Urteil des OLG Köln vom 09.08.2004

OLG Köln (elterliche sorge, gefahr im verzug, gemeinsame elterliche sorge, beschwerde, antrag, mutter, elternteil, vater, interesse, wiederherstellung)

Oberlandesgericht Köln, 4 UF 142/04
Datum:
09.08.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 UF 142/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 40 F 353/02
Tenor:
1)
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 16. Juni 2004 - 40 F 353/02 -
wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
2)
Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
für das Beschwerdeverfahren wird mangels Erfolgsaussicht
zurückgewiesen.
3)
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie
Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin H beigeordnet.
G r ü n d e
1
1)
2
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist in der Sache nicht begründet.
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Zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen hat das Amtsgericht die alleinige elterliche
Sorge auf die Antragstellerin übertragen.
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Die Beschwerde, mit der der Antragsgegner ausschließlich die Wiederherstellung der
gemeinsamen elterlichen Sorge erstrebt, gibt keinen Anlass, abweichend zu
entscheiden.
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Gemäß § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ist einem Elternteil auf seinen Antrag die
elterliche Sorge allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der
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gemeinsamen elterlichen Sorge und deren Übertragung auf einen Elternteil allein dem
Wohl der Kinder am besten entspricht. Das ist hier der Fall.
Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt voraus, dass die Eltern beide
bereit und in der Lage sind, miteinander im Interesse der Kinder zu kooperieren, ein
Mindestmaß an Konsens- und Kooperationsbereitschaft ist unerlässlich. Hier ist es
jedoch so, dass die Parteien in grundsätzlichen Erziehungsfragen unterschiedlicher
Meinung sind und zwischen ihnen darüber hinaus ein tiefgreifendes Zerwürfnis besteht,
das sie hindert, die Belange der Kinder gemeinsam wahrzunehmen. Nach den
Feststellungen der Sachverständigen instrumentalisieren beide Parteien sogar die
Kinder für ihre eigenen Interessen und Rachegefühle. Ein Fortbestand der
gemeinsamen elterlichen Sorge würde den Kampf der Parteien nur weiter fördern. Die
negativen und schädlichen Auswirkungen auf die Kinder, die bereits erheblich
verhaltensgestört sind, sind vorhersehbar.
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Jedenfalls zur Zeit gibt es keine Basis für eine gedeihliche Ausübung der elterlichen
Sorge gemeinsam durch beide Parteien. Insoweit wird auch auf die vom Amtsgericht
geschilderten Erfahrungen über den Umgang der Parteien miteinander verwiesen, die
der Antragsgegner auch nicht in Abrede gestellt hat.
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Der vom Antragsgegner in der Beschwerde behauptete Mindestkonsens kann nicht
festgestellt werden.
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Die "Vereinbarungen" zum Umgangsrecht haben die Parteien nicht allein miteinander
getroffen. Sie sind vielmehr vor Gericht ausgehandelt oder vom Gericht angeordnet
worden, wie z. B. die Betreuung der Kinder durch den Vater in der Zeit, in der die Mutter
im Krankenhaus lag. Nach dem Bericht der Verfahrenspflegerin sind die
Vereinbarungen zum Umgangsrecht auch nicht etwa problemlos durchgeführt worden,
vielmehr konnten sie nur deshalb stattfinden, weil die Verfahrenspflegerin zwischen den
Parteien vermittelt hat.
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Anders als der Antragsgegner vorträgt, hat es in der Vergangenheit auch erhebliche
Schwierigkeiten bei der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge gegeben, bei
denen ebenfalls die Verfahrenspflegerin vermittelt hat.
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Die vom Antragsgegner geäußerten Bedenken, der Antragstellerin das alleinige
Sorgerecht zu übertragen, können in dieser Form nicht geteilt werden.
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Zwar hat die Sachverständige wegen der Erziehungsdefizite der Mutter in erster Linie
empfohlen, die Kinder fremd unterzubringen. Jedoch hat sie für den Fall, dass eine
Fremdunterbringung nicht erfolgen sollte, ausdrücklich empfohlen, den
Lebensmittelpunkt der Kinder bei der Mutter vorzusehen.
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Da die Antragstellerin anders als der Antragsgegner bereit und in der Lage ist, die
Schwierigkeiten der Kinder zu erkennen und die vielfältig angebotene Hilfestellung in
Anspruch zu nehmen und dies auch getan hat, hat sie in den Monaten nach Erstellung
des Gutachtens nach den Feststellungen der Mitarbeiter der Diakonie erhebliche
Fortschritte gemacht. Auch die Kinder haben sich gut entwickelt, so dass das
Amtsgericht zu Recht davon abgesehen hat, die Kinder fremd unterzubringen. Dieses
Ziel verfolgt auch der Antragsgegner nicht mit seiner Beschwerde. Da er aber anders als
die Antragstellerin nicht bereit ist, die erzieherischen Hilfsangebote anzunehmen, was
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für ihn ebenso wichtig wäre, da er nach den Feststellungen der Sachverständigen
ebenfalls erhebliche Erziehungsdefizite aufweist, würde auch aus diesem Grund die
gemeinsame elterliche Sorge nicht nur nicht förderlich, sondern sogar schädlich für die
nun eingetretene positive Entwicklung der Kinder sein.
Die Sorge des Antragsgegners, er könne bei seiner Familie in Marokko jegliches
Ansehen verlieren, wenn er einräumen müsse, als Vater keine rechtlichen Befugnisse
zu haben, erscheint unbegründet. Denn gemäß §§ 1687 a, 1687 Abs. 1 Satz 4 und 5,
1629 Abs. 1 Satz 4 BGB hat der Antragsgegner in der Zeit, in der sich die Kinder
berechtigterweise in seiner Obhut befinden, die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in
allen Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. Bei Gefahr im Verzug ist er
berechtigt, die Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl der Kinder notwendig
sind, muss allerdings die Antragstellerin unverzüglich unterrichten, was auch bei
gemeinsamer elterlicher Sorge geboten wäre.
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Es wäre im Interesse der Kinder wünschenswert, wenn sich die Parteien - unter
Umständen durch Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe - bemühen würden, ihr
schwieriges Verhältnis zueinander jedenfalls insoweit aufzuarbeiten, dass sie in der
Lage sein könnten, jedenfalls auf der Elternebene miteinander zum Wohl der Kinder zu
kommunizieren. In einem solchen Fall könnte auch die Wiederherstellung der
gemeinsamen elterlichen Sorge in Betracht kommen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a FGG.
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Beschwerdewert: 3.000,00 EUR
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2)
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Da die Beschwerde aus oben dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat, war
der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren zurückzuweisen.
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