Urteil des OLG Köln vom 29.08.2002

OLG Köln: venire contra factum proprium, geschäftsführer, buchführung, treu und glauben, steuerberater, strafbare handlung, zivilrechtliche haftung, gesellschafter, buchhaltung, bäckerei

Oberlandesgericht Köln, 8 U 5/02
Datum:
29.08.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 5/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 7 O 249/00
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 27.09.2001 verkündete Ur-teil
der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 7 O 249/00 - wird zu-
rückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
16.500,00 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch
selbstschuldnerische, unbeschränkte und unwiderrufliche Bürgschaft
einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu
erbringen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger nimmt als Konkursverwalter die Beklagten aus deren Tätigkeit im
Zusammenhang mit der Erbringung von Hilfeleistung in Steuersachen auf
Schadensersatz in Anspruch.
2
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Großbäckerei T GmbH & Co.
KG (im folgenden Gemeinschuldnerin). Die Beklagten waren im Zeitraum von Februar
1995 bis November 1997 für die Gemeinschuldnerin mit der Erbringung von
Hilfeleistungen in Steuersachen beauftragt. Ihnen oblag es, aus den von der
Gemeinschuldnerin vorgelegten Belegen deren Buchhaltung und aus der Buchhaltung
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die Jahresabschlüsse zu erstellen, ferner betriebswirtschaftliche Auswertungen,
Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen zu fertigen. Darüber hinaus hat der
Beklagte zu 1) an zumindest 4 Gesellschafterversammlungen in den Jahren 1996 und
1997 teilgenommen; die Beklagten hatten aber keinen Auftrag zur Prüfung der
Jahresabschlüsse.
In dem Zeitraum der Tätigkeit der Beklagten ereignete sich nach Darstellung des
Klägers eine Vielzahl von Pflichtverletzungen des damaligen Geschäftsführers der
Gemeinschuldnerin, Herrn X, wegen derer auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren
wegen des Verdachts der Untreue gegen Herrn X eingeleitet wurden. Herr X war in der
Zeit von Juli 1993 bis März 1997 Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, bis ihm u. a.
vorgeworfen wurde, in großem Umfang Aufwendungen, die seine private Lebensführung
betrafen, als betrieblich veranlasste Aufwendungen gegenüber der Gemeinschuldnerin
abgerechnet zu haben.
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Die Spesenpraxis bei der Gemeinschuldnerin sah zunächst so aus, dass Herr X seine
Spesenbelege Mitarbeitern der Beklagten in verschlossenen Umschlägen übergab, auf
denen die Summe der in den Umschlägen enthaltenen Belege notiert war. Diese
Beträge wurden dann von Mitarbeitern der Beklagten ohne Prüfung des Inhalts der
Umschläge verbucht.
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Bereits im Herbst 1995 fand bei der Gemeinschuldnerin eine Steuerprüfung statt. Dabei
wurde nach Darstellung des Klägers von Seiten des Finanzamtes C2 die
Spesenabrechnung des Geschäftsführers beanstandet, weil dieser offensichtlich in
erheblichem Umfang Privatausgaben als betrieblich veranlasste Aufwendungen
abgerechnet habe; nach Darstellung der Beklagten handelte es sich lediglich um eine
Lohnsteuer-Außenprüfung, deren Gegenstand die unrichtige Behandlung der
Pauschalierung von Aushilfslöhnen gewesen sei. Die Gemeinschuldnerin akzeptierte
vertreten durch ihren Geschäftsführer einen pauschalen Strafbetrag von DM 10.000,00.
In der Folgezeit jedenfalls wurden die vom Geschäftsführer X eingereichten Umschläge
von Mitarbeitern der Beklagten zumindest geöffnet.
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Über die Art und Weise der Spesenabrechnungen ("Umschlagpraxis") hinaus, durch die
nach Darstellung des Klägers ein Schaden von zumindest 125.494,87 DM entstanden
sein soll, werden dem Geschäftsführer weitere vorsätzliche Pflichtverletzungen in
erheblichem Umfang vorgeworfen. So soll er Barverkäufe von Maschinen und
Maschinenteilen vorgenommen haben, ohne den Erlös an die Gemeinschuldnerin
abzuführen; insoweit wird ein Schaden in Höhe von 59.034,00 DM behauptet. Ferner sei
das Betriebsgrundstück C in nicht vertragsgerechtem Zustand verkauft worden, wodurch
ein Schaden in Höhe von DM 45.000,00 verursacht worden sei. Weiterhin habe der
Geschäftsführer X der Gemeinschuldnerin zustehende Schecks selbst vereinnahmt,
hierdurch sei ein Schaden in einer Größenordnung von 195.412,49 DM entstanden.
Zudem habe der Geschäftsführer die Gemeinschuldnerin dadurch nachhaltig
geschädigt, dass er durch die Kooperation mit anderen Unternehmen die Konkurrenten
der Gemeinschuldnerin gestärkt habe, es handelt sich hierbei um die sog. "Cityback-
Geschäfte", die einen Schaden von 50.000,00 DM verursacht hätten. Weitere Vorwürfe
des Klägers betreffen die Tätigkeit des Geschäftsführers und anderer Mitarbeiter für
Konkurrenzunternehmen, durch die infolge Ausfalls der vollen Arbeitskraft für die
Gemeinschuldnerin ein Schaden von DM 144.439,43 DM verursacht worden sei, und
Pflichtverletzungen aus Anlass unrichtiger Urlaubsabgeltung, die einen Schaden im
Wert von 22.153,84 DM herbeigeführt hätten. Wegen der Einzelheiten der dem
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Geschäftsführer X vorgeworfenen Pflichtverletzungen wird auf die Klageschrift vom
05.06.2000 (Bl. 1, 7 ff. GA) Bezug genommen.
Der Kläger nimmt wegen aller behaupteten Pflichtverletzungen des Geschäftsführers
der Gemeinschuldnerin und damit in Zusammenhang gebrachten Vermögenseinbußen
die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten ihre vertraglichen
Pflichten gröblich verletzt, da sie in Ansehung der sog. Umschlagspraxis die vom
Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin eingereichten Spesenbelege zunächst
überhaupt nicht, später dann nur unzureichend geprüft hätten. Bei ordnungsgemäßer
Prüfung hätte ihnen auffallen müssen, dass der Geschäftsführer in großem Umfang
Privatausgaben abgerechnet habe. Hätten die Beklagten die Gesellschafter der
Gemeinschuldnerin hierauf pflichtgemäß hingewiesen, hätten diese den
Geschäftsführer umgehend abberufen und weiterer Schaden wäre vermieden worden.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagten zu verurteilen, an ihn gesamtschuldnerisch 641.534,63 DM nebst
4% Zinsen seit Rechtshängigkeit (23.06.2000) zu zahlen.
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2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, sämtliche
Schäden zu ersetzen, die über den im Klageantrag zu 1) bezeichneten Betrag
hinausreichen und die aus ihren Pflichtverletzungen anlässlich ihrer
Steuerberater- und Buchhaltungstätigkeiten für die der Großbäckerei T GmbH &
Co. KG resultieren.
12
Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Darüber hinaus haben sie
die Auffassung vertreten, dass sie das Mandat der Buchführung ordnungsgemäß
ausgeführt hätten und ihnen Pflichtverletzungen nicht angelastet werden könnten. Da
die Gemeinschuldnerin - wie unstreitig ist - keinen Auftrag zur Belegprüfung erteilt habe
und auch die Jahresabschlüsse der Gemeinschuldnerin deshalb nicht geprüft worden
seien, sei auch die Sammelbuchung der Spesenabrechnungen zulässig gewesen und
habe sich im Rahmen des von der Gemeinschuldnerin erteilten Mandates gehalten.
Jedenfalls aber seien angebliche Pflichtverletzungen für die behaupteten Schäden nicht
ursächlich geworden. Es sei auch keine Pflicht der Beklagten gewesen, die
Gesellschafter der Gemeinschuldnerin über etwaige ihnen bekannt gewordene
Unregelmäßigkeiten in der Spesenabrechnung des Geschäftsführers der
Gemeinschuldnerin zu unterrichten; Vertragspartner der Beklagten sei die
Gemeinschuldnerin gewesen. Schließlich fehle es an der Ursächlichkeit und an einem
Schaden, da die Auszahlung der geltend gemachten Spesen bereits unabhängig von
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der Verbuchung erfolgt sei und die Verbuchung der tatsächlichen Auszahlung
bekanntlich erst nachfolge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird insbesondere auf die Klageerwiderung vom
15.12.2000 (Bl. 114 ff. GA) Bezug genommen.
16
Im übrigen wird wegen der weiteren umfangreichen Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
verwiesen.
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Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage in vollem Umfang
abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die Klage bereits
mangels Darlegung einer für die behaupteten Schäden ursächlichen Pflichtverletzung
der Beklagten unbegründet sei. Zwar habe der Kläger im Ansatz schlüssig vorgetragen,
dass das Belegsystem bzw. die Verbuchung der eingereichten Spesenbelege des
Geschäftsführers nicht den Regeln ordnungsgemäßer Buchhaltung entsprochen habe,
indessen sei ein Zusammenhang zwischen einer derartigen Pflichtverletzung und den
behaupteten Schäden jenseits der falschen Spesenabrechnungen auch nicht
ansatzweise dargetan. Zumindest fehle es aber an einem Zurechnungszusammenhang
zwischen dieser Pflichtverletzung und den weiter behaupteten Schäden, weil diese
nicht vom Schutzzweck der verletzten Pflicht umfasst seien. Hinsichtlich der
Pflichtverletzung wegen der ordnungswidrigen Belegpraxis müsse sich der Kläger auch
ein weit überwiegendes Mitverschulden der Gemeinschuldnerin entgegenhalten lassen;
hier gelte der Grundsatz, dass bei vorsätzlicher Schadensverursachung durch den
Geschädigten selbst eine Ersatzpflicht des nur fahrlässig handelnden Schädigers
entfalle.
18
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag in Höhe eines
Betrages von 505.917,91 DM (= 258.671,71 EUR) sowie den Feststellungsantrag
weiterverfolgt.
19
Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen in erster Instanz und vertritt
insbesondere weiterhin die Auffassung, dass die von den Beklagten erstellte
Buchführung nicht den Grundprinzipien der ordnungsgemäßen Buchführung genügt
habe; eine ordnungsgemäße Buchführung setze zunächst sowohl materiell als auch
formell richtige Buchungen voraus, an dieser wie auch den übrigen Voraussetzungen
habe es gefehlt. Wenn die Beklagten die ihnen vom Geschäftsführer monatlich
übergebenen Umschläge geöffnet und anhand der in den Umschlägen befindlichen
Belege gebucht hätten, wären sie auf zahlreiche Ungereimtheiten gestoßen und wären
so gehalten gewesen, Unstimmigkeiten und Differenzen bei der Verarbeitung der
Belege zu klären. In keinem Fall hätten sie die sog. Umschlagpraxis des
Geschäftsführers akzeptieren dürfen, sondern hätten im Rahmen der bei der Buchung
notwendigen Arbeitsschritte zu Rückfragen, Warnungen oder Konsequenzen gelangen
müssen. Wenn nach ihrer Auffassung die Beklagten das ihnen übertragene Mandat, die
Buchführung der Gemeinschuldnerin ordnungsgemäß zu erstellen, ernstgenommen
hätten, dann hätten ihnen die Pflichtversäumnisse des Geschäftsführers nicht entgehen
können und es hätten die Schäden aus den falschen Spesenabrechnungen sowie aus
den weiteren Unregelmäßigkeiten und Pflichtwidrigkeiten des Geschäftsführers
vermieden werden können.
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Der Kläger ist ferner der Auffassung entgegengetreten, dass sich die
Gemeinschuldnerin die Pflichtverstöße ihres Geschäftsführers gemäß §§ 254, 278, 31
BGB zurechnen lassen müsse, und weist die Anwendbarkeit des § 31 BGB und des
Grundsatzes zurück, wonach gegenüber vorsätzlichen Pflichtverstößen des
Geschädigten eine fahrlässige Haftung des Schädigers zurücktreten müsse.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird insbesondere auf die
Berufungsbegründung vom 14.01.2002, (Bl. 359 ff. GA) sowie den Schriftsatz vom
29.05.2002 (Bl. 445 ff. GA) Bezug genommen.
22
Der Kläger beantragt,
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1. unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagten zu
verurteilen, gesamtschuldnerisch an ihn 505.917,91 DM (= 258.671,71 EUR) nebst
4% Zinsen seit Rechtshängigkeit (23.06.2000) zu zahlen;
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2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, sämtliche
Schäden zu ersetzen, die über den im Klageantrag zu 1) bezeichneten Betrag
hinausreichen und die aus ihren Pflichtverletzungen anlässlich ihrer
Steuerberater- und Buchhaltungstätigkeit für die Großbäckerei T GmbH & Co. KG
resultieren.
25
Die Beklagten beantragen,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil im Ergebnis unter Wiederholung und
Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
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Sie vertreten die Auffassung, dass ihnen - insoweit auch entgegen der Ansicht im
angefochtenen Urteil - eine Pflichtverletzung nicht angelastet werden könne. Anders als
der Kläger und das Landgericht meinen sie, die Beklagten seien im Rahmen der
Buchführung gerade nicht verpflichtet gewesen, jeden Buchhaltungsbeleg daraufhin zu
überprüfen, ob eine unredliche oder gar strafbare Handlung des Geschäftsführers als
Auftraggeber vorgelegen habe; insbesondere seien sie nicht verpflichtet gewesen, unter
Übergehung des Geschäftsführers die Gesellschafter der Gemeinschuldnerin zu
unterrichten, wenn ihnen tatsächlich Unregelmäßigkeiten aufgefallen wären. Dies gelte
schon deshalb in besonderem Maße, weil ihnen - wie unstreitig ist - kein ausdrücklicher
Prüfungsauftrag erteilt worden ist. Selbst wenn einzelne zur Verbuchung
hereingereichte Belege den formalen steuerrechtlichen Anforderungen nicht
entsprochen haben sollten, würde sich eine Pflichtverletzung allenfalls auf einen
dadurch ausgelösten Steuerschaden beschränken, es fehle aber an jedem
Zurechnungszusammenhang mit den vom Kläger behaupteten Vermögensschäden. Der
Kläger verkenne insoweit, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, soweit
sie vom Steuerberater zu beachten sind, hinsichtlich ihres Schutzzweckes dazu dienten,
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die Entstehung von Mehrsteuern gegenüber dem Fiskus zu verhindern; Schutzzweck
sei aber nicht, Gesellschafter vor ihren ungetreuen Geschäftsführern zu schützen. Im
übrigen verteidigen die Beklagten den im angefochtenen Urteil herangezogenen
Mitverschuldenseinwand und erheben weiterhin vorsorglich die Einrede der Verjährung.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die
Berufungserwiderung vom 29.04.2002 nebst Anlagen (Bl. 432 ff. GA) sowie den
Schriftsatz vom 19.06.2002 (Bl. 465 ff. GA) Bezug genommen.
30
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
31
Die förmlich unbedenkliche Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
32
Die Klage ist unbegründet.
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Ein Anspruch der Gemeinschuldnerin gegen die Beklagten, den der Konkursverwalter
im Interesse aller Konkursgläubiger der Gemeinschuldnerin durchsetzen könnte, besteht
nicht.
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Der eingeklagte Schadensersatzanspruch ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt,
insbesondere nicht aus der Erwägung einer vermeintlichen Schlechterfüllung des
zwischen der Gemeinschuldnerin und den Beklagten geschlossenen Vertrages über die
Erbringung von Hilfeleistungen in Steuersachen herzuleiten.
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Die Beklagten haben - entgegen der Auffassung des Klägers - den mit der
Gemeinschuldnerin geschlossenen Vertrag nicht schlecht erfüllt.
36
1.
37
Das Landgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zugunsten des Klägers davon
ausgegangen, dass die Verbuchung der eingereichten Spesenbelege des
Geschäftsführers der späteren Gemeinschuldnerin nicht den Regeln ordnungsgemäßer
Buchhaltung entsprochen habe; es hat seine Auffassung, ohne dies ausdrücklich
hervorzuheben, auf die Nichtbeachtung auch der §§ 36 und 37 UStDV gestützt und hat
damit eine wenigstens stichprobenweise Überprüfung der eingereichten Spesenbelege
im Rahmen der sog. Umschlagpraxis verlangt.
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Diese Ansicht wirft die Fragestellung auf, ob ein Steuerberater die Belege, die ihm vom
Geschäftsführer seines Mandanten zur Verbuchung hereingereicht werden, daraufhin
überprüfen muss, ob diesen Belegen jeweils eine betriebliche Veranlassung zugrunde
liegt. Die Rechtsprechung des BGH begründet durchaus eine Pflicht des Beraters, sich
von der Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung zu überzeugen; er meint damit die Pflicht
zu prüfen, ob die Buchführung in ihrer Anlage und Ausgestaltung den Anforderungen an
eine ordnungsgemäße Buchführung entspricht. Dazu gehört aber nicht die Prüfung jeder
einzelnen Buchung oder der Gesamtheit der Buchungen auf ihre materielle Richtigkeit
in jedem Einzelfall und darüber hinaus - gar in der Art einer Unterschlagungsprüfung -
eine Nachprüfung, ob der Mandant Geschäftsvorfälle unterdrückt hat (vgl. BGH VersR
1968, 48). Ferner soll ein Steuerberater, auch wenn ihm kein Auftrag zur "Buchprüfung"
erteilt war, dennoch dem Mandanten gegenüber vertraglich verpflichtet sein, auf etwaige
Mängel der Buchführung, soweit sie ihm - im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit zur
Fertigung von Steuerbilanzen und Steuererklärungen - anhand der Bücher bei
39
Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar waren, hinzuweisen (vgl. BGH WM 1971,
1206). Demgegenüber kann der Steuerberater grundsätzlich aber auch auf die
Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm gegebenen Auskünfte und Belege vertrauen, es
besteht insbesondere keine Pflicht, nach evtl. Unterschlagungen von Angestellten des
Mandanten zu suchen (vgl. OLG Hamm, ZIP 1983, 90; OLG München, GI 2002, 174;
Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 3. Aufl., Rn. 299, 306; Späth, Die
zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters, 4. Aufl., Rn. 490). Lediglich erkannten
Mängeln der Buchführung, d. h. erkannten Unstimmigkeiten und Unklarheiten in den
Mandantenangaben muss er nachgehen und sie durch Rückfragen bei dem
Auftraggeber zu beheben suchen; sind Verschleierungen bei Durchführung der
berufsüblichen Buchführungsarbeit erkennbar, so trifft den Steuerberater eine
Mitteilungspflicht; dies kann aber nur im Einzelfall festgestellt werden (vgl. BGH, WM
1971, 1206; OLG München, WM 1997, 613, 617; Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rn.
306; Späth, a.a.O. Rn. 490).
Eine abschließende Entscheidung dieser Fragestellung ist hier indessen nicht
erforderlich. Die Gemeinschuldnerin muss sich vielmehr das Verhalten ihres (früheren)
Geschäftsführers, das der Kläger selbst als bewusst verschleiernd und betrügerisch
darstellt, zurechnen lassen. Für die hier zu beurteilende GmbH & Co KG gründet sich
die Wissenszurechnung auf § 166 Abs. 1 BGB,
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§ 125 Abs. 2 Satz 3 HGB, § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbH-Gesetz analog, wonach es auf die
Person des Vertreters und damit des Geschäftsführers aufgrund seiner Organstellung
ankommt (vgl. BGHZ 132, 26, 35 ff.; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 30. Aufl. 2000, § 125
Rn. 4; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 17. Aufl. 2000, § 35 Rn. 84;
Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 15. Aufl. 2000, § 36 Rn. 2 - 4). Danach muss
derjenige, der sich bei der Erledigung bestimmter Angelegenheiten eines Vertreters
oder vergleichbarer Personen, d. h. erst recht seiner Organe bedient, die Kenntnisse
und das Kennenmüssen dieser Personen gegen sich gelten lassen, also auch die
Kenntnisse des Organs, das bei dem konkreten Ereignis, wie etwa der Schädigung der
Gesellschaft, für die Gesellschaft aufgetreten ist.
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Eine andere Auffassung begründet dasselbe Ziel, die Wissenszurechnung des Organs,
aus dem Gesichtspunkt der organschaftlichen Kenntnis entsprechend § 31 BGB (K.
Schmidt, GesR § 10 V 2). Danach muss sich auch hier die Gemeinschuldnerin, die nur
durch ihren Geschäftsführer handeln kann, entsprechend § 31 BGB so behandeln
lassen, als habe sie die Kenntnisse im Zusammenhang mit der sog. Umschlagpraxis
selbst besessen.
42
Danach bestand gegenüber der Gemeinschuldnerin keine Mitteilungs- oder
Aufklärungspflicht der Beklagten. Dies gilt um so mehr, als nach der eigenen -
bestrittenen - Darstellung des Klägers im Herbst 1995 bereits von Seiten des
Finanzamtes C2 die Spesenabrechnungen des Geschäftsführers beanstandet worden
sein sollen, und zwar mit der Begründung, dass dieser offensichtlich in erheblichem
Umfang Privatausgaben als betrieblich veranlasste Aufwendungen abrechnete. Die sich
aus dem eigenen Vortrag des Klägers ergebende Kenntnis der Gemeinschuldnerin
schließt Ansprüche des Klägers, soweit er einen Schaden der Gemeinschuldnerin
geltend macht, gegen die Beklagten aus. Denn es wäre zudem ein grober Verstoß
gegen Treu und Glauben, wenn man der Gemeinschuldnerin, die durch ihren
Geschäftsführer bewusst Falschbuchungen verursacht hat, die Möglichkeit geben
würde, ihren Steuerberater auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, weil er im
43
Vertrauen auf die Richtigkeit ihrer Angaben die Falschbuchungen nicht aufgedeckt hat (
§ 242 BGB aus dem Gesichtspunkt "venire contra factum proprium"; vgl. OLG Köln,
DStR 1991, 1675).
Damit ist auch die Grenze der Zurechnung zulasten der Gemeinschuldnerin aufgezeigt
und gezogen. Eine Zurechnung des unredlichen Verhaltens ihres Geschäftsführers
müsste ausscheiden, wenn der Geschäftsführer und die Beklagten in unredlicher Weise
zum Nachteil der Gemeinschuldnerin zusammengewirkt hätten (kollusives Verhalten).
Hierfür sind jedoch Anhaltspunkte weder dargetan noch sonst aus dem Akteninhalt
ersichtlich.
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Schließlich ist die vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzforderung der
Gemeinschuldnerin gegen die Beklagten auch - wie das Landgericht im Ansatzpunkt
zurecht ausgeführt hat - unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§
254 BGB) ausgeschlossen. Da nach dem Vorstehenden der Gemeinschuldnerin die
Kenntnis ihres unredlich handelnden Geschäftsführers zuzurechnen ist, kommt der
Grundsatz zum Tragen, wonach ein - wie hier - vorsätzlich handelnder Geschädigter im
Verhältnis zu einem fahrlässig handelnden Beteiligten seinen Schaden allein zu tragen
hat (vgl. BGH, NJW 1991, 3208; OLG Hamburg, ZIP 1988, 1551, 1554; OLG Köln, DStR
1991, 1675; Späth, a.a.O., Rn. 490 a. E.; Palandt - Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 254 Rn.
53 jeweils m. w. N.).
45
2.
46
Auch die vom Kläger behaupteten weiteren erheblichen Schäden zum Nachteil der
Gemeinschuldnerin, die deren Geschäftsführer durch die Vielzahl der ihm angelasteten
Pflichtverletzungen herbeigeführt haben soll, sind nicht den Beklagten anzulasten.
47
Nach der vom BGH grundsätzlich für Schadensersatzansprüche aller Art anerkennten
Schutzzwecklehre besteht eine Schadenseratzpflicht nur, wenn der geltend gemachte
Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm
oder Pflicht fällt. Bei Vertragsverletzungen muss es sich also um Nachteile handeln, die
aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte vertragliche
Pflicht übernommen worden ist (vgl. zuletzt BGH NJW 2002, 2459, 2460).
48
Die vom Kläger jenseits der angeblich fehlerhaften Buchführungspraxis behaupteten
Unregelmäßigkeiten in der Person des früheren Geschäftsführers der
Gemeinschuldnerin und die damit in Zusammenhang gebrachten Schadensvorfälle sind
nicht vom Schutzzweck der nach Ansicht des Klägers verletzten Pflichten aus dem
Steuerberaterverhältnis umfasst. Der Umfang und die Reichweite des Mandats, das die
Gemeinschuldnerin den Beklagten übertragen hat, waren klar umrissen. Das Mandat
umfasste insbesondere nicht eine Belegprüfung oder gar eine Prüfung der
Jahresabschlüsse. Die Aufgabe der Beklagten bestand darin, die Buchhaltung zu
erstellen, die Jahressteuererklärungen zu fertigen, die Lohnbuchhaltung und Bilanzen
zu erstellen sowie die im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer erforderlichen
Voranmeldungen und Erklärungen anzufertigen. Der Aufgabenkatalog der Beklagten
umfasste nicht die Prüfung der Geschäftsführung der Gemeinschuldnerin auf ihre
Zweckmäßigkeit und Ordnungsgemäßheit. Der Senat teilt hierzu die von den Beklagten
vertretene Auffassung, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und die
Grundsätze im Zusammenhang mit der Erstellung der Jahresabschlüsse, soweit sie vom
Steuerberater zu beachten sind, hinsichtlich ihres Schutzzwecks dazu dienen, die
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Entstehung von Mehrsteuern gegenüber dem Fiskus zu verhindern, nicht aber dazu,
Gesellschafter vor unredlichen Geschäftsführern zu bewahren. Wenn noch nicht einmal
ein tatsächlich erteilter Auftrag zur Abschlussprüfung schon zur Durchführung einer
Unterschlagungsprüfung verpflichtet (vgl. OLG München, GI 2002, 174;
Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.O., Rn. 393 m. w. N.), dann ist erst recht der Steuerberater
im Rahmen eines Mandates mit dem hier vorliegenden fest umrissenen Inhalt nicht
verantwortlich für die Verhinderung von Fehlern, Täuschungen,
Vermögensschädigungen und sonstigen Gesetzesverstößen des Geschäftsführers.
Es mag zwar zutreffen, dass ein langjährig für einen Mandanten tätiger Steuerberater
über den Rahmen des ihm erteilten Auftrages hinaus weitergehende Sorgfaltspflichten
beispielsweise als Informationsbeschaffer, Krisenwarner und Betreuer zu erfüllen hat
(vgl. OLG Karlsruhe, WM 1997, 613, 618). Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen
sind jedoch im Sreitfall nicht dargetan, insbesondere reicht für eine Treuebeziehung der
vorstehend beschriebenen Qualität nicht die viermalige Teilnahme des Beklagten zu 1)
an Gesellschafterversammlungen aus, ohne dass ihm - wie unstreitig ist - konkrete
Prüfungsaufträge erteilt worden wären.
50
3.
51
Der Feststellungsantrag ist ebenfalls unbegründet.
52
Die zwischen den Parteien umstrittene Frage der Zulässigkeit des Feststellungsantrags
bedarf keiner Vertiefung. Es mag zweifelhaft sein, ob mit Rücksicht auf das Ausscheiden
des Geschäftsführers vor rund 5 1/2 Jahren die angeblichen Schadensersatzansprüche
gegen ihn nicht bereits abschließend beziffert werden könnten. Dies bedarf indessen
keiner abschließenden Beurteilung, weil der Gemeinschuldnerin jedenfalls in der Sache
ein Schadensersatzanspruch wegen dieser Pflichtverletzungen gegen die Beklagten
nicht zusteht. Damit scheidet auch die Feststellung eines Schadensersatzanspruchs
aus.
53
Die nach alledem erfolglose Berufung war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
54
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108
ZPO.
55
Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 543
Abs. 2 ZPO n. F. nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung
noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Gegenstand des
vorliegenden Rechtsstreits waren im wesentlichen tatsächliche Fragen unter
Berücksichtigung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Rechtsfragen
grundsätzlicher Art, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten,
haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
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Streitwert und Beschwer des Klägers:
57
58
1. 258.671,71 EUR (Zahlungsantrag)
2. 204.516,75 EUR (Feststellungsantrag)
59
463.188,46EUR (Summe)
60