Urteil des OLG Köln vom 16.04.1993

OLG Köln (verkauf, anzeige, einstweilige verfügung, werbung, nähe, uwg, beginn, sommer, verbraucher, ware)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 175/92
Datum:
16.04.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 175/92
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 358/92
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 1. September 1992
verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O
358/92 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sich das im
angefochtenen Urteil ausgesprochene Unterlassungsgebot auf die
nachstehend im Original wiedergegebene Werbeanzeige bezieht: Die
Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Das
Urteil ist rechtskräftig.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil seine einstweilige Verfügung vom
08.07.1992 zu Recht bestätigt. Der Unterlassungsanspruch des Antragstellers ist
gemäß §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG begründet, da durch die Werbeanzeige der
Antragsgegnerin im K. S. vom 02.07.1992 unter Ver-stoß gegen § 7 Abs. 3 Nr. 1
UWG ein vorweggenomme-ner Sommerschlußverkauf und damit eine unzulässige
Sonderveranstaltung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG angekündigt wird.
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Ob ein aus dem Rahmen des regelmäßigen Geschäfts-betriebs herausfallender
vorweggenommer Schlußver-kauf oder eine zulässige sich in den regelmäßi-gen
Geschäftsverkehr einordnende Preisherabsetzung vorliegt, richtet sich nach der
Verkehrsauffas-sung. Maßgebend ist das Gesamtbild der Veran-staltung, wie es sich
dem Publikum im konkreten Fall, insbesondere nach Art, Inhalt, Gestaltung und
Intensität der Werbung sowie der sonstigen Umstände darstellt (vgl.
Großkommentar/Jestaedt, § 7 UWG Rdnr. 124). Abzustellen ist auf den unbe-
fangenen, flüchtigen Verbraucher, nicht hingegen auf den Personenkreis, dem
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bekannt ist, daß die Antragsgegnerin das ganze Jahr über Sonderangebote anbietet
und diese ihrem Vortrag zufolge in ver-gleichbarer Form wie in der angegriffenen
Anzeige bewirbt. Wie die streitgegenständliche Werbung vom flüchtigen Leser der
Anzeige verstanden wird, kann der Senat selbst beurteilen, weil seine Mitglieder zu
den angesprochenen Verbraucherkreisen gehören.
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Es mag dahinstehen, ob die Antragsgegnerin zu anderen Zeiten des Jahres für
Sonderangebote mit Anzeigen in gleicher oder ähnlicher Aufmachung wie derjenigen
vom 02.07.1992 zu werben pflegt und ob diese Werbemaßnahmen, wenn sie nicht in
unmittel-barer zeitlicher Nähe zu einem Schlußverkaufster-min erfolgen, zulässige
Sonderangebote betreffen. Denn nach dem Gesamtbild der Anzeige wird - wie das
Landgericht zutreffend begründet hat - jeden-falls in Verbindung mit dem zeitlichen
Zusammen-hang mit dem 3 1/2 Wochen nach Erscheinen der An-zeige beginnenden
Sommerschlußverkauf der Eindruck einer bereits diesem Schlußverkauf
zuzuordnenden Veranstaltung erweckt.
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Der Antragsgegnerin ist einzuräumen, daß die zeit-liche Nähe einer
Werbemaßnahme zu einem Schlußver-kaufstermin nicht zwangsläufig den Eindruck
einer Sonderverkaufsveranstaltung hervorruft, sondern daß über die bloße zeitliche
Nähe hinaus weitere Merkmale erforderlich sind (vgl. BGH GRUR 1983, 448, 449).
Das zeitliche Moment tritt aber bei einem Abstand von mehr als 2 Wochen nicht
gänzlich zurück, da zum einen vielen Verbrauchern die genauen Termine der
regulären Schlußverkäufe nicht bekannt sind und zum anderen viele Verbraucher
aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre damit rechnen, daß gerade in der
Bekleidungsbranche schon vorzeitig mit (unerlaubten) Schlußverkaufs-aktionen
begonnen wird. In dieser Annahme werden die Verbraucher durch die Vielzahl der
Wochen vor Beginn des Schlußverkaufs erscheinenden Zeitungs-anzeigen, wie sie
auch im vorliegenden Fall für den Zeitraum Ende Juni/02.07.1992 vorgelegt worden
sind, bestärkt. Gerade von Unternehmen wie dem der Antragsgegnerin, die als
Spezialhaus für hoch-wertige Männer-Mode bezeichnet wird, wird vielfach erwartet,
daß sie bereits vor Beginn des Schluß-verkaufs ihre schlußverkaufsfähige Ware
drastisch reduzieren. Relevante Teile des Verkehrs sind dar-an gewöhnt,
Bekleidungsartikel zu Schlußverkaufs-preisen schon Wochen vor Beginn des
Schlußverkaufs erwerben zu können, und achten entsprechend be-reits in dieser Zeit
auf die Anzeigen der Beklei-dungsgeschäfte, die sie dann wesentlich eher als
Werbung für Schlußverkaufsware und damit für eine Sonderveranstaltung ansehen
als während der übri-gen Zeit des Jahres, wenn kein Schlußverkauf be-vorsteht.
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Zumindest kommt bei zeitlicher Nähe des Schlußver-kaufbeginns leicht der Gedanke
an eine Vorwegnahme der Verkaufsaktion auf, wenn die Ankündigung nicht deutlich
erkennen läßt, daß es sich entweder um Angebote des regelmäßigen
Geschäftsverkehrs oder um einzelne Sonderangebote handelt (vgl. BGH, a.a.O.).
Dieser Gedanke drängt sich auch bei der angegriffenen Werbeanzeige aufgrund ihrer
konkre-ten Gestaltung auf. Maßgebend für den Eindruck, bei der Antragsgegnerin
habe der Schlußverkauf bereits begonnen, sie bewerbe nicht lediglich
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Sonderangebote für einzelne Waren, sind die beiden auffälligen, durch
Buchstabengröße bzw. Rotdruck optisch hervorgehobenen Überschriften "Schach
dem Preis" und "Jetzt Spitzen-Qualitäten zu Super-Preisen", die rot hervorgehobenen
Preisangaben so-wie Art und Umfang der angebotenen Ware.
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Bereits mit den beiden Überschriften wird ei-ne besondere Preisherabsetzung
besonders herausge-stellt. Wenn Spitzen-Qualitäten zu Super-Preisen verkauft
werden, weist das auf besonders günsti-ge Einkäufe und für den Schlußverkauf
typische Preisherabsetzungen bei Waren im gehobenen Preis-niveau
("Spitzenqualitäten"), nicht aber auf das Angebot von Waren der mittleren und
unteren Preisklasse hin, die ebenfalls im Sortiment der Antragsgegnerin vorhanden
sind. Damit wird dem Leser eine ungewöhnliche, besonders günstige Ein-
kaufsgelegenheit angeboten. In diesem Zusammenhang gewinnt auch das erste
rotgedruckte Wort "jetzt" der Anzeige am Anfang der Zeile die Bedeutung, daß eine
drastische Reduzierung der Preise mit dem Er-scheinen der Anzeige beginne.
Wegen der zeitlichen Nähe zum Sommerschlußverkauf erweckt der Begriff "jetzt" -
mag er auch ansonsten zu einer dem Ver-kehr im Rahmen des regelmäßigen
Geschäftsbetriebs der Einzelhändler vertrauten Werbung gehören - den Eindruck des
Beginns des Schlußverkaufs, selbst wenn auf diesen nicht ausdrücklich hingewiesen
wird. Insofern ist der Leser - wie oben ausge-führt - wegen der zeitlichen Nähe zum
Sommer-schlußverkauf aufgrund seiner Erfahrungen bzw. Er-wartungen besonders
sensibilisiert und auf Schluß-verkauf eingestellt.
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Entscheidend ist ferner, daß in der Anzeige Waren aufgeführt sind, wie sie
typischerweise im Rahmen eines Sommerschlußverkaufs angeboten werden. Wenn
auch die Begriffe "sommerlich" bzw. "Sommer" nur dreimal im Text erscheinen, so
enthalten doch insgesamt acht der neunzehn Angebote einen deutli-chen Hinweis
auf Sommerware, die im Schlußverkauf zu reduzierten Preisen verkauft zu werden
pflegt: "Aktuelle Anzüge" (also saisonbedingt aktuell), "Zweireihige Anzüge. Leicht
verarbeitet" (also sommerlich leicht), "Elegante Mäntel. Reine Baum-wolle" (also nur
Sommerware), "Leichte Freizeit-Blousons. In aktuellen Saisonfarben", "Attrakti-ve
Sportsware-Blousons. Sommerlich leicht in ver-schiedenen Farben und Formen",
"Legere Sommer-Ho-sen. Aktuelle der Farben der Saison", "Sommerliche Sweat-
Shirts. In aktuellen Trendfarben", "Modische Freizeit-Hemden. Mit 1/2-Arm" (also nur
Sommerwa-re). Diese Angebote bestimmen den Gesamteindruck dahin, daß es sich
bei den beworbenen Artikeln insgesamt um typische Sommerware handelt. Jeden-
falls drängt sich bei flüchtigem Lesen der Anzeige dieser Eindruck auf.
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Durch die Vielzahl der Angebote und die allgemeine Beschreibung der Ware entsteht
der Eindruck, daß im wesentlichen das gesamte Sortiment von Herren-
oberbekleidung beworben wird. Zwar weist die An-tragsgegnerin zutreffend darauf
hin, daß bei Häu-sern der Größe und Organisationsform eines Unter-nehmens mit
mehreren Abteilungen und unterschied-lichen Warengattungen eine Häufung von
günstigen Angeboten nicht ungewöhnlich ist. Jedoch wird durch die angegriffene
Anzeige nicht der Eindruck erweckt, daß in den unterschiedlichen Abteilungen des
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Unternehmens jeweils Sonderangebote angeboten werden, sondern daß es sich um
eine Preisredu-zierung auf breiter Front und um einen größeren Teil des Sortiments
handelt, und zwar um praktisch das gesamte Herrenoberbekleidungssortiment, näm-
lich große Teile der Freizeitbekleidung (Hemden, Hosen verschiedenster Art,
Blousons, Sakkos) wie auch der normalen Herrenbekleidung (Anzüge ver-
schiedener Art, Mäntel, Blazer, Hosen, Leder-Car-digans und -blousons, Hemden).
Auch die einzelnen Artikel sind jeweils so angekündigt, daß man nicht bestimmte
Anzüge, Mäntel pp., sondern jeweils eine ganze Palette von Fabrikaten erwartet.
Damit han-delt es also um mehr als um "einzelne Waren".
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Ob der Einwand der Antragsgegnerin zutrifft, die Anzeige entspreche dem
gewöhnlichen Geschäftsgeba-ren der Branche, mag dahinstehen. Aus den bereits
oben genannten Gründen gewinnt nämlich auch eine branchenübliche Werbung, die
zeitnah zu einem Schlußverkauf verbreitet wird, trotz der Gewöhnung des
Verbrauchers an die im Handel mit Textilien alltäglich gewordene Werbung mit
Sonderangeboten viel eher die Bedeutung, daß es sich nicht um Son-derangebote im
Rahmen des regelmäßigen Geschäfts-verkehrs handelt, sondern daß die Anzeige
den Start des Schlußverkaufs signalisiert. Zu diesem Eindruck tragen bereits
einzelne Elemente der Wer-beanzeige wie die beiden Überschriften erheblich bei. Im
übrigen verliert eine nach dem Eindruck des flüchtigen Lesers als
Sonderveranstaltung ein-gestufte Veranstaltung ihren Charakter nicht da-durch, daß
die Konkurrenten sich in vergleichbarer Weise verhalten.
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Die Berufung der Antragsgegnerin war somit als unbegründet zurückzuweisen. Da
dem Verfügungsan-trag die konkrete Verletzungsform zugrundelag, hat der Senat zur
Klarstellung die beanstandete Wer-beanzeige im Original zum Gegenstand des
Unterlas-sungsgebots gemacht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO rechts-kräftig.
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