Urteil des OLG Köln vom 11.06.2001

OLG Köln: fehlende rechtsmittelbelehrung, anhörung, asyl, abschiebungshaft, sicherungshaft, polizei, bundesamt, meinung, inhaftierung, aushändigung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 73/01
11.06.2001
Oberlandesgericht Köln
16. Zivilsenat
Beschluss
16 Wx 73/01
Landgericht Köln, 1 T 94/01
1. Das Verfahren 16 Wx 90/01, das die Rechtsbeschwerde vom
30.4.2001 betrifft, wird zu dem Verfahren 16 Wx 73/01 hinzuverbunden;
letzteres führt. 2. Die dem Betroffenen zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung entstandenen Kosten werden dem Beteiligten zu 2) zur
Hälfte auferlegt. 3. Dem Betroffenen wird im Rechtsbeschwerdeverfahren,
soweit er sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 3.4.2001
wendet, Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. aus K.
bewilligt. Die gerichtlichen Kosten der Rechtsbeschwerde fallen dem
Betroffenen zur Hälfte zur Last.
G r ü n d e
zu 2)
Die zunächst zulässige ( §§ 7 FEVG, 103 Abs. 2 AuslG, 27,29 FGG ) sofortige weitere
Beschwerde ist, nachdem der Betroffene aus der Abschiebungshaft entlassen wurde,
zulässigerweise auf die Kosten beschränkt worden. In der Sache ist das Rechtsmittel
teilweise erfolgreich, da ein begründeter Anlaß zur Stellung des Antrags auf
Abschiebungshaft bei deren Anordnung am 14.2.2001 nicht bestanden hat. Insoweit fallen
die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen dem Antragsteller zur Last, § 16 Abs. 1
FEVG.
Der Betroffene war zum Zeitpunkt der Verhängung der Abschiebungshaft nicht
ausreisepflichtig, weil er bereits zuvor anläßlich seiner Anhörung vor dem Amtsgericht
sowie bei seiner polizeilichen Vernehmung um Asyl nachgesucht hatte und ihm deshalb
der Aufenthalt nach § 55 Abs. 1 AsylVfG gestattet war.
Ausweislich der mündlichen Anhörung am 14.2.01 hat der Betroffene erklärt, dass er in
Deutschland Asyl beantragen wolle. Ob auf dieses Begehren seitens des Gerichts weiter
eingegangen wurde, läßt sich dem Anhörungsprotokoll nicht entnehmen. Es hätte deshalb
von Amts wegen Veranlassung bestanden, den Willen des Betroffenen näher zu
erforschen, zumal er bereits am Tag zuvor gegenüber der Polizei geäußert hatte, er wolle in
Deutschland um Asyl bitten. In Hinblick auf diese unvollständige Anhörung des Betroffenen
vor dem Amtsgericht hätte das Landgericht ihn erneut anhören müssen. Denn eine
mündliche Anhörung kann in der Beschwerdeinstanz ausnahmsweise nur dann
unterbleiben, wenn mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass eine weitere
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Anhörung keine neuen Erkenntnisse bringen wird (vgl. KG KGR 1999, 110; OLG Hamm
FGPrax 1997, 77; OLG Frankfurt NVwZ-Beil. 1998, 24; OLG Düsseldorf NVwZ-Beil. 1996,
31; OLG Celle Nds.Rpfl. 1995, 214; BayObLG, NVwZ-Beil. 1996, 40). Ein solcher
Ausnahmefall lag hier nicht vor.
Da sich nach der Haftentlassung wegen der Erledigung der Hauptsache eine weitere
Sachaufklärung verbietet, ist zu Gunsten des Betroffenen im Rahmen einer
ausnahmsweise zulässigen ex-ante-Betrachtung davon auszugehen, dass er mit seiner
Äußerung vor dem Amtsrichter, die durch die Erklärung vor der Polizei am 13.2.2001
bestärkt wird, bereits definitiv um Asyl nachsuchen wollte ( vgl. Beschluss des Senats vom
28.3.2001 -16 Wx 49/01 ). Diese Auslegung wird hier im Übrigen bekräftigt durch den
Verfahrensfortgang, wonach das Bundesamt bereits über den Asylantrag entschieden hat.
Entgegen der Meinung des Landgerichts ist es ausreichend, wenn der Betroffene seinen
Willen um Asyl nachzusuchen, bei seiner Vernehmung bzw. richterlichen Anhörung
deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Dann liegt bereits ein Asylantrag iSd. § 13 Abs. 1
AsylVfG mit der Folge des § 55 Abs. 1 AsylVfG (Aufenthaltsgestattung) vor. Hierzu bedarf
es nicht - wie das Landgericht meint - eines förmlichen Antrag zum Bundesamt, § 14 I iVm.
§ 55 I S.3 AsylVfG. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine auf § 19 Abs. 3 AsylVfg
bezogene Folgeänderung für Asylsuchende aus sicheren Drittstaaten. Diese können
entweder trotz Asylgesuchs zurückgeschoben oder im Bundesgebiet an eine
Aufnahmeeinrichtung weitergeleitet werden; hingegen sieht das Gesetz eine Inhaftierung
des asylsuchenden Ausländers nicht vor. Somit steht ein zeitlich vor der richterlichen
Anordnung gestelltes Asylgesuch einer richterlichen Anordnung von Sicherungshaft
entgegen (ständ. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 9.3.2001, 16 Wx 3/01; v.
28.3.2001, 16 Wx 49701; ebenso Olg Köln, 9.Zivilsenat v. 23.1.2001 - 9 Wx 4/01; OLG
Frankfurt NVwZ 1998,Beil. Nr. 11, 125 f; KG, KGR 2001,48).
Mithin bestand für den Antragsteller nach Anhörung des Betroffenen kein begründeter
Anlaß mehr, Sicherungshaft zu beantragen, § 16 Abs.1 FEVG.
Allerdings sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen dem Antragsteller nur hälftig
aufzuerlegen, da die weitere Beschwerde vom 4.4.2001, die sich gegen die Ablehnung
einer schriftlichen Übersetzung der Antragstellung und des Beschlusses vom 14.2.2001
richtet, erfolglos geblieben wäre.
Der Betroffene hat keinen Anspruch auf Aushändigung der Anträge bzw. Entscheidungen
dieses Verfahrens in P. ( so schon Senatsbeschluß vom 28.5.2001 - 16 Wx 105/01-; OLG
Hamm, Beschl. vom 5.9.2000 - 19 W 110/00- ; v. 1.3.2001 - 19 W 37/01-; BayObLG, NJW
76,483 ). Ausweislich des Protokolls des Amtsgerichts Köln wurden der
Abschiebungshaftantrag und der amtsgerichtliche Beschluss v. 14.2.2001 dem Betroffenen
durch eine anwesende Dolmetscherin mündlich in P. übersetzt und durch den Richter mit
Hilfe dieser Dolmetscherin erläutert. Die Dolmetscherin hat an der gesamten Verhandlung
teilgenommen. Der Betroffene hatte somit die Möglichkeit, der Verhandlung zu folgen und
sich Gehör zu verschaffen. Er hat sich im Übrigen, wie das Protokoll ausweist, zur Sache
geäußert. Da die Rechtsmittelbelehrung bereits Teil des Abschiebehaftbefehls ist und
dieser dem Betroffenen übersetzt wurde, kann er sich nicht auf fehlende
Rechtsmittelbelehrung berufen. Tatsächlich hat er auch Rechtsmittel eingelegt. Damit
konnte der Betroffene, wie auch der tatsächliche Verfahrensgang zeigt, aktiv am Verfahren
teilnehmen und war nicht zu "einem bloßen Objekt degradiert", wie er in der
Rechtsbeschwerdebegründung vortragen läßt.
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Zu 3)
Aus den dargelegten Gründen folgt, dass die Rechtsverteidigung gegen die Anordnung der
Abschiebungshaft hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte, so dass dem Betroffenen für sein
Rechtsmittel vom 30.4.2001 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1, S. 2 FGG.