Urteil des OLG Köln vom 13.12.1994

OLG Köln (werturteil, gegenstand, kritik, leser, anleger, beurteilung, unterlassung, meinung, durchschnittsleser, teil)

Oberlandesgericht Köln, 15 U 59/94
Datum:
13.12.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 U 59/94
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 O 222/92
Tenor:
Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 19. Januar 1994
verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O
222/92 - wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das
vorbezeichnete Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Die
Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter
Instanz werden den Klägerinnen auferlegt. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar; den Klägerinnen bleibt vorbehalten, die
Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 25.OOO DM abzuwenden, nicht nicht die Beklagten vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerinnen, die den Firmenzusatz "G. G." führen, sind Unternehmen, deren
Gegenstand der Erwerb, die Verwaltung und Verwertung von Vermögensanlagen,
insbesondere von Immobilien, börsennotierten Beteiligungen und Anleihen sowie
Geldmarktanlagen ist; sie bieten den interessierten Anleger verschiedene Formen
einer Beteiligung an. Die (vormalige) Klägerin zu 2) - L. AG, M. - ist im Wege der
Fusion in der Klägerin zu 1) aufgegangen.
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Die Beklagte zu 1) verlegt und vertreibt bundesweit den "...". Der "..." versteht sich als
Quelle für Informationen und Analysen über Finanzdienstleistungen und erreicht
bundesweit eine Auflage von mehreren tausend Exemplaren.
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Der Beklagte zu 2) war Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und verantwortlicher
Herausgeber des "...".
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Mit der vorliegenden Klage nehmen die Klägerinnen die Be-klagten u.a. auf
Unterlassung in Anspruch. Gegenstand ihres Unterlassungsbegehrens sind die
nachfolgenden Äußerungen in dem "..." Nr. 3/93 und 17/93, die u.a. folgende
Passagen enthalten:
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3/93 "Bei der in der Reaktion der Zeitschrift 'C.'
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gemachten 'C. Depesche' wird in der Nr. 52/53/92 das Angebot des E.-I.-CLUB e.V.
(M.), bei dem monatliche Rendite zwischen 2 und 4 % versprochen werden sollen, zu
Recht als 'Dummenfang' bezeichnet. Daß, wie wir nun feststellen mußten, derselbe
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Investoren-Club die nach unserer Meinung vermögensvernichtende Angebote der E.
C. AG (H.) und der G. G. (G.) vertreibt, wundert uns nicht und auch nicht die Tatsache,
daß beide Angebote ohne ausführliches Prospektmaterial unterbreitet wer-den, so
daß der Anleger auf jeden Fall tatsächlich der Dumme ist, weil er die Risikoangaben,
die im Hauptprosepkt enthalten sind, nicht zu Gesicht bekommt. Uns liegen jedenfalls
Informationen vor, wonach nur mit Kurzprospekten vertrieben und so das Risiko
ausgeschaltet wurde, daß die - zu Recht - umfangreichen Risikoangaben in den
jeweiligen Hauptprospekten den Abschluß verhindern."
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17/93 "DER BUNDESVERBAND PRIVATER KAPITALANLEGER e.V. (B.)
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hat am vergangenen Dienstag Dr. ING R. H., Vorstandsvorsitzender der S. W. (B.)
und Herausgaber der Zeitschrift ' X. ' seinen 5. Jahrespreis verliehen -
verdientermaßen, denn ' X. ' ist zu einem elementaren Stützpfeiler des Sparer- und
Anlegerschutzes am Finanzdienstleistungsmarkt geworden. Denn einerseits ist zu
beobachten, daß mutige Journalisten bzw. Medien (s.Nr.14/93) einen wichtigen
Beitrag zur Aufklärung der (Anlage-) Öffentlichkeit auch über Mißstände leisten.
Andererseits werden jedoch leistungsschwache Banken und Versicherungen sowie
vermögensvernichtende Anbieter à la S.-L.-GRUPPE bzw. G. G., die ein hohes
Anzeigen- bzw. Werbevolumen zu vergeben haben, gelegentlich selbst von sich
elitär gebenden Medien erkennbar geschont oder sogar
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durch die Zurverfügungsstellung von Raum für PR-Artikel aktiv gefördert.
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Deshalb steigt nicht nur ständig die Auflage von ' X. ' - sondern auch die Bedeutung
dieses vom Steuerzahler finanzierten, daher völlig anzeigenfreien und unabhängigen
und von dem engagierten Chefredakteur H. P. 'gemachten' Aufklärungsmediums.
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Zu den früheren Preisträgern des Bundesverbandes privater Kapitalanleger gehörten
übrigens u. a. PROF. C. Z. (D.), Vorstandsmitglied der D. S FÜR W. (ebenfalls: D.),
DR. W. S. (F.), der als früherer Geschäftsführer der Auskunftei SCH. die
zwischenzeitlich wieder eingestellte Dienstleistung 'Kapitalschutz-Auskunft' etablierte
und wichtige anlegerschutz-orientierte Untersuchungen durchführte, sowie H. H......"
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Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, daß es sich bei den von ihnen
angegriffenen Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen handele, die zu
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unterlassen seien; die Beklagten hätten nämlich (unzutreffend) behauptet, daß
Anleger, die ihr Geld bei der G. G. anlegten, dieses Geld verlieren würden. Mit dieser
Behauptung seien die Beklagten über die bisherigen Angriffe gegen die G. G. weit
hinausgegangen.
Die Behauptung der Beklagte sei unwahr: Nach dem gesamten Anlagekonzept der G.
G. sei eingeplant, daß durch die Vertriebskosten für die Werbung von Anlegern
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in den ersten drei Jahren Verluste entstünden, die den Anleger zugewiesen und sich
bei diesen - wie beabsichtigt - steuermindernd auswirken würden. Nach drei Jahren
sei die Anlaufphase jedoch abgeschlossen, und ab dem 4. Jahr erwirtschafte die
Gesellschaft Gewinne, die den Anlegern vertragsgemäß weitergegeben würden.
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Wie bei jeder anderen unternehmerischen Beteiligung bestünden auch bei den
Anlagen der Klägerinnen Risiken, die z.B. dazu führen könnten, daß nur ein Teil der
versprochenen Renditen erzielt würden. Es gebe jedoch keine Anhaltspunkte, daß
weitergehende Risiken - wie von den Beklagten behauptet - bestünden.
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Die Klägerinnen haben beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen,
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1. es künftig zu u n t e r l a s s e n, wört-
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lich oder sinngemäß die Behauptungen,
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1. daß die "G. G. (G.) vermögensvernichtende
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Angebote mache",
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(vgl. Text in "..." Nr. 3/93)
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1. "... sowie vermögensvernichtende Anlagean-
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bieter à la S.-L.-Gruppe bzw. G. G.,
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...."
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(vgl. Text in "..." Nr. 17/93)
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aufzustellen und/oder zu verbreiten,
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und für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot gemäß Ziffer 1 a) und b)
ein Ordnungs-geld bis zu 5OO.OOO,OO DM, ersatzweise Ordnungshaft oder
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.
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1. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamt-
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schuldner verpflichtet sind, den Klägerinnen alle Schäden zu ersetzen, die ihnen
durch die Verbreitung der in Ziffer 1. a) und b) wiedergegebenen Behauptungen
entstanden sind und noch entstehen werden;
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1. den Klägerinnen Auskunft darüber zu erteilen,
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an welche Personen die "..."-Ausgaben Nr. 3/93 und 17/93 vertrieben worden sind.
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Die Beklagten haben um Klageabweisung gebeten.
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Sie haben geltend gemacht, der Beklagte zu 2) sei nur Herausgeber, nicht Autor der
Artikel gewesen, so daß er für die geltend gemachten Ansprüche nicht
passivlegitimiert sei.
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Ein Unterlassungsanspruch scheide im übrigen aus, weil der Begriff
"vermögensvernichtende Anlagen" nicht bedeute, daß das gesamte von den Anlegern
eingesetzte Vermögen verloren gehen müsse; von einer Vermögensvernichtung könne
vielmehr auch dann gesprochen werden, wenn Teile der Einzahlungsbeträge als
verloren angesehen werden müßten bzw. das versprochene Konzept der
Alterssicherung aufgrund fehlerhafter oder zu geringer Renditen nicht aufgehe. Das sei
aber bei den von den Klägerin
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nen angebotenen Anlagen der Fall, was in dem "..." Nr. 15/93 im einzelnen begründet
worden sei. Es handele sich bei den inkriminierten Äußerungen daher auch nur um
(zulässige) Schlußfolgerungen aus den im Heft 15/93 ausführ-lich dargestellten
Recherche-Ergebnissen. Eine unzulässige Schmähkritik liege nicht vor.
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Durch Urteil vom 19. Januar 1994 - 28 O 222/92 -, auf das wegen aller weiteren
Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht die Beklagten zur Unterlassung der
inkrimierten Äußerungen verurteilt; im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
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Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren zulässigen Berufungen (Bl. 79 ff,
1OO, 117, 143 d.A.; 99, 1O9, 142, 155, 157 d. A.).
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Die Klägerinnen verfolgen ihren Feststellungs- sowie Auskunftsanspruch weiter und
tragen hierzu vor (Bl. 144 ff d. A.).
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Sie beantragen,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner
zu verurteilen, den Klägerinnen alle Schäden zu ersetzen, die ihnen durch die
Verbreitung der (im landgerichtlichen Tenor) wiedergegebenen Behauptungen
entstanden sind und noch entstehen werden;
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den Klägerinnen darüber Auskunft zu erteilen, an welche Personen die "..."-
Ausgaben Nr. 3/93 und 17/93 vertrieben worden sind.
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Die Beklagte bitten um Zurückweisung der Berufung.
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Sie beantragen,
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unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage (insgesamt)
abzuweisen.
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Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Die
Äußerungen in dem "..." Nr. 3/93 und 17/93 seien keine unzulässige Schmähkritik,
sondern eine sachbezogene Bewertung der klägerischen Gewerbetätigkeit, die den
Schutz des Artikel 5 GG genieße.
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Zur Rechtfertigung der inkriminierten Äußerungen könne vor allem auf den Inhalt des
"...s" Nr. 15/93 verwiesen werden, der Gegenstand des Rechtsstreits 28 O 256/93 = 15
U 58/94 sei. In diesem "..." sei im einzelnen dargelegt worden, worauf sich die
inkriminierten Äußerungen stützten. Das legen die Beklagten im einzelnen dar (Bl. 159
ff; Bl. 3O1 ff. d.A.).
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Die Klägerinnen bitten um Zurückweisung der Berufung der Be-klagten.
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Sie treten den Behauptungen der Beklagten entgegen und meinen, diese könnten sich
zur Rechtfertigung ihrer Äußerungen in dem "..." Nr. 3/93 und 17/93 nicht auf die
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Hinweise in dem "..." Nr.15/93 stützen (Bl. 258 ff; Bl. 392 ff d.A.).
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Wegen der gesamten weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird
auf den vorgetragenen Inhalt der in dem Berufungsverfahren gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen. Die von den Parteien zu den Akten gereichten
Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufungen beider Parteien sind zulässig.
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In der Sache hat jedoch nur die Berufung der Beklagten Erfolg.
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1.
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Das Landgericht hat die Beklagten zur Unterlassung der inkriminierten Äußerungen
verurteilt; dabei hat es im Ausgangspunkt offengelassen, ob es sich bei den
streitgegenständlichen Äußerungen in dem "..." Nr. 3/93 bzw. 17/93 um
Meinungsäußerungen ("Werturteil") oder Tatsachenbehauptungen handelt; denn die
von den Beklagten - auch im Rahmen dieses Rechtsstreits - vorgetragenen
Gesichtspunkte ("Anhaltspunkt für das Werturteil") seien nicht geeignet, den
inkriminierten Vorwurf ("vermögensvernichtende Angebote"; "vermögensvernichtener
Anlageanbieter") hinreichend zu belegen (Urteil Seite 12 ff).
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Dem vermag der Senat im Ergebnis nicht beizutreten: Die in dem "..." Nr. 3/93 und
17/93 enthaltenen Bemerkungen über die "G. G." sind keine Tatsachenbehauptungen,
sondern es handelt sich um (substanzarme) Werturteile, die den Schutz des Art. 5 GG
genießen.
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a)
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Die in dem "..." Nr. 3/93 und 17/93 enthaltenen Äußerungen über die Klägerinnen ("G.
G.") dürfen nur in dem Gesamtzusammenhang gesehen und beurteilt werden, in dem
sie gefallen sind; sie dürfen daher vor allem nicht aus dem Kontext herausgelöst und
einer "rein isolierten Betrachtung" zugeführt werden (BGH, NJW 1994, 2614 ff.).
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Das bedeutet, daß die inkriminierten Äußerungen (ausschließlich) anhand des Textes
überprüft werden können, der Gegenstand des Unterlassungsanspruchs ist ("..." Nr.
3/93 u. 17/93). Es können deshalb auch nicht (ergänzend) die Erwägungen für die
Ausdeutung des Textes herangezogen werden, die die Beklagten in dem "..." Nr. 15/93
angestellt haben. Auf diese haben sich die Beklagten in dem "..." Nr. 3/93 - er lag
zeitlich früher - nicht beziehen können, während sie in dem "..." Nr. 17/93 den früheren
"r." Nr. 15/93 nicht erwähnen.
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Hinzu kommt, daß auch nicht ohne weiteres angenommen werden kann - für den "..."
Nr. 17/93 -, daß dem Leser die in dem "..." Nr. 15/93 behandelten Vorwürfe gegenüber
der "G. G." bekannt waren und er sie deshalb bei der Beurteilung der inkriminierten
Aussage "verwerten" konnte.
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Es kommt daher allein darauf an, wie der (Durchschnitts) Le-ser des "...s" Nr. 3/93 u.
17/93 die inkriminierten Passagen verstehen mußte.
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b)
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Ob eine Äußerung als "Tatsachenbehauptung" oder Meinungsäußerung ("Werturteil")
einzustufen ist, hängt entscheidend davon ab, ob die Aussage einer Überprüfung auf
ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist; dabei kann sich auch eine
Äußerung, die auf Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und
soweit sie bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung
eingekleideten Vorgängen hervorruft.
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Daran fehlt es hier aber:
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So wird für den Leser des "...s" Nr.3/93 bereits hinreichend deutlich gemacht, daß es
sich bei der Mitteilung um eine Bewertung handelt ("nach unserer Meinung"), die
entscheidend "durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens"
geprägt wird (BGH, a.a.O.). Das ergibt sich auch aus dem Kontext, zu dem die
inkriminierte Äußerung steht; so empfindet der Durchschnittsleser, auf den abzustellen
ist, die streitgegenständliche Äußerung in dem "... " Nr. 3/93 in ihrem Aussagegehalt
nicht als eine (dem Beweise zugängliche) Tatsachenbehauptung, sondern als ein
nicht näher konkretisiertes ("pauschales") Werturteil, das dazu dient, die gegenüber
dem E.-I.-CLUB vorgebrachte Kritik zu untermauern. Die inkriminierte Aussage ist
dabei Teil der Gesamtaussage, die wiederum ausschließlich Meinungsäußerung
("Werturteil") darstellt.
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Die in der inkriminierten Äußerung enthaltenen "tatsächlichen" Elemente
("vermögensvernichtend") sind hier so sehr von einer Wertung geprägt, daß der
tatsächliche Aussagegehalt hinter der bewertenden Betrachtung zurücktritt.
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Nichts anderes gilt für den "..." Nr. 17/93; auch hier ist die inkriminierte Äußerung (nur)
Teil einer (zulässigen) "Medienkritik"; sie stellt sich gerade im Gesamtzusammenhang
als bloßes (negatives) Werturteil dar.
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In beiden Fällen fehlt somit für den Durchschnittsleser die konkrete Anknüpfung an
bestimmte Tatsachen oder Geschehnis-se, die das Werturteil
("vermögensvernichtend") stützen. Der tatsächliche Gehalt der Aussage steht daher
auch nicht im Vordergrund. Die inkriminierten Passagen sprechen den Leser als eine
subjektive Meinung des Autors an und sie sind ihm auch als solche erkennbar.
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Der Einstufung der inkriminierten Äußerungen als "Werturteil" steht hier auch nicht
entgegen, daß diese mit einem gewissen "Geltungsanspruch" in dem "..." vorgetragen
sind. Auch das "apodiktische" Urteil, das mit einem gewissen Anspruch auf objektive
Geltung vorgetragen wird (hier: "vermögensvernichtend"), bleibt Werturteil und wird
nicht deshalb zu einer Tatsachenbehauptung.
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c)
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Die inkriminierten Äußerungen genießen als "Werturteil" den Schutz des Artikel 5 GG;
von einer (unzulässigen) Schmähkritik kann hier nicht ausgegangen werden:
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Es ist den Klägerinnen zwar zuzugeben, daß "kritische", vor allem aber abwertende
Gewerbekritik in hohem Maße geeignet ist, eine gewerbliche Tätigkeit zu
beeinträchtigen; indes ist die kritische Würdigung eines Geschäftsgebarens (hier:
"vermögensvernichtende Angebote"; "vermögensvernichtende Anbieter") selbst dann
nicht unzulässig, wenn dies in scharfer Sprache geschieht (BGH. Urteil vom
15.11.1966 - VII ZR 65/65 = NJW 1967, 3OO ff - ständig).
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Die streitgegenständlichen Äußerungen könnten daher nur dann als unzulässig
angesehen werden, wenn sie auch von dem Standpunkt des Kritikers (Beklagten) aus
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grundlos, d.h. willkürlich wären; denn dies würde darauf hindeuten, daß die Äußerung
dem Kritiker "nur dazu dient, den Kritisierten zu diffamieren" (BGH, a.a.O.). Kritik, die
auf eine vorsätzliche Ehrkränkung hinausgeht, ist unzulässig (BGH, a.a.O.; NJW 1976,
62O, 622; NJW 1984, 1956; BVerfG, NJW 1991, 95).
Von einer in diesem Sinne unzulässigen Schmähkritik kann jedoch nicht ausgegangen
werden; denn der Umstand allein, daß dem Leser hier in den Ausgaben Nr. 3/93 und
17/93 keine Tatsachen an die Hand gegeben worden sind, die ihm die kritische
Beurteilung der Wertung (der Beklagten) ermöglichen, macht die (Gewerbe) Kritik an
den Klägerinnen noch nicht unzulässig (BGH, NJW 1974, 1762, 1763/1764 - Deutsch-
landstiftung). Die inkriminierten Passagen beschäftigen sich zwar nicht "unmittelbar"
mit den Klägerinnen ("G. G."); diese sind nicht das "eigentliche" Thema. Gleichwohl
wird der (notwendige) Sachbezug für den Leser erkennbar: die kritischen
Bemerkungen über die "G. G." dienen der Stützung der Kritik
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an dem "Angebot" des E.-I.-Clubs bzw. an der schone-nden Behandlung durch "sich
elitär gebenden Medien". Damit erscheinen die streitgegenständlichen Äußerungen -
auch für den Durchschnittsleser - nicht als "willkürlich".
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Hinzu kommt, daß die Kritik von dem Standpunkt der Beklagten aus nicht als
"willkürlich" bezeichnet werden kann; die Beklagten haben sich zur Stützung ihres
Standpunktes vor allem auf den "..." Nr. 15/93 berufen, der Gegenstand des
Rechtsstreits 28 O 256/94 = 15 U 58/94 OLG Köln ist.
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In diesem "..." haben die Beklagten den Geschäftsbericht der L. AG aus dem Jahre
1991 einer kritischen "Bilanz-Analyse" unterzogen. Es kommt für die Beurteilung der
vorliegenden Unterlassungsansprüche nicht darauf an, ob diese Bilanz-Analyse in
ihren Ergebnissen "richtig" oder "falsch" ist und ob die hiermit im Zusammenhang
stehenden Aussagen Tatsachenbehauptungen enthalten oder Werturteile; denn die in
dem "..." Nr. 15/93 veröffentlichte Bilanz-Analyse - mag sie auch aus Sicht der
Klägerinnen keiner sachverständigen Prüfung standhalten - macht deutlich, daß es
den Beklagten gerade in bezug auf die vorliegenden inkriminierten Äußerungen "um
die Vertretung (ihres) Standpunktes in der Sache" geht (vgl. BGH, NJW 1974, 1762,
1764). Eine "Diffamierungsabsicht" läßt sich daher nicht feststellen.
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Da die Äußerungen schließlich in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt sind -
die Beklagten haben sich mit dem "..." erklärtermaßen zur Aufgabe gemacht, "akute"
und "aktu-elle" Finanzdienstleistungen einer kri
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tischen Beurteilung zu unterziehen -, erweisen sich die auf Unterlassung gerichteten
Klageanträge der Klägerinnen als nicht begründet.
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2.
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Sind die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aber nicht begründet, so
erweisen sich auch der Feststellungs-und Auskunftsanspruch als nicht begründet.
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3.
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Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil daher abzuändern und
die Klage (insgesamt) abzuweisen; die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO;
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der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 7O8 Nr. 11, 711
ZPO.
Streitwert für die Berufunginstanz und Beschwer der Kläge-rinnen: 9OO.OOO DM
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