Urteil des OLG Köln vom 03.02.1998

OLG Köln (örtliche zuständigkeit, wichtiger grund, perpetuatio fori, elterliche sorge, sache, zuständigkeit, antrag, sorgerecht, abgabe, grund)

Oberlandesgericht Köln, 14 Wx 1/98
Datum:
03.02.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
14. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 Wx 1/98
Tenor:
Die weitere Bearbeitung des Verfahrens obliegt dem Amtsgericht
Freiberg/Sachsen. Das Amtsgericht Siegburg ist nicht zur Übernahme
der Sache verpflichtet.
G r ü n d e
1
I.
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Die Beteiligten zu 1) und 2), die Eltern des Kindes M., lebten zusammen mit 2 weiteren
älteren Kindern der Beteiligten zu 1), T. und P., in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in
der Wohnung U.straße 5 in F./Sachsen. Aufgrund von Zerwürfnissen zwischen den
Eltern zog der Beteiligte zu 2) 1993 aus der gemeinsamen Wohnung aus. M. verblieb im
Haushalt der Mutter. Die Mutter hatte die elterliche Sorge, dem Beteiligten zu 2) wurde
ein Umgangsrecht gewährt.
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Der Beteiligte zu 2) begehrt seit Anfang 1995 die Änderung des Sorgerechts.
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Mit Beschluß vom 03.03.1997 hat das Amtsgericht F./Zweigstelle O. der Beteiligten zu
1) das Sorgerecht hinsichtlich der Teilbereiche Aufenthaltsbestimmung und
Gesundheitsfürsorge entzogen und diese dem zum Pfleger bestellten Beteiligten zu 2)
übertragen. Mit dem Hinweis auf von dem Beteiligten zu 2) verursachte Schwierigkeiten
bei der Durchführung vereinbarter Besuchskontakte zwischen dem Kind und der
Beteiligten zu 1) hat der Beteiligte zu 3) unter dem 23.07.1993 beantragt, das Sorgerecht
hinsichtlich der Teilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht und Gesundheitsfürsorge auf
ihn zu übertragen (Bl. 389 f.). Über diesen Antrag ist bisher ebensowenig entschieden
wie über einen Antrag der Beteiligten zu 1) auf Rückübertragung der ihr entzogenen
Teilbereiche des Sorgerechts vom 09.09.1997 (Bl. 395 f).
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Der Beteiligte zu 2) ist zwischenzeitlich - Ende August 1997 - mit dem Kind nach T.
verzogen, wo das Kind seit Anfang September 1997 einen Kindergarten besucht.
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Unter dem 13.10.1997 hat das Amtsgericht F. die Sache an das Amtsgericht S.
abgegeben, das die Übernahme der Sache verweigert hat. Der daraufhin vom
Amtsgericht F. zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit angerufene
Bundesgerichtshof hat die Akten - ohne richterliche Entscheidung - unter Hinweis auf
seine fehlende Zuständigkeit zurückgegeben (Bl. 413). Danach hat das Amtsgericht F.
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die Sache dem Oberlandesgericht Dresden zur Entscheidung über die örtliche
Zuständigkeit vorgelegt. Mit Beschluß vom 08.12.1997, auf den wegen der Einzelheiten
Bezug genommen wird, hat das Oberlandesgericht Dresden entschieden:
"Die Sache wird zur Entscheidung nicht angenommen.
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Das zuständige Vormundschaftsgericht ist durch das Oberlandesgericht Köln zu
bestimmen."
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(Bl. 415 ff.)
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Nunmehr hat das Amtsgericht die Sache dem Oberlandesgericht Köln "zur
Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit" vorgelegt (Bl. 419 R).
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II.
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1.
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Es ist zunächst zweifelhaft, ob - wie das Oberlandesgericht Dresden meint - hier ein
Zuständigkeitsstreit nach § 5 FGG nicht vorliegt, sondern der Fall einer verweigerten
Übernahme nach § 46 Nr. 2 und 3 FGG. Ein Verfahren nach § 46 FGG setzt nämlich
voraus, daß das abgebende Gericht seine Zuständigkeit für an sich gegeben ansieht
(Keidel/Kuntze, FGG, 13. Auflage 1992, Rdn. 5, 21 zu § 46; Bumiller, FGG, 5. Auflage
1992, Anm. 3 a) zu § 46). Dies ist hier aber gerade nicht so. Vielmehr geht das
Amtsgericht F. - wenn auch rechtsirrig unter Verkennung des Fortbestands der einmal
begründeten örtlichen Zuständigkeit (perpetuatio fori; vgl. dazu Keidel/Kuntze, a.a.O.,
Rdn. 2 zu § 46; Bumiller, a.a.O. Anm. 1 zu § 46) - offensichtlich davon aus, mit dem
Wechsel des Aufenthaltsortes des Kindes sei seine örtliche Zuständigkeit nicht mehr
gegeben, vielmehr sei nur noch das Amtsgericht Siegburg örtlich zuständig (vgl. Bl. 411
f. 414 R). Auf dieser Grundlage beruhte sowohl die Anrufung des Bundesgerichtshofs
als auch die des Oberlandesgerichts Dresden, wobei sich letzteres zusätzlich aus dem
Zusammenhang mit dem Hinweis des Bundesgerichtshofs auf die Zuständigkeit nach §
5 FGG (Bl. 413) ergibt.
14
2.
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Auch wenn die jetzige Zuschrift des Amtsgerichts vom 22.12.1997 dem Wortlaut nach
erneut nicht eindeutig auf eine Entscheidung nach § 46 Abs. 2 und 3 FGG gerichtet ist,
geht der Senat - nicht zuletzt zur Vermeidung weiterer Verzögerungen - davon aus, daß
das Amtsgericht eine solche Entscheidung herbeiführen wollte. In der Sache geht die
Entscheidung des Senats dahin, daß die weitere Bearbeitung des Verfahrens dem
Amtsgericht F. obliegt und das Amtsgericht S. zur Übernahme der Sache nicht
verpflichtet ist. Denn ein wichtiger Grund für die Abgabe ist jedenfalls derzeit nicht
gegeben. Als wichtiger Grund im Sinne von § 46 Abs. 1 FGG kann zwar unter anderem
ein Aufenthaltswechsel des Kindes und des Pflegers in Betracht kommen (vgl.
Keidel/Kuntze a.a.O., Rdn. 6 a, 6 b zu § 46 mit weiteren Nachweisen), dies aber nur
dann, wenn es sich nicht um einen nur vorübergehenden Wechsel handelt. Gerade dies
ist aber im Hinblick auf die bisher nicht beschiedenen Anträge der Beteiligten zu 1) und
3) ungewiß. Dann besteht die Möglichkeit, daß demnächst entweder in der Person des
Pflegers ein Wechsel eintritt oder aber das Sorgerecht wieder in vollem Umfang auf die
Beteiligte zu 1) übertragen wird. In beiden Fällen wäre ein erneuter Aufenthaltswechsel
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des Kindes - zurück an seinen früheren Wohnort - die Folge.
3.
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Das Amtsgericht F. wird daher über die bisher nicht beschiedenen Anträge der
Beteiligten zu 1) und 3) zu befinden haben. Dies ergibt sich - unter dem Blickwinkel des
§ 46 FGG - auch aus dem Grundsatz, daß vor einer Abgabe das abgebende Gericht
über alle Anträge der Beteiligten abschließend zu entscheiden hat (Keidel/Kuntze,
a.a.O., Rdn. 14 b zu § 46 m.w.N.) und folglich ein wichtiger Grund für eine Abgabe nicht
vorliegt, solange eine Einzelverrichtung beim abgebenden Gericht unerledigt anhängig
und das Ergebnis dieses Verfahrens nicht absehbar ist (Keidel/Kuntze, a.a.O., Rdn. 6 a
zu § 46). Soweit das Amtsgericht Freiberg in seiner Verfügung vom 17.11.1997
ausgeführt hat, eine Entscheidung über den neuen Antrag habe "frühestens in einigen
Monaten" ergehen sollen (Bl. 411), ist dies im vorliegenden Zusammenhang
unerheblich, abgesehen davon, daß es um zwei bisher unerledigte Anträge geht.
Insoweit ist im übrigen daran zu erinnern, daß das Amtsgericht dem Sitzungsprotokoll
vom 21.07.1997 zufolge angekündigt hatte, über den Antrag des Beteiligten zu 3) nach
einer bis zum 15.09.1997 bemessenen Frist zur Stellungnahme für den Beteiligten zu 2)
zu entscheiden (Bl. 386), wobei diese Stellungnahme am 05.09.1997 beim Amtsgericht
einging (Bl. 391).
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