996,1294(1297)).
D.
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Auf der Grundlage der vorstehenden Überlegungen errechnet sich mithin folgender
Ausgleich:
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1. UPE-Netto-Gesamtumsatz letztes Vertragsjahr 2.206.519,--DM
2. VK-Umsatz netto 2.009.446,--DM
3. EK-Umsatz netto 1.927.830,--DM
4. Prämien/Boni letztes Vertragsjahr 198.377,80DM
5. durchschnittliche Marge 12,63%
6. Rohertrag 2.009.446,--DM
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./. 1.927.830,--DM
50
+ 198.377,80DM : 2.206.519,--DM = 12,69%
51
1. Mehrfachkundenumsatz (UPE) letztes Vertrags-
52
53
jahr 1.144.207,--DM
54
1. Mehrfachkundenquote letztes Vertragsjahr
55
56
1.210.659,--DM : 2.206.519,--DM = 54,85%
57
1. bereinigte Provision
58
59
12,69% ./. 2,5% Verwaltungsaufwand = 10,19%
60
1. Provisionen Mehrfachkunden letztes Vertrags-
61
62
jahr 1.144.207,--DM x 10,19% = 116.594,69DM
63
1. Provisionsverluste für die nächsten 5
64
65
Jahre 116.594,69 DM x 5 = 582.973,45DM
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12.abzüglich Sogwirkung 30% ./. 174.892,03DM = 408.081,42DM
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13.Abzinsung 408.081,42DM : 60 x 52,9907 = 360.408,66DM
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14.zuzüglich 15% MWSt von 54.061,29DM = 414.469,95DM
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Unter Berücksichtigung der Höchstbetragsgrenze des § 89b II HGB errechnet sich ein
Ausgleichsanspruch von 403.791,55 DM, der sich bei einem Umsatz von
2.766.927,40DM und einem Provisionssatz von 12,69% zuzüglich der Mehrwertsteuer
ergibt.
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Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 352,353 HGB begründet.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr.10,711 ZPO.
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Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten: 403.751,55 DM
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