Urteil des OLG Köln vom 05.07.1993

OLG Köln (aufklärung, risiko, kenntnis, kommission, klinik, gutachten, aufklärungspflicht, schaden, behandlungsfehler, injektion)

Oberlandesgericht Köln, 27 U 14/93
Datum:
05.07.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 14/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 365/91
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Dezember 1992
verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O
365/91 - wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung trägt die
Klägerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Das Landgericht hat mit Recht einen Behandlungs-fehler des Beklagten für nicht
bewiesen erachtet und die hierauf gestützte Klage abgewiesen. Die Gründe des
angefochtenen Urteils treffen zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der
Senat hierauf gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug und sieht von der erneuten
Darstellung der Gründe ab. Die Beru-fungsbegründung gibt insoweit zu einer
anderen, der Klägerin günstigeren Beurteilung keinen Anlaß.
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Die Klägerin kann die Klage auch nicht mit Erfolg auf die Behauptung stützen, die
Injektion sei man-gels Aufklärung über deren Risiko rechtswidrig ge-wesen.
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Über das mit einer Injektion in das Schultergelenk verbundene Risiko einer
Versteifung des Schulter-gelenks ist allerdings aufzuklären. Es gehört zu den
bekannten Gefahren einer intraartikulären In-jektion in das Schultergelenk mit
cortisonhaltigen Mitteln, daß es in seltenen Fällen zu einer Infek-tion im
Schultergelenk kommt, die nicht immer voll beherrschbar ist und dann im Ergebnis zu
einer Versteifung des Schultergelenks führen kann (BGHZ 106, 391, 394, 395; OLG
Hamm VersR 1992, 610).
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Daß der Beklagte die Klägerin aufgeklärt hat, be-hauptet er substantiiert selbst nicht.
Er verweist hierzu lediglich auf das Gutachten der Gutachter-kommission für ärztliche
Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein vom 17. April 1990. Die
Kommission nimmt darin Bezug auf ein Schreiben der Bevollmächtigten der Klägerin
vom 24. Februar 1988 an den Beklagten, dem zu entnehmen sei, daß die Klägerin
darüber aufgeklärt worden sei, es könne eine Infektion unter 100 Fällen vielleicht
einmal vorkommen. Abgesehen davon, daß diese Aufklärung ohne den Hinweis auf
das Risiko einer Schulterge-lenkversteifung unzureichend war (BGHZ 106, 395), hat
die Klägerin oder ihr Bevollmächtigter den Be-scheid dahin kommentiert, dies habe
der nachbehan-delnde Arzt Dr. B. erklärt. In der Behandlungskar-tei des Beklagten
betreffend die Klägerin ist die Aufklärung nicht dokumentiert, so daß mangels an-
derer Beweisantritte davon auszugehen ist, daß der Beklagte sie nicht, sie jedenfalls
nicht ausrei-chend vorgenommen hat.
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Doch hat die Klägerin nicht bewiesen, daß der infolge der mangelhaften Aufklärung
rechtswidrige Eingriff für ihre Gesundheitsschädigung ursächlich war. Nach dem
Bescheid der Gutachterkommission ist es wegen der langen Latenzzeit
unwahrscheinlich, daß die Infektion auf der intraartikulären Injek-tion vom 07.05.1987
beruht, und kann dies nicht mehr mit ausreichender Sicherheit gesagt werden.
Klinisch und röntgenologisch lagen am 7. Juli 1987 noch keine Hinweise auf eine
eitrige Entzündung des Schultergelenks vor. Lediglich die Blutsen-
kungsgeschwindigkeit war mit 50/70 deutlich be-schleunigt, was auch durch andere
Ursachen bewirkt sein konnte.
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Das Landgericht hat das Gutachten mit Recht im We-ge des Urkundenbeweises
verwertet. Da die Klägerin nicht die mangelnde Sachkunde des Gutachters be-
anstandet, sieht der Senat keinen Anlaß, ein wei-teres Gutachten einzuholen. Daß
der Beklagte der Klägerin ein Cortison-Präparat injiziert hat, hat die Kommission bei
ihrem Bescheid vom 17. April 1990 ebenso berücksichtigt wie die Tatsache, daß die
Klägerin unter weiter bestehenden Gelenk-schmerzen und zunehmender
Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes litt und deshalb am 9. Juli 1987 in
die berufsgenossenschaftliche Krankenan-stalt B. in B. eingewiesen worden ist.
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Der Anspruch aus unerlaubter Handlung ist, soweit er auf ein Aufklärungsversäumnis
gestützt wird, zudem gemäß § 852 BGB verjährt. Auf die Einrede der Verjährung hat
sich der Beklagte ausdrück-lich berufen. Nach § 852 Abs. 1 BGB verjährt der
Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens in
drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Geschädigte von dem Schaden
und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. Bei der Arzthaftung wegen
Verletzung der Aufklärungspflicht ist für den Ver-jährungsbeginn die Kenntnis des
Patienten von den Tatsachen erforderlich, aus denen sich die Notwen-digkeit einer
Aufklärung ergibt (BGH VersR 1976, 293). Dementsprechend reicht es nicht aus, daß
die Klägerin alsbald wußte, daß die Injektion ohne vorherige Aufklärung erfolgt war
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und - nach ihrem Vortrag - bei ihr zu einem Schaden geführt hatte. Erforderlich war
darüber hinaus ihr Wissen darüber, daß die eingetretene Komplikation ein dem
Eingriff eigentümliches Risiko und nicht nur ein nicht voraussehbarer, ganz
unglücklicher Zufall war (OLG Köln VersR 1988, 744, 745; OLG Düsseldorf VersR
1986, 1193, 1194). Diese Kenntnis hat sie erst während ihres Aufenthaltes in der
Klinik B. vom 17. Juli bis zum 16. September 1987 erlangt. Wie sie in der mündlichen
Verhandlung vor dem Se-nat auf Befragen mitgeteilt hat, hätten die Ärzte in der Klinik
B. sie darüber informiert, daß die Gelenkinfektion von außen verursacht worden sein
müßte, etwa durch einen Unfall oder eine Spritze, nicht aber von innen her durch
Übertragung von anderen entzündeten Körperteilen. Sie habe auch nicht an
entzündeten Körperteilen gelitten. Dieser Verdacht habe sich erhärtet, als sie habe
zugeben müssen, daß der Beklagte die Spritze gegeben habe, ohne sich die Hände
zu waschen und die Einstich-stellen zu desinfizieren. Danach ist sie während ihres
Aufenthaltes in der Klinik B. darauf hinge-wiesen worden, daß auch die
ordnungsgemäße Injek-tion in das Gelenk mit dem Risiko einer Gelenk-entzündung
verbunden war. Das reicht aus, um die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen, da zu der
zu fordernden Kenntnis nicht die Kenntnis möglicher schwerer Auswirkungen des
Eingriffs für die Zu-kunft gehört (BGH AHRS 0600/9).
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Die folglich spätestens ab 16. September 1987 beginnende Verjährungsfrist ist mit
dem Antrag der Klägerin an die Gutachterkommission vom 29. Juli 1988 bis zu deren
Bescheid vom 17. April 1990 gehemmt gewesen (BGH VersR 1983, 690). Dem steht
nicht entgegen, daß die Kommission nur für ärztli-che Behandlungsfehler zuständig
ist, nicht für die Verletzung der Aufklärungspflicht. Es wäre nicht sachgerecht,
deshalb eine Verjährungshemmung des aus verletzter Aufklärungspflicht
hergeleiteten Ersatzanspruchs, anders als des Anspruchs wegen eines
Behandlungsfehlers, abzulehnen. Dies würde dem beiden Parteien dienenden
Zweck zuwiderlaufen, zunächst das Verfahren vor der Gutachterkommission
abzuwarten und den Patienten nicht zu zwingen, während der Dauer dieses
Verfahrens Klage gegen den Arzt zu erheben (OLG Köln, VersR 1988, 745).
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Die Klage ist zwar dann am 14. Oktober 1991, also rechtzeitig erhoben worden.
Richtigerweise ist aber darauf abzustellen, daß erstmals in der Beru-
fungsbegründung die Klage auf das Aufklärungsver-säumnis gestützt wird. Denn die
Unterbrechungswir-kung nach § 209 BGB tritt nur für den jeweils gel-tend gemachten
Anspruch, d.h. für den Streitgegen-stand der erhobenen Klage ein (BGH NJW 1988,
965). Wenn auch die Klägerin ihren Schaden nur einmal ersetzt verlangen kann, ist
der Lebenssachverhalt der auf ein auf ein Aufklärungsversäumnis gestütz-ten Klage
indessen ein anderer als die mit einem Behandlungsfehler begründete Klage. Die
Berufungs-begründung ist dem Beklagten am 8. März 1993, also erst nach Ablauf der
dreijährigen Verjährungs-frist, zugestellt worden.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.000,00 DM.
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Beschwer der Klägerin: unter 60.000,00 DM.
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