Urteil des OLG Köln vom 04.12.2002

OLG Köln: mode, gerät, einstweilige verfügung, verkehr, irreführende angabe, werbung, markt, anbieter, erwerb, neuheit

Oberlandesgericht Köln, 6 U 122/02
Datum:
04.12.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 122/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 63/02
Tenor:
I.
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 07.06.2002
verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Köln - 81 O 63/02 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der
Unterlassungsausspruch der in dem genannten Urteil bestätigten
einstweiligen Verfügung die nachfolgende Neufassung erhält:
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zwecks Meidung eines für
jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis
zur Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, oder Ord-nungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu
unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken wie nachfolgend
wieder-gegeben ihren "i-mode"-Mobilfunkdienst zu bewerben, wenn
dieser nur mit dem Handy NEC 21 i (derzeitiger Preis bei isoliertem
Kauf: 449,00 EUR, bei Erwerb im Zusammenhang mit einem
Netzkartenvertrag bei der Antragsgegnerin: 249,00 EUR) genutzt
werden kann:
pp.
II.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden der
Antragsgegnerin mit 3/4, der Antragstellerin mit 1/4 auferlegt.
III.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die in formeller Hinsicht einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache
keinen Erfolg.
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Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die zuvor im Beschlussweg
erlassene einstweilige Verfügung bestätigt.
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Das dieser einstweiligen Verfügung zugrundeliegende Unterlassungsbegehren, dessen
Dringlichkeit gemäß § 25 UWG zu vermuten ist, ist begründet. Der Antragstellerin steht
der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG zu. Die Antragsgegnerin
hat, indem sie den Umstand verschwieg, dass der beworbene "i-mode"- Mobilfunkdienst
mit nur einem einzigen auf dem Markt befindlichen Handy, nämlich dem Gerät NEC
N21i, genutzt werden kann, einen mehr als nur unerheblichen Teil des angesprochenen
Verkehrs in wettbewerblich relevanter Weise über eine Eigenschaft des beworbenen
Angebots in die Irre geführt.
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Allerdings trifft es zu, dass das Verschweigen einer Tatsache - wie hier des unstreitigen
Umstandes, dass derzeit nur ein einziges "i-mode"-fähiges Handygerät auf dem Markt
erhältlich ist - nur dann als eine irreführende Angabe i.S. von § 3 UWG angesehen
werden kann, wenn den Werbenden eine Aufklärungspflicht trifft. Eine solche Pflicht
besteht, sofern sie nicht schon aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun
begründet ist, im Wettbewerb nicht schlechthin. Denn der Verkehr erwartet nicht ohne
weiteres die Offenlegung aller, auch der weniger vorteilhaften, Eigenschaften einer
Ware oder Leistung, sondern rechnet insbesondere bei einer Werbemaßnahme damit,
dass diese dazu dient, gerade die positiven Seiten eines Angebots zu beleuchten. Die
Pflicht zur Aufklärung besteht jedoch in den Fällen, in denen das Publikum bei
Unterbleiben des Hinweises in einem wesentlichen Punkt, der die wirtschaftliche
Entscheidung zu beeinflussen geeignet ist, getäuscht würde. Zum Schutze des
Verbrauchers sind dann auch negative Eigenschaften eines Angebotes zu offenbaren,
wobei diese Offenlegungspflicht nur so weit geht, wie dies zum Schutze des
Verbrauchers unter Berücksichtigung der Interessen des Werbenden unerlässlich ist
(BGH WRP 2000, 514/516 -"Auslaufmodelle III"-; Köhler/Piper, UWG, 3. Auflage, § 3
Rdn. 102/103; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, § 3 Rdn. 48 -
jeweils m. w. N.). Nach diesen Grundsätzen war die Antragsgegnerin im Streitfall
verpflichtet, in der Werbung für ihren "i-mode" Mobilfunkdienst darauf hinzuweisen, dass
dieser - wie unstreitig ist - nur mittels eines bestimmten, derzeit nur bei ihr oder einem
ihrer Provider gegen Zahlung eines dreistelligen Betrages erhältlichen bestimmten
Mobiltelefons genutzt werden kann. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin nach den
auf dem Vorderblatt ihres Werbeprospektes in der Art eines Titels und Untertitels
hervorgehobenen Zeilen "i-mode TM Preise auf einen Blick" und "Neuheit in
Deutschland" im angesprochenen Verkehr den Eindruck hervorruft, insgesamt die für
den Erwerb der angekündigten "Neuheit" aufzuwendenden Kosten anzugeben. Es
handelt sich daher bei dem Umstand, dass der beworbene "i-mode"-Mobilfunkdienst nur
mittels eines bestimmten, gegen Zahlung eines dreistelligen Betrages abgegebenen
Mobiltelefons genutzt werden kann, um eine das Interesse des Verkehrs für das
beworbene "i-mode"-Angebot und die Bereitschaft zum Vertragsschluss bedeutsam
bestimmende Tatsache, über den der Verkehr redlicherweise eine Aufklärung erwartet
und erwarten darf.
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Der von dem streitbefangenen Prospekt werblich angesprochene Personenkreis der
Handynutzer, dem die Mitglieder des erkennenden Senats angehören, unterscheidet im
Ausgangspunkt zwar zwischen Telekommunikationsdienstleistungen - hier konkret
Mobilfunkdiensten - einerseits sowie andererseits den Geräten, mit denen diese
Dienstleistungen genutzt werden können, und sieht hierin verschiedene Angebote, die
aufeinander bezogen sein können, jedoch (auch) getrennt für sich allein wirtschaftlich
sinnvolle Leistungsgegenstände betreffen. Es handelt sich um einen ähnlichen
Sachverhalt, wie er im Bereich der computerbezogenen Werbung bei den Angeboten für
Software und Hardware vorliegt, die sich zwar ergänzen können, im übrigen aber
jeweils eigenständige Objekte des Wirtschaftsverkehrs darstellen. Wird eine
Mobilfunkdienstleistung ("Software") beworben, ist dem Verkehr daher bekannt, dass
das für die praktische Nutzung dieses Angebots vorauszusetzende Handy hiervon zu
trennen ist, und wird er daher in dem Handygerät ("Hardware") keinen Bestandteil und
Kostenfaktor des beworbenen Angebots erblicken. Er wird überdies damit rechnen, dass
die Nutzung der beworbenen Kommunikationsdienste an technische Vorgaben
gebunden sein kann, die nicht notwendigerweise von jedem Gerät erfüllt werden und
dass er sich daher - interessiert er sich für den beworbenen Mobilfunkdienst und will er
diesem Angebot näher treten - gesondert um die technischen Voraussetzungen bzw.
konkret darum kümmern muss, dass er ein Handy-Gerät "mitbringt", welches von der
Ausstattung her in der Lage ist, die im Rahmen des Mobilfunkdienstes gebotenen
Funktionen technisch zu bewerkstelligen. Vor diesem Hintergrund ist eine generelle
Pflicht der Anbieter von Mobilfunkdiensten abzulehnen, in ihrer Werbung auf den (im
Verkehr selbstverständlichen) Umstand hinzuweisen, dass zur Nutzung dieser Dienste
ein für die jeweils beworbenen Dienste technisch hinreichend ausgestattetes bzw.
"Dienste-fähiges" Handy erforderlich ist.
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Im Streitfall liegt jedoch - was das Landgericht zutreffend erkannt hat - eine besondere
Situation vor. Nach der gegebenen Fallkonstellation stellt sich das für die Nutzung des
beworbenen "i-mode"-Mobilfunkdienstes erforderliche Handy als Element des Angebots
und in dieses zu integrierender Kostenfaktor dar. Denn unstreitig lässt sich der
beworbene "i-mode"- Dienst derzeit nur mit einem einzigen, auf dem Markt erhältlichen
bestimmten Handy bewerkstelligen. Dieses ist daher notwendiger Bestandteil des
Funktionierens des "i-mode"- Mobilfunkdienstes und stellt für einen ganz erheblichen
Teil der Werbeadressaten, der sich für die "i-mode"-Leistungen interessiert und diese
beziehen will, einen in jedem Fall zu erbringenden, nicht fakultativen Kostenfaktor dar.
Denn nur ein geringer Teil der Werbeadressaten wird bereits über das "i-mode"-fähige
Gerät NEC N 21 i verfügen; der ganz überwiegende Teil des Verkehrs, der die
Leistungen im "i-mode"-Dienst nutzen will, wird dagegen dieses Gerät, welches neu auf
den Markt gebracht worden ist, erst eigens für einen dreistelligen Betrag (249,00 EUR in
Verbindung mit dem Abschluss eines Kartenvertrages; 449,00 EUR bei isoliertem
Erwerb) anschaffen müssen. Dieser Teil des Verkehrs darf aber Aufklärung über eben
diesen für den Bezug des erworbenen Angebots preisbildenden Umstand erwarten und
erwartet dies auch. Denn auch wenn dem angesprochenen Verkehr generell bekannt
ist, dass er bestimmte Dienste nur bei entsprechender technischer Ausrüstung seines
Handy-Geräts in Anspruch nehmen, und er selbst bei Besitz eines "modernen" Handys
nicht ohne weiteres alle beworbenen Mobilfunkdienste der Anbieter nutzen kann, geht
er aber doch davon aus, dass er über die erforderlichen technischen Voraussetzungen
mit einem aktuellen Gerät verfügt, und rechnet nicht damit, dass er - wie dies bei dem
beworbenen "i-mode"-Mobilfunkdienst aber tatsächlich der Fall ist - eigens ein Gerät
erwerben muss. Dem steht es auch nicht entgegen, dass - wie dies die Antragsgegnerin
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einwendet - die Handybesitzer, die bereits vertraglich an einen anderen Anbieter
gebunden sind, ohnehin nicht von ihrem beworbenen Angebot angesprochen werden.
Denn unabhängig davon, dass von der Werbung der Antragsgegnerin auch
Handybesitzer angesprochen werden, die bereits mit E-Plus in einer vertraglichen
Beziehung stehen, und die daher durchaus als potentielle Kunden des "i-mode"-
Dienstes geworben werden sollen, wendet sich die Werbung zweifelsohne auch an
solche Handynutzer, deren anderweitige vertragliche Beziehung kündigungsreif ist oder
die überhaupt nicht in einer längerfristigen vertraglichen Beziehung stehen, und die
daher vor der Entscheidung über einen Wechsel zu einem anderen Anbieter von
Mobilfunkdiensten stehen.
Hat die Antragsgegnerin daher in ihrer Werbung darüber aufzuklären, dass ihr "i-mode"
Mobilfunkdienst derzeit nur mit einem einzigen Handy funktioniert, so ist diese
Aufklärung in dem Prospekt "i-mode (tm) Preise auf einen Blick - Neuheit in
Deutschland" nicht hinreichend erfolgt. Soweit die Antragsgegnerin meint, aus dem
Umstand, dass in dem Prospekt an verschiedenen Stellen Handy-Abbildungen verteilt
sind, ergebe sich ein solcher Hinweis mit der erforderlichen Deutlichkeit, überzeugt das
nicht. Dass in einem Werbeprospekt für Mobilfunkdienste ein Handy abgebildet ist, ist
nach dem Charakter der beworbenen Leistung naheliegend und gibt keinen
Anhaltspunkt für den hier aber interessierenden Sachverhalt, dass es sich dabei um
eben das und nur das Gerät handelt, mit dem der beworbene Mobilfunkdienst
funktioniert. Die Abbildungen werden vielmehr als beispielhafte werbliche Illustration
der anders optisch nicht oder jedenfalls nur schwer darstellbaren beworbenen "i-mode"-
Dienstleistung verstanden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den in den
textlichen Erläuterungen der bildlichen Darstellungen jeweils enthaltenen Hinweisen
"...wie hier dargestellt,...." Unabhängig davon, dass diese Formulierungen den bloß
beispielhaften Charakter noch betonen, beziehen sie sich ihrem textlichen
Zusammenhang nach auf die dargestellten Einzelleistungen im "i-mode"-Dienst
("Sportnews"; "Download eines Pictures"; "Melody/Pictures" u. s. w.), nicht aber auf das
abgebildete Gerät, mittels dessen diese Leistungen genutzt werden können. Auch der in
dem Prospekt verwendete Begriff "i-mode-Handset" klärt nicht hinreichend auf. Gerade
im hier betroffenen Bereich der modernen mobilen Telekommunikation, in dem die
Verwendung von Anglizismen verbreitet und üblich ist, wird dieser Begriff lediglich als
ein weiterer Anglizismus verstanden, nämlich als Synonym für "Handy, über das der "i-
mode"-Mobilfunkdienst genutzt wird". Dass nur ein einziges Gerät von der technischen
Ausrüstung her die Nutzung dieses "i-mode"-Mobilfunkdienstes ermöglicht, geht daraus
nicht hervor. Gleiches gilt für die im Fliesstext des sog. "Kleingedruckten" enthaltenen
Angaben "..i-mode-fähiges Handy erforderlich...". Diese Angaben sind nicht nur derart
unauffällig in den Text eingearbeitet, dass sie leicht überlesen werden können, sondern
verdeutlichen ebenfalls nicht den hier aber ausschlaggebenden Umstand, dass der "i-
mode"-Mobilfunkdienst mit nur einem einzigen auf dem Markt gegen Zahlung eines
dreistelligen Betrages erhältlichen Handy genutzt werden kann.
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Die wettbewerbliche Relevanz ist schließlich ebenfalls zu bejahen. Die Fehlerwartung,
den "i-mode"-Mobilfunkdienst ggf. auch mit dem bereits vorhandenen Equipment nutzen
zu können, ist geeignet, das Interesse für das beworbene "i-mode"- Angebot zu wecken.
Selbst wenn der Interessent dem beworbenen "i-mode"-Dienst schließlich nicht nahe
tritt, reicht dies aus, um im Sinne des Erfordernisses der wettbewerblichen Relevanz die
wirtschaftliche Entscheidung der Interessenten zu beeinflussen. Denn schon das
geweckte Interesse für "i-mode" kann den Verkehr von anderen Angeboten
konkurrierender Anbieter fernhalten und das Publikum überdies - ist es erst einmal im
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Gespräch mit E-Plus - u. U. auch für andere Angebote/Dienste der Antragsgegnerin
interessieren bzw. darauf aufmerksam machen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 269 Abs. 3 ZPO. Soweit die
Antragstellerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Antrag unter
Einbezug der für den Erwerb des "i-mode"-fähigen Handys NEC 21 i aufzuwendenden
Kosten neu gefasst hat, liegt hierin eine teilweise Rücknahme des ursprünglich
verfolgten Unterlassungsbegehrens. Denn dieses bezog sich generell auf den Umstand,
dass für die Nutzung des beworbenen "i-mode"-Mobilfunkdienstes eigens ein
Mobilfunktelefon zu erwerben sei und hierüber nicht in der Werbung aufgeklärt werde,
ohne hingegen auf den damit verbundenen erheblichen Kostenaufwand abzustellen.
Gerade das letztgenannte Moment stellt aber ein wesentliches Kriterium für die
Beurteilung des Werbeverhaltens der Antragsgegnerin als wettbewerbswidrig dar. Die
Erfassung eben dieses Umstandes in dem Antrag ist daher nicht lediglich als
redaktionelle Bearbeitung, sondern als eine die sachliche Reichweite des ursprünglich
verfolgten Petitums begrenzende Formulierung, mithin als teilweise Rücknahme des
Antrags einzuordnen, die der Senat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang
bewertet.
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Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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