Urteil des OLG Köln vom 29.01.2010

OLG Köln (internationale zuständigkeit, bundesrepublik deutschland, einstweilige verfügung, zpo, deutschland, verfügung, interview, programm, ausland, verbraucher)

Oberlandesgericht Köln, 6 W 145/09
Datum:
29.01.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 145/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 207/08 SH I
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 1.
Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 10.09.2009 - 81
O 207/08 SH I - abgeändert:
Der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die
Schuldnerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Parteien sind konkurrierende "Billig"-Fluggesellschaften. Der in Irland ansässigen
Schuldnerin ist mit einstweiliger Verfügung des Landgerichts Köln – 33 O 211/08 – vom
22.07.2008 die Wiederholung von im Juli 2008 über deutsche Medien (ZEIT online und
ZDF) verbreiteten Äußerungen ihres Geschäftsführers und einer Managerin untersagt
worden, die in Interviews unter Anspielung auf eine mögliche Insolvenz der Gläubigerin
erklärt hatten, sie würden bei dieser "kein Ticket … für den Winter kaufen". Am
29.08.2008 gab der Geschäftsführer der Schuldnerin dem englischen, auch in
Deutschland empfangbaren Fernsehsender Sky News in London auf Englisch ein
Interview, wonach er nach bei Buchungen für diesen Herbst oder Winter Fluglinien
meiden würde, die wie die Gläubigerin jetzt große Verluste meldeten und
möglicherweise bald bankrott gingen.
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Auf Antrag der Gläubigerin hat die für das Ausgangsverfahren funktionell zuständig
gewordene Kammer für Handelssachen wegen Zuwiderhandlung gegen das mit der
einstweiligen Verfügung verhängte Verbot ein Ordnungsgeld von 150.000,00 € gegen
die Schuldnerin festgesetzt.
4
II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerin (§§ 793, 890 Abs. 1, 891 S. 1, 569
ZPO) hat in der Sache Erfolg.
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1. Das Landgericht, dessen internationale Zuständigkeit der Senat als
Rechtsmittelgericht (ungeachtet § 571 Abs. 2 S. 2 ZPO) selbständig zu prüfen hat (vgl.
zu § 545 Abs. 2 ZPO BGHZ 153, 82 [84f.] = NJW 2003, 426; BGH, GRUR 2006, 941
[Rn. 10] = WRP 2006, 1235 – Tosca blu; GRUR 2008, 275 [Rn. 18] = WRP 2008, 356 –
Versandhandel mit Arzneimitteln), war als Prozessgericht des ersten Rechtszuges zur
Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag berufen (§ 890 Abs. 1 ZPO). Ob
tatsächlich eine Zuwiderhandlung im räumlichen Geltungsbereich des gerichtlichen
Verbots vorliegt, ist – wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt – keine Frage der
Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrages.
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2. Der Ordnungsgeldantrag ist unbegründet, denn eine Zuwiderhandlung gegen die auf
§§ 3, 4 Nr. 7 UWG gestützte einstweilige Verfügung vom 22.07.2008 kann nicht
festgestellt werden; der Verbotsumfang des Unterlassungstitels erstreckt sich nicht auf
Äußerungen des Geschäftsführers der Schuldnerin im Ausland gegenüber einem
ausländischen Fernsehsender mit allenfalls geringem Einfluss auf deutsche
Verbraucher.
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a) An keiner Stelle der Entscheidungsgründe oder im Vorbringen der Gläubigerin ist die
Möglichkeit erörtert worden, dass Vertreter der Schuldnerin gleichlautende Äußerungen
im Ausland gegenüber ausländischen Medien abgeben könnten. Der Geltungsbereich
des erwirkten Unterlassungstitels ist mangels jeglichen Vortrags der Antragstellerseite
zu weiteren Staaten, in denen die Parteien zueinander in Wettbewerb stehen mögen,
und zu dem nach dem Marktortprinzip jeweils anwendbaren Recht auf das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland beschränkt (vgl. BGH, GRUR 2007, 1079 (Rn. 16) = WRP
2007, 1346 – Bundesdruckerei)
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b) Der englischsprachigen Werbung des Senders zufolge (Anlage G 15 = Bl. 177 ff.
[179] des Anlagenhefts) kann sein Programm praktisch weltweit über Satellit,
Kabelnetze und das Internet (live online) empfangen werden. Dass es also – wie vom
Landgericht zutreffend festgestellt – mit Wissen und Wollen des Senders auch in
Deutschland verbreitet wird, unterscheidet das Programm kaum von einem weltweit
abrufbaren Internetauftritt und stützt für sich allein noch nicht die Annahme, der Inhalt der
Sendungen solle sich bestimmungsgemäß auch auf den deutschen Markt auswirken.
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c) Ebenso wenig genügt dafür der Umstand, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin
sich über ein deutsches Unternehmen – die Gläubigerin – geäußert hat. Gegenstand
des gerichtlichen Verbots ist die unlautere Herabsetzung oder Verunglimpfung der
geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers gemäß § 4 Nr. 7 UWG. Ob ein solches
Verhalten vorliegt, beurteilt sich nicht danach, ob es sich bei dem betroffenen
Mitbewerber um ein in- oder ausländisches Unternehmen handelt, sondern nach dem
Eindruck der angesprochenen Verkehrskreise (Köhler / Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 7.13
m.w.N.). Ein in London einem britischen Fernsehsender in englischer Sprache
gegebenes Interview betrifft in erster Linie die britischen (und irischen) Verbraucher, die
es davon abhalten mag, die Dienste der Gläubigerin für Festlandflüge in Anspruch
nehmen. Auf deren Verhalten kommt es aber nicht an. Eine relevante Beeinflussung des
durchschnittlich informierten, an Flugreisen interessierten deutschen Verbrauchers
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durch ein Interview mit einem britischen Fernsehsender, dessen englischsprachiges
Programm in Deutschland zwar über Satellit, bestimmte Kabelnetze und das Internet
empfangbar ist, hier aber nur über geringe Marktanteile verfügt und – selbst wenn
Meldungen des Senders inländischen Medien mitunter als Nachrichtenquelle dienen
mögen – ersichtlich nur ein vergleichsweise kleines (anglophiles oder an
Auslandsberichten interessiertes) Publikum anspricht, liegt demgegenüber fern. Sie
bewegt sich auch nach dem Vorbringen der Gläubigerin allenfalls in einem marginalen
Bereich. Dass gerade unter den potentiellen Kunden der am Verfahren beteiligten
"Billigflieger" in Deutschland ein erhöhter Anteil das Fernsehprogramm des Senders
Sky News verfolgen würde und deshalb eine Beeinflussung dieser Verbraucher durch
das inkriminierte Interview eher in Betracht kommt, ist ebenso wenig ersichtlich.
Stehen nach alledem allenfalls geringfügige Wirkungen der in Rede stehenden
Handlung auf die inländischen Verbraucherkreise zur Debatte, so fällt diese
Reflexwirkung einer sich primär im Ausland auswirkenden Wettbewerbshandlung nicht
in den Schutzbereich des mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Verbotes.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891 S. 3, 91 Abs. 1 ZPO.
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Beschwerdewert: 150.000,00 €
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