Urteil des OLG Köln vom 24.11.1994

OLG Köln (kläger, wider besseres wissen, eingriff, absolutes recht, behandlung, erstattung, boykott, tätigkeit, versicherer, antrag)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 103/94
Datum:
24.11.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 103/94
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 135/93
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 12.01.1994, 25 O 135/93 LG Köln, wird
zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt
vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v.
7.700,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Dem Kläger wird gestattet, die
Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer
bundesdeutschen Großbank zu erbringen.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger ist als niedergelassener Arzt tätig. Zahlreiche seiner Patienten sind bei
der Beklagten krankenversichert. Die Beklagte hat, ebenso wie weitere Versicherer,
bei denen Patienten des Klägers versichert sind, sich auf den Standpunkt gestellt, der
Kläger betreibe Übermaßbehandlung und hat deshalb den Versicherungsnehmern,
d.h. den Patienten des Klägers, mitgeteilt, daß nach dem Ergebnis eines von ihr
eingeholten Gutachtens die Behandlungsmethoden des Klägers übertrieben bzw.
unangemessen seien und das medizinisch notwendige Maß um 25 % überschritten
hätten. Künftig werde nur noch die medizinisch notwendige Heilbehandlung gemäß
den einschlägigen Bestimmungen der Krankenversicherungsverträge erstattet. Nach
dieser Mitteilung an die bei ihr versicherten Patienten hat der Kläger seine
Behandlung im zuvor praktizierten Umfang fortgesetzt, woraufhin der Beklagte den
bei ihm versicherten Patienten des Klägers unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 c MBKK 76
mitgeteilt hat, er schließe zur Wahrung der Belange der Versichertengemeinschaft
die Rechnung des Klägers ab sofort auf unbestimmte Zeit von der Erstattung aus.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage, mit welcher er geltend
gemacht hat, der Ausschluß seiner Rechnungen von der Erstattung sei unberechtigt,
da seine Behandlungsmethoden nicht anzugreifen seien; der Beklagte greife damit
unmittelbar in sein Recht ein, seinen Beruf frei und unabhängig auszuüben.
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Der Kläger hat beantragt,
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der Beklagten zu untersagen, die bei ihm privatversicherten Patienten des Klägers
von der Erstattung von Rechnungen des Klägers generell auszuschließen und/oder
dieses jenen Patienten anzukündigen.
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der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld oder seinen
Vorständen Ordnungshaft in gesetzlich zulässiger Höhe anzudrohen.
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die Beklagte zu verurteilen, die gegenüber im einzelnen Bl. 20/21 d.A. bezeichneten
Patienten des Klägers abgegebenen Erklärungen, wonach zur Wahrung der
Belange der Versichertengemeinschaft die Rechnungen des Herrn Dr. Fr. B.,
G.straße 2, .... K. ab sofort auf unbestimmte Zeit von der Erstattung ausgenommen
sind, den vorbezeichneten Personen gegenüber zu widerrufen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen, nach den von ihr eingeholten gutachterlichen
Stellungnahmen überstiegen die Behandlungen und Arzneimittelverordnungen des
Klägers das medizinisch notwendige Maß in schlechterdings nicht zu tolerierendem
Umfang, sie habe also zu Recht von der Regelung des § 5 Abs. 1c MBKK Gebrauch
gemacht. Auch hiernach habe der Kläger jedoch von seinen übersetzten und nicht
erforderlichen Behandlungsmethoden nicht Abstand genommen, sondern seine
Übermaßbehandlung weiter fortgesetzt. Deshalb sei sie berechtigt gewesen, seine
Rechnungen von der Kostenerstattung auszuschließen. Diese Maßnahme sei nicht
etwa willkürlich erfolgt. Vielmehr hätten ihr schwerwiegende Gründe im Interesse der
Versichertengemeinschaft zugrunde gelegen. Es handele sich somit auch nicht um
einen wirtschaftlichen Boykott der beruflichen Tätigkeit des Klägers, sondern um eine
im Interesse der Gesamtgemeinschaft der Versicherten erforderliche Maßnahme.
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Durch Urteil vom 12.01.1994, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen
wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen
ausgeführt, es fehle für die geltend gemachten Ansprüche an einer
Anspruchsgrundlage. Ein Unterlassungsanspruch auf vertraglicher Grundlage bestehe
nicht, weil zwischen den Parteien keine vertraglichen Beziehungen bestünden. Auch
aus dem Deliktsrecht lasse sich keine Anspruchsgrundlage herleiten. Zwar sei eine
freiberufliche Tätigkeit des niedergelassenen Arztes ebenso deliktisch geschützt wie
der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb. Bei der angegriffenen Mitteilung des
Beklagten an seine Versicherungsnehmer, die Patienten des Klägers, handele es sich
jedoch nicht um eine unmittelbare Beeinträchtigung der freiberuflichen Tätigkeit des
Klägers als solcher. Die vom Beklagten getroffene Maßnahme des Ausschlusses der
Rechnungen des Klägers von der Kostenerstattung stelle keinen sogenannten
betriebsbezogenen Eingriff dar, was nach anerkannter Ansicht Voraussetzung für den
deliktischen Schutz des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
als eines sonstigen Rechts im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB sei.
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Gegen dieses am 26.01.1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.02.1994
Berufung eingelegt und diese am 02.05.1994, nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag, begründet.
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Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht
ergänzend geltend, die Beklagte sei ihm aus § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz
verpflichtet. Das Honorarvolumen des Klägers aus der Behandlung der Patienten,
denen der Beklagte den Ausschluß der Rechnungserstattung mitgeteilt habe, liege bei
100.000,00 DM. Greife der Ausschluß durch, so müsse er befürchten, daß die
Patienten abwandern, weil sie aus eigener Kraft das ärztliche Honorar nicht zahlen
könnten. Dies sei auch bei einigen Patienten schon geschehen. Damit drohe ihm der
Existenzverlust. Der Ausschluß von der Erstattung der Rechnungen komme
wirtschaftlich dem Ausschluß von der Behandlung der Versicherten der beiden
marktbeherrschenden Versicherer gleich. Wenn diese ihn von der Behandlung ihrer
Mitglieder ausschlössen, griffen sie zielbezogen und unmittelbar in das Unternehmen
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des Klägers ein. Die Maßnahme richte sich nur gegen ihn. Die auch von der neueren
Rechtsprechung immer noch verlangte Betriebsbezogenheit eines zum
Schadensersatz verpflichtenden Eingriffes in den ausgeübten und eingerichteten
Gewerbebetrieb gehe an den Realitäten vorbei. In jedem Fall sei zwischen
psychischen und wirtschaftlichen Eingriffen zu unterscheiden. Bei psychischen
Einwirkungen auf Betriebsbestandteile möge die Frage erlaubt sein, ob der
schädigende Eingriff betriebsbezogen sei oder sich nur zufällig auf den Betrieb
auswirke. Werde dagegen vorsätzlich auf die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des
Unternehmens gezielt, so sei evident, daß sich der Eingriff gerade gegen den Betrieb
als solchen richte, also betriebsbezogen sei. Entgegen der Ansicht des Landgerichts
liege in der Ausschlußmitteilung nicht nur ein Äußerungsdelikt, sondern die gezielte,
durch Machtausübung verstärkte wirtschaftliche Einwirkung auf die Berufsausübung.
Das Verhalten der Beklagten erfülle auch den Tatbestand sittenwidriger Schädigung
nach § 826 BGB in der Fallgruppe des existenzgefährdenden Boykotts.
Der Sache nach sei der Rechnungsausschluß gerechtfertigt, der anonyme
Hausgutachter der Beklagten habe bei seinem Gutachten leichtfertig und damit
sittenwidrig gehandelt. Er habe die einzelnen Patienten überhaupt nicht selbst
untersucht, sondern ohne eingehende Prüfung eine Übermaßbehandlung bejaht.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, gegenüber den Blatt 20/21 der Gerichtsakten genannten
Patienten des Klägers die Erklärung zu wiederrufen, sie habe die Rechnungen des
Klägers allgemein von der Erstattung ausgeschlossen,
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hilfsweise, den genannten Patienten zu erklären, der Ausschluß sei unwirksam.
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die Beklagte bei Vermeidung der höchst zulässigen Haft- oder Geldstrafen die
Behauptung zu untersagen, sie sei zur Verweigerung von Versicherungsleistungen
auf Rechnungen des Klägers wegen wirksamen Ausschlusses nach § 5 Nr. 1 c
MBKK allgemein berechtigt.
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festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, Rechnungen des Klägers
allgemein von der Erstattung auszuschließen.
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festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Schäden zu
ersetzen, die ihm dadurch etstanden sind oder entstehen, daß die Beklagte die
zitierte Erklärung gegenüber den genannten Personen abgegeben hat.
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dem Kläger hilfsweise nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung auch durch Bankbürgschaft abzuwenden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auch die Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht
ergänzend geltend, die in der Berufungsbegründung angekündigten Anträge seien
unzulässig. Mit dem Antrag zu 1. wolle der Kläger erreichen, daß die Beklagte seine
Mitteilungen zu wiederrufen habe. Dieser Antrag sei schon nicht vollstreckungsfähig.
Der Antrag zu 2. sei schon sprachlich unverständlich. Für den Feststellungsantrag zu
3. fehle es neben dem Rechtschutzbedürfnis allgemein an einem besonderen
Feststellungsinteresse des Klägers. Außerdem sei dieser Antrag sprachlich ebenfalls
unklar. Auch der Feststellungsantrag zu 4. sei in dieser Weise nicht tenorierbar. Im
übrigen bestehe hinsichtlich aller angekündigten Anträge kein Rechtsschutzbedürfnis
des Klägers. Die betroffenen Patienten hätten bereits ihrerseits Klage erhoben mit dem
Ziel, daß die Aufwendungen für Behandlungen durch den Kläger von dem Beklagten
zu erstatten sind. Im Bezug auf diese Patienten fehle es an einem
Rechtsschutzbedürfnis des Klägers, weil es kein Interesse daran gebe, die Gerichte
mit einer Rechtsstreitigkeit zu befassen, die in anderen Prozessen bereits vorgreiflich
entschieden werde.
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Im übrigen fehle es für einen eigenen Anspruch des Klägers an einer
Anspruchsgrundlage. Ein Eingriff in den Betrieb der Arztpraxis des Klägers im Sinne
eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs komme nicht in Betracht, weil
es an der erforderlichen Betriebsbezogenheit fehle. Eine vertragsinterne Mitteilung
seinerseits an einen Versicherungsnehmer könne schon begrifflich keine
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Verletzungshandlung im Sinne der deliktischen Bestimmungen sein. Der Versicherer
tue in diesen Fällen nichts anderes, als von seinen vertraglichen Rechten Gebrauch zu
machen. Die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit werde dadurch in keiner Weise
beeinträchtigt. Der Arztausschluß beinhalte deshalb keinen betriebsbezogenen Eingriff
in die Arztpraxis. Auch eine sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB liege
nicht vor. Der Ausschluß der Rechnungen des Klägers von der Rechnungserstattung
diene vielmehr gerade im Gegenteil den Interessen der bei dem Beklagten
Versicherten.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Vertragliche Ansprüche hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung
mangels eines Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien sowie einer Schutzwirkung
des Vertragsverhältnisses zwischen den Versicherungsnehmern und den Beklagten
zugunsten des Klägers verneint.
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Grundsätzlich denkbar sind somit nur deliktische Unterlassungsansprüche aus §§ 823,
826 BGB. Zutreffend ist die Ansicht des Klägers, das Recht am Unternehmen sei
gewohnheitsrechtlich als absolutes Recht anerkannt. Unzutreffend ist jedoch seine
weitergehende Annahme, die Beklagte habe in dieses Recht unmittelbar eingegriffen,
wobei seine Maßnahmen einem wirtschaftlichen Boykott gleichzusetzen seien. Zwar
unterliegt auch die freiberufliche Arzttätigkeit dem Schutz des § 823 Abs. 1 BGB; die
Regelungen über das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb finden
insoweit jedenfalls entsprechende Anwendung. Wie auch der Kläger nicht verkennt, ist
jedoch Voraussetzung für einen deliktischen Anspruch wegen eines Eingriffes in einen
solchen Gewerbetrieb die Ummittelbarkeit des Eingriffs in die Praxis des Klägers. Der
Eingriff muß mit anderen Worten betriebsbezogen sein, eine nachteilige Reflexwirkung
einer nicht betriebsbezogenen Maßnahme genügt nach den von der Rechtsprechung
erarbeiteten Grundsätzen insoweit gerade nicht (s. OLG Köln r + s 90/135; Bach/Moser
Rdnr. 28 zu § 511 BKK mit zahlr. weiteren Nachw.; BGH GRUR 65/693; OLG München
NJW 77/1106; OLG Köln VersR 66/821; OLG Hamm VersR 88/687; Palandt/Thomas 50.
Aufl. Rdnr. 19 zu § 823).
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Die vorgenannte unmittelbare Betriebsbezogenheit ist entgegen der Ansicht des
Klägers auch insoweit zu fordern, als dieser meint, der Beklagte habe einen
schuldhaften Eingriff in Form eines Boykotts gegen ihn vorgenommen. Von einem
gezielten Boykott seiner freiberuflichen Tätigkeit kann schon deshalb keine Rede sein,
weil es an der auch insoweit erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen dem
Rechnungsausschluß seitens des Beklagten und einer denkbaren Schädigung des
Unternehmens des Klägers fehlt. Einen unmittelbaren Boykottaufruf hat der Beklagte an
die Patienten des Klägers nicht ergehen lassen. Daß diese mangels
Rechnungserstattung unter Umständen den Kläger meiden, ist lediglich eine
Reflexwirkung des Rechnungsausschlusses gegenüber dem Versicherungsnehmer. Ein
echter Boykott, der zu Schadensersatzansprüchen führen kann, kann aber
denknotwendig nur dann gegeben sein, wenn sich die Angriffe unmittelbar gegen das
Unternehmen als solches richten. Die vom Kläger insoweit vorgenommene
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Differenzierung zwischen psychischen und wirtschaftlichen Einwirkungen erscheint dem
Senat nicht vertretbar. Auch bei pychischen Eingriffen sind wirtschaftliche Folgen in der
Regel zu erwarten, jedoch dann, wenn es an der Betriebsbezogenheit fehlt, eben nur als
mittelbare Reflexwirkung.
Im übrigen hat der Kläger auch in keiner Weise substantiiert dargetan, inwiefern der
Beklagte vorsätzlich auf die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Unternehmens des
Klägers gezielt haben sollte. Im Rahmen der Rechtsprechung zu Ansprüche aus § 826
BGB wegen unlauteren Wettbewerb wird Vorsatz sowohl hinsichtlich der Tatumstände
als auch der Schadenszufügung sowie Vorwerfbarkeit der Handlung verlangt (s. OLG
Köln r + s 90/136; Palandt/Thomas a.a.O. Rdnr. 59 u. 69 zu § 826). Auch an diesen
Merkmalen fehlt es im vorliegenden Fall. Soweit der Beklagte als Versicherer die von
der Rechtsprechung nicht mißbilligte Bestimmung des § 5 Nr. 1 c MBKK angewendet,
kann dies grundsätzlich nicht vorwerfbar sein, soweit eine solche Maßnahme nicht
erkennbar mißbräuchlich, leichtfertig oder wider besseres Wissen erfolgen. Davon kann
vorliegend keine Rede sein. Die Beklagte hat angesichts der Rechnungen des Klägers,
gestützt auf die Meinung ihres medizinischen Beraters, Übermaßbehandlung in etlichen
Fällen angenommen sowie die Ansicht vertreten, daß der Kläger therapeutisch nicht
indizierten Behandlungsrahmen steckte, der zu überhöhter, sachlich nicht
gerechtfertigter und nicht erforderlicher Rechnungshöhe führte. Vor diesem Hintergrund
konnte die der Möglichkeit des § 5 Nr. 1 c MBKK Gebrauch machen, ohne daß hierin ein
sittenwidriger dolsoser Eingriff in den beruflichen Bereich des Klägers gesehen werden
könnte. Die Interessen der Versichertengemeinschaft auf Vermeidung unangemessener
und nicht indizierter Kosten sind jedenfalls nicht gänzlich untergeordnet gegenüber dem
Einzelinteresse eines Arztes an ungestörter Berufsausübung und ungeschmälertem
Gewinn. Bei gegenteiliger Meinung würde im Ergebnis die Bestimmung des § 5 Nr. 1 c
MBKK unterlaufen bzw. ausgehöhlt, ohne daß diese für gesetzwidrig erklärt worden
wäre. In der Praxis könnten dann nämlich Versicherer diese Vorschrift überhaupt nicht
mehr anwenden, weil sie der Sache nach jedesmal einen einem Boykott vergleichbaren
Eingriff in das ärztliche Unternehmen darstellen würde. Dies würde jedoch der
beiderseitigen Interessenlage nicht gerecht.
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Im Ergebnis bleibt deshalb festzuhalten, daß auch nach Ansicht des Senates ein
Anspruch des Klägers schon daran scheitert, daß der Rechnungsausschluß seitens des
Beklagten keinen unmittelbaren betriebsbezogenen Eingriff in die ärztliche Tätigkeit des
Klägers darstellt und insbesondere auch keinen betriebsbezogenen Boykott beinhaltet,
sondern eventuelle schädigende Auswirkungen des Rechnungsausschlusses auf die
Praxistätigkeit des Klägers lediglich eine Reflexwirkung zu dessen Nachteil beinhalten,
die von der deliktischen Schutzvorschrift des § 823 BGB und auch des § 826 BGB
jedoch nicht erfaßt wird.
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Der Senat schließt sich damit der in der Rechtsprechung einhellig vertreten Ansicht an,
daß der von einer Entscheidung des Versicherers nach § 5 Nr. 1 c MBKK mittelbar
betroffene Arzt hiergegen selbst nicht unmittelbar vorgehen kann und ihm hieraus keine
deliktischen Ansprüche zustehen (vgl. hierzu OLG Köln r+s 90/135 f, Bach/Moser Rz 28
zu § 5 MBKK mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
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Das Urteil des Landgerichts war deshalb in allen Punkten zu bestätigen, wobei der
Senat zur Vermeidung von Wiederholungen im übrigen auf die dortigen Ausführungen
vollinhaltlich Bezug nimmt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer des Klägers: 65.000,00 DM, § 3 ZPO.
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