Urteil des OLG Köln vom 07.11.2007

OLG Köln: strohmann, auszahlung, firma, vollstreckung, geschäftsführer, klageänderung, innenverhältnis, untreue, rückerstattung, verbindlichkeit

Oberlandesgericht Köln, 11 U 199/06
Datum:
07.11.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 199/06
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 O 66/05
Tenor:
1.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 29. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 30.11.2006 (29 O 66/05) abgeändert und die
Klage abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn I T (im folgenden:
Schuldner). Er nimmt den Beklagten auf Auszahlung eines Scheckbetrages von
18.560,00 € und eines Barbetrages von 5.000,00 € in Anspruch, die er unstreitig von
Herrn K C erhalten hat. Zum Hintergrund dieser Zahlung trägt der Kläger vor: Der
Insolvenzschuldner habe im Jahre 2002 auf Vorschlag des Beklagten unter der Anschrift
B-Weg 49 die Firma "Stahlbau-Montagen I T" angemeldet. Nach der Absprache des
Beklagten mit dem Schuldner habe dieser lediglich als Strohmann fungieren sollen.
Dementsprechend sei der Beklagte als faktischer Geschäftsführer des Unternehmens
aufgetreten. Der Beklagte habe im Februar 2003 unter der Firma des Schuldners mit
Herrn K C einen Liefervertrag über eine landwirtschaftlich genutzte Stahlhalle
geschlossen. Die von Herrn C hierauf am 05.03.2003 per Scheck und am 05.06.2006 in
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bar geleisteten Vorschüsse von 18.560,00 € und 5.000,00 €, seien zu keinem Zeitpunkt
vom Beklagten an den Schuldner weitergeleitet worden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von
23.560,00 € verurteilt und dies damit begründet, dass der Beklagte zumindest nach
außen ungeachtet seiner internen Befugnisse Angestellter der Firma "Stahlbau-
Montagen I T" gewesen sei. Er habe seine Pflichten aus dem zugrunde liegenden
Dienst- bzw. Arbeitsvertrag dadurch verletzt, dass er die vereinnahmten Gelder nicht an
den Insolvenzschuldner weitergereicht, sondern einbehalten habe. Der Beklagte habe
nicht den Beweis erbracht, dass der Scheckbetrag von 18.560,00 € an den
Insolvenzschuldner weitergeleitet worden sei. Hinsichtlich des Betrages von 5.000,00 €
sei das Vorbringen des Beklagten widersprüchlich und daher unbeachtlich.
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Hiergegen wendet sich der Beklagte, der mit der Berufung seinen Antrag auf
Klageabweisung in vollem Umfange weiterverfolgt. Das Landgericht habe ihn zu
Unrecht als beweisfällig angesehen; im übrigen obliege nicht ihm, sondern dem Kläger
der Beweis dafür, dass er die streitgegenständlichen Beträge vereinnahmt und nicht
weitergeleitet habe.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung
zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das
angefochtene Urteil, die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen zu den Akten
gereichten Unterlagen verwiesen. Die Akten 71 Js 364/04 StA Köln waren Gegenstand
der mündlichen Verhandlung.
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II.
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Die Berufung ist zulässig und begründet.
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Die Klage ist abzuweisen, weil das Vorbringen des Klägers nicht schlüssig ist.
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1.
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Nach seinem eigenen Vortrag war der Schuldner lediglich Strohmann des Beklagten.
So hat der Kläger in der Klageschrift ausgeführt, nach der ursprünglichen Absprache
des Beklagten mit dem Schuldner habe dieser nur als Strohmann fungieren sollen. Der
Beklagte habe dem Schuldner vorgeschlagen, er solle "als Einzelunternehmen unter
der Adresse B-Weg 49 nach außen firmieren". Auch im weiteren Verfahrensverlauf hat
er stets angegeben, der Schuldner habe nur nach außen hin als Einzelunternehmer
fungieren sollen. Die Geschäfte seien weitestgehend von dem Beklagten geführt
worden (Schriftsatz vom 31.10.2005, Seite 2 = Bl. 85 d. A.). Dasselbe hat der Schuldner
im Strafverfahren 71 Js 364/04 StA Köln geltend gemacht (Bl. 28 der Beiakten);
dementsprechend hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den
Schuldner eingestellt, weil er lediglich formal als Geschäftsführer aufgetreten sei, aber
keinen tatsächlichen Einblick in die Geschäfte gehabt habe; diese habe vielmehr der
Beklagte geführt (Einstellungsverfügung vom 22.09.2004, Bl. 67 der Beiakte). Auf dieser
Grundlage hat der Kläger jedoch keinen Anspruch auf Auszahlung des Geldes. Denn
wenn der Schuldner nur Strohmann war, dann war der Beklagte nach den Absprachen
im Innenverhältnis nicht zur Weiterleitung des Geldes an den Schuldner verpflichtet. Der
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Strohmann wird allgemein zur Erreichung von Zielen verwendet, die der Hintermann
nicht selbst verwirklichen will oder kann (Schilken in: Staudinger, BGB, Bearbeitung
2003, Vor §§ 164 ff Rdn. 49). Entsprechend dieser Interessenlage ist es typischer Inhalt
der Strohmannabrede, dass der Hintermann der Berechtigte ist, dem im Innenverhältnis
zu dem seinen Weisungen unterliegenden Strohmann die aus dem Strohmanngeschäft
zufließenden Einnahmen zustehen (vgl. dazu etwa BGH WM 1964, 179; NJW 1995, 727
f.; Schramm in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., Vor § 164 Rdn. 27; Soergel-
Leptien, BGB, 13. Aufl., Vor § 164 Rdn. 37). Dass dies im vorliegenden Fall
ausnahmsweise anders hätte sein sollen, hat der Kläger selbst auf den Hinweis des
Senats in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet. Deshalb besteht insoweit auch
für einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. dem Straftatbestand der Untreue
gemäß § 266 StGB, auf den das Landgericht die Klage zusätzlich gestützt hat, keine
Grundlage.
2.
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In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger außerdem darauf hingewiesen, dass
dem Schuldner als Strohmann allenfalls ein Anspruch gegen den Beklagten auf
Freistellung von den innerhalb des Strohmannverhältnisses eingegangen
Verbindlichkeiten gegenüber Dritten zustehen könnte. Als solche Verbindlichkeit käme
hier ein Anspruch des Herrn K C auf Rückerstattung der Vorschüsse in Betracht. Ob ein
derartiger Anspruch besteht und ob der Kläger insoweit den Beklagten auf Freistellung
in Anspruch nehmen könnte, bedarf aber ebensowenig einer Entscheidung wie die
Frage, ob dieser Befreiungsanspruch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in
einen Zahlungsanspruch umgewandelt worden sein könnte (dazu OLG Hamburg NJW-
RR 1995, 673; Krüger in: Münchener Kommentar § 257 Rdn. 10; Palandt-Grüneberg,
BGB, 66. Aufl., § 257 Rdn. 1). Darauf kommt es nicht an, weil es sich um einen anderen
Streitgegenstand als bei dem mit der Klage verfolgten Begehren auf Auszahlung der
vereinnahmten Geldbeträge handelt. Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag
und den Lebenssachverhalt (Anspruchgrund) bestimmt, aus dem der Kläger die
begehrte Rechtsfolge herleitet (BGHZ 117, 1, 5 f. = NJW 1992, 1172; NJW 1999, 3126,
3127; NJW 2007, 2560, 2561). Das Freistellungsbegehren beruht auf einem anderen
Anspruchsgrund als der Anspruch auf Auskehr der Vorschussleistungen. Das wird
daran deutlich, dass der mögliche Freistellungsanspruch nicht davon abhängt, ob die
geleisteten Zahlungen an den Kläger oder in das Unternehmensvermögen
weitergeleitet wurden oder nicht. Als Grundlage des Befreiungsanspruchs kommen die
Absprachen zwischen dem Schuldner und dem Beklagten im Rahmen des
Strohmannverhältnisses oder ein ihn gegenüber dem Schuldner zum Schadensersatz
verpflichtendes Verhalten des Beklagten in Betracht. Ferner setzt der
Befreiungsanspruch voraus, dass der Schuldner einem Anspruch des Herrn C wegen
der geleisteten Vorschüsse ausgesetzt ist. All dies sind andere tatsächliche und
rechtliche Gesichtspunkte als diejenigen, aus denen die Forderung auf Auszahlung der
erhaltenen Vorschüsse abgeleitet wird. Die im nachgelassenen Schriftsatz vom
10.10.2007 zur Stützung eines Freistellungsanspruches aufgestellte Behauptung des
Klägers, Herr K C habe einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten
Beträge i. H. v. insgesamt 23.560,00 € zur Insolvenztabelle angemeldet, ist aus den
vorgenannten Gründen unerheblich. Soweit der Kläger hiermit zum Freistellungsspruch
übergehen wollte, handelte es sich um eine Klageänderung im Sinne des 263 ZPO;
deren Zulassung wäre im Berufungsverfahren unzulässig, da sie weder sachdienlich
wäre, noch auf Tatsachen gestützt werden könnte, die der Senat nach § 529 ZPO seiner
Verhandlung und Entscheidung zugrundezulegen hätte (§ 533 Nr. 1 und ZPO). In
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gleicher Weise unbeachtlich ist der im selben Schriftsatz gestellte Hilfsantrag auf
Freistellung von sämtlichen Ansprüchen des Herrn K C (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 26.
Aufl., § 283 Rdn. 5). Da das Begehren des Klägers auf eine unzulässige Klageänderung
gerichtet ist, gibt es auch keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung (§§ 525, 296 a ZPO).
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen nach §§ 543 Abs. 2 S. 1
Nr. 1 und 2 ZPO nicht gegeben sind.
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Berufungsstreitwert: 23.560,00 €
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