Urteil des OLG Köln vom 16.03.2001

OLG Köln: lebensgemeinschaft, zukunft, familie, abschiebungshaft, zusammenleben, anschrift, akte, geburt, anfang, aufenthaltserlaubnis

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 39/01
Datum:
16.03.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 39/01
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 3 T 17/01
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 9. Februar 2001 - 3 T
17/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
G r ü n d e
1
Die sofortige weitere Beschwerde gegen die isolierte Kostenentscheidung des
Landgerichts ist zulässig (§§ 20 a Abs. 2, 27 Abs. 1 und 2, 29 FGG), hat in der Sache
jedoch keinen Erfolg.
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Nachdem der Betroffene nach Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die
Anordnung von Abschiebungshaft aus dieser entlassen worden war, hat er in
zulässigerweise sein Rechtsmittel auf den Kostenpunkt beschränkt, da sich die
Hauptsache mit der Entlassung erledigt hat.
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Das Landgericht hat zu Recht die Voraussetzungen des § 16 S. 1 FEVG verneint und
den Antrag des Betroffenen, dem Beteiligten zu 2) die notwendigen Kosten der
Rechtsverfolgung aufzuerlegen, zurückgewiesen. Das Verfahren hat nicht ergeben,
dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrages auf Anordnung auf
Abschiebungshaft nicht vorlag.
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Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Betroffene im Zeitpunkt der
Antragstellung ausreisepflichtig war und der - fakultative - Haftgrund des § 57 Abs. 2 S.
2 AusLG vorlag. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird zu Begründung auf die
zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
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Der Abschiebung des Betroffenen standen auch keine aufenthaltsrechtlichen
Schutzwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG entgegen.
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Zwar ist die Tatsache, dass die deutsche Ehefrau des Betroffenen im November 2000
ein Kind geboren hat, als ein nach Bestandskraft des der Abschiebung zu Grunde
liegenden Verwaltungsaktes eingetretener Umstand im Haftverfahren nicht völlig
unbeachtlich (vgl. OLG Karlruhe NVwZ 1998, 214, 215). Insbesondere in Fällen, in
denen es nahe liegt, dass die Verwaltungsbehörde durch die Abschiebung vollendete
Tatsachen schafft, die sich mit verfassungsrechtlichen Garantien nicht vereinbaren
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lassen, ist es im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG geboten, das Verfahren so zu gestalten,
dass dem Betroffenen effektiver Rechtsschutz zuteil wird. Es liegen hier jedoch keine
ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Abschiebung den Betroffenen in
seinen Grundrechten aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verletzt hätte und deshalb ein Antrag
nach § 123 VwGO, mit dem der Betroffene sein vorläufiges Verbleiben in der BRD hätte
erreichen können, Erfolg gehabt hätte.
Zwar drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig
einwanderungspolitische Belange zurück, wenn die Lebensgemeinschaft zwischen
einem Ausländer und seinem deutschen Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland
stattfinden kann, weil dem deutschen Kind wegen dessen Beziehung zu seiner Mutter
das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist. Dabei ist bei einer
Vater-Kind-Beziehung zu berücksichtigen, dass der spezifische Beitrag des Vaters nicht
durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich wird, der Vater vielmehr -
allein oder gemeinsam mit der Mutter - wesentliche elterliche Betreuungsleistungen
erbringen kann, die gegebenenfalls als Beistandsgemeinschaft aufenthaltsrechtliche
Schutzwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG entfalten (vgl. BverfG NVWZ 2000, 59, 60; BverfG
2. Senat 1. Kammer, Beschluss vom 20. März 1997 - 2 BvR 260/97). Das Bestehen
einer Lebensgemeinschaft zwischen Vater, Mutter und Kind ist hiernach nicht
erforderlich.
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Vorliegend kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Betroffene allein oder
gemeinsam mit seiner Ehefrau wesentliche elterliche Betreuungsleistungen erbracht hat
und in Zukunft auch erbringen will. Zur Zeit der Beantragung der Anordnung von
Abschiebehaft war der Betroffene nicht unter der Anschrift seiner Ehefrau gemeldet
sondern hatte einen anderen Wohnsitz angegeben. Für ein Zusammenleben der
Familie gab es keine Anhaltspunkte. Der Akte kann nicht entnommen werden, inwieweit
sich der Betroffene seit der Geburt seines Kindes im November 2000 um dieses
gekümmert hat und wie er sich die Betreuung in Zukunft vorstellt. Für das Entstehen
einer Vater-Kind-Beziehung, von der nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts die Schutzwirkung des Art. 6 GG abhängt, ergeben sich
deshalb keine hinreichenden Anhaltspunkte.
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Im Zeitpunkt der Beantragung der Anordnung von Abschiebehaft war mithin ungeklärt,
ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären
Gründen vorlagen, so dass nicht festgestellt werden kann, ein begründeter Anlass zur
Stellung des Antrages habe von Anfang an nicht vorgelegen.
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Die Rechtsbeschwerde ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG
zurück zuweisen.
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