Urteil des OLG Köln vom 30.03.1998

OLG Köln (treu und glauben, verwalter, verhältnis zu, eigentümer, abrechnung, zustimmung, wasser, kostenverteilung, vereinbarung, abänderung)

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 56/98
Datum:
30.03.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 56/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 26o/97
Schlagworte:
Änderung des Verteilungsschlüssels hinsichtlich der Wasserabrechnung
Normen:
WEG § 16 Abs. 2
Leitsätze:
Sind in sämtlichen Wohnungen und Gewerbeeinheiten einer
Wohnungseigentumsanlage von Anfang an Meßgeräte zur Erfassung
des Wasserverbrauchs installiert, sieht aber die Teilungsordnung, die
bereits vor der Bauausführung errichtet worden war, eine Abrechnung
der Wasserkosten nach der Personenzahl vor, die sich insbesondere in
den Gewerbeeinheiten nur schwierig ermitteln läßt, so besteht ein
Anspruch auf Änderung der Teilungsordnung dahin, daß das Wasser
künftig nach den Zählerständen der Wasseruhren abzurechnen sei.
Tenor:
Die weitere sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den
Beschluß des Landgerichts Köln vom 15.1.98 - 29 T 260/97 - wird
zurückgewiesen. Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
trägt der Beteiligte zu 1). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird
nicht angeordnet. Der Geschäftswert für das
Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000,- DM festgesetzt.
GRÜNDE:
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Der Beteiligte zu 1) ist ein Teileigentümer und der frühere Verwalter der eingangs
genannten Wohnanlage. Der Beteiligte zu 2) ist seit dem 1.1.96 der Verwalter der
Eigentümergemeinschaft, der in Verfahrensstandschaft der übrigen Wohnungs- und
Teileigentümer das Verfahren betreibt.
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Durch Teilungserklärung (TE) vom 18.1.1984 hatte der damalige Eigentümer das
vorbezeichnete Grundstück, auf dem ein Mehrfamilienhaus mit 1o Wohnungen und 6
Gewerbeeinheiten steht, in Wohnungseigentums- bzw. Teileigentumsrechte gleicher
Anzahl aufgeteilt. In § 14 Nr. 2 der TE wurde festgelegt, daß die Kosten der
Wasserversorgung einschließlich der zentralen Warmwasseraufbereitung, der
Müllabfuhr und der Abwasserbeseitigung aufgrund der durch den Verwalter jährlich
festzustellenden Zahl der Hausbewohner aufgeteilt und auf die Wohnungseigentümer
entsprechend der jeweiligen Personenzahl umgelegt werden sollen. In der Folgezeit
wurden mit Ausnahme einer Gewerbeeinheit, die erst 1994 umgerüstet wurde, die
Wohnungs- und Teileigentumseinheiten mit Wasseruhren zur Messung des
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Frischwasserbezuges ausgestattet. Die Eigentümergemeinschaft entstand 1985. Von
diesem Zeitpunkt an wurden vom Beteiligten zu 1), der bis zu seiner Abwahl im Jahr
1995 zugleich Verwalter der Eigentümergemeinschaft war, die Kosten des
Frischwassers ebenso wie die des Abwassers unter Berücksichtigung des jeweils
gemessenen Verbrauchs umgelegt. Im Objekt befinden sich folgende Gewerbebetriebe:
eine Arztpraxis, ein Supermarkt, eine Kampfsportschule, ein Blumenladen und die
Volksbank. Der Beteiligte zu 1) ist Eigentümer der Räumlichkeiten, in denen die 3
letzteren Betriebe untergebracht sind. Entsprechend dieser Praxis hatte auch der
Beteiligte zu 2) als derzeitiger Verwalter im Rahmen der Abrechnung für das
Wirtschaftsjahr 1995 die Wasserkosten aufgrund der jeweiligen Verbrauchsmessungen
umgelegt.
Auf den Antrag des Beteiligten zu 1) wurde indes der entsprechende Beschluß der
Eigentümergemeinschaft durch das Amtsgericht bestandskräftig für ungültig erklärt (2o2
II 191/96 AG Köln). Daraufhin hat der Beteiligte zu 2) sämtliche Eigentümer der
Gemeinschaft gebeten, einer Änderung des Verteilungsschlüssels hinsichtlich der
Wasserkosten nach den Zählerständen der Wasseruhren zuzustimmen, was auch alle
Eigentümer bis auf den Beteiligten zu 1) schriftlich getan haben. Durch einstimmigen
Beschluß der Eigentümergemeinschaft vom 5.5.97 wurde daraufhin der Beteiligte zu 2)
ermächtigt, im eigenen Namen den Beteiligten zu 1) gerichtlich auf Zustimmung zur
Änderung des Kostenverteilungsschlüsssels in Anspruch zu nehmen.
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Durch Beschluß vom 28.8.97 verpflichtete das Amtsgericht auf den Antrag des
Beteiligten zu 2) den Beteiligten zu 1) antragsgemäß, einer Änderung des
Verteilungschlüssels hinsichtlich der Wasserkosten im Rahmen der Abrechnungen der
Eigentümergemeinschaft nach den Zählerständen der Wasseruhren zuzustimmen. Die
dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Landgericht
durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen.
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Die hiergegen form- und fristgerecht eingelegte weitere sofortige Beschwerde des
Beteiligten zu 1) ist zulässig (§§ 43 Abs.1 Nr.1, 45 Abs.1 WEG, 2o, 22 Abs.1, 27, 29
FGG). In der Sache hat sie keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des
Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes, was allein Gegenstand
der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren ist (§ 27 FGG).
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Das Landgericht hat - wie schon zuvor das Amtsgericht - angenommen, daß das
Festhalten des Beteiligten zu 1) an dem in der Teilungserklärung für den Wasser- und
Abwasserverbrauch festgelegten Kostenverteilungschlüssel einen Verstoß gegen Treu
und Glauben darstellt, und zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen
ausgeführt: Eine Kostenverteilung nach Personenzahl sei unpraktikabel und deshalb
von Anfang an verfehlt und unzweckmäßig gewesen im Hinblick auf die in der Anlage
befindlichen Gewerbeeinheiten und insbesondere die Kampfsportschule des Beteiligten
zu 1), in der über 1oo Mitglieder organisiert sind. Angemessen sei die Umlegung der
Wasserkosten nach dem tatsächlichen Verbrauch, was umso mehr gelte, als die dafür
erforderlichen Meßeinrichtungen bereits vorhanden sind. Außerdem sei auch der
Beteiligte zu 1) als ehemaliger Verwalter selbst jahrelang so verfahren. Warum
schließlich eine verbrauchsabhängige Kostenverteilung zu Ungerechtigkeiten führe, sei
weder vom Beteiligten zu 1) dargelegt noch ersichtlich.
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Die Erwägungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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Insbesondere ist der rechtliche Ausgangspunkt zutreffend. Hinsichtlich der Wasser- und
Abwasserkosten ist in der Teilungserklärung der Verteilungsschlüssel abweichend von
~ 16 Abs.2 WEG (= Umlegung nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile) und mithin
durch eine Vereinbarung festgelegt (§§ 8 Abs. 2 S.1, 1o Abs.1 S.2 WEG). Eine
Abänderung dieser Vereinbarung kann daher, da in der Teilungserklärung eine
Abänderung durch Mehrheitsbeschluß nicht vorgesehen ist, nur wiederum durch eine
Vereinbarung erfolgen, der alle Wohnungseigentümer zustimmen müssen (vgl. BGH
NJW 95, 2791; Senat in NJW-RR 93, 844). Da hier (nur) der Beteiligte zu 1) seine
Zustimmung zur begehrten Abänderung verweigert, können die übrigen
Wohnungseigentümer diesen im Verfahren gemäß § 43 WEG auf Erteilung der
Zustimmung in Anspruch nehmen. Zur Zustimmung ist der Beteiligte zu 1) aus dem
unter den Wohnungseigentümern bestehenden Treueverhältnis nach allgemeiner
Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum dann verpflichtet, wenn die Versagung der
Zustimmung wegen außergewöhnlicher Umstände grob unbillig wäre, und damit ein
Festhalten an der Vereinbarung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstieße (vgl.
BGH aaO; Senat in FGPrax 95, 1o5 = NJW-RR 95, 973 und WuM 96, 446 mwN;
BayObLG WuM 96, 486 und NJW-RR 95, 529; KG NJW-RR 94, 525 = ZMR 94, 168;
OLG Schleswig WuM 96, 785; OLG Hamburg FGPrax 95, 31; Weitnauer/Lüke WEG, 8.
Aufl., § 1o Rdnr. 52; Pick in Bärmann/Pick/Merle WEG, 7.Aufl., Rdnr. 42;
Palandt/Bassenge, 56. Aufl., WEG § 1o Rdnr. 2o). Die Voraussetzungen können
insbesondere vorliegen, wenn sich eine getroffene Regelung als von Anfang an verfehlt
oder unzweckmäßig erweist, etwa weil sie zu wenig auf die Besonderheiten der
jeweiligen Eigentümergemeinschaft abgestimmt ist (BGH NJW 85, 2832 = WuM 85, 354;
KG NJW-RR 91, 1169 = WuM 91, 366; BayObLGZ 91, 396, 398 = WuM 92, 83; OLG
Hamburg aaO; Palandt aaO).
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Das haben die Vorinstanzen zutreffend bejaht. Zum Zeitpunkt der Erstellung der TE
waren in der Anlage keine Meßgeräte zur Erfassung des Wasserverbrauchs installiert,
ebensowenig war zu diesem Zeitpunkt eine Ausstattung der Einheiten mit Wasseruhren
geplant gewesen. Die Meßgeräte sind erst mit Beginn der Eigentümergemeinschaft im
Jahre 1985 angeschafft und installiert worden. Offensichtlich hatte sich die
Eigentümergemeinschaft entschlossen, die Wasserkosten anhand des jeweiligen
exakten Verbrauchs umzulegen und dadurch den in der TE festgelegten
Kostenverteilungsschlüssel nicht anzuwenden. Die Gründe für die auch jahrelang so
praktizierte Abrechnung lagen auf der Hand: Die Kostenverteilung nach Personenzahl
ist ungenau und im übrigen in der Anlage wegen der darin untergebrachten
Gewerbeeinheiten verfehlt und unzweckmäßig. Nicht einfach zu beurteilen ist bereits
die Frage, wer bei diesen Einheiten jeweils zu den "Hausbewohnern" zählen soll.
Sodann wären die jeweiligen Angaben der Eigentümer zu dieser Personenzahl der
Teileigentumseinheiten vom Verwalter - wenn überhaupt - nur sehr schwer
kontrollierbar. Schließlich aber ist auch die Höhe des Wassserverbrauchs in den
verschiedenen Gewerbebetrieben nicht abhängig von der maßgeblichen Personenzahl,
was unschwer der Vergleich etwa der Kampfsportschule mit der Arztpraxis zeigt: Der
Wasserverbrauch ist in der Kampfsportschule pro Person wegen der Duschgelegenheit
nach dem Training ungleich höher als etwa der in der Arztpraxis. Mit der Personenzahl
ist deshalb in der Anlage eine auch nur annähernd angemessene Erfassung und
Verteilung der Wasserkosten nicht zu erreichen. Angemessen ist demgegenüber - wie
das Landgericht zutreffend angenommen hat - gerade die verbrauchsabhängige
Abrechnung, die zudem geeignet ist, den sparsamen Umgang mit Frischwasser zu
fördern.
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Darüberhinaus war der angestrebte Verteilungsschlüssel bereits über 9 Jahre
unbeanstandet praktiziert worden, wobei der Beteiligte zu 1) nicht etwa nur als einer der
Mitglieder der Eigentümergemeinschaft die Abrechnung der Wasserkosten nach dem
tatsächlichen Verbrauch jahrelang hingenommen sondern selbst auch die jeweiligen
Abrechnungen als damaliger Verwalter und damit bewußt abweichend von der TE
erstellt hatte. Weil schließlich die Meßgeräte bereits installiert sind, hat es das
Landgericht rechtsfehlerfrei als grob treuwidrig angesehen, wenn sich der Beteiligte zu
1) nunmehr nach seiner Abwahl als Verwalter dem Verlangen aller übriger Eigentümer
widersetzt, zumal dafür ein nachvollziehbarer und verständiger Grund nicht dargelegt
oder ersichtlich ist. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, daß ihn die nach
dem tatsächlichen Verbrauch erfolgende Abrechnung der Frischwasser- und
Abwasserkosten mit höheren Kosten belastet. Gleichwohl könnte nicht davon
gesprochen werden, daß der Beteiligte zu 1) dadurch bei der verbrauchsabhängigen
Kostenverteilung - wie erforderlich (BGH NJW 85, 2833 mwN) -"unbillig" benachteiligt
würde. Solche Unbilligkeit läge nur dann vor, wenn die auf den Beteiligten zu 1)
entfallenden Kosten nicht in einem vertretbaren Verhältnis zu den durch sein
Wohnungseigentum verursachten Kosten stehen (vgl. BayObLG WuM 92,83). Das ist
indes ersichtlich nicht der Fall. Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1) brauchte es
deshalb keiner Darlegung einer - wenn überhaupt möglichen - vergleichsweisen
detaillierten Kostenaufstellung, in welchem Umfang durch die begehrte Änderung eine
"gerechtere" Verteilung der Kosten ermöglicht und eine Benachteiligung des Beteiligten
zu 1) vermieden wird.
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Der Senat ist sonach mit den Vorinstanzen der Meinung, daß angesichts der
besonderen Umstände in der Eigentumsanlage eine Änderung der Teilungserklärung
hinsichtlich des Abrechnungsmodus der Wasser- und Abwasserkosten dringend
geboten und deshalb der Beteiligte zu 1) verpflichtet ist, der begehrten Abänderung des
Verteilungsschlüssels zuzustimmen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dem
unterlegenen Beteiligten zu 1) die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz
aufzuerlegen (§ 47 S. 1 WEG). Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher
Kosten bestand hingegen deshalb kein Anlaß, weil der Senat den Beteiligten zu 2)
wegen der von vorneherein fehlenden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels am
Rechtsbeschwerdeverfahren gar nicht erst beteiligt hat.
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Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der von den
Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung der Vorinstanzen.
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