Urteil des OLG Köln vom 17.01.2001

OLG Köln: vernehmung von zeugen, gefährdungshaftung, unfall, mitverschulden, reiter, sorgfalt, reiten, wahrscheinlichkeit, vollstreckung, schmerzensgeld

Oberlandesgericht Köln, 5 U 137/00
Datum:
17.01.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 137/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 309/98
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.6.2000 verkündete Urteil
der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln -25 O 309/98- wird
zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens
zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 11.500,-- DM
abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte SchadE.rsatz- und Schmerzensgeldansprüche
aufgrund eines Reitunfalls geltend, den sie am 15.8.1995 mit der damals etwa
viereinhalbjährigen Araberstute "D.-M." erlitt, deren Eigentümerin die Beklagte ist. Die
Klägerin zog sich bei diesem Unfall eine schwere Lendenwirbelverletzung zu.
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Die im Unfallzeitpunkt fast 26 Jahre alte Klägerin verfügte im Unfallzeitpunkt bereits
über langjährige Reiterfahrung. Sie legte die Prüfung für das "Bronzene Reitabzeichen"
ab und hält seit 1989 ein eigenes Pferd. Auch in den Jahren 1992 und 1997 erlitt die
Klägerin Reitunfälle.
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Das Pferd "D.-M.", ein Arabisches Vollblut, war bereits einige Monate vor dem hier in
Rede stehenden Unfall in der Stallanlage des Zeugen S. untergebracht worden. Es
wurde dort sowohl von der Beklagten selbst als auch von anderen Reitern,
insbesondere von Kindern, problemlos geritten. Das Pferd hatte noch keinen hohen
Ausbildungsstand, war aber im Umgang einfach und gutmütig.
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Zum Unfallzeitpunkt ritt die Klägerin das Pferd der Beklagten auf dem Außenreitplatz
des Zeugen S.. Plötzlich scheute das Pferd und stieg. Die Ursache hierfür ist zwischen
den Parteien streitig. Die Klägerin glitt nach hinten vom Pferd herab. Als sie bereits auf
dem Boden lag, knickte das Pferd in den Hinterbeinen ein und setzte sich auf die
Klägerin. Dadurch wurde diese an den Lendenwirbeln verletzt und musste sich einer
längeren stationären Krankenhausbehandlung unterziehen.
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Mit ihrem Klageantrag zu 1. hat die Klägerin die Differenz zwischen ihrem damaligen
Nettogehalt und dem an sie gezahlten Krankengeld für die Zeit vom 27.9.1995 bis zum
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14.4.1996 in Höhe von 1.501,73 DM, Kosten der Heilbehandlung in Höhe von 572,--
DM, Strommehrkosten in Höhe von 1.038,20 DM, Telefonmehrkosten in Höhe von
473,47 DM, Ersatz der laufenden Pflegekosten für ihr eigenes Pferd in Höhe von
6.264,38 DM sowie SchadE.rsatz für ihre bei dem Unfall beschädigte Reitkleidung in
Höhe von 880,-- DM geltend gemacht.
Die Klägerin hat behauptet, das Pferd sei ohne erkennbaren Anlass plötzlich und
unerwartet gestiegen. Möglicherweise sei es durch in der Nähe befindliche Hühner,
Reflexe einer vorbeifahrenden Straßenbahn oder andere Dinge irritiert worden.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie
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11.648,14 DM nebst 12,5 % Zinsen
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seit dem 21.2.1998 zu zahlen,
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1. die Beklagte zu verurteilen,an sie
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ein angemessenes Schmerzensgeld,
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mindestens jedoch 40.000,-- DM zu zahlen,
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1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet
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ist, ihr alle Schäden zu ersetzen, die ihr
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aus dem Reitunfall am 15.8.1995 entstanden
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sind oder noch entstehen werden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat behauptet, der Unfall sei auf einen Reitfehler der Klägerin zurückzuführen, was
sich schon daraus ergebe, dass das Pferd -unstreitig- vor und nach dem Unfall völlig
unauffällig gewesen sei und von unterschiedlichsten Reitern, vor allem von Kindern,
völlig problemlos habe geritten werden können. Der Unfall sei darauf zurückzuführen,
dass die Klägerin das Pferd mit angelegten Schlaufzügeln geritten habe, deren
Gebrauch das Tier nicht gewohnt gewesen sei.
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Außerdem hat sie die Höhe und die unfallbedingte Entstehung der einzelnen von der
Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen bestritten.
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Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Gutachtens
des Sachverständigen E. die Klage mit der Begründung abgewiesen, trotz grundsätzlich
gegebener Gefährdungshaftung der beklagten Pferdehalterin überwiege das
Mitverschulden der Klägerin am Reitunfall so stark, dass eine Haftung der Beklagten
entfalle.
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Gegen dieses ihr am 4.7.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 31.7.2000 eingelegte
und zugleich begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen
Klageanträge aufrecht erhält.
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Ihrer Ansicht nach findet für den vorliegenden Fall § 834 BGB keine entsprechende
Anwendung, weil sie das Pferd gar nicht unbeaufsichtigt geritten habe; eine
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Beweislastumkehr in analoger Anwendung von § 834 BGB scheide deshalb aus.
Von einem Mitverschulden der Klägerin könne nicht ausgegangen werden, weil sich
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei sachgerechter Würdigung kein Reitfehler
habe feststellen lassen.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des landgerichtlichen
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Urteils
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie
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11.648,14 DM nebst 12,5 % Zinsen seit
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dem 21.2.1998 zu zahlen,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie
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ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens
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jedoch 40.000,-- DM zu zahlen,
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1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet
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ist, ihr alle Schäden zu ersetzen, die ihr
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aus dem Reitunfall am 15.8.1995 entstanden
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sind und noch entstehen werden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und die Feststellungen des eingeholten
Sachverständigengutachtens E..
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Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils sowie den Inhalt der zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch
unbegründet.
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Das Rechtsmittel hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung,
die durch das Berufungsvorbringen nicht erschüttert werden, keinen Erfolg.
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Wohl haftet die Beklagte, wie das Landgericht richtig angenommen hat, als Tierhalterin
grundsätzlich gemäß § 833 BGB für die Verletzung der Klägerin anlässlich des
stattgehabten Reitunfalls, weil die in § 833 S. 1 normierte Gefährdungshaftung nach
ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich auch den Reiter eines
Pferdes schützen soll.
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Zu Recht ist das Landgericht indes davon ausgegangen, dass die Klägerin als Reiterin
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des Pferdes vorliegend in entsprechender Anwendung von § 834 BGB der Vorwurf
eines Mitverschuldens im Sinne von § 254 BGB trifft, der zudem gegenüber der
Gefährdungshaftung der beklagten Tierhalterin so stark überwiegt, dass eine Haftung
der Beklagten ganz entfällt.
Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin greift eine analoge Anwendung von § 834
BGB vorliegend Platz.
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Die Klägerin fehlinterpretiert die einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofes
(abgedruckt in NJW 1992, 2474 ff), die das Landgericht völlig zu Recht seiner
Entscheidung zugrundegelegt hat. Insbesondere betrifft diese entgegen der Annahme
der Klägerin tatsächlich einen nahezu identischen Fall, gerade auch, soweit es sich
auch dort keineswegs um einen Unfall bei selbständigem Ausritt, sondern innerhalb
eines Reitervierecks und unter Beobachtung bzw. sogar Anleitung des Hofeigentümers
handelte (vgl. BGH aaO).
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Danach gilt folgendes:
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Grundsätzlich ist von einer Gefährdungshaftung der Beklagten als Halterin des Pferdes
gemäß § 833 BGB auszugehen.
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In dem Reitunfall hat sich die spezifische Tiergefahr verwirklicht, auch soweit sich das
Steigen und die dadurch letztlich verursachte Verletzung der Klägerin als Reaktion des
Tieres auf menschliche Steuerung erweist; denn die daraus resultierende Gefährdung
hat ihren Grund in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens, für die der Halter den
Geschädigten nach § 833 BGB schadlos halten soll.
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Die Überlassung des Pferdes aus Gefälligkeit oder wie hier aus dem Bestreben heraus,
das auf dem Hof eines Bekannten beider Parteien untergebrachte Tier von geeigneten
Reitern unentgeltlich bewegen zu lassen, ändert an der grundsätzlich gegebenen
Gefährdungshaftung nichts. Auch eine analoge Anwendung der in § 599 BGB
vorgegebenen Haftungsbeschränkungen kommt nicht in Betracht (vgl. zu allem BGH
aaO).
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Im Rahmen der somit grundsätzlich gegebenen Gefährdungshaftung der Beklagten als
Halterin ist sodann über ein Mitverschulden der Klägerin im Rahmen von § 254 BGB zu
befinden.
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Der Bundesgerichtshof hat hierzu bereits in einer früheren Entscheidung ausgeführt:
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"Hat der Reiter durch vorwerfbare Fehler dazu beigetragen, dass ihn das Pferd abwirft,
kann das allenfalls als Mitverschulden über § 254 BGB berücksichtigt werden" (vgl.
BGH in VersR 1992, 371).
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Weiter führt der Bundesgerichtshof in seiner vorzitierten Entscheidung aus dem Jahre
1992 aus:
92
"...Es wird über ein eventuelles Mitverschulden der Kl. im Rahmen des § 254 BGB zu
befinden sein. Ein zum Schaden führender Verursachungsbeitrag der Kl. könnte darin
liegen, dass sie sich auf ein fremdes Pferd, dessen Eigenschaften sie möglicherweise
nicht genau kannte, gesetzt, und dass sie gegen das Tier.....die Gerte einsetzte. Dabei
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können über § 254 BGB freilich nur vorwerfbare Fehler beim Reiten berücksichtigt
werden (Senat in VersR 1986, 1207). Die Mitverschuldensprüfung muss sich insoweit
an dem Haftungsmaßstab des § 834 BGB orientieren. Danach muss derjenige, der die
Obhut über ein Tier übernommen hat, die Vermutung gegen sich gelten lassen, dass ihn
ein Verschulden trifft und dieses Verschulden für den Schaden ursächlich geworden ist.
Tierhüter i.S.d. Vorschrift kann auch der Reiter sein (Senat in NJW 1987, 949). Im
Streitfall hat allerdings die Klägerin die Aufsicht über das Pferd der Beklagten nicht
durch Vertrag übernommen, wie es § 834 BGB voraussetzt, sondern im Rahmen eines
Gefälligkeitsverhältnisses. Indes gebietet es die hinsichtlich der Einfluss- und
Aufklärungsmöglichkeit der Kl. vergleichbare Interessenlage hier, zum Zwecke der
Begrenzung der Tierhalterhaftung der Beklagten die Beweislastregeln des § 834 BGB
gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens entsprechend anzuwenden. Es obliegt
infolgedessen der Kl., die Verschuldens- und Verursachungsvermutung zu widerlegen."
Unter Anlegung dieser auch vom Senat für sachgerecht erachteten Kriterien hat die
Klägerin den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nicht zu führen vermocht. Im Gegenteil
bleibt es auch nach Auffassung des Senats bei einer Verursachungs- und
Verschuldensvermutung zulasten der Klägerin am Unfalleintritt aufgrund des
Ergebnisses der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme.
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Danach ergeben sich nämlich vorwerfbare Fehler der Klägerin, die sich auf ein ihr
unbekanntes, junges und noch nicht vollständig eingerittenes arabisches Vollblutpferd
gesetzt hat und dieses sogleich mit Schlaufzügeln geritten hat, wie sich im Verlauf der
Beweisaufnahme herausgestellt hat und von der Klägerin sodann auch nicht weiter in
Abrede gestellt worden ist.
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Die Verwendung von Schlaufzügeln bedeutet aber eine für ein junges Pferd
ungewohnte Handhabung, die nur in die Hand eines ganz erfahrenen Reiters gehört,
weil sie für das Pferd wegen der damit verbunden besonders starken unmittelbaren
Einwirkungsmöglichkeit sehr gewöhnungsbedürftig ist und das Pferd bei nicht
vollständig sachgerechter Anwendung außerordentlich maulempfindlich darauf reagiert.
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Dies haben die Feststellungen des vom Landgericht beauftragten Sachverständigen
Ing. agr. (grad.) H. E. eindeutig, nachvollziehbar und in jeder Hinsicht überzeugend
ergeben.
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Dieser hat hierzu ausgeführt:
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"Nicht ausgeschlossen ist es für den Sachverständigen, dass die Klägerin, die
nachweislich durch eigene Angaben eine geübte Reiterin in der Reitauffassung des
sogenannten "englischen Reitens" ist, sich nicht genug auf die Besonderheiten in der
reiterlichen Bearbeitung eines Arabers eingestellt hat. Es ist, wie bereits erwähnt, bei
der Rasse Araber unverzichtbar, dass der Reiter in der Handhabung der
Zügelverbindung besondere Feinheit walten lässt, und eine Beizäumung des Pferdes
mit ganz besonderer Vorsicht vornimmt. Die Tatsache, dass das Pferd mit sogenannten
Schlaufzügeln ausgerüstet gewesen ist, lässt die Vermutung aufkommen, dass in der
erwähnten Anlehnung zwischen Zügeln und Pferdemaul sich Differenzen ergeben
haben.
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Der sogenannte Schlaufzügel, von Fachleuten abgelehnt,.....hat nur dann eine
Berechtigung, wenn er von Ausbildern bzw. Sportreitern benutzt wird, die sich sowohl
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der Wirkungsweise als auch der Handhabung absolut bewusst sind.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist für den Sachverständigen die
Benutzung des Schlaufzügels durch die Klägerin in bewusster oder unbewusster Weise
die Ursache der Verunfallung. Diese Vermutung gründet sich insbesondere darauf,
dass...andere Ursachen nicht vermutet werden konnten und in dem Wissen des
Sachverständigen, dass mit diesen Hilfszügeln schon viel Unheil angerichtet worden ist.
Die Tatsache, dass die Klägerin offenbar im Gegensatz zu den üblichen Reitern des
Pferdes "D.-M." eine wesentlich geübtere und besser ausgebildete Reiterin ist, hat
zwangsläufig ergeben, dass die Reiterin ihre reiterliche Hilfengebung intensiver
eingesetzt hat und somit eine für das Pferd ungewohnte Situation erbrachte. Hierdurch
hat sich eine Reaktion des Pferdes ergeben, die sich verschieden äußern kann..... oder
wie in diesem Fall durch Steigen, da der ungewohnte Schlaufzügel die Spannungen im
Bereich des Maules förderte......
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Die Wahrscheinlichkeit, dass das Steigen des Pferdes maßgeblich durch dem Pferd bis
zum Unfalltag nicht bekannte reiterliche Unterstützung bzw. Verhaltensweisen der
Klägerin eingetreten ist, wird mit ca. 75 % angegeben".
102
Dieses vom Gutachter, dessen Feststellungen der Senat für in jeder Hinsicht
nachvollziehbar und überzeugend erachtet, geschilderte Verhalten der Klägerin wertet
der Senat ebenso wie das Landgericht auch als schuldhaft im Sinne von § 254 BGB.
Nach dieser Vorschrift trifft den Geschädigten ein Mitverschulden, wenn er diejenige
Sorgfalt außer acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt,
um sich vor Schaden zu bewahren; der Geschädigte muss die ihm in eigenen
Angelegenheiten obliegende Sorgfalt zumindest fahrlässig verletzt haben (vgl. Palandt-
Heinrichs, BGB, 59. Auflage, Rdnr. 12 zu § 254 m.w.N.).
103
Hier hätte es näherer Bekanntschaft und längeren vorsichtigen "Einreitens" auf dem
unbekannten Pferd bedurft, bis sich ein Reiten mit einer für das Pferd ungewohnten
Zügelung anbot. Die im Umgang mit einem zudem jungen und hochgezüchteten Tier
erforderliche Sorgfalt ist seitens der Klägerin auf der Grundlage der
sachverständigerseits getroffenen Feststellungen nach Einschätzung auch des Senats
fahrlässig außer acht gelassen worden. Als durchaus erfahrene Reiterin hätte die
Klägerin bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt ohne weiteres erkennen können
und müssen, dass der Reitvorgang nicht gänzlich ungefährlich sein würde.
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Das danach zu vermutende Verschulden ist jedenfalls auch mitursächlich für den
Unfalleintritt geworden.
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Der ihr obliegende Entlastungsbeweis ist der Klägerin mithin nicht nur nicht gelungen;
ein vorwerfbares Fehlverhalten als zumindest mitauslösende Unfallursache erscheint
vielmehr nach Auffassung des Senats sogar durchaus wahrscheinlich.
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Das danach zu vermutende (Mit-)Verschulden der Klägerin an der Auslösung des
Reitunfalls ist zudem auch nach Auffassung des Senats so stark, dass demgegenüber
die der Beklagten obliegende Gefährdungshaftung gemäß § 833 vollständig zurücktritt.
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Auf die zutreffende Bewertung des Landgerichts hierzu wird zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Klägerin
beim ersten Reiten eines ihr unbekannten, jungen und hochgezüchteten Pferdes
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sogleich Schlaufzügel verwendete, die den Bekundungen des Sachverständigen E.
zufolge ausschließlich in die Hand erfahrener Ausbilder gehören, zu denen die Klägerin
nicht zählt. Ihre Angabe, sie habe das Pferd in bereits aufgezäumtem Zustand
übergeben bekommen, vermag sie nicht zu entlasten. Im übrigen hat sie in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, sie habe das Pferd kurz vorher
selbst mit von der Weide geholt; dieser Umstand spricht eher dafür, dass sie das Pferd
selbständig oder doch zumindest mit für den Reitvorgang vorbereitete.
Im Ergebnis hat die Klägerin die zu ihren Lasten sprechende Verschuldens- und
Verursachungsvermutung nicht nur nicht zu widerlegen vermocht; vielmehr spricht alles
für ihr -weit überwiegendes- Mitverschulden am Unfallhergang mit der Folge, dass
infolge völligen Zurücktretens der Gefährdungshaftung der Tierhalterin ein
Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht gegeben ist.
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Einer Auseinandersetzung mit der Höhe der geltend gemachten Schadensersatz- und
Schmerzensgeldpositionen sowie mit dem Feststellungsantrag der Klägerin bedarf es
deshalb nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Wert der Beschwer für die Klägerin: über 60.000,-- DM.
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Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 71.648,14 DM (11.648,14 DM + 40.000,--
DM + 20.000,-- DM)
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