Urteil des OLG Köln vom 04.04.1997

OLG Köln (bezeichnung, zeitschrift, uwg, begriff, teil, verwendung, eltern, gefahr, druckschrift, verkehr)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 178/96
Datum:
04.04.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 178/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 187 / 96
Schlagworte:
Titelschutz, FAMILY
Normen:
MarkenG §§ 5, 15, 153; UWG § 16 (a.F.).
Leitsätze:
1. ,FAMILY" als Titel einer vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift, die
sich in breiter Themenvielfalt den Problemen der von ihr
angesprochenen Zielgruppen widmet, ist schutzfähig i.S. von § 5
MarkenG (§ 16 Abs. 1 UWG a.F.). 2. Titelschutz nach §§ 5, 15 MarkenG,
16 Abs. 1 UWG (a.F.) besteht auch gegenüber einer
(verwechslungsfähigen) Bezeichnung, die ein Konkurrenzblatt zwar
nicht auf seiner Titelseite, wohl aber im redaktionellen Teil titelmäßig
verwendet. 3. ,FAMILY" als Titel einer Zeitschrift und die aus einem
Gesamttitel herausgelöste, im redaktionellen Teil eines konkurrierenden
Blattes des gleichen Genres titelmäßig verwendete Bezeichnung ,for
family" sind miteinander verwechselbar.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 25. Juni 1996
verkündete Urteil der 31. Zivil- kammer des Landgerichts Köln - 31 O
187 / 96 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der
Unterlassungsausspruch der mit dem genannten Urteil bestätigten
einstweiligen Verfügung vom 20. März 1996 ( Landgericht Köln - 31 O
187/96 -) folgende Neufassung erhält: Der Antragsgegnerin wird es bei
Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu ver- hängenden
Ordnungsgeldes bis zur Höhe von DM 500.000.-, ersatzweise
Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu
einer Dauer von 6 Monaten - die Ordnungshaft jeweils zu vollstrecken an
ihren Geschäftsführern - untersagt, die Bezeichnungen " for family "
und/oder " for family - AKTION " und/oder " for family - Autorin " wie
nachfolgend wiedergegeben zu verwenden: Die Kosten des
Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
1
Die Berufung der Antragsgegnerin ist zwar zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen
Erfolg.
2
Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die im Beschlußweg
ergangene einstweilige Unterlassungsverfügung aufrechterhalten. Das darin im
Ergebnis ausgesprochene Verbot der Verwendung der Bezeichnung " for family ",
welches in seiner jetzigen Formulierung an die von der Antragstellerin beanstandeten
konkreten Verletzungsformen angepaßt ist, erweist sich als berechtigt. Die
Antragstellerin hat in einer für den Erlaß bzw. die Aufrechterhaltung der einstweiligen
Verfügung ausreichenden Weise die tatsächlichen Voraussetzungen des von ihr
geltend gemachten Unterlassungsbegehrens, dessen Dringlichkeit nach der auch bei
markenrechtlichen Ansprüchen eingreifenden Vermutung des § 25 UWG zu bejahen ist
( vgl. Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Auflage, Rdn. 5 zu § 25 UWG ),
glaubhaft gemacht.
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Das auf die Unterlassung der angegriffenen Verwendung der Bezeichnung " for family "
in der von der Antragsgegnerin herausgegebenen Zeitschrift " ELTERN for family "
gerichtete Begehren der Antragstellerin ist nach den im Streitfall gemäß § 152 Abs. 1
MarkenG seit dem 1. 1. 1995 anzuwendenden §§ 5 Abs. 1 und 3, 15 Abs. 1, 2 und 4
MarkenG ebenso wie nach dem gemäß der Übergangsregelung des § 153 Abs. 1
MarkenG gleichermaßen zu beachtenden § 16 Abs. 1 UWG a. F. begründet.
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1. Bei dem Titel " FAMILY " der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift der
Antragstellerin handelt es sich um eine gemäß § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG als
sogenannter Werktitel geschützte geschäftliche Bezeichnung einer Druckschrift, die
bereits vor dem Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. 1. 1995 nach § 16 Abs. 1 UWG
a. F. Schutz beanspruchen konnte.
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Voraussetzung hierfür ist nach § 16 Abs. 1 UWG a. F. und dem insoweit ohne sachliche
Änderung an seine Stelle getretenen § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG ( vgl. amtliche
Begründung zum MarkenrechtsreformG, abgedruckt in: von Mühlendahl, Deutsches
Markenrecht, Seite 137 ), daß der gewählte Titel nicht lediglich den Inhalt des Werkes
bezeichnet, sondern bestimmt und geeignet ist, das damit benannte Werk von anderen
zu unterscheiden ( vgl. Großkomm./Teplitzky, Rdn. 70 zu § 16 UWG; Baumbach /
Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Auflage, Rdn. 118 a zu § 16 UWG - jeweils m. w. N. ).
So liegt der Fall hier.
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Der Titel " FAMILY " der Antragstellerin erschöpft sich nicht in der Beschreibung des
Inhalts der von der Antragstellerin herausgegebenen Zeitschrift; er ist vielmehr als eine
von Hause aus unterscheidungskräftige Bezeichnung, mithin als ein von vorneherein
zur Individualisierung der Publikation geeigneter und bestimmter Begriff einzuordnen.
Zwar ist es richtig, daß der der englischen Sprache entnommene Begriff " FAMILY ", bei
dem es sich um ein auch den deutschen Verbrauchern geläufiges Wort der
Umgangssprache handelt, durchaus als Hinweis auf die vordergründig in der Zeitschrift
behandelte Thematik sowie auf die Zielgruppe, an welche die Publikation sich
vornehmlich wendet, verstanden werden kann. Jedoch folgt hieraus nur ein derart
allgemein gehaltener und keinerlei näherer Bezug zu einer bestimmten Thematik aus
der denkbar breiten unterschiedlichen Themenvielfalt erkennbar machender pauschaler
Hinweise auf mögliche Inhalte, daß dies dem in Rede stehenden Begriff nicht die ihm
von Hause aus als Bezeichnung für eine Zeitschrift innewohnende
Unterscheidungskraft nimmt. Zu berücksichtigen ist dabei vor allem, daß der Verkehr
sich bei Zeitschriften an aus bechreibenden Angaben gebildete Werktitel gewöhnt hat
und daher leicht geneigt ist, in Titeln mit Anlehnungen an und Hinweisen auf das
Sachgebiet die unterscheidungskräftige Benennung der Druckschrift zu sehen, weshalb
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nur geringe Anforderungen an die Individualisierungs- bzw. Unterscheidungskraft einer
als Titel gewählten Bezeichnung zu stellen sind ( vgl. Großkomm./Teplitzky, Rdn. 210
zu § 16 UWG; Baumbach/Hefermehl, a. a. O., 17. Auflage, Rdn. 118 a zu § 16 UWG
).Jedenfalls als Titel einer Druckschrift ist die von der Antragstellerin gebrauchte
Bezeichnung " FAMILY " auch ungewöhnlich und daher von ursprünglicher
Unterscheidungskraft. In der Verwendung dieses Begriffs liegt nämlich - wie die
Antragsgegnerin in ihrer Schutzschrift vom 4. 3. 1996 selbst ausgeführt hat - die
Übertragung des Sinngehalts dieses Begriffs auf einen ihm von seiner natürlichen
Wortbedeutung her an sich nicht zuzuordnenden Gegenstand - eine Zeitschrift nämlich (
vgl. BGH GRUR 1980, 247/248 - " Capital-Service " -; OLG Köln GRUR 1994, 386 - " die
Geschäftsidee " -; OLG Köln GRUR 1984, 751/752 - " Express " - ).
Soweit die Antragsgegnerin einwendet, daß der Begriff " FAMILY/family " bzw. " Familie
" in zahlreichen anderen Titeln von Druckschriften Verwendung finde, ist das im
gegebenen Zusammenhang unerheblich. Ein etwaiger titelmäßiger Drittgebrauch mag
den Grad der Kennzeichnungskraft beeinflussen und daher im Rahmen der Beurteilung
der Verwechslungsgefahr von Bedeutung sein. Das ändert aber nichts daran, daß dem
Begriff " FAMILY " als Titel einer Zeitschrift von Hause aus eine für die Schutzfähigkeit i.
S. von § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG / 16 Abs. 1 UWG a. F. ausreichende
Individualisierungskraft innewohnt.
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2. Durch die konkret angegriffene Verwendung der Bezeichnung " for family " im
redaktionellen Teil der Zeitschrift " ELTERN for family " hat die Antragsgegnerin auch
das ausschließliche Recht der Antragstellerin an der als Werktitel geschützten
Bezeichnung " FAMILY " der Antragstellerin verletzt. Denn die Antragsgegnerin benutzt
" for family " in einer Weise, die geeignet ist, Verwechslungen mit dem prioritätsälteren
Titel der Antragstellerin hervorzurufen.
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a. Daß die Antragsgegnerin die aus der Bezeichnung ihrer Zeitschrift " ELTERN for
family " entnommenen Bestandteile " for family " in den angegriffenen
Verwendungsformen nicht auf der Titelseite der Publikation, sondern im redaktionellen
Teil der Druckschrift gebraucht hat, steht der Annahme einer titelverletzenden
Verwendung dabei von vorneherein nicht entgegen. Für die fremden Titelschutz
verletzende Verwendung einer Bezeichnung ist es nicht erforderlich, daß diese
ihrerseits auf der Titelseite eines Druckwerks gebraucht ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob
aus der konkreten Art der Verwendung die Gefahr droht, daß der im redaktionellen Teil
einer Druckschrift benutzte Begriff sich innerhalb der angesprochenen Verkehrskreise
als Bezeichnung bzw. Name des Werks einbürgert ( vgl. BGH GRUR 1979, 564/565 - "
Metall-Zeitung " -; BGH GRUR 1968, 259/260 - " NZ " - ). Denn dann besteht jedenfalls
unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr die Besorgnis, daß es zu
Verwechslungen mit dem prioritätsälteren Werktitel kommt. So liegt der Fall aber hier:
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Die Antragsgegnerin verwendet die aus dem Gesamttitel " ELTERN for family "
entnommenen Begriffe " for family " im redaktionellen Teil wiederholt und regelmäßig
wiederkehrend - beispielsweise, was die Antragstellerin ebenfalls angreift, neben den
Seitenzahlen - , um ihre Zeitschrift als Werk zu individualisieren, mithin in der Art eines
Namens. Dies beschwört aber eindeutig die Gefahr, daß die angesprochenen
Verkehrskreise sich der Begriffe " for family " ( z.B. bei Wiederholungskäufen ) als
Abkürzung für den längeren Gesamttitel bedienen. Gerade der Umstand, daß die
Antragsgegnerin - wie unstreitig ist - unter dem " Haupttitel " ELTERN diverse
Sonderhefte herausgibt, läßt es als naheliegend erscheinen, daß die ohnehin zu
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vereinfachenden Abkürzungen neigende Verbraucherschaft sich zur Bezeichnung des
in Rede stehenden Heftes der Antragsgegnerin der Kurzform " for family " bedient, um
eine Abgrenzung von anderen ELTERN-Titeln vorzunehmen. Die einen solchen
Gebrauch sogar fördernde Art der hier angegriffenen konkreten Verwendungen , mit
denen die Antragsgegnerin selbst ihre Zeitschrift im redaktionellen Teil mit dieser aus
dem Gesamttitel gebildeten Kurzform benennt, begründet daher die ernsthafte Gefahr,
daß sich " for family " als Titel der Zeitschrift der Antragsgegnerin im Verkehr einbürgert.
b. Es besteht weiter auch die Gefahr, daß ein nicht unbeachtlicher Teil des
angesprochenen Verkehrs, dem die Mitglieder des erkennenden Senats hier sämtlich
zugehörig sind, wegen der Gemeinsamkeiten der sich gegenüberstehenden
Bezeichnungen zumindest einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne unterliegt,
weil er auf organisatorische oder wirtschaftliche Zusammenhänge zwischen den
Zeitschriften der Parteien schließt.
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Die Verwechslungsgefahr bestimmt sich nach dem Grad der Ähnlichkeit der beiden
Bezeichnungen , der Kennzeichnungskraft der geschützten Bezeichnung sowie nach
der Nähe oder Ferne der Branchen, wobei zwischen diesen Faktoren eine
Wechselwirkung besteht ( vgl. Großkomm./Teplitzky, Rdn. 321 f zu § 16 UWG m. w. N. ).
Unter Anwendung dieser Beurteilungskriterien ist aber die Gefahr von Verwechslungen
im o. g. Sinne eindeutig zu bejahen:
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Die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen " FAMILY " und " for family " der Parteien
sind sowohl vom Klangbild auch auch vom Sinngehalt her fast identisch. Das gilt
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ungeachtet des Umstands , daß die Antragsgegnerin den Begriff " family " nicht - wie die
Antragstellerin - für sich allein, sondern zusammen mit dem weiteren Begriff " for "
verwendet. An dem aufgrund des beiden Bezeichnungen gemeinsamen
Titelbestandteils " family " hervorgerufen Eindruck nahezu identischer Übereinstimmung
ändert sich dadurch nichts. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sich der
Verkehr bei Zeitschriften an das Nebeneinander ähnlicher Titel und deshalb daran
gewöhnt hat, auf Unterschiede in der Titelfassung genauer zu achten ( vgl.
Baumbach/Hefermehl, a. a. O., 17. Auflage, Rdn. 127 zu § 16 UWG ) , ergibt sich keine
abweichende Beurteilung. Dabei kann es dahinstehen, ob das Bezeichnungselement "
for " in " for family " überhaupt ein den maßgeblichen Gesamteindruck dieser
Bezeichnung mitprägendes Element darstellt oder ob es neben dem weiteren Begriff "
family " nicht völlig in den Hintergrund tritt. Das kann hier offenbleiben, weil selbst bei
der Annahme, daß " for " neben " family " ein die Bezeichnung der Zeitschrift der
Antragsgegnerin mitprägendes Element darstellt, die Verwechslungsgefahr nicht entfällt.
Denn der Verkehr gewinnt seinen Eindruck regelmäßig nicht aufgrund einer
gleichzeitigen Betrachtung der sich gegenüberstehenden Bezeichnungen, sondern
aufgrund einer in aller Regel undeutlichen Erinnerung, in der aber die
übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die Unterschiede ( BGH GRUR
1991, 153/155 - " Pizza ##blob##amp; Pasta " -; BGH GRUR 1990, 450/452 - " St.
Peters-Quelle " - ). Der Titelbestandteil " for " in " for family " stellt danach jedenfalls
keine Abweichung dar, die geeignet ist, die aufgrund der in klanglicher Hinsicht und
vom Sinngehalt her fast identisch übereinstimmenden Begriffe " FAMILY " / " family "
hervorgerufene große Ähnlichkeit der beiden Bezeichnungen zu verhindern.
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Im Hinblick auf den weiteren Umstand, daß die sich gegenüberstehenden
Bezeichnungen für Produkte verwendet werden, die aus nahezu identischen, jedenfalls
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aber eng miteinander verwandten Branchen stammen, ist die Gefahr von
Verwechslungen selbst dann zu bejahen, wenn die von Hause aus bestehende, als
durchschnittlich einzuordnende Kennzeichnungskraft des Titels " FAMILY " der
Antragstellerin durch Drittbezeichnungen geschwächt sein sollte. Soweit die
Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zahlreiche Titel von Druckschriften
angeführt hat ( vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 14. 10. 1996 ), in deren Titel u. a. die
Begriffe " Familie ", " familiär " usw. Erwähnung finden, ist schließlich jedoch darauf
hinzuweisen, daß bei einem großen Anteil dieser Bezeichnungen die vorstehenden
Begriffe nicht in einer den Werktitel zumindest mitprägenden Weise gebraucht und
daher aus diesem Grund nicht geeignet sind, die Unterscheidungskraft des Titels "
FAMILY " der Antragstellerin zu schwächen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO. Zu einer abweichenden Kostenregelung
bestand dabei kein Anlaß. Soweit die Antragstellerin ihren Unterlassungsantrag
umformuliert hat, liegt darin keine teilweise Rücknahme des mit dem ursprünglichen
Antrag verfolgten Unterlassungsbegehrens, sondern lediglich die Anpassung an die
konkret beanstandete Verletzungshandlung, mit welcher der Umfang und die
Reichweite des von Anfang an erstrebten Verbots konturiert werden sollen.
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Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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