Urteil des OLG Köln vom 27.03.1996

OLG Köln (kläger, treuhandvertrag, annahme, bauherr, schaden, gutachten, wohnung, auslegung, durchführung, bezug)

Oberlandesgericht Köln, 11 U 229/95
Datum:
27.03.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 229/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 18 O 446/94
Schlagworte:
Verzicht Bauherr Bauleistung
Normen:
BGB § 242
Leitsätze:
An die Annahme eines konkludenten Verzichts des Bauherrn auf eine
vertraglich geschuldete Bauleistung sind regelmäßig strenge
Anforderungen zu stellen. Der Umstand allein, daß der Bauherr sieht,
was gebaut wird, genügt für sich genommen nicht. Lediglich eine
eindeutige Erklärung, sich eines Rechts begeben zu wollen, genügt für
die Annahme eines Verzichts.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln
vom 06.10.1995 - 18 O 446/94 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt
die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die in förmlicher Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen der Klage stattgegeben. Die Angriffe
der Berufung veranlassen keine abweichende Beurteilung.
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Die Beklagte hat schuldhaft Leistungspfichten aus dem Treuhandvertrag verletzt und ist
dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zum Ersatz des
daraus entstandenen Schadens verpflichtet.
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Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen
Treuhandvertrag verletzt, indem sie eine andere, als die in der Baubeschreibung
vorgesehene Deckenkonstruktion in der Wohnung des Klägers zuließ. Dadurch
verletzte sie ihre Pflicht zur sachkundigen Wahrnehmung der Interessen des Klägers,
die in Bezug auf die Baudurchführung insbesondere darin bestand, keine gegenüber
der Baubeschreibung minderwertigen Leistungen des Generalbauunternehmers zu
dulden.
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Nach dem zwischen den Parteien zustandegekommenen Treuhandvertrag traf die
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Beklagte eindeutig die Pflicht, die Baudurchführung im Interesse der einzelnen
Bauherren zu überwachen. In dem Treuhandvertrag zwischen den Parteien heißt es
nämlich ausdrücklich:
"Zur Wahrung seiner Rechte... bei der Durchführung des Bauvorhabens, setzt der
Bauherr hiermit die im Handelsregister des Amtsgerichts Köln - HRB - eingetragene T.,
als Treuhänderin ein und beauftragt diese, ihn insoweit zu vertreten."
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Hintergrund dieser umfassenden Beauftragung der Beklagten u.a. für die Durchführung
des Bauvorhabens war nach dem Dokumentarprospekt, das dem Bauvorhaben
zugrunde lag (dort Bl. 40), die Entlastung des Bauherrn bei der Abwicklung der
Baumaßnahme. Durch die Einschaltung einer Treuhänderin sollten darüber hinaus die
Voraussetzungen dafür geschaffen werden,
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"daß die Interessen der Bauherrn sachkundig gewahrt werden können".
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Vor diesem Hintergrund war die Beklagte von den Kläger bevollmächtigt worden,
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"sämtliche im Rahmen der Investition vorgesehenen Rechtsgeschäfte und sonstigen
Handlungen vorzunehmen" (Bl. 40 Dokumentarprospekt).
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Da sich die Investoren in der Regel um die Einzelheiten der Baudurchführung nicht
kümmern konnten oder wollten, war die Einschaltung der Beklagten zur
Interessenwahrung insofern sinnvoll. Entsprechend der ihr erteilten umfassenden
Vollmachten und der Beschreibung ihrer Aufgaben im Treuhandvertrag und in dem
Dokumentarprospekt, das die Beklagte bei Abschluß des Treuhandvertrages kannte
und sich deshalb inhaltlich zurechnen lassen muß, war sie gehalten, die Einhaltung der
den Bauherrn im Dokumentarprospekt und den Baubeschreibungen gemachten
Zusagen sicherzustellen. Nach dem Dokumentarprospekt (dort Bl. 32) sollten
insbesondere Wertänderungen gegenüber der Baubeschreibung ausgeschlossen sein.
Bei der in der Wohnung des Klägers gewählten Deckenkonstruktion handelte es sich
um eine Billiglösung, die den vertraglichen Grundlagen nicht entspricht.
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Zur Deckenausführung heißt es in dem Dokumentarprospekt unter der Rubrik
Geschoßdecken:
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"In Stahlbeton gemäß statlischen Anforderungen" (Bl. 27 des Dokumentarprospekts).
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Dementsprechend hat die Beklagte einen Generalunter-nehmervertrag mit der Firma W.
geschlossen, in dem es heißt:
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"Die Geschoßdecken werden als Massivdecken aus Ortbeton ausgeführt. Die
Abmessungen, Bewehrungen sowie Betongüte richtet sich nach den statischen und
bauphysikalischen Erfordernissen" (Bl. 23 des Generalübernehmervertrages).
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Die tatsächlich eingebaute Deckenkonstruktion mit Rigipsverkleidung der vorhandenen
Stahlträger ist eine Billiglösung, die in Widerspruch zu den dargestellten
Vertragsgrundlagen steht. Die Beklagte als Interessenwahrerin der Bauherrn hatte
insbesondere zu verhindern, daß gegenüber den in dem Bauvertrag und dem ihm
entsprechenden Dokumentarprospekt rechtsverbindlich vorgegebenen Standard
minderwertige und optisch unschöne Lösungen verwirklicht wurden.
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Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte entsprechend § 282 BGB zu vertreten. Sie kann
insbesondere nicht damit gehört werden, aufgrund von Auflagen der
Denkmalschutzbehörde die vorhandene Stahlträgerkonstruktion der Decken lediglich
verkleidet zu haben. Erstistanzlich war nämlich unstreitig, daß baurechtlich und
insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes der Einbau von
Betondecken statthaft war. Dies ergibt sich auch aus dem in dem Gutachten des
Sachverständigen B. wiedergegebenen Äußerungen des zuständigen Denkmalpflegers
Dr. K. beim Ortstermin, der erläuterte, daß es bezüglich der Decken keine behördlichen
Auflagen gebe. Die Decken im Inneren seien nämlich nicht denkmalpflegerisch relevant.
Da die Stahlkonstruktion des vorhandenen Deckenbestandes keine erhaltenswerte
Besonderheit darstellte und der äußere Eindruck der sanierten Gebäude nicht durch
eine andere Deckenkonstruktion beeinträchtigt werden konnte, lag diese Einschätzung
nahe. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des zuständigen Denkmalpflegers im
Ortstermin ist das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung, die
vorhandenen Decken hätte auf ausdrückliche Anweisung der Denkmalschutzbehörde
erhalten werden müssen, nicht hinreichen substantiiert. Es hätte näherer Ausführungen
dazu bedurft, wann und von wem eine derartige dem Akteninhalt widersprechende
Anweisung gegeben wurde. Da das Vorbringen in der Berufungsbegründung nähere
Angaben vermissen läßt, ist es als Vortrag "ins Blaue" prozessual unbeachtlich.
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Den aufgrund der schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten dem Kläger
erwachsenen Schaden hat das Landgericht in Anlehnung an das Gutachten des
Sachverständigen B. vom 20.03.1994 im Beweis-sicherungsverfahren 18 OH 18/93 LG
Köln zutreffend mit 52.500,00 DM beziffert. Der Schadensersatzanspruch des Klägers
geht nämlich dahin, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er bei Beachtung der im
Treuhandvertrag festgelegten Pflichten der Beklagten gestanden hätte. Wie der
Sachverständige B. zutreffend ermittelt hat, war die vom Kläger erworbene
Eigentumswohnung infolge der unschönen Deckengestaltung in ihrem Wert um
52.500,00 DM gemindert. Die gegenüber dem Prospekt und Bauvertrag minderwertige
Deckenkonstruktion führt zu nicht unerheblichen Einschränkungen der Nutzbarkeit der
betroffenen Räume, in denen Möbel einer bestimmten Höhe nicht mehr aufgestellt
werden können. Besonders nachteilig zeigt sich dies in der Küche, wo Hochschränke
oder höhere Einbauschränke an den betroffenen Stellen nicht eingebaut werden
können. Darüber hinaus führt die Deckenkonstruktion zu einer nicht unbeachtlichen
Beeinträchtigung der Lichtzufuhr. In seinem Gutachten hat der Sachverständige
nachvollziehbar und zutreffend die aus diesen funktionalen und optischen Mängel
erwachsenen Nachteile mit 15 % des Gesamtkaufpreises bewertet. Hinsichtlich der
Einzelheiten der Berechnung kann auf die überzeugenden Ausführungen des
Gutachtens zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.
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Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dem Kläger sei kein Schaden entstanden,
weil es sich bei dem fraglichen Objekt um ein Renditeobjekt gehandelt habe. Auch
Anlageobjekte müssen vertragsgemäß errichtet werden. Da die Klägerin die ihr
obliegende Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen des Klägers gerade bei der
Bauausführung und damit bezüglich der vom Kläger erworbenen Bausubstanz verletzt
hat, bezieht sich der Schadensersatzanspruch gerade auf diesen Substanznachteil.
Dieser Schaden des Klägers würde sich insbesondere bei einer eventuellen
Veräußerungen des Objekts zeigen.
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Die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung, wonach bei der
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Berechnung des Minderungsbetrages auf den Wert der Teilleistung "Decke" abzustellen
sei und nicht auf den Gesamtwert des Objekts überzeugen nicht. Die von der
mangelhaften Deckenkonstruktion ausgehenden Nachteile berühren den Gesamtwert
der Wohnung, wie der Sachverständige zutreffend ermittelt hat.
Schließlich kann die Beklagte auch nicht damit gehört werden, der Kläger habe in die
Änderung der Deckenkonstruktion eingewilligt, in dem er während der Bauphase nichts
dagegen unternommen habe. Die Beklagte trägt zunächst selbst vor, daß der Kläger
gegenüber dem Generalübernehmer Bedenken geäußert hat. Eine Änderung des mit
der Beklagten zustandegekommenen Vertrages unter konkludenter Billigung der
minderwertigen Decken-konstruktion kann einem schlichten Schweigen bei objektiver
Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht entnommen werden. Das Landgericht hat
nämlich bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß für den Kläger als bautechnischem
Laien die Tragweite der durch die Planänderung bewirkten Nachteile während der
Bauphase nicht überschaubar war. An die Annahme eines konkludenten Verzichts des
Bauherrn auf die vertraglich geschuldete Bauleistung sind nach Auffassung des Senats
regelmäßig strenge Anforderungen zu stellen. Der Umstand allein, daß der Bauherr
sieht, was gebaut wird, genügt für sich genommen nicht. Lediglich eine eindeutige
Erklärung, sich eines Rechts begeben zu wollen, genügt für die Annahme eines
Verzichts (BGH NJW 1994, 379).
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Aus den gleichen Gründen ist es auch nicht treuwidrig, daß der Kläger sich auf die
vertragswidrige Bauausführung in diesem Prozeß beruft. Die Geltendmachung eines
Rechts ist nur dann gemäß § 242 BGB verwirkt, wenn für den Gegner ein
schutzwürdiges Vertrauen begründet wurde, es werde nicht mehr ausgeübt. Da die
Beklagte nach dem Treuhandvertrag die umfassende Wahrnehmung der Interessen der
zumeist ortsabwesenden Bauherrn ausdrücklich übernommen hatte, ist im übrigen kein
Raum für die Erwartung der Beklagten, man werde sich mit weniger als dem vertraglich
Versprochenen zufriedengeben. Die Wertgerechtigkeit von Änderungen war von ihr zu
überwachen.
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Der Schaden des Klägers ist schließlich nicht entsprechend § 254 BGB dadurch
gemindert, daß eine Erneuerung der Decken nicht als denkmalpflegerische Maßnahme
gesondert steuerlich abzugsfähig gewesen wäre. Die Beklagte hat bislang nicht
dargetan, ob überhaupt und wenn ja in welcher Höhe dem Kläger ein steuerlicher
Nachteil entstanden sein könnte, wenn denkmalpflegerisch nicht anerkennungsfähige
Arbeiten ausgeführt wurden. Im übrigen war die Beklagte auch nicht berechtigt, unter
Abänderung der geschlossenen Verträge aus angeblich steuerlichen Gründen
minderwertige bauliche Lösungen hinzunehmen.
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Der Anspruch auf die vom Landgericht zugesprochenen Zinsen ergibt sich unter dem
Gesichtspunkt des Verzuges aus §§ 284 ff BGB.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 546 Abs. 1 ZPO liegen
nicht vor. Der vorliegende Rechtsstreit, der die Auslegung des konkreten
Treuhandvertrages zum Gegenstand hat, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der
Senat weicht mit seinem Urteil auch nicht von einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofs ab.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für die Beklagte: 52.500,00 DM.
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