Urteil des OLG Köln vom 03.07.2001

OLG Köln: gegen die guten sitten, vertragsschluss, ehevertrag, ausschluss, heirat, gütertrennung, dienstzeit, sittenwidrigkeit, lastenverteilung, vertragsfreiheit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 25 UF 233/00
03.07.2001
Oberlandesgericht Köln
25. Zivilsenat
Urteil
25 UF 233/00
Amtsgericht Köln, 314 F 38/00
Das Versäumnisurteil des Oberlandesgerichts Köln vom 3. April 2001 -
25 UF 233/00 - bleibt aufrechterhalten. Die Antragsgegnerin hat die
weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Antragsgegnerin hat gegen das ihr am 04.04.2001 zugestellte, vorbezeichnete
Versäumnisurteil mit am 18.04.2001 bei dem Oberlandesgericht Köln eingegangenen
Schriftsatz vom 12.04.2001 Einspruch eingelegt.
Aufgrund des zulässigen Einspruchs (§§ 542 Abs. 3, 338, 339, 340 ZPO) ist der
Rechtsstreit gemäß den §§ 542 Abs. 3, 342 ZPO in die Lage zurückversetzt worden, in der
er sich vor dem Eintritt der Versäumnis befand, so dass jetzt auf der Grundlage des
Vorbringens beider Parteien über die Berufung der Antragsgegnerin zu entscheiden ist.
Das zulässige Rechtsmittel (§§ 511, 516, 518, 519 ZPO) ist unbegründet.
Das Familiengericht hat die von den Parteien miteinander geschlossene Ehe geschieden
und den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Beides hält der Überprüfung durch den
Senat stand.
Die Ehe musste gemäß § 1565 Abs. 1 BGB geschieden werden, weil sie gescheitert ist.
Die Parteien leben jedenfalls seit Mai 1999 und damit inzwischen länger als 2 Jahre
dauernd voneinander getrennt. Der Antragsteller hat anlässlich der Anhörung der Parteien
im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.08.2000 vor dem Familiengericht, die
gemäß § 613 ZPO erfolgt ist, eindeutig erklärt, er wolle auf jeden Fall geschieden werden.
Ein Zurück zur Antragsgegnerin, eine Wiederaufnahme und Fortsetzung der ehelichen
Lebensgemeinschaft gebe es für ihn nicht mehr. Inzwischen habe er eine neue Partnerin,
die er im Februar 1997 kennen gelernt habe. Die Antragsgegnerin hat bei gleicher
Gelegenheit einräumen müssen, der Antragsteller habe ihre sämtlichen Bemühungen, die
Ehe fortzusetzen, abgeblockt und sie sehe keine Ansätze, dass er anderen Sinnes werden
könne. Danach muss davon ausgegangen werden, dass die eheliche Lebensgemeinschaft
nicht mehr besteht und ihre Fortsetzung durch die Parteien nicht erwartet werden kann. In
dieses Bild passt, dass die Antragsgegnerin auch im zweiten Rechtszuge nichts
vorgetragen hat, was zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage
gerechtfertigte Veranlassung geben könnte.
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Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist wirksam. Er beruht auf § 2 des
Ehevertrages, den die Parteien am 31.05.1988 vor Notar B. in K. - URNr. .../1988 -
geschlossen haben. Diese vertragliche Regelung steht in Einklang mit dem geltenden
Recht, wobei die nachfolgenden Ausführungen eine fallbezogene, schon vom
Familiengericht zutreffend praktizierte Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes (FamRZ 1996, 1596 ff.) sind. Danach gilt: Gemäß § 1408 Abs. 2
S. 1 BGB können die Ehegatten in einem Ehevertrag durch ausdrückliche Vereinbarung
den Versorgungsausgleich ausschließen, wobei selbstverständlich ist, dass dieser Vertrag
auch schon vor der Eheschließung geschlossen werden kann. Diese Regelung entspricht
dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, wonach Heiratswillige nicht gezwungen sein sollen,
den Versorgungsausgleich für ihre Ehe hinzunehmen. Anders ist das nur dann, der
Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB nur dann
unwirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach dem Vertragsschluss Antrag auf Scheidung
der Ehe gestellt wird. Demgegenüber hat der Antragsteller seinen Ehescheidungsantrag
erst etliche Jahre nach dem Vertragsschluss gestellt. In Respektierung des Grundsatzes
der Vertragsfreiheit findet eine Inhaltskontrolle durch das Gericht, wie sie bei
Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung nach § 1587 o Abs. 2 BGB vorgeschrieben
ist, vorbehaltlich der an späterer Stelle noch auszuführenden Ausnahmen grundsätzlich
nicht statt. Und die Wirksamkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs im Rahmen
eines Ehevertrages hängt insbesondere auch nicht von der Vereinbarung wie auch immer
gearteter Gegenleistungen ab. Schutz davor, dass der Ehevertrag aus Unerfahrenheit
und/oder Gesetzesunkenntnis geschlossen wird, bietet die aus § 17 BeurkG fließende
Belehrungspflicht des beurkundenden Notars, die vorliegend gemäß § 4 Abs. 1, Abs. 2 des
Vertrages, auch im Hinblick auf die in § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB statuierte Rechtsfolge, erfüllt
worden ist.
Vergeblich macht die Antragsgegnerin geltend, der vertragliche Ausschluss des
Versorgungsausgleichs sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten
Sitten nichtig. Die von ihr in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (FamRZ 2001, 343 ff.) legt zwar den Gerichten die
Verpflichtung auf, den Inhalt eines Ehevertrages einer Kontrolle zu unterziehen und ggf. zu
korrigieren, wenn der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis einer gleichberechtigten
Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhende
einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt. Denn die Eheschließungsfreiheit
rechtfertigt nicht die Freiheit zu unbegrenzten Ehevertragsgestaltungen und insbesondere
nicht eine einseitige Lastenverteilung. Zudem gebietet auch der in Art. 6 Abs. IV GG
normierte Anspruch der werdenden Mutter auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft, die
ehevertraglichen Vereinbarungen in derartigen Fällen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle
zu unterziehen. Daran anknüpfend gilt im streitgegenständlichen Fall:
Als der Vertrag geschlossen wurde, war die Antragsgegnerin schwanger. Die Heirat
erfolgte am 06.06.1988, also sechs Tage nach dem Vertragsschluss. Am 27.08.1988 wurde
das ältere der beiden ehelichen Kinder der Parteien geboren. Gemäß dem Ehevertrag
wurde neben dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs der vertragliche Güterstand der
Gütertrennung vereinbart und es wurde wechselseitig auf jedweden nachehelichen
Unterhalt verzichtet. Als die Parteien heirateten, war die Antragsgegnerin Studienrätin. Sie
war, wenngleich beurlaubt, Beamtin auf Lebenszeit. Nur wenige Jahre fehlten ihr damals -
genau wie heute - für den Erwerb eigener Rentenanwartschaften, die sie in absehbarer
Zeit, nach dem Ende der noch erforderlichen Kindesbetreuung, für ihr Alter in
ausreichendem Maße wird erwerben können. Diesbezüglich ergibt sich aus den
Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 28.06.2001, dass ein
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Ruhegehalt nur gewährt wird, wenn der (die) Beamte(in) die sog. Wartezeit = Dienstzeit von
mindestens 5 Jahren zurückgelegt hat. Demgegenüber zeigt der a.a.O. vom Landesamt für
Besoldung und Versorgung NRW dokumentierte Versicherungsverlauf der
Antragsgegnerin die bisherige Zurücklegung einer anrechnungsfähigen Dienstzeit von 2
Jahren und 1086.17 Tagen = 2.973 Jahre. Das Defizit lässt sich, wie schon gesagt, im
weiteren Lebenslauf der Antragsgegnerin aller Voraussicht nach problemlos beheben. Der
Antragsteller hingegen war nach seinem Studium von Oktober 1986 bis Mitte März 1987
arbeitslos und fortan als Marketingberater tätig. Nichts ist ersichtlich, was darauf schließen
lassen könnte, er habe in nennenswertem Maße Versorgungsanwartschaften erworben.
Gemessen daran ist eine ungleiche Lastenverteilung zum Nachteil der Antragsgegnerin,
die das Unwerturteil der Nichtigkeit der vertraglichen Regelung wegen Sittenwidrigkeit
infolge des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs zu rechtfertigen vermöchte, nicht
erkennbar. Die Schwangerschaft der Antragsgegnerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
reicht für die Annahme einer Sittenwidrigkeit ebenfalls nicht aus, selbst dann nicht, wenn,
wie sie vorträgt, der Antragsteller die Heirat vom Abschluss des Ehevertrages abhängig
gemacht hat: Unterhaltsansprüche aus der Ehe hervorgehender - und hervorgegangener -
Kinder blieben von dem notariell beurkundeten Unterhaltsverzicht unberührt und insoweit -
Kindesunterhalt - ist der Antragsgegnerin im Verhältnis zum Antragsteller kein wie auch
immer geartetes Sonderopfer auferlegt worden. Auch im übrigen war die finanzielle
Situation der Antragsgegnerin, als die Parteien den notariellen Vertrag schlossen,
jedenfalls nicht erkennbar wesentlich schlechter als die des Antragstellers. Abgesehen
davon, dass sie den unentziehbaren Status einer Beamtin auf Lebenszeit erworben hatte,
war sie vor der Heirat der Parteien jedenfalls bis Ende 1987 selbständig für Modeschauen
tätig und hatte dadurch nicht unerhebliche Einkünfte erzielt. Mag sie auch im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses nicht mehr erwerbstätig gewesen sein, belegt doch der
Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 1987 Bruttoeinnahmen aus selbständiger
Tätigkeit in Höhe von immerhin 141.280,00 DM und eine Steuerrückerstattung von
37.264,00 DM. Auch dafür, dass der Antragsteller im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über
nennenswertes Vermögen verfügt hat, ist nichts ersichtlich. Soweit es im erstinstanzlichen
Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 11.08.2000 heißt, er "habe aufgrund des Firmen-
Erbes seines Vaters erhebliches Interesse an der Gütertrennung gehabt", ist damit mangels
jeglicher Substantiierung nichts anzufangen.
Die Antragsgegnerin ist auch nicht aufgrund der Entwicklung der Umstände in der Zeit
nach dem Vertragsschluss unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage berechtigt, die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu
verlangen.
Vom Wegfall der Geschäftsgrundlage kann nur ausgegangen werden, wenn konkrete
Vorstellungen und Erwartungen beider Vertragspartner oder solche Vorstellungen und
Erwartungen einer Vertragspartei, die dem anderen Teil bekannt waren, von dem
Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der
Vertragsschluss aufbaut, fehlgegangen sind. Das ist hier nicht der Fall. Soweit die
Antragsgegnerin darauf abstellt, dass sich die Verhältnisse dadurch geändert hätten, dass
1995 das zweite gemeinsame Kind geboren wurde, und sie - die Antragsgegnerin -
deswegen auf lange Zeit nicht ins Berufsleben zurückkehren könne, reicht das nicht aus.
Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass beide Parteien bei Abschluss
des notariellen Vertrages davon ausgegangen wären, dass aus der Ehe lediglich ein Kind
hervorgehen solle bzw. werde, und/oder dass die Antragsgegnerin nach einer bestimmten
Zeit ihre Berufstätigkeit wieder fortsetzen solle oder werde fortsetzen können. Ebenso fehlt
es an der Darlegung von Umständen, aus denen auf eine einseitige, dem Antragsteller
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bekannte Erwartung der Antragsgegnerin im aufgezeigten Sinne beim Vertragsschluss
geschlossen werden könnte.
Schließlich ergibt sich auch aus der Vereinbarung eines nachehelichen Unterhaltsverzichts
in dem notariellen Ehevertrag nichts anderes für die Wirksamkeit des vertraglichen
Ausschlusses des Versorgungsausgleichs. Abgesehen davon, dass in § 4 Nr. 3 des
notariellen Vertrages rechtswirksam vereinbart worden ist, dass für den Fall der
Rechtsunwirksamkeit einzelner Vereinbarungen des Ehevertrages die Gültigkeit der
übrigen Vereinbarungen in demselben Ehevertrag nicht berührt sein solle, können Verlobte
oder Eheleute für den Fall der Scheidung auf einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB -
Kindesbetreuung - wirksam verzichten (vgl. BGH NJW 1991, 913 ff.). Allerdings kann die
Berufung eines geschiedenen Ehegatten auf einen dahingehenden Verzicht treuwidrig (§
242 BGB) sein, solange der andere, unterhaltsberechtigte Ehegatte durch die Betreuung
eines gemeinsamen Kindes an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist und ohne Leistung von
Unterhalt auf Sozialhilfe angewiesen wäre (vgl. BGH NJW 1991, 913 ff.). Das ändert aber
nichts an der Wirksamkeit des vertraglichen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs,
über die der Senat allein zu befinden hatte.
Nach alledem musste es bei der Zurückweisung der Berufung verbleiben, wobei die
Antragsgegnerin gemäß § 97 ZPO die weiteren Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen
hat.