Urteil des OLG Köln vom 17.08.2004

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Oberlandesgericht Köln, 9 U 163/03
Datum:
17.08.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 163/03
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 10 O 230/03
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.08.2003 verkündete Urteil
der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 10 O 230/03 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
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I. Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche der Klägerin auf Grund einer bei
der Beklagten abgeschlossenen Teilkaskoversicherung wegen einer behaupteten
Entwendung von Spezialfelgen der Firma T mit Bridgestone-Reifen des Porsche 928 mit
dem amtlichen Kennzeichen xx - xx 510.
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In der von ihr unterschriebenen Schadenanzeige vom 22.09.2000 trug die Klägerin auf
die Frage 10 a) "Wann haben Sie Ihr Kfz erworben?" handschriftlich "06/2000" ein und
auf die Frage b) "Zu welchem Kaufpreis ?" "28.000,- DM". Als Antwort auf die Frage h)
"Geschätzter Fahrzeugwert ?" trug sie ein "28.000,- DM". Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf die Schadenanzeige Bezug genommen (vgl. Bl. 31,32 und 50 GA).
In Wahrheit hatte der frühere Freund und jetzige Ehemann der Klägerin im Juni 2000
den Porsche für 19.500,00 DM erworben.
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Die Klägerin hat vorgetragen, die Kompletträder seien in der Nacht vom 20. auf den
21.09.2000 entwendet worden, als das Fahrzeug auf dem Gelände der Firma D in F
abgestellt gewesen sei. Die Beklagte hat die Entwendung sowie das Vorhandensein
der Spezial-Felgen der Firma T bestritten und sich auf Leistungsfreiheit wegen falscher
Angaben der Klägerin berufen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe
falsche Angaben zum Kaufpreis gemacht. Tatsächlich sei das Fahrzeug vom Ehemann
der Klägerin für 19.500,00 DM erworben worden. Ein etwaiger Erwerb durch die
Klägerin von ihrem Ehemann zu einem anderen Preis sei von ihr selbst nicht
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vorgetragen worden. Außerdem habe sie Fragen nach dem Vorhandensein
unreparierter und reparierter Schäden verneint, obgleich ihr Ehemann in unmittelbarem
zeitlichen Zusammenhang gegenüber dem Verkäufer einen Getriebeschaden, eine
defekte Hinterachse, eine defekte Felge und ein durchgerostetes Seitenteil mit
Gesamtreparaturkosten von 10.000,00 DM reklamiert habe. Schließlich habe die
Klägerin das Fahrzeug veräußert trotz der Bitte der Beklagten, ihr Gelegenheit zur
Besichtigung zu geben. Sie habe weder die erbetene Ablichtung des Fahrzeugscheins
der Beklagten überlassen noch die Handwerkerversicherung der Firma D mitgeteilt
sowie die Bekanntgabe der Anschrift des Fahrzeugkäufers verweigert.
Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil und seine tatsächlichen
Feststellungen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1ZPO) Bezug genommen.
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Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht im Wesentlichen geltend,
ihre Angaben seien richtig gewesen. Sie habe das Fahrzeug von ihrem damaligen
Freund und jetzigen Ehemann zu dem angegebenen Preis käuflich erworben. Nach der
Abmeldung durch den Ehemann sei der Porsche nach der Veräußerung an die Klägerin
am 19.06.2000 auf diese angemeldet worden. Es sei nicht relevant, ob der Ehemann
zuvor den Wagen für 19.500,00 DM käuflich erworben habe. Sie habe auch die Fragen
nach unreparierten und reparierten Schäden nicht falsch beantwortet. Sie sei bei der
Beantwortung der Fragen davon ausgegangen, dass die Beklagte habe in Erfahrung
bringen wollen, ob ihr Unfallschäden an dem Fahrzeug bekannt seien. Den
Ankaufvertrag habe sie nicht vorlegen können, weil kein schriftlicher Vertrag mit ihrem
Ehemann existiere. Den Verkaufsvertrag habe sie verlegt. Ein Fahrzeugschein habe der
Beklagten bereits vorgelegen. Dass die Versicherung der Firma D nicht eintreten würde,
habe ihre Anwältin der Beklagten mitgeteilt.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die
Klägerin 8.896,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hält das Vorbringen der Klägerin zum Erwerb
des Fahrzeugs für verspätet. Die Klägerin habe den Wagen nicht von ihrem Ehemann
erworben.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze verwiesen.
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II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das
Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch wegen des
behaupteten Schadenereignisses vom 20./21.09. 2000 aus §§ 1, 49 VVG,
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§ 12 Nr. 1 I b) AKB nicht zu.
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Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Spezialfelgen überhaupt aufgezogen
gewesen sind und ob die Klägerin den Nachweis des äußeren Bildes der Entwendung
der Felgen erbracht hat.
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Der Ersatzanspruch der Klägerin entfällt jedenfalls, weil die Beklagte wegen
schuldhafter Verletzung der dem Versicherungsnehmer nach § 7 I Nr. 2 Satz 3 AKB
obliegenden Aufklärungspflicht gemäß § 7 V Nr. 4 AKB in Verbindung mit § 6 Abs. 3
VVG von ihrer etwaigen Leistungspflicht frei geworden ist.
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Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 7 I Nr. 2
Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein
kann. Dazu gehört auch die Pflicht, den Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig
über solche Umstände zu unterrichten, die für die Regulierung von Bedeutung sind. Es
muss dem Versicherer ermöglicht werden, sachgemäße Feststellungen zu treffen. Diese
Aufklärungsobliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls hat die Klägerin verletzt.
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Die Klägerin selbst hat nämlich in der Schadenanzeige vom 22.09.2000 jedenfalls
falsche Angaben zum Kaufpreis des Fahrzeugs gemacht. Sie hat auf die Frage, zu
welchem Kaufpreis sie ihr Fahrzeug erworben habe, den Betrag von 28.000,00 DM
eingetragen. In Wahrheit hatte ihr damaliger Lebensgefährte und jetziger Ehemann den
Wagen für 19.500,00 DM von dem Verkäufer Q erworben. Von einem zusätzlichen
Erwerb durch die Klägerin ist nicht auszugehen.
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Soweit die Klägerin erstmalig in zweiter Instanz vorträgt, ihr Ehemann habe, nachdem er
den Wagen für 19.500,00 DM von Herrn Q gekauft habe, ihr das Fahrzeug für 28.000,00
DM verkauft, ist dieses Vorbringen verspätet und damit in der Berufungsinstanz nicht zu
berücksichtigen. Nach § 531 Abs. 2 sind - neben den hier nicht vorliegenden Fällen der
Nr. 1 und 2 - nach Nr. 3 ZPO neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen,
wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf
einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
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Ausweislich der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2003 (Bl.
49 GA) vor dem Landgericht hat die Beklagte klargestellt, dass nach ihrem Vortrag der
Porsche (im Sinne eines einzigen Erwerbsvorgangs) von Herrn Q an den Ehemann der
Klägerin veräußert worden sei. Von dem ihr zu diesem Vorbringen gewährten
Schriftsatznachlass hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Dass dies nicht auf
Nachlässigkeit - der Partei oder ihres Bevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) - beruht, ist
nicht dargelegt (zur Beweislast vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25 Aufl., § 531 Rn
16). Daraufhin hat das Landgericht dementsprechend im Urteil festgestellt, dass ein
etwaiger Erwerb durch die Klägerin von ihrem Ehemann zu einem anderen Preis von
dieser nicht vorgetragen sei.
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Aus den danach unzutreffenden Angaben der Klägerin folgt Leistungsfreiheit der
Beklagten nach § 7 I Nr. 2 Satz 3, V Nr. 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG. Die gegen sie
sprechende Vorsatzvermutung (§ 6 Abs. 3 S. 1 VVG) hat sie nicht widerlegt. Nach den
Grundsätzen der sog. Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, VersR
1984, 228), tritt bei vorsätzlichen, aber für den Versicherer folgenlos gebliebenen
Verletzungen der Aufklärungspflicht Leistungsfreiheit allerdings nur ein, wenn die
Verletzung generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu
gefährden und wenn dem Ver¬sicherungsnehmer ein schweres Verschulden zur Last
fällt. Ferner muss er zutreffend über den Eintritt der Leistungsfreiheit des Versicherers
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bei derartigen Obliegen¬heitsverletzungen zutreffend belehrt worden sein. Diese
Voraussetzungen sind gegeben. Die Obliegenheitsverletzung war geeignet, die
Interessen der Beklagten als Versicherer ernsthaft zu gefährden. Es liegt auf der Hand,
dass der Kaskoversicherer für seine Regulierungsentscheidung auch bei behauptetem
Diebstahl von hochwertigen speziellen Kompletträdern über die Umstände des Erwerbs
des gesamten Fahrzeugs informiert sein muss.
Die Belehrung in dem Fragebogen ist inhaltlich zutreffend und entspricht den
Anforderungen der Rechtsprechung (vgl. BGH VersR 1998, 447; r+s 1993, 321 ). Dem
Versicherungsnehmer ist klar und deutlich gesagt, dass bewusst unwahre oder
unvollständige Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, auch wenn
dem Versicherer hierdurch kein Nachteil entsteht.
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Von einem nur geringen Verschulden der eindeutig über die mögliche Folge einer
Obliegenheitsverletzung belehrten Klägerin kann nicht ausgegangen werden. Es liegen
keine Umstände vor, die ihr Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen
könnten.
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Auf die Frage des Vorliegens weiterer Obliegenheitsverletzungen und die Höhe des
Schadens kam es nicht mehr an.
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2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. sind nicht
gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 8.896,45 €
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