Urteil des OLG Köln vom 09.03.2010

OLG Köln (zpo, antragsteller, vorläufiger rechtsschutz, beschwerde, zuständigkeit, zwangsvollstreckung, begehren, vollstreckung, aufforderung, forderung)

Oberlandesgericht Köln, 16 W 13/10
Datum:
09.03.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 W 13/10
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der
9. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 4. Januar 2010 - 9 O 467/08 -
wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
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I.
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Mit Beschluss vom 20.01.2006 wurde gegen den Antragsteller unter Bestellung eines
Treuhänders das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Danach, nämlich mit
Beschluss vom 19.12.2007 wurde durch Beschluss des Vorsitzenden einer Zivilkammer
des Landgerichts Aachen ein am 14.12.2005 ergangenes Urteil des Amtsgerichts
Krakow/Polen gegen den Antragsteller auf Zahlung von 54.725,87 PLN nebst Zinsen
und Verfahrenskosten für vollstreckbar erklärt. Eine hiergegen eingelegte Beschwerde
nahm der Antragsteller zurück, nachdem er seitens des Senats darauf hingewiesen
worden war, dass Versagungsgründe nach Artikel 34 EuGVVO nicht hinreichend
dargetan seien und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits vor der Einleitung
eines Vollstreckbarkeitsverfahrens keinen Einfluss auf letzeres habe. Danach erwirkte
der Antragsgegner noch einen Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Antragsteller
wegen der Kosten des Vollstreckbarkeitsverfahrens.
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Vorliegend begehrt der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine
Vollstreckungsgegenklage gegen das Urteil des Amtsgerichts Krakow in Verbindung mit
dem Vollstreckbarkeitsbeschluss vom 06.02.2008. Dieses Begehren stützt er darauf,
dass wegen des Verbraucherinsolvenzverfahrens eine Zwangsvollstreckung unzulässig
sei, jedoch der Antragsgegner eine Aufforderung, von
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abzusehen nicht beantwortet, sondern im Gegenteil
danach noch das Kostenfestsetzungsverfahren betrieben habe.
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Nach Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuchs durch das Landgericht verfolgt
der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde sein Begehren weiter und ergänzt
dieses nunmehr hilfsweise dahingehend, dass Prozesskostenhilfe auch für eine
Erinnerung gemäß § 766 ZPO begehrt wird.
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II.
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Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde, der das
Landgericht nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet.
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Das Landgericht hat dem Antragsteller mit Recht die nachgesuchte Prozesskostenhilfe
wegen fehlender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verweigert.
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Ziel des erstinstanzlichen Begehrens des Antragstellers war es nach den zutreffenden
Feststellungen des Landgerichts, für die Dauer des Verbraucherinsolvenzverfahrens
Vollstreckungsmaßnahmen aus dem für vollstreckbar erklärten polnischen Urteil und
dem ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss zu verhindern. Damit hat der
Antragsteller indes keinen materiell-rechtlichen Einwand gegen den titulierten Anspruch
selbst geltend gemacht, der alleine Gegenstand einer Vollstreckungsgegenklage
gemäß § 14 Abs. 1 AVAG i.V.m. § 767 ZPO sein könnte. Vollstreckungsmaßnahmen
eines Gläubigers, die gegen das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung gemäß § 89
InsO bzw. – wie hier – § 294 Abs. 1 InsO ergehen, können dagegen nur mit
vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen, also der Erinnerung nach § 766 ZPO bzw.
der Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 RpflG angefochten werden (vgl.
z.B. MünchKomm/Ehricke, InsO, 2. Aufl., § 294 Rz. 16). Auch dies hat bereits das
Landgericht zutreffend ausgeführt.
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Der Hinweis der Beschwerde darauf, dass im Rahmen der beantragten
Restschuldbefreiung die Wohlverhaltensphase im Januar 2012 auslaufe, vermag dem
Begehren ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die bloße Möglichkeit, dass es
demnächst zu einer Restschuldbefreiung kommen kann, begründet alleine noch keinen
Einwand gegen den titulierten Anspruch selbst. Erst die Restschuldbefreiung selbst
gemäß den §§ 300, 301 InsO führt zu einer Umgestaltung der titulierten Forderung,
nämlich zur Entstehung einer unvollkommenen Verbindlichkeit, die weiterhin erfüllbar,
aber nicht erzwingbar ist. Deswegen kann der Einwand eines Schuldners, aus einem
gegen ihn ergangenen Titel könne wegen Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr
vollstreckt werden, zwar im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO
geltend gemacht werden (vgl. BGH NJW 2008, 3640 mit Nachweisen auch zu der
Gegenmeinung, die auch in dieser Situation nur eine Erinnerung für zulässig hält). Eine
derartige Umgestaltung der titulierten Forderung zu einer unvollkommenen
Verbindlichkeit infolge einer gewährten Restschuldbefreiung ist indes noch nicht erfolgt
und es ist derzeit, lange vor Ablauf der Wohlverhaltensphase auch nicht absehbar, ob
es dazu kommen wird.
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Für eine Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO fehlt es – entgegen den
Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss – bereits an einer Zuständigkeit des
Landgerichts. Auch wenn für einen auf § 294 InsO gestützten Einwand gegen eine
Vollstreckungsmaßnahme nicht das Insolvenz-, sondern das Vollstreckungsgericht
zuständig sein sollte, was offen bleiben kann (vgl. zum Meinungsstand
MünchKomm/Ehricke a.a.O. Rz. 18), ist das Amtsgericht zuständig; denn nur dieses ist
nach § 764 ZPO Vollstreckungsgericht. Die durch § 14 Abs. 2 AVAG begründete
Zuständigkeit des Landgerichts als Gericht, das über den Antrag auf Erteilung der
Vollstreckungsklausel entschieden hat, bezieht sich nur auf eine Klage nach § 767 ZPO,
ist also eine Zuständigkeit des – titelschaffenden – Prozessgerichts, das auch bei
Vollstreckungsgegenklagen gegen unmittelbar in Deutschland geschaffene Titel gemäß
§ 767 Abs. 1 ZPO zuständig ist. Die anschließende Zwangsvollstreckung aus einem
solchen Titel erfolgt wiederum nach den allgemeinen Regeln des 8. Buches der ZPO
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mit der Folge, dass auch für Rechtsbehelfe gegen einzelne Vollstreckungsmaßnahmen
die allgemeinen Regeln gelten, mithin auch die durch § 764 ZPO begründete
Zuständigkeit des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht.
Im Übrigen und unabhängig hiervon ist eine Erinnerung auch deswegen derzeit
unzulässig, weil die Zwangsvollstreckung noch nicht begonnen hat. Da dieser
Rechtsbehelf nur gegen einzelne Vollstreckungsmaßnahmen gerichtet werden kann, ist
er jedenfalls bei der Vollstreckung wegen einer Geldforderung und solange, wie noch
keine Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Schuldners drohen,
erst nach Beginn einer konkreten Vollstreckungsmaßnahme zulässig (vgl. z.B.
Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 766 ZPO Rz.
21). Vorliegend ist aber noch nicht einmal ersichtlich, ob und gegebenenfalls welche
Vollstreckungsmaßnahmen der Antragsgegner in Angriff nehmen will. Die bloße
Nichtreaktion auf die ultimative Aufforderung des Antragstellers vom 28.05.2008 zur
Abgabe einer Erklärung, auf die der Antragsteller keinen Anspruch hatte, lässt insoweit
Schlüsse nicht zu. Dass der Antragsgegner in der Folgezeit wegen der Kosten des
Vollstreckbarkeitsverfahrens noch einen Kostenfestsetzungsbeschluss erwirkt hat, war
sein gutes Recht, an dessen Ausübung er durch § 294 Abs. 1 InsO nicht gehindert war
(vgl. dazu MünchKomm/Ehricke a.a.O. Rz. 15).
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