Urteil des OLG Köln vom 16.04.2007

OLG Köln: beteiligung am verfahren, auflage, corporate governance, veröffentlichung, bekanntmachung, tageszeitung, beschwerderecht, beschränkung, internet, verbreitung

Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 9/07
Datum:
16.04.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Wx 9/07
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 88 T 38/06
Tenor:
Die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 16. Februar 2007 gegen
den Beschluss der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln
vom 19. Januar 2007 – 88 T 38/06 – wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
1
1.
2
Das Amtsgericht Köln ordnete durch seine Registerrichter mit Beschluss vom 2.
Dezember 2005 die Veröffentlichung der Bekanntmachungen für alle Sachen für das
Jahr 2006 im Bundesanzeiger sowie im "Handelsblatt Wirtschafts- und Finanzzeitung"
und zusätzlich regional unterschiedlich in diversen örtlich erscheinenden
Tageszeitungen an.
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In Vorbereitung der Beschlussfassung für das Jahr 2007 gab das Amtsgericht Köln der
Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Bestimmung des
"Handelsblatts Wirtschafts- und Finanzzeitung" als weiteres Veröffentlichungsblatt
neben dem elektronischen Bundesanzeiger (Bl. 867 d.GA.). Mit Schreiben vom 27.
November 2006 teilte die Beteiligte mit (Bl. 868 d.GA), "sie begrüße einerseits, dass
durch das EHUG die Bekanntmachungskosten stark reduziert werden, und zum anderen
werde durch die Wahl des "Handelsblatts" eine angemessene Verbreitung sicher
gestellt".
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Mit Beschluss vom 1. Dezember 2006 (Bl. 886 d.GA.) haben die Registerrichter des
Amtsgerichts Köln für das Jahr 2007 die Bekanntmachungen für alle Sachen im
"Handelsblatt Wirtschafts- und Finanzzeitung" neben dem gesetzlich vorgeschriebenen
elektronischen Bundesanzeiger angeordnet. Hiergegen hat sich die Beteiligte mit
Schreiben vom 15. Dezember 2006 (Bl. 892 d.GA.) gewandt und ausgeführt, in der
Anhörung sei nicht deutlich geworden, dass das Handelsblatt alleiniges
Veröffentlichungsblatt sein solle. Damit werde zwei Jahre vor Ende der
Veröffentlichungspflicht eine jahrzehntelange Kontinuität gebrochen. Die getroffene
Auswahl sei ermessensfehlerhaft, da die Veröffentlichung in einer Tageszeitung der
Unterrichtung der regionalen Wirtschaft und des interessierten regionalen Publikums
diene. Das Handelsblatt erziele nach einer Verbreitungsanalyse der IVW 2006 im Bezirk
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nur eine Auflage von 6.165 Exemplaren, die regionalen Ausgaben des "Kölner
Stadtanzeigers" sowie der "Kölnischen Rundschau" dagegen 270.000. Nach einer
Reichweitenanalyse erreiche das Handelsblatt 23.000 Leser, die regionalen Zeitungen
des "Kölner Stadtanzeigers" sowie der "Kölnischen Rundschau" 850.000 Lesern. Die
Amtsrichter haben das Schreiben als Beschwerde ausgelegt und dem Landgericht zur
Entscheidung vorgelegt. Durch Schriftsatz vom 3. Januar 2007 (Bl. 898 ff. d.GA.) hat die
Beteiligte nochmals förmlich Beschwerde erhoben und beantragt, unter Aufhebung des
Beschlusses der Amtsrichter vom 1. Dezember 2006 den "Kölner Stadtanzeiger" sowie
die "Kölnische Rundschau" als Veröffentlichungsblätter für das Jahr 2007 zu
bestimmen. Mit Beschluss vom 19. Januar 2007 (Bl. 940 ff. d.GA.) hat das Landgericht
die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der
Beteiligten vom 16. Februar 2007 (Bl. 955 a ff. d.GA.)
2.
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Die weitere Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin ist zulässig, in der Sache aber
unbegründet.
7
a)
8
Die Erstbeschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss der Amtsrichter vom 1.
Dezember 2006, mit welchem diese die Amtsblätter für die Veröffentlichung für das Jahr
2007 bezeichnet haben, ist, was der Senat als Rechtsbeschwerdegericht eigenständig
zu prüfen hat, zulässig. Zwar wird teilweise in der Literatur (Enthaler/Nickel, HGB, 6.
Auflage 1999, § 11 Rn. 61; Schlegelberger/Hildebrandt, HGB, 5. Auflage 1973, § 11 Rn.
4) unter Hinweis auf ältere Entscheidungen des Kammergerichts (JFG 17, 174) sowie
des BayObLG (KGJ 31 A 367 = RJA 7, 37) vertreten, die richterliche Auswahlverfügung
unterliege keinem Rechtsmittel, da weder die Verleger der jeweiligen
Presseerzeugnisse noch die Kaufleute bzw. die J. als die möglicherweise an der
Auswahl der Blätter Interessierten ein Recht darauf hätten, dass die eine oder andere
Zeitung ausgewählt wird oder nicht.
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Indes schließt sich der Senat dieser Auffassung nicht an. Vielmehr stimmt er dem OLG
Celle zu (BB 1997, 2292; so auch Baumbach/Hopt, HGB, 31. Auflage 2003, § 11 Rn. 1),
dass die nach § 11 HGB a.F. bzw. nunmehr Art. 61 Abs. 4 EGHGB zu treffende
Entscheidung einer richterlichen Überprüfung im Rechtsmittelzug unterliegt. Es ist nicht
ersichtlich, warum § 19 Abs. 1 FGG, der für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit
gegen gerichtliche – auch registergerichtliche – Verfügungen grundsätzlich die
Beschwerde eröffnet, in Bezug auf die Auswahlverfügungen gemäß § 11 HGB a.F. bzw.
Art. 61 Abs. 4 EGHGB nicht gilt. Insbesondere hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung
des Bestimmungsrechts in Art. 61 Abs. 4 EGHGB eine Anfechtbarkeit der Entscheidung
des Gerichts über die Bezeichnung des Blattes nicht ausdrücklich gesetzlich
ausgeschlossen.
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Die J. als Beteiligte ist auch beschwerdeberechtigt. Für ein eigenständiges
Beschwerderecht spricht, dass ihr gemäß Art. 61 Abs. 4 S. 2 2. Halbs. EGHGB i.V.m. §
11 Abs. 2 HRV a.F. in dem Bestimmungsverfahren ein Beteiligungsrecht eingeräumt ist.
Insoweit ist bereits für § 11 Abs. 2 HRV a.F. von einem Teil der Literatur
(Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Auflage 1995, § 11 Rn. 8;
MünchKomm/Krafka, HGB, 2. Auflage 2005, § 11 Rn. 7; Staub/Hüffer, HGB, 4. Auflage
1995, § 11 Rn. 5) ein eigenständiges Beschwerderecht entsprechend § 126 FGG bejaht
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worden, wenn eine Anhörung verfahrensfehlerhaft unterblieben ist. Billigt man indes der
J. ein entsprechendes Recht zu, mit dem sie ihre Beteiligung am Verfahren und die
Kenntnisnahme von ihrem Standpunkt erzwingen kann, so erscheint es inkonsequent,
dies nur auf die Rüge der Verletzung von Verfahrensvorschriften zu beschränken. Da
die Beteiligung der Kammer zumindest auch bezweckt, die Interessen der regionalen
Wirtschaft gegenüber dem Registergericht zur Geltung zu bringen, muss der J. auch die
Möglichkeit eingeräumt werden, mit der Beschwerde die Entscheidung des
Registergerichts einer inhaltlichen Prüfung zugänglich zu machen (so auch OLG Celle,
aaO).
b)
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In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des
Landgerichts vom 19. Januar 2007 beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 27
Abs. 1 FGG, 545 Abs. 1 ZPO; insbesondere haben die Amtsrichter bzw. die Kammer für
Handelssachen das bei der Auswahl des Veröffentlichungsorgan eingeräumte
Ermessen nicht rechtsfehlerhaft ausgeübt.
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Soweit dem Tatsachenrichter ein Ermessen zusteht, ist die Entscheidung durch das
Rechtsbeschwerdegericht nur begrenzt nachprüfbar. Zu prüfen ist lediglich, ob
überhaupt die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung vorlagen und, falls ja,
ob das Beschwerdegericht sein Ermessen ausgeübt oder die Notwendigkeit dazu
verkannt hat, ob es die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von
dem Ermessen einen Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch
gemacht hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen
Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände unerörtert gelassen
oder Umstände mitberücksichtigt hat, die nach der ermächtigenden Norm nicht
maßgebend sein dürfen (vgl. nur Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15.
Auflage 2003, § 27 Rn. 23 mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Bei Anlegung
dieser Grundsätze sind keine Ermessensfehler ersichtlich.
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Ein Ermessensfehlgebrauch kann nicht mit dem Hinweis auf die Entscheidung des
Oberlandesgericht Celle vom 15. Mai 1997 (OLGR 1997, 165) begründet werden. Die
von dem dortigen Gericht aufgestellten Grundsätze für die Ausübung des Ermessens bei
der Auswahl des Veröffentlichungsorgans betreffen die Regelung in § 10 Abs. 1 HGB
a.F. und können für die in Art. 61 Abs. 4 EGHGB vorgesehene Übergangszeit von 2
Jahren nicht mehr herangezogen werden. Die bisherige Rechtslage sah die
Veröffentlichung in mehreren Blättern vor, um so dem Zweck der Information der
regionalen Wirtschaft sowie des interessierten regionalen Publikums zu genügen (so
OLG Celle, OLGR 1997, 165). Insoweit bestimmte § 10 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F.
"Eintragungen in das Handelsregister durch den Bundesanzeiger und durch mindestens
ein anderes Blatt". Diese Regelung ist indes durch Art. 61 Abs. 4 EGHGB, der im
Rahmen des EHUG neu geschaffen wurde, geändert worden.
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Bis zum 31. Dezember 2008 hat das Gericht die Eintragungen in das Handelsregister
zusätzlich zu der elektronischen Bekanntmachung nach § 10 HGB n.F. auch in einer
Tageszeitung oder einem sonstigen Blatt zu veröffentlichen.
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Damit ist die bisherige Bekanntmachung in mehreren Printmedien abgeschafft worden
(Schlotter, BB 2007, 1 [2]). Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 61
Abs. 4 Satz 1 EGHGB. Es soll nicht in "mindestens" einer Zeitung die Bekanntmachung
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erfolgen, sondern (nur noch) in einem Printmedium. Eine entsprechende Beschränkung
wird auch durch die in Art. 61 Abs. 4 Satz 2 EGHGB gewählte Formulierung "das
Gericht hat jährlich im Dezember das Blatt zu bezeichnen" sowie "auf die Auswahl und
Bezeichnung des Blattes" belegt. Damit hat der Gesetzgeber eine neue, abweichende
Regelung getroffen.
Die von der Rechtsbeschwerde gegen diese Beschränkung der Anzahl der
Veröffentlichungsorgane vorgetragenen Gesichtspunkte, die sich insbesondere auf die
Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e.V. stützt, waren
bereits Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens und sind umfänglich in die dortigen
Beratungen eingeflossen. So verweist Schlotter darauf (BB 2007, 1 [2]), dass die
Abschaffung der Handelsregisterbekanntmachungen in der örtlichen Tagespresse im
Gesetzgebungsverfahren Gegenstand heftiger Kritik war. Es wurde vertreten, dass das
Internet nicht hinreichend verbreitet und zudem technisch unzuverlässig sei. Schon
daher könne auf die Veröffentlichung der Eintragungen in einer Zeitschrift nicht
verzichtet werden. Außerdem wurde behauptet, insbesondere der Mittelstand wolle
auch weiterhin in der Tageszeitung vor Ort über die lokalen Geschehnisse informiert
werden und hierfür nicht im Internet surfen müssen. Schließlich wurde erheblicher
Schaden für die Meinungsvielfalt durch die wirtschaftliche Schädigung der Lokalpresse
beschworen.
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Indes hat der Gesetzgeber trotz dieser Bedenken Art. 61 Abs. 4 EGBGB nicht anders
gefasst, insbesondere - was durchaus möglich gewesen wäre - § 10 HGB a.F. für eine
Übergangszeit von zwei Jahren weiter für anwendbar erklärt. Um der Gefahr nicht
ausreichender Publizität durch Unterversorgung bestimmter Regionen mit
Internetanschlüssen vorzubeugen, reicht nach der Auffassung des Gesetzgebers die
Veröffentlichung in einem Printmedium aus (vgl. auch HK/Ruß, HGB, 7. Auflage 2007, §
10 Rn. 4). So haben der Leiter des Referats für Gesellschaftsrecht und Corporate
Governance im Bundesjustizministerium, Prof. Dr. T., sowie die Referentin, Frau E., in
einem in der Zeitschrift "EC" veröffentlichten Beitrag zu den Neuregelungen des EHUG
(DB 2006, 2446 [2448]) ausgeführt, dass der "Zwang zur Bekanntmachung durch
"mindestens ein anderes Blatt" für eine Übergangszeit bis Ende 2008 beschränkt auf
eine (und nicht wie bisher eine oder mehrere) Tageszeitung oder sonstiges Blatt
erhalten bleibt".
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Der von der Rechtsbeschwerde herangezogene Gesichtspunkt, dass mit der
Neuregelung eine seit Jahrzehnten bestehende Kontinuität gebrochen werden, ist Folge
der gesetzgeberischen Entscheidung, künftig ausschließlich elektronische
Veröffentlichungen im Bereich des Handelsregisters vorzunehmen. Soweit die
Rechtsbeschwerde darauf hinweist, dass in anderen Gerichtsbezirken, nämlich in
Stuttgart und Hannover, nach wie vor Bekanntmachungen in mehreren regionalen
Tageszeitungen erfolgen, unterliegt die Zulässigkeit dieser Handhabung nicht der
rechtlichen Beurteilung durch den Senat. Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass es
den Unternehmen wie auch den Zeitungsverlagen auch nach der neuen Rechtslage
unbenommen bleibt, eine Eintragung freiwillig in traditioneller Weise über eine oder
auch mehrere Tageszeitungen zu veröffentlichen (T./E., DB 2006, 2446 [2229]).
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Die von den Richtern des Amtsgerichts bzw. dem Landgericht vorgenommene Auswahl
des für 2007 maßgeblichen Veröffentlichungsorgans ist ebenfalls aus Rechtsgründen
nicht zu beanstanden. Der insoweit herausgearbeitete Gesichtspunkt der
Veröffentlichung in einem auf Wirtschafts- und Finanznachrichten ausgerichtetes
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überregionales Blatt ist nicht ermessensfehlerhaft, sondern wird dem Anliegen der
Wirtschaft am ehesten gerecht. Wenn nur noch in einem Blatt Veröffentlichungen in
Printform erfolgen können, erscheint es sinnvoll, aber auf jeden Fall nicht
ermessensfehlerhaft, dies in einer Zeitung vorzunehmen, die nicht nur regional, sondern
bundesweit erscheint. Ansonsten müssten die Betriebe, die über keinen
Internetanschluss verfügen, eine Vielzahl von Zeitschriften vorhalten, um so die
notwendigen Informationen zu erhalten. Dies gilt insbesondere für Ballungszentren, wie
z.B. den Großraum Köln, in dem starke wirtschaftliche Verflechtungen zu den
benachbarten Gebieten, wie Düsseldorf, Aachen, Bonn und Ruhrgebiet bestehen. Dass
auch die beteiligte J. dies so gesehen hat, belegt ihre Stellungnahme vom 27.
November 2006, in der diese ausdrücklich die Reduzierung der
Bekanntmachungskosten begrüßt und darauf verweist, dass durch die Wahl des
Handelsblatts eine angemessene Verbreitung sicher gestellt werde.
3.
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Eines Ausspruchs über die Kosten des Verfahrens bedarf es nicht, da der
Beschwerdeführerin kein Gegner gegenübersteht.
23
Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde:
24
3.000,00 €
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