Urteil des OLG Köln vom 19.01.2001

OLG Köln: objektive klagenhäufung, abmahnung, auflage, ausführung, beratung, ermessen, irreführung, gestaltung, werbung, klagegrund

Oberlandesgericht Köln, 6 U 134/00
Datum:
19.01.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 134/00
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 41 O 228/99
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.03.2000 verkündete Urteil
der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 41 O
228/99 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden
Instanzen werden der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Die mit diesem Urteil für die Klägerin verbundene
Beschwer wird auf 50.000,00 DM festgesetzt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die in formeller Hinsicht einwandfreie Berufung ist zwar insgesamt zulässig. Soweit
über das Rechtsmittel nach seiner teilweisen Rücknahme durch die Klägerin noch eine
Entscheidung in der Sache zu treffen ist, bleibt es jedoch erfolglos.
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Der mit der Berufung weiterverfolgte und sachlich allein noch zu beurteilende
Unterlassungsantrag, mit dem die Klägerin sich gegen die streitbefangene
Zeitungswerbung der Beklagten wendet, weil diese damit Arbeiten, nämlich die
Stuckrestaurierung, bewerbe, die sie mangels Eintragung in die Handwerksrolle nicht
anbieten und ausführen dürfe, hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht ein auf die fehlende
Eintragung der Beklagten in die Handwerksrolle gestützter Unterlassungsanspruch, der
sowohl nach dem Klagevortrag als auch nach dem sonstigen Sachverhalt allein aus § 1
UWG in Betracht zu ziehen ist, nicht zu. Dabei kann es offen bleiben, ob - womit das
Landgericht in dem angefochtenen Urteil die Aberkennung eines solchen
Unterlassungsanspruchs begründet hat - insoweit durch die vorprozessuale
Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten vom 05.10.1990 die materielle
Anspruchsvoraussetzung der Wiederholungsgefahr entfallen ist. Dies bedarf hier
deshalb nicht der Entscheidung, weil bereits die Voraussetzungen des unter dem
Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch geltend gemachten
Unlauterkeitstatbestandes i.S. von § 1 UWG nicht vorliegen. Allerdings trifft es dabei zu,
dass die Beklagte, die sich unstreitig lediglich mit dem Handel fertiger Stuckelemente
und nicht mit der Vornahme von diese Elemente am Bauobjekt ver- und bearbeitenden
Stukkateursarbeiten befasst, nicht mit den in der streitgegenständlichen Werbeanzeige
aber beworbenen "Stuckrestaurierungen" bzw. Stuckarbeiten in die Handwerksrolle
eingetragen ist, so dass objektiv ein Verstoß gegen § 1 der HandwerksO vorliegt.
Indessen handelt es sich bei den Vorschriften der Handwerksordnung um aus Gründen
ordnender Zweckmäßigkeit erlassene, sogenannte wertneutrale Normen, deren
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Missachtung nur dann zugleich den Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit trägt, wenn der
Handelnde dabei bewusst und planmäßig vorgeht, obwohl für ihn erkennbar ist, dass er
dadurch einen sachlich ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb vor seinen
gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen kann (vgl. Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 21. Auflage, Rdn. 632, 646 f zu § 1 UWG; Köhler/Piper, UWG, Rdn.
344 ff zu § 1 UWG -jeweils mit weiteren Nachweisen). Nach diesen Maßstäben ist das
Verhalten der Beklagten nicht als wettbewerbswidrig zu erachten, weil diesem die dafür
vorauszusetzende Planmäßigkeit fehlt. Denn die Beklagte hat lediglich in einem
einmalig gebliebenen Fall mit Arbeiten geworben, die sie mangels Eintragung in die
Handwerksrolle nicht ausführen durfte. Sie hat den dargestellten Verstoß gegen § 1 der
HandwerksO nach Zugang der Abmahnung der Klägerin sogleich korrigiert und die
Angabe "Stuckrestaurierung" - wie aus der Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom
31.01.2000 (Bl. 26 d.A.) ersichtlich - aus der Werbeanzeige entfernt. Soweit die Klägerin
vertritt, auch die solcherart umgestaltete Folgeanzeige werbe noch für die
Stuckrestaurierung bzw. für Stuckarbeiten, indem unter der graphisch herausgestellten
Überschrift "Echter Stuck" weiterhin Leistungen des Stukkateurhandwerks abgebildet
seien, vermag das keine abweichende Würdigung zu rechtfertigen. Denn die bloße
Angabe "Echter Stuck" sowie die Abbildung von Räumlichkeiten, in denen
Stuckelemente verarbeitet worden sind, suggeriert angesichts des deutlichen und
unübersehbar in der Werbeanzeige angebrachten Hinweises "Stucklieferung" nicht,
dass die Beklagte auch die Stuckbearbeitung am abgebildeten Objekt ausgeführt habe.
Das werblich angesprochene Publikum, dem die Mitglieder des erkennenden Senats
angehören, ist daran gewöhnt, das auch einzelne Produkte, die vor Ort erst eingebaut
oder einer sonstigen Bearbeitung zugeführt werden müssen, in einer ihre optische
Wirkung nach Einbau und/oder Bearbeitung schildernden Umgebung dargestellt
werden. Vor diesem Hintergrund kommt der erwähnten Abbildung in der Werbeanzeige
lediglich der Charakter einer zu Werbezwecken erfolgten Demonstration der von der
Klägerin als solche gelieferten Stuckelemente am konkreten Bauobjekt und nicht etwa
eine Suggestivwirkung des Inhalts zu, dass die Klägerin diese Elemente auch
verarbeitet habe. An der Wertung, dass dem Verstoß der Beklagten gegen § 1
HandwerksO das für den wettbewerblichen Unlauterkeitstatbestand i.S. von § 1 UWG
aber zu fordernde Merkmal der "Planmäßigkeit" fehlt, ändert schließlich auch der
Umstand nichts, dass an dem Geschäftslokal der Beklagten - wie in den von der
Klägerin mit Schriftsatz vom 04.12.2000 vorgelegten Fotografien (Hülle Bl. 242 d.A.)
wiedergegeben - die Hinweise "Planung Beratung Ausführung" angebracht sind. Denn
aus den erwähnte Fotografien geht ebenfalls hervor, dass neben der Beklagten zugleich
auch deren belgisches Schwesterunternehmen genannt ist, das aber unstreitig
Stuckarbeiten ausführen darf. Dies würdigend vermitteln die die örtlichen Verhältnisse
nur ausschnittsweise wiedergebenden Fotografien keinen zuverlässigen Eindruck der
durch die vorstehenden Angaben "Planung Beratung Ausführung" hervorgerufenen
Gesamtwirkung und dazu, ob diese tatsächlich den Hinweis darauf ergibt, dass die
Beklagte Stuckarbeiten ausführt. Hat die Beklagte nach alledem aber nach der
Veröffentlichung der streitbefangenen Werbeanzeige nicht mehr für "Stuckarbeiten"
geworben bzw. kann dies nicht festgestellt werden, fehlt der damit einmalig gebliebenen
Missachtung der Vorschriften der Handwerksordnung das Merkmal der Planmäßigkeit
und scheitert hieran der Unlauterkeitsvorwurf des § 1 UWG.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO i.V. mit § 515 Abs. 3 ZPO.
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Die Klägerin ist dabei auch im Umfang der von den Parteien im Berufungstermin
einvernehmlich herbeigeführten Erledigung der Hauptsache mit den Kosten des
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Rechtsstreits zu belasten. Diese Kostenverteilung entspricht unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen (§ 91 a Abs. 1 ZPO), weil die
Beklagte keine Veranlassung zur gerichtlichen Geltendmachung des übereinstimend
erledigten Unterlassungsanspruchs durch die Klägerin gegeben hat, so dass letzterer
nach dem auch im Rahmen der Kostenentscheidung gemäß § 91 a ZPO
heranzuziehende Rechtsgedanken des § 93 ZPO insoweit die Kosten aufzuerlegen
sind.
Die Beklagte, die sich dem Unterlassungsbegehren der Klägerin mit der im
Berufungstermin formulierten strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung
unterworfen hat, hat nicht nur "sofort" i.S. der vorerwähnten Bestimmung reagiert,
sondern sie hat - da das hier fragliche Unterlassungspetitum nicht schon vorher im
Rahmen der vorprozessualen Abmahnung, sondern erstmals in der Berufung von der
Klägerin geltend gemacht und in das Verfahren eingeführt wurde - das gerichtliche
Verfahren insoweit auch nicht veranlasst.
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Erstmals in der Berufung hat die Klägerin zur Begründung des in bezug auf die
Werbeanzeige der Beklagten erstrebten Verbots vorgebracht, die Beklagte führe den
Verkehr damit in die Irre, weil diese Werbung suggeriere, dass die Beklagte in den darin
genannten Objekten Stuckrestaurierungen durchgeführt habe, was aber - wie unstreitig
ist - nicht zutreffe (vgl. Schriftsatz vom 07.08.2000, dort S. 4 f = Bl. 204 f d.A.). Dieser
Irreführungsvorwurf ist materiell jedoch von dem in der vorprozessualen Abmahnung
sowie erstinstanzlich zur Begründung des Unlauterkeitsvorwurfs allein vorgebrachten
Aspekt verschieden, die Beklagte biete mit dem Hinweis "Stuckrestaurierung" sowie
nach der sonstigen Gestaltung des Inserats die Vornahme von Stuckarbeiten an, die sie
- wegen der insoweit fehlenden Eintragung in die Handwerksrolle - nicht erbringen und
anbieten dürfe (vgl. S 3 der Klageschrift und S. 1 des Schriftsatzes vom 31.01.2000 - Bl.
3 und 22 d.A. - sowie S. 1 und S. 4 des Abmahnschreibens vom 27.09.1999). Die
Klägerin hat daher, soweit sie das in bezug auf die Werbeanzeige erstrebte Verbot auch
auf eine Irreführung über die Art der hinsichtlich der genannten Objekte erbrachten
Leistungen stützte, erstmals in der Berufung neben dem bisherigen einen neuen
Klagegrund in den Rechtsstreit eingeführt, wobei die darin liegende nachträgliche
objektive Klagenhäufung, die nach den Regeln der Klageänderung zu beurteilen ist,
sachdienlich und daher als zulässig zu erachten war (vgl. Zöller-Greger, ZPO., Rdn. 2
zu § 263 ZPO).
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Hat die Klägerin aber - wie aufgezeigt - erstmalig in der Berufung das
Unterlassungsbegehren auf den Aspekt einer Irreführung über die Art der mit dem
Zeitungsinserat beworbenen Leistungen gestützt, und wurde ein solcher Anspruch
folglich nicht mit der vorprozessualen Abmahnung geltend gemacht, so hat die Beklagte
der Klägerin insoweit keine Veranlassung gegeben, diesen Anspruch nunmehr
klageweise geltend zu machen. Denn abgesehen von hier nicht einschlägigen
Ausnahmen gibt in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsfällen nur derjenige
Veranlassung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens, der auf eine Abmahnung
nicht oder negativ reagiert (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage,
41. Kapitel Rdn. 21 ff m.w.N.). Da die Beklagte, indem sie sich im ersten Termin zur
mündlichen Verhandlung über die Berufung dem hier zu beurteilenden
Unterlassungspetitum durch Abgabe einer vertragsstrafegesicherten
Unterlassungserklärung unterwarf, auch "sofort" i.S. der Bestimmung des § 93 ZPO
gehandelt hat, entspricht es nach dem der erwähnten Kostenregelung
zugrundeliegenden Rechtsgedanken billigem Ermessen, die Klägerin insoweit mit den
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Kosten zu belasten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den
§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert sich am Wert des
sachlich noch zu bescheidenden Unterlassungsantrags, mit dem die Klägerin
unterlegen ist.
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Streitwert:
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1. Instanz: 100.000,00 DM
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(beide Anträge jeweils 50.000,00 DM)
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1. Instanz: bis zur Erledigung: 120.000,00 DM
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(die mit dem Antrag zu 1 a. verfolgten
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Unterlassungsbegehren 50.000,00 DM
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und 20.000,00 DM; Antrag zu 1 b. 50.000,00
17
DM)
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