Urteil des OLG Köln vom 18.02.2000

OLG Köln: luxemburg, gestaltung, form, in den verkehr bringen, treu und glauben, markt, einstweilige verfügung, unlautere nachahmung, sklavische nachahmung, verwirkung

Oberlandesgericht Köln, 6 U 42/99
Datum:
18.02.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 42/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 738/99
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21.01.1999 verkündete
Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 738/99 -
teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Soweit die
Parteien die Hauptsache nicht übereinstimmend zur Erledigung
gebracht haben und unter Abweisung der Klage im übrigen, werden die
Beklagten ver- urteilt, I. es zwecks Meidung eines für jeden Fall der
Zuwider- handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von
500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs
Monaten, oder Ordnungs- haft bis zu sechsmonatiger Dauer zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
unter der Bezeichnung "Alt Lüneburg" ein Kaffee- service und/oder
Tafelservice anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, das folgende
Gestaltungs- merkmale aufweist: (1) Das Service ist aus Porzellan; (2)
es hat eine elfenbeinfarbene Grundfarbe; (3) das Dekor ist
ausschließlich in blauer Farbe gehalten; (4) das Dekor zeigt stilisierte
Phantasieblumen; (5) diese Phantasieblumen bestehen aus einem in
die Länge gezogenen dünnen Stiel mit daraus hervorsprießenden
dünnen, abgerundeten stilisierten Blättern, die aber nicht eine typische
Blattform aufweisen, sondern in ihrer Rundung an der Spitze nur
geringfügig verstärkt sind gegenüber dem auslaufenden
gegenüberliegenden Ende. Diese Verstärkung wird durch einen
intensiveren Farbton hervor- gerufen; (6) ungefähr in der Mitte der
dargestellten Blumenmotive befinden sich stilisierte Blüten; (7) das
Relief des Porzellans weist einen doppelten Schwung in Form eines
umgekehrten "S" auf. Dieser doppelte Schwung wiederholt sich in
regelmäßigen Abständen an den Außen- wänden von Tasse, Kanne,
Dose und Schüssel; bei den Tellern und Platten befindet sich das
wiederkehrende Relief auf dem angehobenen Tellerrand, nämlich, wenn
das Kaffeeservice folgendes Dekor hat: pp. und/oder wenn das
Tafelservice folgendes Dekor hat: pp. II. der Klägerin darüber Auskunft
zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie ab
01.08.1998 die zu Ziff. I bezeichneten Hand- lungen begangen haben,
und zwar unter Angabe der (1) Einkaufszeiten und Einkaufspreise, (2)
Namen und Anschriften von gewerblichen Abnehmern, (3)
Verkaufsmengen, (4) etwaigen weiteren Gestehungskosten und
Gewinne, (5) Art und Umfang der betriebenen Werbung, aufge-
schlüsselt nach Kalendervierteljahren, Bundes- ländern und
Werbeträgern, dies alles unter Beifügung von entsprechenden Belegen,
wie insbesondere Angeboten, Bestellungen, Rechnungen und
Lieferscheinen den Ein- und Verkauf betreffend, sowie von Kopien der
Werbemittel. III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind,
der Klägerin all denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr ab 01.08.1998
durch die vorstehend unter I. bezeichneten Handlungen entstanden ist
und künftig noch entstehen wird. Die weitergehende Berufung wird
zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtssteits in erster Instanz
haben die Klägerin 25 %, die Beklagten 75 % zu tragen. Die Kosten des
Berufungsverfahrens werden der Klägerin mit 5 %, den Beklagten mit 95
% auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen
die Zwangsvollstreckung des Unterlassungsausspruchs gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000.- abwenden, wenn nicht die
Beklagten zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten. Die Vollstreckung
des Anspruchs auf Auskunfts- erteilung und Rechnungslegung dürfen
die Beklagten gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 25.000.- DM
abwenden, falls nicht die Klägerin vorher Sicherheitsleistung in dieser
Höhe erbringt. Die Zwangsvollstreckung des Kostenausspruchs dürfen
die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000.- DM
abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in dieser Höhe
leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Kostenaus- spruchs
gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 6.000.- DM abwenden, falls
nicht die Beklagten zuvor Sicherheitsleistung in dieser Höhe erbringen.
Den Parteien wird nachgelassen, die von ihnen jeweils zu stellenden
Sicherheiten in Form der unbedingten, unbefristeten, unwiderruflichen,
selbstschuldnerischen schriftlichen Bürgschaft einer deutschen
Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen. Die mit
diesem Urteil für die Beklagten verbundene Beschwer beläuft sich auf
über 60.000.- DM; die Beschwer der Klägerin wird auf 5.000.- DM fest-
gesetzt.
T a t b e s t a n d
1
Die auf eine im 18. Jahrhundert gegründete Steingutmanufaktur zurückzuführende
Klägerin befasst sich schwerpunktmäßig mit der Herstellung und dem Vertrieb von
Keramik- und Porzellanerzeugnissen. Zu ihrer Produktpalette zählt seit 250 Jahren
Geschirr und Tischporzellan in einer Vielzahl von Dekoren, darunter das auf einem aus
dem Jahre 1770 stammenden Entwurf beruhende Dekor "Alt Luxemburg", welches die
Klägerin seit 1975 in unveränderter Form für ein unter dieser Bezeichnung angebotenes
Kaffee- und Tafelservice verwendet. Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des mit
dem genannten Dekor versehenden Tafel- und Kaffeegeschirrs der Serie "Alt
Luxemburg" der Klägerin wird auf die zu den Akten gereichten Originalteile Bezug
genommen.
2
Die Beklagte zu 1) ist die Holding-Gesellschaft einer Vielzahl von in Deutschland
tätigen Unternehmen der T.-Gruppe. Die Beklagte zu 2) betreibt einen Versandhandel,
in dessen Rahmen sie das monatlich erscheinende "T. Bestell-Magazin" herausbringt,
in dem verschiedene Bedarfsgegenstände u.a. aus dem Segment der Bekleidungs-,
Haushalts- und Schmuckwaren angeboten werden. Die Beklagte zu 3), eine
3
Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1), stellt her und vertreibt u.a. Kaffee-Produkte. In
den von ihr bundesweit unterhaltenen Filialen werden neben Kaffee-Produkten auch die
Waren anderer Sortimente veräußert, wie sie die Beklagte zu 2) in ihrem "T. Bestell-
Magazin" im Wege des Versandhandels anbietet.
Im Jahre 1998 bot die Klägerin anlässlich der Feier ihres 250-jährigen Bestehens ihre
Kaffee- und Tafelgeschirre "Alt Luxemburg" als besondere, eigens beworbene
"Jubiläumsangebote" in einer für jeweils 4 Personen vorgesehenen Zusammenstellung
an.
4
In der im August 1998 erschienen Ausgabe ihres "T. Bestell-Magazins" führte die
Beklagte zu 2) unter der jeweiligen Bezeichnung "Alt Lüneburg" ein Kaffee- und
Tafelgeschirr auf, welches auch in den Filialen der Beklagten zu 3) feilgeboten wurde
und erhältlich war. Das genannte Porzellan, bzgl. dessen Erscheinungsbildes im
einzelnen auf die zu den Akten gereichten Originalexemplare verwiesen wird, wurde auf
einer Form und nach einem Dekor "Granica" der Firma W. Porzellan Aktiengesellschaft
produziert, die dieses ihrerseits seit 1982 als Kaffee- und Tafelservice in der aus dem
Anlagekonvolut A G 2 ersichtlichen Gestaltung herstellte und an den Groß- und
Zwischenhandel vertrieb.
5
Die Klägerin, die in den vorbezeichneten, beklagenseits in den Verkehr gebrachten
Kaffee- und Tafelgeschirren "Alt Lüneburg" eine nach den wettbewerblichen Maßstäben
des § 1 UWG unlautere Nachahmung ihrer Service "Alt Luxemburg" sieht, hat in einem
bei dem Landgericht Köln unter dem dortigen Aktenzeichen 31 O 690/98 betriebenen
einstweiligen Verfügungsverfahren ein Verbot erwirkt, mit welchem es den dort in
Anspruch genommenen Beklagten zu 1) und zu 2) untersagt wurde, das Kaffee- und
Tafelgeschirr "Alt Lüneburg" in der im einzelnen beschrieben Ausstattung anzubieten
oder in den Verkehr zu bringen. Diese im Beschlussweg erlassene einstweilige
Verfügung wurde auf den Widerspruch der in jenem Verfahren beteiligten Beklagten zu
1) und zu 2) mit Urteil des Landgerichts Köln vom 17.12.1998 bestätigt. Die dagegen
gerichtete Berufung der Beklagten zu 1) und zu 2) wurde vom erkennenden Senat durch
Urteil vom 27.08.1999 zurückgewiesen (6 U 28/99). Bei dem vorliegenden Rechtsstreit
handelt es sich um die zu dem genannten einstweiligen Verfügungsverfahren
betriebene Hauptsache, in die neben den Beklagten zu 1) und zu 2) nunmehr auch die
Beklagte zu 3) einbezogen worden ist.
6
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass es sich bei dem beanstandeten, unter der
Bezeichnung "Alt Lüneburg" vertriebenen Geschirr, von dessen Aussehen sie erstmals
durch den am 24.08.1998 vorgenommenen Testkauf eines Kaffeegeschirrs Kenntnis
erhalten habe, um die Nachahmung ihres altbekannten Services "Alt Luxemburg"
handele. Letzteres habe sie durch erhebliche, im einzelnen dargelegte
Werbeanstrengungen mit Erfolg im Verkehr bekannt gemacht, wie dies nicht zuletzt die
für den Zeitraum von 1/1995 bis 8/1998 ebenfalls näher dargestellten Umsatzzahlen
dokumentierten. Ihr Porzellan aus der Serie "Alt Luxemburg" sei aufgrund der typischen
Gestaltung des Blumendekors und des Reliefschwungs nicht nur von
überdurchschnittlicher, durch Gestaltungsformen des wettbewerblichen Umfeldes
unbeeinträchtigter wettbewerblicher Eigenart, sondern genieße darüber hinaus im
Verkehr auch einen besonders hohen Prestigewert, der auf ihre - der Klägerin -
umfangreiche Werbe- und Verkaufsanstrengungen sowie ihren guten Ruf als
Traditionsunternehmen zurückzuführen sei. Das beanstandete, von den Beklagten zu 2)
und zu 3) zudem unter dem an ihre Bezeichnung "Alt Luxemburg" angelehnten Namen
7
"Alt Lüneburg" in den Verkehr gebrachte Kaffee- und Tafelgeschirr weise sämtliche
Merkmale auf, die für das Erscheinungsbild des Klagegeschirrs charakteristisch seien.
Das Angebot und der Vertrieb der Service in dieser Gestaltung stelle sich daher nicht
nur unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung als
unzulässig dar, sondern auch als eine wettbewerbswidrige Ausbeutung des von ihr, der
Klägerin, geschaffenen Werbewertes des Klagegeschirrs sowie dessen Prestiges und
guten Rufs.
Die Klägerin hat beantragt,
8
I. die Beklagten zu verurteilen,
9
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwider-
10
handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur
11
Höhe von 500.000.- DM, ersatzweise Ordnungshaft,
12
oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unter-
13
lassen,
14
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wett-
15
bewerbs unter der Bezeichnung "Alt Lüneburg" ein
16
Kaffeservice und/oder Tafelservice anzubieten
17
oder in den Verkehr zu bringen, das folgende
18
Gestaltungsmerkmale aufweist:
19
(1) Das Service ist aus Porzellan;
20
(2) es hat eine weiße Grundfarbe;
21
(3) das Dekor ist ausschließlich in blauer
22
Farbe gehalten;
23
(4) das Dekor zeigt stilisierte Phantasie-
24
blumen;
25
(5) diese Phantasieblumen bestehen aus einem in
26
die Länge gezogenen dünnen Stil mit daraus
27
hervorsprießenden Blättern, die aber nicht
28
eine typische Blattform aufweisen, sondern
29
in ihrer Rundung an der Spitze nur gering-
30
fügig verstärkt sind gegenüber dem aus-
31
laufenden gegenüberliegenden Ende. Diese
32
Verstärkung wird durch einen intensiveren
33
Farbton hervorgehoben;
34
(6) ungefähr in der Mitte der dargestellten
35
Blumenmotive befinden sich stilisierte
36
Blüten;
37
(7) das Relief des Porzellans weist einen
38
doppelten Schwung in Form eines umgekehrten
39
"S" auf. Dieser doppelte Schwung wiederholt
40
sich in regelmäßigen Abständen an den Außen-
41
wänden von Tasse, Kanne, Dose und Schüssel;
42
bei den Tellern und Platten befindet sich
43
das wiederkehrende Relief auf dem angehobenen
44
Tellerrand;
45
insbesondere, wenn das Kaffeeservice das folgende
46
Dekor hat:
47
- Es war nunmehr die aus dem Urteilstenor
48
ersichtliche Abbildung des Kaffeegeschirrs
49
in den Antrag aufgenommen -
50
und/oder
51
wenn das Tafelservice folgendes Dekor hat:
52
- Es war nunmehr die aus dem Urteilstenor
53
ersichtliche Abbildung des Tafelgeschirrs
54
in den Antrag aufgenommen -
55
2. die in ihrem Besitz bzw. in ihrem Eigentum be-
56
findlichen Erzeugnisse (Service) gemäß Ziff. I.1.
57
zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an
58
einen von der Klägerin zu bestimmenden Treu-
59
händer zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der
60
Beklagten herauszugeben;
61
3. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen und
62
Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die
63
vorstehend zu Ziff. I bezeichneten Handlungen
64
begangen haben, und zwar unter Angabe der
65
(1) Namen und Anschriften von Vorlieferanten
66
und anderen Vorbesitzern,
67
(2) Einkaufszeiten und Einkaufspreise,
68
(3) Namen und Anschriften von gewerblichen
69
Abnehmern,
70
(4) Verkaufsmengen, Verkaufszeiten und
71
Verkaufspreise,
72
(5) etwaige weitere Gestehungskosten und
73
Gewinn,
74
(6) Art und Umfang der betriebenen Werbung,
75
aufgeschlüsselt nach Kalenderviertel-
76
jahren, Bundesländern und Werbeträgern,
77
dies alles unter Beifügung von entsprechenden
78
Belegen, wie insbesondere Angeboten, Bestellungen,
79
Rechnungen und Lieferscheinen den Ein- und Verkauf
80
betreffend, sowie von Kopien der Werbemittel;
81
II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet
82
sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen,
83
der ihr durch die vorstehend zu Ziff. I. 1.
84
bezeichneten Handlungen entstanden ist und
85
künftig noch entstehen wird;
86
III. der Klägerin die Befugnis zuzusprechen, den
87
verfügenden Teil des Urteils innerhalb von
88
drei Monaten ab Rechtskraft auf Kosten der
89
Beklagten in Form einer viertelseitigen
90
Anzeige in der Fachzeitschrift "Porzellan
91
und Glas" öffentlich bekannt zu machen.
92
Die Beklagten haben beantragt,
93
die Klage abzuweisen.
94
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass Form und Dekor des Porzellans
"Alt Lüneburg" einen derart deutlichen gestalterischen Abstand von dem Geschirr "Alt
Luxemburg" der Klägerin aufweisen, dass schon aus diesem Grund die Gefahr einer
Irreführung des Verkehrs über die betriebliche Herkunft ausscheide, desgleichen auch
ein dem Klageporzellan angeblich anhaftender Werbewert und Ruf nicht ausgebeutet
werde. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die dem klägerischen Porzellan "Alt
Luxemburg" zukommende wettbewerbliche Eigenart entscheidend durch zahlreiche,
von den Beklagten im einzelnen dargestellte Porzellandekore des wettbewerblichen
Umfelds beeinträchtigt worden sei. Im übrigen sei das Geschirr "Alt Lüneburg" - wie
unstreitig ist - im Rahmen von Testverkaufsaktionen im März 1995 sowie ferner jeweils
im August der Jahre 1995 und 1996 in bestimmten, über das Bundesgebiet verstreuten
Filialen in der streitgegenständlichen Aufmachung bereits in den Verkehr gebracht
worden, ohne dass die Klägerin, der dies nicht habe verborgen bleiben können,
dagegen vorgegangen sei. Spätestens seit November 1997 aber habe die Klägerin
gewusst, dass das Geschirr "Alt Lüneburg" von ihnen, den Beklagten, auf den Markt
gebracht werden solle, so dass - sollte überhaupt eine Verpflichtung zur Auskunft und
zum Schadensersatz bestehen - die geltend gemachten Annexansprüche auf Auskunft
und Feststellung der Schadensersatzpflicht jedenfalls teilweise verjährt seien. Die
Beklagte zu 1) sei schließlich als bloße Holding, die mit dem Einkauf und dem Verkauf,
dessen Organisation sowie der Auswahl des von der Beklagten zu 3) in ihren Filialen
vertriebenen Geschirrs nicht zu tun habe, nicht passivlegitimiert.
95
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 21.01.1999, auf dessen Einzelheiten zur
näheren Sachdarstellung bezug genommen wird, teilweise entsprochen und die
Beklagten aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen
Herkunftstäuschung im jeweils geltend gemachten Umfang zur Unterlassung und
Auskunft verurteilt sowie ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt. Im
weitergehenden Umfang, nämlich hinsichtlich der auf die Vernichtung der
streitbefangenen Porzellanservice sowie der Urteilsveröffentlichung gerichteten
Begehren, hat es die Klage indessen als unbegründet abgewiesen.
96
Gegen dieses, ihr am 09.02.1999 zugestellte Urteil haben die Beklagten - eingehend am
08.03.1999 - Berufung eingelegt, die sie, nach entsprechend gewährter
Fristverlängerung, mittels eines am 07.06.1999 eingegangenen Schriftsatzes
fristwahrend begründet haben.
97
Die Beklagten wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und halten insbesondere an
dem bereits in erster Instanz geltend gemachten, in der Berufung noch vertieften
Standpunkt fest, dass bereits die für den Unlauterkeitstatbestand der vermeidbaren
betrieblichen Herkunftstäuschung erforderliche Verwechslungsgefahr nicht bestehe.
Das müsse zum einen mit Blick auf den Umstand gelten, dass, was die Beklagten unter
Anführen zahlreicher weiterer Gestaltungsbeispiele des wettbewerblichen Umfelds
vorbringen, die wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Services "Alt Luxemburg" -
falls eine solche überhaupt noch anzuerkennen sei - nur als denkbar schwach
eingeordnet werden könne. Zum anderen weiche die Gestaltung des Porzellans "Alt
Lüneburg" auch ganz erheblich in sämtlichen Merkmalen von dem Geschirr "Alt
Luxemburg" ab, auf welche die Klägerin dessen wettbewerbliche Eigenart gründen
wolle.
98
Hinzu komme aber auch, dass die Klägerin gegen den Vertrieb anderer
Porzellangeschirre, insbesondere das im Design "Granica" von der W. Porzellan
Aktiengesellschaft in den Verkehr gebrachte Service, nicht eingeschritten sei, obwohl
diese sich nicht wesentlich von ihrem, der Beklagten, Geschirr "Alt Lüneburg"
unterschieden und der Gestaltung des Services "Alt Luxemburg" zumindest im gleichen
Maße nahe kämen wie das im vorliegenden Rechtsstreit angegriffene Porzellan. Die
Klägerin habe damit zu erkennen gegeben, dass sie diese Drittprodukte nicht als
sklavische Nachahmung ihres Services "Alt Luxemburg" ansehe, so dass sie sich
jedenfalls rechtsmissbräuchlich verhalte, wenn sie nunmehr von ihnen, den Beklagten,
Unterlassung des Inverkehrbringens einer nämlichen Gestaltungsform verlange.
99
Die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht seien
ferner jedenfalls auch teilweise verjährt, zumindest aber müsse insoweit eine zeitliche
Beschränkung, ab wann die genannten Verpflichtungen eingreifen sollen,
vorgenommen werden. Was das Auskunftsbegehren angehe, so sei schließlich
ebenfalls zu berücksichtigen, dass sie - die Beklagten - im Verlaufe des vorangegangen
einstweiligen Verfügungsverfahren und des vorliegenden Rechtsstreits einen Teil der
damit begehrten Informationen bereits mitgeteilt habe, so dass insoweit eine Erledigung
eingetreten sei.
100
Die Parteien haben daraufhin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat
die Hauptsache hinsichtlich der mit dem Auskunftsbegehren verlangten Informationen
teilweise, nämlich die Verkaufspreise, die Verkaufszeiten und die Vorlieferanten
betreffend, übereinstimmend für erledigt erklärt.
101
Die Beklagten beantragen,
102
das am 21.01.1999 verkündete Urteil der 31.
103
Zivilkammer des Landgerichts Köln -31 O 738/98-
104
teilweise abzuändern und die Klage in dem über
105
die einvernehmliche Erledigung der Hauptsache
106
hinausgehenden Umfang insgesamt abzuweisen.
107
Die Klägerin beantragt,
108
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen,
109
dass der Unterlassungsantrag die nachstehende
110
Neufassung erhält:
111
Die Beklagte zu verurteilen, es zwecks Meidung
112
eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fest-
113
zusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM,
114
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis
115
zu sechs Monaten zu unterlassen,
116
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wett-
117
bewerbs unter der Bezeichnung "Alt Lüneburg" ein
118
Kaffeeservice und/oder Tafelservice anzubieten
119
oder in den Verkehr zu bringen, das folgende
120
Gestaltungsmerkmale aufweist:
121
(1) Das Service ist aus Porzellan;
122
(2) es hat eine elfenbeinfarbene Grundfarbe;
123
(3) das Dekor ist ausschließlich in blauer
124
Farbe gehalten;
125
(4) das Dekor zeigt stilisierte Phantasie-
126
blumen;
127
(5) diese Phantasieblumen bestehen aus einem
128
in die Länge gezogenen dünnen Stiel mit
129
daraus hervorsprießenden dünnen, abgerundeten
130
stilisierten Blättern, die aber nicht eine
131
typische Blattform aufweisen, sondern in ihrer
132
Rundung an der Spitze nur geringfügig verstärkt
133
sind gegenüber dem auslaufenden gegenüberliegenden
134
Ende. Diese Verstärkung wird durch einen inten-
135
siveren Farbton hervorgehoben;
136
(6) ungefähr in der Mitte der dargestellten Blüten-
137
motive befinden sich stilisierte Blüten;
138
(7) das Relief des Porzellans weist einen doppelten
139
Schwung in Form eines umgekehrten "S" auf.
140
Dieser doppelte Schwung wiederholt sich in
141
regelmäßigen Abständen an den Außenwänden von
142
Tasse, Kanne, Dose und Schüssel; bei den Tellern
143
und Platten befindet sich das wiederkehrende
144
Relief auf dem angehobenen Tellerrand,
145
nämlich, wenn das Kaffeeservice folgendes Dekor hat:
146
- es ist nunmehr die aus dem Tenor dieses Urteils
147
ersichtliche Abbildung eines Kaffeegeschirrs in
148
den Antrag aufgenommen -
149
und/oder
150
wenn das Tafelservice folgendes Dekor hat:
151
- es ist nunmehr die aus dem Tenor dieses Urteils
152
ersichtliche Abbildung eines Tafelgeschirrs in
153
den Antrag aufgenommen -
154
Auch die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält das
angefochtene landgerichtliche Urteil im von der Berufung der Beklagten noch
betroffenen Teil für zutreffend.
155
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf die in beiden
Instanzen zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu jeweils
überreichten Anlagen Bezug genommen.
156
Die Akte des einstweiligen Verfügungsverfahrens 31 O 690/98 des Landgerichts Köln
lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
157
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
158
Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung der Beklagten
hat in der Sache nur in geringem Umfang, nämlich hinsichtlich der sowohl in das
Auskunftsbegehren als auch in das auf die Feststellung der
Schadensersatzverpflichtung gerichtete Petitum aufzunehmenden zeitlichen
Begrenzung, teilweise Erfolg. Im darüber hinausgehenden Umfang bleibt das
Rechtsmittel der Beklagten indessen erfolglos, weil der Klägerin die noch
streitgegenständlichen Ansprüche - soweit über sie nach der übereinstimmenden
Teilerledigung der Hauptsache noch eine Entscheidung in der Sache zu treffen ist - aus
§ 1 UWG i.V. mit § 242 BGB zustehen.
159
I. Das Unterlassungsbegehren in der von der Klägerin in der Berufung neu formulierten
Fassung ist aus § 1 UWG begründet. Denn die streitgegenständlichen Kaffee- und
Tafelgeschirre des Dekors "Alt Lüneburg" stellen sich als unter dem Gesichtspunkt der
vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung i.S. von § 1 UWG wettbewerbswidrige
Nachahmungen des Porzellans "Alt Luxemburg" der Klägerin dar, deren Angebot und
Inverkehrbringen die Beklagten daher zu unterlassen haben.
160
Die grundsätzlich zulässige Nachahmung fremder, nicht unter Sonderrechtsschutz
stehender Erzeugnisse ist gemäß § 1 UWG dann wettbewerblich unzulässig, wenn sie
unter Übernahme von Merkmalen geschieht, mit denen der Verkehr eine betriebliche
Herkunftsvorstellung verbindet und der Nachahmer im Rahmen des Möglichen und
Zumutbaren nicht alles Erforderliche getan hat, um eine Irreführung des Verkehrs
möglichst auszuschließen (vgl. BGH GRUR 1999, 751/752 -"Güllepumpen" -; ders.
WRP 1999, 1031 -"Rollstuhlnachbau"-; ders. GRUR 1981, 517/519 -"Rollhocker"-;
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage, § 1 UWG Rdn.
161
450 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Mit dem Landgericht ist im Streitfall davon
auszugehen, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten diese Voraussetzungen
erfüllt und somit als wettbewerblich unlauter zu erachten ist. Die Mitglieder des
erkennenden Senats können diese Feststellungen aus eigener Sachkunde und
Lebenserfahrung treffen, weil sie ebenso wie die Mitglieder der in erster Instanz
entscheidenden Kammer des Landgerichts als potentielle Erwerber von
Porzellangeschirren dem Verkehrskreis angehören, an den die Parteien sich mit ihren
162
streitbefangenen Produkten wenden.
In seinem im Rahmen des vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens
ergangenen Urteil vom 27.08.1999 hat der Senat die objektiven Voraussetzungen des
hier in Rede stehenden Unlauterkeitstatbestandes der vermeidbaren betrieblichen
Herkunftstäuschung im einzelnen wie folgt geprüft und bejaht:
163
"Wettbewerbliche Eigenart besitzt ein Erzeugnis, dessen konkrete Ausgestaltung oder
bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die
betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (BGH
GRUR 1985, 876/877 - "T./Rolex I" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rn. 451
m.w.N.). Der konkreten Gestaltung des Services der Antragstellerin im Dekor "Alt
Luxemburg" kommt in diesem Sinne wettbewerbliche Eigenart zu, denn es weist eine
Kombination von Merkmalen auf, die in ihrer Gesamtwirkung dem Produkt der
Antragstellerin gegenüber den vergleichbaren Konkurrenzprodukten eine einprägsame
Individualität verleihen und herkunftshinweisend wirken.
164
Das Erscheinungsbild des Dekors "Alt Luxemburg" der Antragstellerin ergibt sich
dabei aus dem Zusammenspiel der in kräftigem Blauton gehaltenen floralen
Dekorelemente, in deren Vordergrund der "Blumenzweig" steht. Dessen ästhetischer
Ausdruck als Gestaltungsmerkmal wird seinerseits geprägt einmal durch die fast mittig
angebrachte stilisierte Darstellung einer geöffneten Blüte, die aus zwei den unteren
Stiel andeutenden Halmen wächst. Hinter der Blüte ranken sich zwei oben
auseinanderstrebende Blüten bzw. Grashalme in die Höhe, wobei aus der Blüte selbst
seitlich ebenfalls zwei stilisierte Triebe oder Blätter hervorstehen. Auch wenn durch
das letztgenannte Gestaltungselement eine gewisse Breite des hier in Rede stehende
Dekorationsmerkmals entsteht, bewirken die sich in die Höhe rankenden, miteinander
verschlungenen "Halme" insgesamt eine Höhe des Blütenzweigs, der hierdurch trotz
der in die Breite weisenden seitlichen Elemente insgesamt schmal und zierlich wirkt.
Als weiteres markantes, das streitgegenständliche Dekor "Alt Luxemburg" in seiner
Gesamtwirkung mitbestimmendes Gestaltungselement kommt die Anordnung der
floralen Dekorationselemente hinzu, die auf den Tellerspiegeln parallel zum Rand
angeordnet sind, wobei sich - mit Ausnahme der Untertassen des Kaffeegeschirrs - der
vorbeschriebene, das Hauptmotiv des Dekors darstellende Blütenzweig mit kleineren,
schlichteren floralen Dekorationsteilen abwechselt, die ihrerseits dem genannten
Hauptmotiv des Blütenzweigs entlehnt sind oder doch zumindest einzelne
Darstellungselemente dieses Dekorationsteils gestalterisch "zitieren" und sich an
dieses anlehnen, dabei aber sämtlich innerhalb des durch das Hauptmotiv gegebenen
schmalen, zierlichen Gestaltungsrahmens bleiben. Bei den größeren Tellern des hier
in Rede stehenden Geschirrs der Antragstellerin kommt weiter hinzu, dass die
vorbeschriebenen floralen Dekorationsteile über den Tellerkessel gestreut sind. Die
durch die beschriebenen floralen Dekorationselemente und ihre Verteilung
entstehende verhältnismäßig bewegte, an barocke Gestaltungsformen erinnernde
Anmutung wird aufgenommen und noch verstärkt durch das Relief, welches sich in
deutlich "s-förmig" gedrehten Wellen über die Spiegel der Teller sowie den
Tassenrand und den Rand der zu dem Dekor angebotenen Gefäße
(Milchkännchen/Schüssel) hinzieht. Die durch das Zusammenwirken dieser einzelnen
Gestaltungselemente entstehende Dekoration wird optisch eingefasst durch die an den
Rändern der Tellerspiegel sowie am oberen Rand der Gefäßöffnungen jeweils
angebrachte durchgezogene Linie, die als statisches Element den durch die
vorbezeichneten floralen Merkmale, deren Anordnung und das Relief hervorgerufenen
165
bewegten, verhältnismäßig unruhigen Eindruck abmildert und so die Form insgesamt
einrahmt und optisch "hält". In Kombination mit dem elfenbeinfarbenen warmen
Grundton des Porzellans, der dem verwendeten kräftigen Blauton der
Dekorationselemente einen eigenen Kontrast verleiht, entsteht in der Gesamtwirkung
die Anmutung einer zwar barock-bäuerlichen, gleichwohl leichten und spielerischen
Form, die dem Kaffee- und Tafelservice der Antragstellerin eine individuelle
Gestaltung verleiht, die von Hause aus in hohem Maße geeignet ist unterscheidend in
bezug auf die betriebliche Herkunft zu wirken.
Die wettbewerbliche Eigenart des Service der Antragstellerin in der hier beurteilten
Form des Dekors "Alt Luxemburg" wird auch nicht durch das Produktumfeld
beeinträchtigt, auf welches sich die Antragsgegnerinnen zu Abwehr des
Unterlassungsverlangens berufen.
166
Was das Geschirr der Produktion "W." ("Granica" - Anlage AG 2) angeht, gilt das
bereits deshalb, weil der Farbton des verwendeten Porzellans, nämlich "rein-weiß",
deutlich von dem typischen Elfenbeinton des Dekors der Antragstellerin abweicht und
dadurch insgesamt eine andere Kontrastwirkung des für die Dekoration verwendeten
Blautons hervorgerufen wird. Hinzu kommt weiter, dass der als florales
Dekorationselement verwendete Blütenzweig anders als beim Produkt der
Antragstellerin durch den stark seitlich herausragenden "Trieb" erheblich in die Breite
gezogen ist und so nicht der für das Dekor "Alt Luxemburg" der Antragstellerin
wiederum typische Eindruck einer "schmalen" zierlichen floralen Form entsteht.
167
Bei dem Service des türkischen Herstellers G.-P./K. gemäß Anlage AG 11 ergibt sich
Gleiches. Auch hier bildet statt eines elfenbeinfarbenen Grundtons eine "rein-weiße"
Farbtönung des Porzellans den Hintergrund der Dekoration. Darüber hinaus ist das
Relief in abweichender Weise in der Form deutlicher, im wesentlichen parallel
zueinander verlaufende Rippen gestaltet, die nur im oberen Bereich eine angedeutete
Krümmung aufweisen. Bei beiden Produkten des wettbewerblichen Umfelds (Anlagen
AG 2 und AG 11) entsteht auf diese Weise in der Gesamtwirkung gerade nicht der für
das Dekor der Antragstellerin aber wiederum typische Eindruck einer barock-
bäuerlichen, verspielten Form; vielmehr weisen sie demgegenüber in der
Gesamtwirkung eine klassischere, zurückhaltendere Gestaltung auf.
168
Was den aus der Produktion der italienischen Firma To. Porcellane stammenden
Teller angeht, so weicht dieser allein schon durch die völlig andere Gestaltung des
Reliefs augenfällig vom Geschirr der Antragstellerin des Dekors "Alt Luxemburg" ab.
169
Sind die vorbezeichneten Produkte des wettbewerblichen Umfelds auf Grund ihrer von
der Gesamtwirkung her deutlich vom Dekor "Alt Luxemburg" der Antragstellerin
abweichenden Gestaltungen nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart des
streitbefangenen Geschirrs der Antragstellerin zu schwächen, gilt das im Hinblick auf
die von den Antragsgegnerinnen ferner angeführten Drittprodukte der H.-
Porzellanmanufaktur ("A.burg") und R. ("Romanze in Blau") schon deshalb, weil für
diese keinerlei Umsatzzahlen dargelegt worden sind, so dass nicht ersichtlich ist,
inwiefern die genannten Produkte geeignet sind, in relevanter Weise die Vorstellung
des Verkehrs vom Aussehen eines Geschirrs zu beeinflussen.
170
Das Service des Dekors "Alt Luxemburg" der Antragstellerin war auch, wie vom
Tatbestand der vermeidbaren Herkunftstäuschung gefordert, schon beim Marktzutritt
171
der beanstandeten Kaffee- und Tafelservice der Antragsgegnerinnen auf dem Markt,
so dass es tatsächlich zu Verwechslungen kommen konnte. Mit den von der
Antragstellerin bereits in erster Instanz vorgelegten Prospekten und anderen
Unterlagen ist überdies belegt, dass das Antragstellermodell in seiner heutigen Form
schon seit erheblicher Zeit, zumindest seit 1975, auf dem Markt ist und auch beworben
wurde.
Das unter der Bezeichnung "Alt Lüneburg" angebotene Geschirr der
Antragsgegnerinnen ist mit demjenigen der Antragstellerin auch in fast allen, die
wettbewerbliche Eigenart des Dekors "Alt Luxemburg" der Antragstellerin
ausmachenden Merkmalen nahezu identisch. Es weist nicht nur die nämliche Tönung
des Porzellans bzw. von dessen Lasur auf, sondern darüber hinaus auch eine dem
Produkt der Antragstellerin ganz erheblich nahe kommende Gestaltung der floralen
Dekoration und deren Anordnung. Auch hier ist der das Hauptmotiv darstellende
Blütenzweig trotz seitlich herausragender Teile in der Gesamtwirkung schmal
gehalten. Es findet sich auf den Tellerspiegeln wie beim Dekor der Antragstellerin
auch hier die abwechselnde Wiedergabe eben dieses Blütenzweigs mit kleineren,
dieser Hauptdekorationsform entlehnten floralen Elemente. Hinzu kommt eine dem
Relief des Dekors der Antragstellerin nahe kommende, s-förmige Ausprägung des
Reliefbildes bei dem Geschirr der Antragsgegnerinnen. An dem auf diese Weise
entstandenen Gesamteindruck zweier im wesentlichen übereinstimmender
Gestaltungsformen ändern die im übrigen vorhandenen Abweichungen, nämlich die
andere Gestaltung der Blüte des Zweigs, die waagerechte Anordnung des
Blütenzweigs auf der Tasse sowie die fehlende Streuung der floralen Elemente auf
den Tellerkesseln nichts. Es ist maßgeblich auf die Übereinstimmungen, nicht aber auf
die Abweichungen der Produkte abzustellen, die dem Verkehr in aller Regel nicht
nebeneinander begegnen, sondern die aus der Erinnerung "verglichen" und beurteilt
werden. In dem nach diesen Maßstäben zu beurteilenden Gesamteindruck sind sich
die Geschirre der hier in Frage stehenden Dekore aber in einem Maße ähnlich, dass
für jedenfalls einen nicht unerheblichen Teil des Verkehrs die Gefahr von
Verwechslungen in bezug auf die betriebliche Herkunft besteht. Ein mehr als nur
unmaßgeblicher Teil der Adressaten wird danach bereits annehmen, dass es sich bei
dem angegriffenen Dekor "Alt Lüneburg" um eine (preiswerte) Zweitlinie des
Herstellers des Dekors "Alt Luxemburg" handelt. Ein ebenfalls als nicht unbeachtlich
einzuordnender Teil der Adressaten, der demgegenüber erkennt oder annimmt, dass
die hier streitigen Dekore der Parteien aus verschiedenen Herkunftsstätten stammen,
wird auf Grund der Ähnlichkeit darauf schließen, dass zumindest organisatorische
und/oder wirtschaftliche Verbindungen zwischen diesen verschiedenen
Herkunftsstätten stehen. Beides begründet die für den Tatbestand der vermeidbaren
betrieblichen Herkunftstäuschung erforderliche Verwechslungsgefahr. An dieser
Wertung ändern auch die Ergebnisse der von den Antragsgegnerinnen als Anlage
zum Schriftsatz vom 24.06.1999 vorgelegten Verkehrsbefragung nichts. Denn diese
Befragung untersucht hauptsächlich die Zuordnung der verschiedenen Dekore zu
bestimmten Herstellern sowie die Bekanntheit der Dekore selbst. Das aber ist für die
hier interessierende und entscheidungserhebliche Frage, ob ein nicht unerheblicher
Teil des Verkehrs zu der im Tatsächlichen aber unzutreffenden Auffassung gelangen
könnte, dass die - verschiedenen - Hersteller der Produkte (vgl. S. 12 des Gutachtens:
18 % der Befragten, denen die Dekore der Parteien und daneben das der Firma W.
vorgelegt wurde) aus wirtschaftlich und/oder organisatorischen miteinander in
Beziehung stehenden - verschiedenen - Herkunftsstätten stammen, nicht von
Bedeutung.
172
Im Ergebnis Gleiches gilt, soweit die Antragsgegnerinnen auf die jeweils
unterschiedliche Gestaltung der Kaffeekannen der sich gegenüberstehenden
streitbefangenen Service der Parteien hinweisen. Dabei kann es dahinstehen, ob die
in bezug auf diese einzelnen Bestandteile der Kaffeeservice der Parteien vorhandenen
Abweichungen - insbesondere die Deckelgestaltung der Kannen - geeignet sind, den
auf Grund der im übrigen vorhandenen Übereinstimmungen hervorgerufenen Eindruck
zu vermeiden, es zumindest mit Gestaltungsvarianten des Dekors ein und desselben
Herstellers oder jedenfalls organisatorisch und/oder wirtschaftlich verbundener
Hersteller zu tun zu haben. Das kann hier deshalb offen bleiben und ist nicht von
entscheidungserheblicher Bedeutung, weil die Antragsgegnerinnen ihre Service
unstreitig nur als Gesamtheit und nicht in Einzelteilen abgeben, so dass die
Kaffeekanne jeweils als Bestandteil dieser der übrigen Gestaltung nach die Gefahr
einer Irreführung des Verkehrs über die betriebliche Herkunft im Sinne des
Unlauterkeitstatbestandes des § 1 UWG begründenden Services von dem Verbot
erfasst wird."
173
An dieser Beurteilung sowohl der wettbewerblichen Eigenart des klägerischen
Porzellans "Alt Luxemburg" als auch der mit dem Inverkehrbringen des Geschirrs "Alt
Lüneburg" in der beanstandeten Aufmachung verbundenen Gefahr der betrieblichen
Herkunftsverwechslung hält der Senat auch angesichts der mit der Berufung der
Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgebrachten weiteren Einwände fest.
174
Es besteht namentlich kein Anlass zu einer abweichenden Beurteilung der
Verwechslungsgefahr, weil - wie die Beklagten dies aber unter Hinweis auf zahlreiche,
von ihnen im vorliegenden Verfahren noch zusätzlich vorgelegte Produktgestaltungen
des wettbewerblichen Umfeldes geltend machen - die wettbewerbliche Eigenart des
Klagegeschirrs "Alt Luxemburg" jedenfalls als derart schwach eingeschätzt werden
müsste, dass die bei der Gestaltung der Service "Alt Lüneburg" vorhandenen
Abweichungen ausreichten, um die Gefahr betrieblicher Herkunftsverwechslungen
eines mehr als nur unbeachtlichen Teils des angesprochenen Verkehrs
auszuschließen. Dabei kann es dahinstehen, ob die von den Beklagten zum hiesigen
Verfahren eingereichten verschiedenen Dekor- und Gestaltungsformen von
Porzellangeschirr, wie sie aus den Orginalprodukten gemäß Anlagen 1 bis 23 sowie
aus den Abbildungen gemäß Anlagenhefter zum Schriftsatz der Beklagten vom
17.11.1999 ersichtlich sind, dem Klagegeschirr sowohl hinsichtlich der Ausprägung der
einzelnen, dessen ästhetisches Erscheinungsbild prägenden Gestaltungselemente, als
auch in dem durch sie begründeten Gesamteindruck tatsächlich so nahe kommen, dass
sie die Eignung eben dieser, die optische Erscheinung des Klagegeschirrs
charakterisierenden Merkmale, als Herkunftshinweis zu dienen, zu beeinträchtigen
vermögen. Das ist deshalb nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, weil
jedenfalls schon nicht festgestellt werden kann, dass diese Drittprodukte im hier
maßgeblichen Zeitpunkt der wettbewerblichen Kollision der Parteien im August 1998,
zumindest aber im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, jeweils bereits in
einem Umfang auf den Markt gelangt waren, dass sie die Vorstellung des Verkehrs vom
Aussehen eines Porzellans relevant beeinflussen konnten. Allein die Behauptung der
Beklagten, die von ihnen angeführten Drittprodukte seien sämtlich "seit langem und in
erheblichem Umfang" auf dem Markt, lässt dies ohne die konkrete Darlegung der auf die
einzelnen Drittprodukte jeweils entfallenden, eine bestimmte Marktpräsenz
indizierenden - zudem in das Verhältnis zu der im hier fraglichen Marktsegment
erreichten Gesamtabsatzmenge zu setzende - Umsatzmenge und der ggf. entfalteten
175
Werbeintensität nicht erkennen. Der Senat hatte dabei auch angesichts des Umstandes,
dass in seinem in dem einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Urteil vom
27.08.1999 (vgl. dort S. 14, 2. Absatz) u.a. das Erfordernis eines derartigen konkreten
Vortrags bereits ausdrücklich Erwähnung gefunden hatte, keinen Anlass, die Beklagten
erneut auf die Notwendigkeit einer Substantiierung ihres Vortrages betreffend die
Marktpräsenz der hier fraglichen Produkte des wettbewerblichen Umfeldes hinzuweisen
und ihnen Gelegenheit zur entsprechenden Ergänzung ihres Vorbringens zu geben.
Ist somit auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten im vorliegenden
Rechtsstreit an der bereits in dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren
bzw. dem darin verkündeten Urteil des Senats zum Ausdruck gebrachten Wertung
festzuhalten, dass das Inverkehrbringen des Geschirrs "Alt Lüneburg" die objektiven
Voraussetzungen des Unlauterkeitstatbestandes der vermeidbaren betrieblichen
Herkunftstäuschung erfüllt, so gilt dies weiter auch hinsichtlich der in subjektiver
Hinsicht zu stellenden Anforderungen.
176
Zweifelsohne war den Beklagten das von der Klägerin bereits seit 1975 unter der
Bezeichnung "Alt Luxemburg" auf den Markt gebrachte Geschirr bereits bekannt, als der
Vertrieb des Geschirrs "Alt Lüneburg" aufgenommen wurde, wie dies nicht zuletzt der
Umstand offenbart, dass die Beklagten sich ihrem eigenen Vortrag nach bei der
Vergabe des Auftrages zur Herstellung des beanstandeten Geschirrs "Alt Lüneburg"
angeblich darum bemüht haben, einen ausreichenden Abstand zur Gestaltung eben
jenes Porzellans einzuhalten. Da jedoch die beanstandete Gestaltung des Geschirrs
"Alt Lüneburg" die charakteristische Gestaltung von "Alt Luxemburg" nicht nur
unverkennbar als Vorbild gewählt hat, sondern dessen Dekor und Formgebung - wie
aufgezeigt - in einem hohen Maße nachahmt, ist davon auszugehen, dass die Beklagten
bereits bei Beginn des Vertriebs des streitgegenständlichen Geschirrs "Alt Lüneburg" -
zudem in einem Zeitpunkt, als die Klägerin ihr Geschirr "Alt Luxemburg" in einer
besonderen Jubiläumsausgabe eigens bewarb und im Markt lancierte - mit der
Möglichkeit einer unlauteren Nachahmung des Klagemodells gerechnet oder sich
zumindest einer solchen Kenntnis bewusst verschlossen haben. Hinzu kommt, dass die
für das beanstandete Geschirr gewählte Bezeichnung "Alt Lüneburg" vom Klang- und
Wortbild her unverkennbar an die Bezeichnung "Alt Luxemburg" der Klägerin
angenähert ist. Daran ändern die von den Beklagten angeführten Beispiele nichts, in
denen zur Kennzeichnung verschiedener Porzellandekore Bezeichnungen verwendet
werden, die aus einem Städte- oder Gebietsnamen sowie dem diesem jeweils
vorangestellten Begriff "Alt" zusammengesetzt sind. Denn diese
Kennzeichnungsgepflogenheit erklärt es nicht, dass im Streitfall gerade die dem Begriff
"Luxemburg" zumindest bei flüchtiger Wahrnehmung und Aussprache in wortbildlicher
und klanglicher Hinsicht sehr nahekommende Bezeichnung "Lüneburg" in Kombination
mit "Alt" ausgewählt wurde. Dies alles würdigend handelten und handeln die Beklagten
daher subjektiv unlauter i.S. von § 1 UWG, weil sie nicht alle ihnen möglichen und
zumutbaren Maßnahmen getroffen haben, um der Gefahr einer Verwechslung der
Service "Alt Lüneburg" mit dem Klagegeschirr "Alt Luxemburg" ausreichend
entgegenzuwirken. Da keinerlei technische oder praktische Notwendigkeit besteht, das
streitgegenständliche Porzellan gerade in der hier zu beurteilenden Gestaltung auf den
Markt zu bringen, sondern dessen Dekor und Form ihre Ursache ausschließlich in dem
Bestreben finden, dem Geschirr eine möglichst ansprechende ästhetische Erscheinung
zu verleihen, standen und stehen den Beklagten zahlreiche andere, der optischen
Präsentation ihres Geschirrs und dessen Marktchancen in gleicher Weise zur Geltung
verhelfenden anderweitigen Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, auf die sie daher
177
- um der Gefahr der betrieblichen Herkunftsverwechslung zu entgehen - als mögliche
und zumutbare Alternativen zu verweisen sind.
Liegen somit insgesamt die Voraussetzungen des wettbewerblichen
Unlauterkeitstatbestandes der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung vor, ist
der daraus folgende Anspruch auf ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz im
Streitfall auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil - wie die Beklagten dies
einwenden - ein etwaiger aus den Sonderschutztatbeständen des Urheberrechts oder
des Geschmacksmusterrechts folgender Schutz der Gestaltung des klägerischen
Porzellans "Alt Luxemburg" jedenfalls wegen Ablaufs der insoweit einschlägigen
Schutzfristen nicht mehr in Betracht käme. Wegen der unterschiedlichen
Schutzgegenstände einerseits der Sonderschutztatbestände beispielsweise des
Urheber- und Geschmacksmustergesetzes und andererseits der Tatbestände des
wettbewerblichen Leistungsschutzes kommt eine derartige generelle zeitliche Befristung
des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes nicht in Betracht, und kann
dieser - so lange die wettbewerbliche Eigenart eines Erzeugnisses besteht und die
besonderen Unlauterkeitsumstände - insbesondere eine Herkunftstäuschung - noch
andauern daher selbst dann noch in Anspruch genommen werden, wenn ein etwa
bestandener Sonderrechtschutz wegen Ablaufs der einschlägigen Schutzfristen nicht
mehr gewährt werden kann (vgl. BGH GRUR 1999, 751/754 -"Güllepumpen"-; Erdmann
in: Festschrift für R. Vieregge, 1995, S. 197/207,215 f).
178
Dem auf § 1 UWG gestützten Unterlassungsverlangen der Klägerin steht schließlich
auch nicht der Verwirkungseinwand der Beklagten entgegen.
179
Die Verwirkung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs setzt voraus, dass
der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl er den
Verstoß kannte oder ihn bei gebotener Wahrung seiner Interessen erkennen musste, so
dass der Verpflichtete mit der Duldung seines Verhaltens durch den etwaigen
Berechtigten rechnen durfte und sich daraufhin einen wertvollen Besitzstand geschaffen
hat. Dabei muss ein Zustand geschaffen worden sein, der für den Benutzer einen
beachtlichen Wert hat, ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den auch
der Verletzte ihm nicht streitig machen kann, wenn er durch sein Verhalten diesen
Zustand erst ermöglicht hat (Köhler/Piper, UWG, vor § 13 Rdn. 97 m.w.N.).
180
Dass nach diesen Maßstäben eine Verwirkung in den "Personen" der Beklagten
eingetreten sei, weil die Klägerin deren Wettbewerbsverstoß kannte oder ihn hätte
kennen müssen und auch die anderen dargestellten Voraussetzungen der Verwirkung -
bezogen allein auf die Beklagten - vorliegen, ist nicht festzustellen. Soweit die
Beklagten den Verwirkungseinwand auf ihre in den Jahren 1995 und 1996 betriebenen
Pilotverkäufe des streitgegenständlichen "Alt Lüneburg"-Geschirrs bzw. das
Untätigbleiben der Klägerin in bezug auf diese Verkaufsaktionen gründen wollen,
vermag das die Annahme der Verwirkung des im vorliegenden Verfahren geltend
gemachten Unterlassungsanspruchs nicht zu rechtfertigen. Das gilt bereits deshalb, weil
nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin überhaupt positive Kenntnis von diesen
Verkaufsaktionen hatte oder aber diese hätte haben müssen. Denn zum einen wiesen
die genannten Aktionen räumlich und zeitlich nur einen verhältnismäßig begrenzten
Umfang auf. Zum anderen zählten und zählen die Beklagten nicht zu den regelmäßigen
Konkurrenten der Klägerin, so dass deren Aktivitäten im Grundsatz nicht in den Markt
einzubeziehen waren, den die Klägerin ggf. ohne weiteres in ihre Beobachtungen
einbeziehen musste. Dass zu den damaligen Zeitpunkten in den Jahren 1995 und 1996
181
aber bereits auf Seiten der Klägerin ein konkreter Anlass bestanden hätte, auf das
Angebots- und Verkaufsverhalten der Beklagten zu 2) und zu 3) zu achten, ist nicht
ersichtlich. Vor diesem Hintergrund durften die Beklagten aber aufgrund der schlichten
Untätigkeit der Klägerin gegenüber den in den Jahren 1995 und 1996 durchgeführten
Testverkaufsaktionen nicht damit rechnen, dass die Klägerin den künftigen, sodann in
1998 einsetzenden Vertrieb des Porzellans in der streitgegenständlichen Aufmachung
"Alt Lüneburg" dulden werde, so dass der Verwirkungseinwand schon aus diesem
Grund, nämlich mangels des dafür vorauszusetzenden Vertrauenstatbestandes,
scheitert. Im Ergebnis Gleiches gilt, soweit die Beklagten die geltend gemachte
Verwirkung aus dem Untätigbleiben der Klägerin gegenüber den Produkten des
wettbewerblichen Umfeldes, namentlich gegenüber dem Service "Granica" der Fa. W.,
herleiten wollen. Mit Ausnahme bestimmter, hier jedoch eindeutig nicht vorliegender
Fallkonstellationen kann der aus § 242 BGB herzuleitende Verwirkungseinwand nur
von demjenigen geltend gemacht werden, in dessen Person die Voraussetzungen der
Verwirkung vorliegen ( vgl. Köhler in: Großkomm-UWG, Vor § 13 Abschnitt B Rdn. 484;
Köhler/Piper, a.a.O., Vor § 13 Rdn. 115 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Aus diesem
Grund lässt sich daher aus dem Verhalten der Klägerin gegenüber Dritten eine für den
Erfolg des Verwirkungseinwandes vorauszusetzende Rechtsposition der Beklagten
nicht begründen.
Was schließlich die Passivlegitimation der Beklagten angeht, so ist neben den
Beklagten zu 2) und zu 3), die das streitgegenständliche Geschirr "Alt Lüneburg" über
den Bestellservice und in T.-Filialen selbst in den Verkehr gebracht haben, auch die
Beklagte zu 1) zur Unterlassung verpflichtet. Dabei kann es dahinstehen, inwiefern die
Beklagte als Holdinggesellschaft generell eine Haftung für Wettbewerbsverstöße der
konzernzugehörigen Unternehmen trifft, deren Gesellschaftsanteile und Aktien sie
verwaltet. Das kann hier deshalb offen bleiben, weil eine solche Haftung jedenfalls in
den Fällen eingreift, wo sie trotz Kenntnis eines klaren Wettbewerbsverstoßes dieser
Unternehmen untätig bleibt, obwohl sie die Möglichkeit der Einflussnahme auf diese
Gesellschaften hat, um das wettbewerbswidrige Verhalten zu unterbinden. So liegt die
Sache aber hier: Denn die Beklagte zu 1) als mit der Leitung des Konzerns und der
Verwaltung des Kapitals der konzernzugehörigen Unternehmen befasste Holding
verfügt über die Einflussmöglichkeit, den Beklagten zu 2) und zu 3) ein bestimmtes
betriebliches Verhalten im Zusammenhang mit dem Angebot und Vertrieb der Produkte
des "Neben-Sortiments" abzuverlangen und dieses zu kontrollieren. Dabei ist weiter
davon auszugehen, dass sie aufgrund der in 1995 und 1996 durchgeführten, dem
eigentlichen Vertrieb vorgeschalteten Testverkaufsaktionen Kenntnis davon hatte, dass
das streitgegenständliche Porzellan künftig im Rahmen des Bestellservices und in den
T.-Verkaufsfilialen vertrieben werden sollte, worin aus den bereits dargestellten
Gründen ein klarer Wettbewerbsverstoß der Beklagten zu 2) und zu 3) zu sehen ist.
182
II. Vermögen die Beklagten mit ihrem Rechtsmittel folglich nicht durchzudringen, soweit
dieses sich gegen die Unterlassungsverpflichtung wendet, ist die Berufung indessen
teilweise erfolgreich, soweit sich die Beklagten damit gegen die Feststellung der
Schadensersatzverpflichtung sowie die Verurteilung zur Auskunft und
Rechnungslegung wenden und hierüber nach der übereinstimmenden Teilerledigung
der Auskunftsklage noch zu befinden war.
183
Nach der Lebenserfahrung ist es wahrscheinlich, dass die in Rede stehende
Verletzungshandlung in der Vergangenheit zu einem Schaden der Klägerin geführt hat
und bei Fortsetzung des Wettbewerbsverstoßes auch zukünftig weiterhin führen wird,
184
weil der Verkehr der aufgezeigten Verwechslungsgefahr unterliegt. Dem liegt dabei
auch ein schuldhaftes Verhalten der Beklagen zugrunde. Denn den Beklagten war die
Gestaltung des Klagegeschirrs "Alt Luxemburg" bei Aufnahme des Vertriebs des
beanstandeten Geschirrs "Alt Lüneburg" im August 1998 bereits bekannt. Wenn sie
dennoch ein Geschirr auf den Markt brachten bzw. bringen ließen, das wie im
vorliegenden Fall in einem hohen Maße die Gefahr von Herkunftstäuschungen mit dem
erwähnten Klagegeschirr begründet, obwohl diese Gefahr ohne weiteres hätte
verhindert werden können, handelten die Beklagten zumindest fahrlässig.
Die Klägerin kann danach weiter gemäß § 242 BGB zur Vorbereitung eines - ggf. auch
in Form der Herausgabe des Verletzergewinns oder im Wege der Lizenzanalogie zu
berechnenden (vgl. BGH GRUR 1993, 757/759 f -"Kollektion Holiday"-) - bezifferten
Schadensersatzanspruchs Auskunft und Rechnungslegung verlangen, wozu neben der
Angabe der Verletzerumsätze u.a. auch die Angaben über Einkaufspreise,
Einkaufszeiten sowie Gestehungskosten zählen, die der Berechnung eines
Schadensersatzanspruchs in Form der Herausgabe des Verletzergewinns dienen;
geschuldet sind danach grundsätzlich ferner Informationen über Namen und Anschriften
gewerblicher Abnehmer und von Vorlieferanten sowie über Art und Umfang der
betriebenen Werbung, die dem Verletzten Kenntnis vom Umfang der
Wettbewerbsverletzung verschaffen bzw. der Vorbereitung eines Hauptanspruchs
gegen Dritte dienen sollen (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage,
38. Kapitel, Rdn. 15 und 17; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 402 a zu § 1 UWG -
jeweils m.w.N.).
185
Allerdings kann die Klägerin Auskunft nebst Rechnungslegung sowie die Feststellung
der Schadensersatzpflicht erst ab dem 01.08.1998 verlangen. Denn der
Auskunftsanspruch, der - wie im Streitfall - u.a. den Schadensersatzanspruch des
Verletzten vorbereiten soll, setzt voraus, dass dieser Schadensersatzanspruch bereits
dem Grunde nach besteht, wozu insbesondere auch das Vorliegen einer schädigenden
Handlung gehört. Folglich kann - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen
abgesehen - Auskunft und Schadensersatz erst ab dem Zeitpunkt der ersten bekannten
Verletzungshandlung gefordert werden (vgl. Teplitzky, a.a.O., 38. Kapitel, Rdn. 7
m.w.N.). Mangels anderer greifbarer Anhaltspunkte ist dieser Zeitpunkt im Streitfall auf
die Aufnahme des Geschirrs "Alt Lüneburg" in das T. Bestell-Magazin aus August 1998
zu datieren, mit dem das im vorliegenden Rechtsstreit angegriffene Angebot und der
Vertrieb des genannten Porzellans begonnen wurde.
186
Eine weitergehende zeitliche Beschränkung der Ansprüche auf Auskunft und
Rechnungslegung sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht ist indessen nicht
gerechtfertigt. Die beklagtenseits insoweit erhobene Einrede der Verjährung greift nicht
durch. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bereits vor dem Datum des
24.08.1998 positive Kenntnis der Verletzungshandlung hatte. Soweit die Beklagten eine
frühere Kenntnis der Klägerin aus den im Jahre 1995 und 1996 durchgeführten
Testverkaufsaktionen herleiten will, überzeugt das aus den im Zusammenhang mit der
Erörterung des Verwirkungseinwandes bereits dargestellten Gründen nicht.
Entsprechendes gilt im Hinblick auf den Einwand der Beklagten, aus dem Verhalten des
Geschäftsführers des Verbandes der Keramischen Industrie (VKI), des Herrn F.,
gegenüber dem Vorstand der W. Porzellan Aktiengesellschaft sei darauf zu schließen,
dass der Vorstand Wendelin von Boch der Klägerin bereits Ende 1997 Kenntnis davon
gehabt habe, dass die Beklagten ein Geschirr in dem jetzt in Rede stehenden Dekor "Alt
Lüneburg" in den Verkehr bringen wollen. Denn unabhängig davon, dass die Beklagten
187
diese Schlussfolgerung nicht durch den Vortrag konkreter, die tatsächliche Kenntnis des
Vorstandes der Klägerin indizierende Tatsachen zu erhärten vermochten, steht dem vor
allem entgegen, dass das streitbefangene Dekor "Alt Lüneburg", für dessen Produktion
die Beklagten Unternehmen der Porzellanherstellung angeschrieben hatten, in den
Ausschreibungsunterlagen mit der Bezeichnung "Blume in Blau" benannt worden war.
Inwiefern der Vorstand der Klägerin, die im übrigen von den Beklagten nicht
angeschrieben worden war, vor diesem Hintergrund bereits zum damaligen Zeitpunkt
Kenntnis davon erlangt haben soll, dass das Geschirr gerade in der hier fraglichen
Ausstattung in den Verkehr gebracht werden würde, ist nicht zu erkennen.
Ist nach alledem aber nicht festzustellen, dass die Klägerin bereits vor dem 24.08.1998
positive Kenntnis der Verletzungshandlung hatte, unterbrach die am 24.09.1998
erhobene Hauptsacheklage die maßgebliche sechsmonatige Verjährungsfrist des § 21
UWG rechtzeitig und kann die Klägerin daher - lediglich beschränkt auf den Zeitpunkt
der ersten bekannten Verletzungshandlung - im noch geltend gemachten Umfang
Auskunft und Rechnungslegung sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht
verlangen.
188
Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 92 Abs. 1, 91 a ZPO.
189
Danach hat die Klägerin nicht nur wegen der die Annexansprüche betreffende
Teilklageabweisung einen kleinen Teil der Kosten zu tragen, sondern ist sie auch
anteilig mit den Kosten des teilweise übereinstimmend in der Hauptsache zur
Erledigung gebrachten Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens zu belasten. Unter
Berücksichtigung des bis zur übereinstimmenden Erledigung gegebenen Sach- und
Streitstandes entspricht diese Kostenverteilung billigem Ermessen, weil die Klägerin
ohne die übereinstimmende Erledigung insoweit aller Voraussicht nach mit ihrem
Auskunftsverlangen unterlegen wäre. Denn die Beklagte hatte bereits in erster Instanz
die mit dem Auskunftsbegehren geforderten Informationen betreffend die Vorlieferantin
mit Schriftsätzen vom 05.10.1998 und vom 24.11.1998 (Bl. 41 und Bl. 64 d.A.) mitgeteilt.
Die sich aus dem T. Bestell-Magazin der Beklagten zu 2) und aus dem Einkaufsbeleg
über den Testkauf am 24.08.1998 ergebenden Verkaufspreise waren der Klägerin dabei
ebenso wie der Verkaufszeitraum schon aus dem vorangegangen einstweiligen
Verfügungsverfahren bekannt. Dies würdigend war die Auskunftsklage hinsichtlich der
genannten Umstände daher bereits in erster Instanz unbegründet, was es rechtfertigt,
die Klägerin diesbezüglich mit den Kosten zu belasten.
190
Soweit die Klägerin den Unterlassungsantrag in der Berufung umformuliert hat, bestand
indessen kein Anlass für eine Kostenbelastung der Klägerin. Denn diese
Umformulierung bewirkte lediglich eine Anpassung an die von Anfang an zur
Unterlassung begehrte konkrete Verletzungshandlung der Beklagten, ohne dass damit
eine sachliche Reduzierung des Unterlassungsbegehrens verbunden war.
191
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
192
Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert sich am Wert des
jeweiligen Unterliegens der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit.
193
Streitwert der Berufung: bis zur mündlichen Verhandlung am
194
26.11.1999: 600.000,00 DM,
195
danach: 575.000.- DM.
196