Urteil des OLG Köln vom 28.04.1995

OLG Köln (mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit, stufenklage, zpo, auskunft, unterhalt, mutter, abänderungsklage, zahlung, eltern, höhe)

Oberlandesgericht Köln, 25 WF 79/95
Datum:
28.04.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 WF 79/95
Normen:
BGB § 1629; ZPO §§ 114, 254
Leitsätze:
Abänderungsklage im Wege der Stufenklage
1. Hat ein Ehegatte in gesetzlicher Prozeßstandschaft gemäß § 1629
BGB gegen den anderen Ehegatten einen Titel über Kindesunterhalt
erwirkt, so ist nach rechtskräftiger Ehescheidung die Abänderungsklage
von dem beziehungsweise gegen das Kind zu erheben. 2. Bei einer
Stufenklage ist Prozeßkostenhilfe grundsätzlich insgesamt und nicht nur
für die eine oder andere Stufe zu bewilligen. 3. Die mit der Stufenklage
beabsichtigte Rechtsverfolgung ist grundsätzlich nicht deshalb mutwillig,
weil bereits fortlaufend Unterhalt gezahlt wird. Unter diesem
Gesichtspunkt kommt Versagung von Prozeßkostenhilfe erst für den
bezifferten Zahlungsantrag in Betracht, wenn sich aufgrund erteilter
Auskunft ergibt, daß höherer als der bereits laufend gezahlte Unterhalt
nicht geschuldet wird.
G r ü n d e
1
Die gemäß den §§ 127 II, 569 ZPO zulässige Beschwerde führt unter Aufhebung des mit
ihr angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung an das Amtsgericht -
Familiengericht -, das erneut über das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstelerin zu
entscheiden und dabei die Gründe dieses Beschlusses zu beachten haben wird.
2
Am 31.01.1991 ist vor dem Familiengericht Köln - 323 F 180/90 - ein Prozeßvergleich
geschlossen worden. Dadurch hat der Antragsgegner sich zur Zahlung monatlicher
Unterhaltsrenten von 270,-- DM an die Antragstellerin, seine eheliche Tochter,
verpflichtet. Damals war er mit ihrer Mutter verheiratet und lebte im Rechtssinne von ihr
getrennt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, daß
bei der Schaffung jenes Titels nach § 1629 BGB verfahren worden ist, daß also die
Mutter der Antragstellerin in gesetzlicher Prozeßstandschaft auf Zahlung von
Kindesunterhalt geklagt und in eben dieser Eigenschaft bei dem Abschluß des
Prozeßvergleichs mitgewirkt hat. In dieser Folgezeit wurde die Ehe der Eltern der
Antragstellerin rechtskräftig geschieden. Nunmehr beabsichtigt die Antragstellerin mit
der Bitte um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe die Erhebung einer Stufenklage gemäß
§ 254 ZPO: der Antragsgegner soll verurteilt werden, ihr über seine gesamten Brutto-
und Nettoeinkünfte im Zeitraum 1. Juli 1993 - 30. Juni 1994 Auskunft zu erteilen, und an
3
sie den sich aus der Auskunft ergebenden Unterhalt, mindestens aber monatlich 450,-
DM abzüglich hälftiges Kindergeld, und zwar ab 1. Juli 1994 zu zahlen. Diese
Stufenklage ist in ihrer letzten Stufe - Zahlungsantrag - eine Abänderungsklage gemäß
§ 323 ZPO und damit die richtige, gesetzlich vorgeschriebene Klageart, weil mit dem
Prozeßvergleich bereits ein Zahlungstitel existiert, der - im Falle entsprechender
Veränderungen - nur im Wege der Abänderungsklage angepaßt werden kann. Dabei ist
die Antragstellerin nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe ihrer Eltern die richtige Partei
auf der Aktivseite, obwohl der abzuändernde Titel aller Voraussicht nach von ihrer
Mutter in gesetzlicher Prozeßstandschaft erwirkt worden ist (vgl. statt aller Palandt-
Diederichsen, BGB, 54. Aufl., § 1629 Rz. 36 mit Rechtsprechungsnachweisen). Im
Rahmen dieser Klage wird der Antragsgegner - als erstes - die beanspruchte Auskunft
entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung gem. § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB zu
erteilen haben; dieses Klagebegehren biete also im Sinne des § 114 ZPO hinreichende
Erfolgsaussicht und kann ersichtlich nicht mutwillig sein. Nicht haltbar ist ferner die
Erwägung im angefochtenen Beschluß, die beabsichtigte Klage sei angesichts der
Tatsache, daß der Antragsgegner unstreitig monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe
von 500,-- DM leiste, mutwillig. Abgesehen davon, daß sich das nicht auf die ganze
Stufenklage, sondern nur auf den Zahlungsantrag beziehen kann, wird dabei
übersehen, daß die Antragstellerin sich - entsprechend dem Sinn und Zweck der
Stufenklage - ausdrücklich Bezifferung des Zahlungsantrages nach Erteilung der ihr
vom Antragsgegner geschuldeten Auskunft vorbehalten hat. Dabei kann gegenwärtig
naturgemäß nicht ausgeschlossen werden, daß der Antragsgegner nach
Auskunftserteilung höheren Unterhalt als den zur Zeit von ihm freiwillig geleisteten
schuldet. Desweiteren ist zur Vermeidung von Mißverständnissen darauf hinzuweisen,
daß nach herrschender, vom Senat geteilter Meinung bei der hier einschlägigen
Stufenklage von vornherein für sämtliche Stufen Prozeßkostenhilfe bewilligt werden
muß, wenn die Voraussetzungen des § 114 ZPO vorliegen (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 19.
Aufl., § 114 Rz. 37 mit zahlr. Nachweisen). Der Staatskasse entsteht dadurch kein
Nachteil, insbesondere läuft sie nicht Gefahr, für durch überhöhte Anträge ausgelöste
Kosten aufkommen zu müssen. Vielmehr wird die Antragstellerin sogleich die
prozessualen Konsequenzen in Gestalt der Klagerücknahme ziehen müssen, wenn sich
herausstellen sollte, daß der Antragsgegner angesichts seiner Leistungsfähigkeit als
gesetzlicher Unterhaltsschuldner nach Maßgabe der - noch zu erteilenden - Auskunft
nicht mehr als das, was er zur Zeit zahlt, zu zahlen hat. In diesem Fall kann es für einen
mit den freiwilligen Zahlungen der Höhe nach übereinstimmenden, bezifferten
Klageantrag keine Prozeßkostenhilfe geben. Denn diese Rechtsverfolgung wäre, wie
das Familiengericht zutreffend ausgeführt hat, mutwillig, weil auch eine Partei, die
genug Geld hat, um die Prozeßkosten aufbringen zu können, bei Anlegung an
vernünftigen, sparsamen Verhalten ausgerichteter Maßstäbe nicht auf Zahlung dessen
klagen würde, was ihr Monat für Monat durch freiwillige Zahlungen zufließt (vgl. Zöller-
Philippi, a.a.O., § 114 Rz. 40 mit Nachweisen; Senat in ständiger Rechtsprechung). Der
Antragstellerin ist es zwar auch in diesem Falle unbenommen, einen Titel zu erwirken,
aber nicht auf Kosten der Staatskasse und damit der Steuerzahler, sondern auf eigene
Kosten. Soweit sie geltend macht, der Antragsgegner zahle nur unregelmäßig, ist damit
mangels jeglicher Substantiierung nichts anzufangen. Im Rahmen der Stufenklage mit
noch unbeziffertem Zahlungsantrag ist es auch unschädlich, daß die Antragstellerin
Abänderung des Vergleichs mit Wirkung ab 01.07.1994, also nach rückwärtshin
verlangt. Die Schranken des § 323 III ZPO gelten nicht für Prozeßvergleiche (BGH GSZ
85, 64) und die Antragstellerin hat den Antragsgegner in der erforderlichen Weise
,abgemahnt", indem sie ihn vorprozessual zur Auskunftserteilung und Unterhaltszahlung
ab 01.07.1994 aufgefordert hat.
Bietet nach alledem die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht
und ist sie nicht mutwillig, so hängt die Bewilligng der Prozeßkostenhilfe nur noch von
der Prozeßarmut der Antragstellerin ab. Zur Nachholung dieser Prüfung, bei der es
darauf ankommen wird, ob die Antragstellerin sich auf die Beanspruchung eines
Prozeßkostenvorschusses gegenüber ihrer Mutter oder dem Antragsgegner oder beiden
Elternteilen verweisen lassen muß, war das Verfahren unter Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
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