Urteil des OLG Köln vom 26.06.1995

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Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Normen:
Leitsätze:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Köln, 19 U 125/94
26.06.1995
Oberlandesgericht Köln
19. Zivilsenat
Urteil
19 U 125/94
ZPO § 233
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Berufungsbegründungsfrist
Hat der Rechtsanwalt den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist selbst
berechnet und hat er seiner Sekretärin die Anweisung erteilt, die Frist im
Fristenkalender entsprechend zu notieren, so ist er verpflichtet, den
Ablauf der Frist zu überprüfen, wenn ihm die Akte zur Anfertigung der
Berufungsbegründung vorgelegt wird. Ist die Frist falsch notiert worden
und hätte der Rechtsanwalt das bei Überprüfung bei Vorlage der Akte
noch vor Ablauf der Frist bemerken können, ist die Fristversäumung nicht
schuldlos.
G r ü n d e
Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung
der Berufungsbegründungsfrist war zurückzuweisen, weil der Beklagte nicht glaubhaft
gemacht hat, daß die Frist ohne Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten, dessen
Verschulden er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß, versäumt worden ist.
Der Beklagte hat schon nicht hinreichend glaubhaft machen können, daß der Ablauf der
Frist von seinem Prozeßbevollmächtigten zutreffend berechnet und nur durch ein Versehen
der Sekretärin falsch notiert worden ist. Auch wenn Rechtsanwalt Dr. X. den Ablauf der
durch die Gerichtsferien gehemmten Berufungsbegründungsfrist anhand der Tabelle von
Schumann zu berechnen pflegt, ist ein Fehler hierbei nicht auszuschließen. Daß
Rechtsanwalt Dr. X. nach Ablauf von 5 Monaten noch eine konkrete Erinnerung an die
damals von ihm errechnete Frist hat, ist höchst unwahrscheinlich und jedenfalls durch die
Erklärung, er sei sich sicher , daß er das richtige Datum angegeben habe, weil ihm hierbei
noch nie ein Fehler unterlaufen sei, nicht glaubhaft gemacht. Das schließt nicht aus, daß es
doch zu einem Fehler gekommen sein kann. Die Sekretärin hat in ihrer eidesstattlichen
Versicherung erklärt, daß sie sich nicht daran erinnern könne, welches Datum ihr seinerzeit
genannt worden sei. Das ist angesichts des Zeitablaufs kaum anders zu erwarten. Es
kommt noch hinzu, daß nach dem in Kopie vorgelegten Auszug aus dem Fristenkalender
am 19.9.1994 insgesamt fünf Fristen nach Berechnung ihres Ablaufs umgetragen werden
mußten, so daß eine Erinnerung an eine einzelne Frist um so unwahrscheinlicher ist. Damit
ist aber nicht auszuschließen, daß die Fristversäumung verschuldet worden ist. Es kommt
hinzu, daß der die Sache bearbeitende Rechtsanwalt bei Vorlage der Akte zur Anfertigung
der Berufungsbegründungsschrift den Ablauf der Frist hätte überprüfen müssen und dann
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hätte feststellen können, daß die Frist -anders als notiert- nicht am 28.9., sondern am
26.9.1994 ablief. Nach dem Auszug aus dem Fristenkalender ist davon auszugehen, daß
die Akte nach der für diesen Tag notierten Vorfrist am 23.9.1994 vorgelegt wurde. Unter
diesem Datum wurde die Berufungsbegründung auch diktiert. Die Rechtsprechung
verlangt, daß der Prozeßbevollmächtigte den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist
überprüft, wenn ihm die Handakte im Zusammenhang mit der fristgebundenen
Prozeßhandlung, hier zur Anfertigung der Berufungsbegründung, vorgelegt wird (vgl. BGH
VersR 1983,988; VersR 1987,486; NJW 1992, 574; NJW 1992, 1632; vgl. auch Thomas-
Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 233 Anm. 5 k cc; Zöller-Greger, ZPO, 19. Aufl., § 233 Rn 23
Stichwort Fristenbehandlung). Für eine Überprüfung bestand hier auch deshalb besonderer
Anlaß, weil die Frist aus den vom Prozeßbevollmächtigten geschilderten Gründen
besonderer persönlicher und beruflicher Belastung mehrfach umgetragen worden war und
sich hierdurch das Fehlerrisiko erhöht hatte. Auch waren am 19.9. insgesamt fünf Fristen
umgetragen worden, so daß es wegen der Vielzahl der Umtragungen zu Verwechslungen
und Irrtümern gekommen sein konnte. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten hat zwar
nicht mitgeteilt, ob und wie die Frist auch in der Handakte selbst vermerkt wird. Nach den
vorgelegten Kopien aus der Handakte dieses Verfahrens und anderer Verfahren (Bl. 274,
275, 280-282 d. A.) ist es offenbar üblich, daß die Fristen auch in der Handakte selbst
notiert werden. Dann hätte der Rechtsanwalt aber schon anhand des in der Handakte
notierten Fristablaufes bei Überprüfung der Frist feststellen können, daß die Frist falsch
notiert war. Sollte die Frist nicht in der Handakte notiert gewesen sein, hätte auf andere
Weise sichergestellt werden müssen, daß die verlangte Nachprüfung durch den
Rechtsanwalt bei Vorlage der Handakte zur Bearbeitung möglich war.
Die Berufung des Beklagten ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht begründet worden ist
und eine Wiedereinsetzung aus den oben ausgeführten Gründen nicht erfolgen kann. Die
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum Ablauf eines bestimmten Tages
während der Gerichtsferien hat zur Folge, daß die in die Gerichtsferien fallende Frist erst ab
dem 16.9. zu laufen beginnt. Bei der Verlängerung der Frist durch Verfügung vom 2o. Juni
1994 bis 25. Juli 1994 waren das hier 11 Tage, so daß die Frist mit Ablauf des 26.9.1994,
einem Montag, endete. Die Berufung des Beklagten war daher nach § 519 b ZPO als
unzulässig zu verwerfen. Damit verliert auch die unselbständige Anschlußberufung der
Klägerin kraft Gesetzes ihre Wirkung ( § 522 Abs.1 ZPO). Da die Klägerin sich einer
unzulässigen Berufung angeschlossen hat, hat sie grds. die Kosten der Anschließung zu
tragen. Da die Anschlußberufung sich jedoch nur auf die Zinsen bezieht und diese nach §
22 GKG nicht zur Erhöhung des Streitwertes führen, sind in entsprechender Anwendung
des § 92 Abs. 2 ZPO dem Beklagten die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens
aufzuerlegen.
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