Urteil des OLG Köln vom 11.06.1997

OLG Köln (besondere härte, kind, 1995, mittellosigkeit, vergütung, tochter, erziehung, beschwerde, betrag, mutter)

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 41/97
Datum:
11.06.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 41/97
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 4 T 708/96
Schlagworte:
keine Mittellosigkeit des Betreuten
Normen:
BGB § 1835 Abs. 4
Leitsätze:
Der Betreute ist nicht mittellos i.S.d. § 1835 Abs. 4 BGB, wenn er einen
Betrag von 13000,- DM aus dem für sein Kind erhaltenen
Erziehungsgeld angespart hat. Daß der Anspruch auf das
Erziehungsgeld selbst unpfändbar ist, steht dem ebensowenig entgegen
wie die vom Betreuten vorgenommene Zweckbestimmung des
Sparguthabens, das Geld später für die Berufsausbildung des Kindes
verwenden zu wollen.
Tenor:
Die weitere Beschwerde des Betreuers vom 27. Februar 1997 gegen
den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 10.
Dezember 1996 - 4 T 708/96 - wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
1
Die weitere Beschwerde ist abweichend von der Regelung gemäß §§ 1908 i Abs. 1,
1836 Abs. 2, 1835 Abs. 4 BGB, § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig, da die Frage streitig ist, ob
dem Betreuer ein Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch gegen die
Landeskasse zusteht oder ob er die Festsetzung einer aus dem Vermögen der
Betreuten zu zahlenden Vergütung verlangen kann.
2
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg, da der vom Betreuer geltend
gemachte Anspruch gegen die Landeskasse nicht begründet ist, weil die Betreute nicht
mittellos im Sinne des § 1835 Abs. 4 BGB ist. Wenn entsprechend dem - von dem
Vertreter der Landeskasse bestrittenen und nicht nachgewiesenen - Vorbringen des
Betreuers davon ausgegangen wird, daß die Betreute einen Betrag von 13.000,00 DM
allein aus dem für ihre im Dezember 1993 geborene Tochter für die Zeit ab Dezember
1993 bis November 1995 erhaltenen Erziehungsgeld gemäß § 5 BErzG angespart hat,
so stellt auch dieses Sparguthaben einen Vermögenswert dar, soweit es die
Schongrenze des § 88 BSHG übersteigt, was in Höhe der begehrten Vergütung
unabhängig davon der Fall ist, ob die Schongrenze entsprechend der Auffassung des
Landgerichts bei 4.500,00 DM oder bei 8.000,00 DM (vgl. BayObLG E 1995, 212)
anzusetzen ist.
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Zwar ist der Anspruch auf das Erziehungsgeld selbst gemäß § 54 Abs. 3 SGB I
unpfändbar und kann deshalb nicht als für die Betreuungsvergütung heranzuziehendes
Vermögen eingestuft werden. Werden aber aus dem geleisteten Erziehungsgeld
Rücklagen gebildet, so besteht nach Ablauf der Zeit, für die das Erziehungsgeld
gewährt wird - im vorliegenden Fall bis November 1995 - kein Pfändungsschutz mehr,
weil danach der Grund für die Unpfändbarkeit - die Wahrung der Zweckbestimmung des
Erziehungsgeldes - entfallen ist. Das Erziehungsgeld wird als Anerkennung für die
Betreuung und Erziehung des Kindes während seiner beiden ersten Lebensjahre
gewährt und dient nicht dem Unterhalt des Kindes. Es soll der Mutter oder dem Vater
ermöglichen oder erleichtern, sich intensiv der Erziehung und Betreuung des Kindes zu
widmen, und sie zum zeitweiligen Verzicht auf Berufstätigkeit motivieren (vgl.
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit- und Sozialordnung, BT-
Drucksache 11/2460 vom 10.06.1988, S. 15). Nach Ablauf der Zweijahresfrist ist eine
Vereitelung dieses Zwecks durch Pfändung der angesparten Rücklagen nicht mehr
möglich. Der vom Betreuer angeführte Leistungszweck, einen Nachteilsausgleich für
solche Familien zu schaffen, die überhaupt erst durch das Erziehungsgeld (neben
anderen Leistungen) in die Lage versetzt werden, Kinder zu erziehen und zu versorgen,
besteht während der beiden ersten Lebensjahre des Kindes. Soweit der Betreuer das
Erziehungsgeld - auch - als "zukunftssichernde Zuwendung" verstanden wissen will,
geht dies über die vom Gesetzgeber beabsichtigte Zweckbestimmung hinaus.
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Die Entnahme eines verhältnismäßig geringen Betrages von knapp 800,00 DM aus dem
die Schongrenze übersteigenden Vermögen erscheint auch dann nicht als besondere
Härte, wenn die Betreute das angesparte Vermögen für in Zukunft notwendige
sonderpädagogische Maßnahmen (Hausaufgabenhilfe, Sprach- und Einzelförderung
ihrer Tochter) verplant haben sollte. An einer derartigen Zweckbestimmung des
angesparten Betrages bestehen aber bereits deshalb erhebliche Zweifel, weil der
Betreuer mit Schreiben vom 11.01.1996 (Bl. 44 d.A.) eine andere Verwendung eines
Teilbetrages von ca. 9.000,00 DM für den Verlauf der ersten Jahreshälfte 1996
angekündigt hatte (Kinderzimmereinrichtung, Kleidung, Ferienmaßnahme Mutter/Kind).
5
Da somit von einer Mittellosigkeit der Betreuten nicht ausgegangen werden konnte, hat
das Landgericht die Beschwerde des Betreuers zu Recht zurückgewiesen.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.
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