Urteil des OLG Köln vom 02.06.1997

OLG Köln (gegen die guten sitten, freiwillige versicherung, versicherer, versicherungsschutz, angebot, vvg, antrag, gegenleistung, datum, kreis)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 184/96
Datum:
02.06.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 184/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 23 O 206/95
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. April 1996 verkündete
Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 206/95 - wird
zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens
zu tra-gen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache auch mit den gegenüber
dem erstinstanzlichen Verfahren in zulässiger Weise zum Teil erweiterten
Klageanträgen keinen Erfolg.
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1) Die Klägerin kann zunächst nicht die Feststellung verlangen, daß zwischen ihr und
der Beklagten ein Versicherungsvertrag bestehe, aus dem die Beklagte im Falle des
Eintritts von Fluguntauglichkeit der Klägerin leistungspflichtig sei.
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Zwischen den Parteien ist ein auf das Risiko der Fluguntauglichkeit der Klägerin
bezogener Versicherungsvertrag nicht zustande gekommen. Das Kabinenpersonal der
D.L. AG (im nachfolgenden: D.), wozu die Klägerin als sog. Purserette gehört, kann bei
der Beklagten Versicherungsschutz für den Fall der Fluguntauglichkeit ausschließlich
nach Maßgabe des zwischen der D. (und der C. Flugdienst GmbH) und der Beklagten
geschlossenen Gruppenversicherungsvertrages genießen, den die D. in Erfüllung von §
7 des Tarifvertrages vom 2. Januar 1976 zugunsten der bei ihr beschäftigten
Flugbegleiter mit der Beklagten als führendem Versicherer und der D.
Luftfahrtversicherungs-AG als beteiligtem Versicherer abgeschlossen hat.
Versicherungsnehmer ist damit ausschließlich die D. (bzw. die hier nicht interessierende
C. Flugdienst GmbH). Die Flugbegleiter der D., mithin auch die Klägerin, haben in
diesem Vertragsverhältnis ausschließlich die Position von Versicherten inne. So ist es
auch in § 13 der "Bedingungen für die freiwillige Fluguntauglichkeitsversicherung des
Kabinenpersonals - UL 70575" in der derzeit gültigen Fassung vom 1.1.1994 ( wie
bereits in früheren Fassungen) in Übereinstimmung mit den §§ 75 Abs. 2, 76 VVG
bestimmt (Bl. 48 d.A.). An dieser Beurteilung vermag das unter dem Briefkopf "A. Intern"
an die Klägerin unter dem 29. August 1991 gerichtete Angebot, nach dem Ablauf der zu
ihren Gunsten abgeschlossenen Grundversicherung mit Vollendung des 45.
Lebensjahres "diese Grundversicherung als freiwillige Versicherung auf eigene Kosten
fortzuführen" (Bl. 70 d.A.), nichts zu ändern. Die Klägerin ist durch ihren diesem Angebot
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entsprechenden Antrag vom 17. September 1991 (Bl. 105 d.A.) nicht Vertragspartnerin
der Beklagten geworden. In der an die Klägerin übersandten "Bestätigung" der
Beklagten (Bl. 71 d.A.) heißt es ausdrücklich, daß durch die freiwillige
Weiterversicherung der Klägerin "kein direktes Rechtsverhältnis zwischen dem
Versicherten und dem Versicherer" begründet werde. Inwieweit diese Formulierung in
Verbindung mit dem Hinweis auf den Gruppenversicherungsvertrag geeignet war, eine
angesichts des mißverständlichen Wortlauts des von dem A. Versicherungsdienst an
die Klägerin gerichteten Angebotsschreibens entstandene irrige Vorstellung der
Klägerin, sie sei im Rahmen der freiwilligen Weiterversicherung selbst Vertragspartnerin
der Beklagten, auszuräumen, kann dahinstehen. Denn jedenfalls muß sich die Beklagte
dieses Angebotsschreiben nicht wie eine eigene Vertragserklärung zurechnen lassen.
Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat nicht erbracht, daß sich die Beklagte
der Fa. A. Versicherungsdienste GmbH bediente, um der Klägerin - und den anderen in
gleicher Weise angesprochenen Flugbegleitern- ein Angebot zur Weiterführung der
Fluguntauglichkeitsversicherung über das 45. Lebensjahr hinaus auf freiwilliger Basis
anzudienen. Nach den glaubhaften Aussagen des Zeugen H. und der Zeuginnen L. und
A.-B. handelt es sich der A. Versicherungsdienste GmbH um eine rechtlich (und
überwiegend auch wirtschaftlich) von der Beklagten unabhängige Gesellschaft, die -
ursprünglich aus einer hauseigenen Abteilung der D. hervorgegangen- sich als
Versicherungsmaklerin auf dem Flugversicherungssektor betätigt. Soweit es den
Versicherungsservice für die Beschäftigten der D. betrifft, versteht sich die A.
Versicherungsdienste GmbH als deren Sachwalterin. Mag auch das an die Klägerin
unter dem 29. August 1991 gerichtete Rundschreiben nach Absprache mit der
Beklagten erfolgt sein- wobei die Vernehmung der beiden Zeuginnen ergeben hat, daß
der Text von der Zeugin A.- B. entworfen wurde und das Schreiben allenfalls danach der
Beklagten zur Kenntnis gebracht wurde-, so läßt sich unter diesen Umständen jedenfalls
nicht feststellen, daß die A. Versicherungsdienste GmbH vorliegend in Wahrheit für die
Beklagte und in deren Interesse initiativ wurde. Für eine Einstandspflicht der Beklagten
für das Handeln der A. Versicherungsdienste GmbH- sei es unter dem Gesichtspunkt
der Bevollmächtigung nach den §§ 164 ff, sei es nach den Grundsätzen einer
Rechtsscheinhaftung- ist unter diesen Umständen kein Raum. Die mißverständliche
Formulierung des Angebotsschreibens braucht sich die Beklagte nicht zurechnen zu
lassen.
2) Auch mit ihrem hilfsweisen Feststellungsantrag, der sich auf die Feststellung richtet,
daß die Klägerin zum Kreis der (sinngemäß: derzeit) versicherten Personen aus dem
Gruppenversicherungsvertrag gehöre, kann die Klägerin keinen Erfolg haben.
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Die am 19. November 1946 geborene Klägerin gehört nicht mehr zum Kreis der
Versicherten, da sie das 45. Lebensjahr bereits vollendet hat und damit gemäß § 6 Ziffer
6 der Bedingungen der Beklagten für die freiwillige Fluguntauglichkeitsversicherung in
der Fassung vom 1. April 1994 nicht mehr versicherungsfähig ist. Hieran vermag die
Tatsache, daß gemäß dem oben bereits erwähnten Antrag der Klägerin vom 17.
September 1991 und der Bestätigung der Beklagten Bl. 71 d.A. (deren Datum
unleserlich ist) ursprünglich eine Fluguntauglichkeitsversicherung der Klägerin bis zum
vollendeten 55. Lebensjahr abgeschlossen war, nichts zu ändern. Da diese, wie bereits
ausgeführt, lediglich im Rahmen des zwischen der D. und der Beklagten bestehenden
Gruppenversicherungsvertrages zustande gekommen war, konnten die D. und die
Beklagte als Vertragspartner den Vertrag einvernehmlich auch zu Lasten der Klägerin
abändern (vgl. dazu Prölss/Martin, VVG- Kommentar, 25. Aufl. § 76 Anm. 1 m.w.N.).
Dies ist vorliegend in der Weise geschehen, daß der jeweils für die Dauer eines Jahres
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geschlossene Gruppenversicherungsvertrag für die Laufzeit 1. Januar 1994 bis 1.
Januar 1995 die mit Wirkung ab dem 1. April 1994 gültigen Versicherungsbedingungen
der Beklagten einbezog, nach denen eine freiwillige Weiterversicherung des
Kabinenpersonals über das vollendete 45. Lebensjahr hinaus nicht mehr möglich ist, § 6
Ziffer 6 der Bedingungen (Bl. 45 d.A.).
Der zum Nachteil des Versicherten bestehenden Verfügungsbefugnis sind Grenzen
lediglich insoweit gezogen, als der Versicherte durch eine Übereinkunft zwischen dem
Versicherer und dem Versicherungsnehmer bzw. ein sonstiges auf den
Gruppenversicherungsvertrag bezogenes Rechtsgeschäft nicht in einer gegen die guten
Sitten verstoßenden Weise benachteiligt werden darf, § 138 BGB (vgl. Prölss/Martin
aaO). Diese Voraussetzungen liegen indessen nicht vor. Die Beklagte hatte mit
Rücksicht auf den sich auch nach glaubhafter Aussage der Zeugin L. und des Zeugen
H. äußerst schlecht entwickelnden Schadensverlauf nachvollziehbare und aus der Sicht
der D., für die die freiwillige Fluguntauglichkeitsversicherung nur einen -
nachgeordneten- Teilaspekt ihrer insgesamt über einen Pool geregelten
Versicherungen bedeutete, auch nachvollziehbare Gründe, das versicherte Risiko
einzugrenzen. Eine Anhebung der Prämien reichte zum Ausgleich der negativen
Entwicklung nicht aus, so daß sich aus der Sicht der Beklagten die Altersbegrenzung
anbot. Den betroffenen Versicherten wurden hierdurch nicht in einer gänzlich
unvertretbaren Weise bereits erworbene Rechtspositionen genommen. Bis zum
Auslaufen der über das 45. Lebensjahr hinaus fortgeführten freiwilligen
Fluguntauglichkeitsversicherung am 31. März 1994 genossen sie noch den
Versicherungsschutz nach den alten Bedingungen. Bezogen auf die Klägerin, die ja ihr
45. Lebensjahr bereits am 19. November 1991 vollendet hatte, bedeutete dies, daß ihr
nicht etwa der Versicherungsschutz rückwirkend entzogen wurde. Für die bis dahin von
ihr gezahlten Prämien hatte sie die vereinbarte Gegenleistung in Gestalt einer
Risikoversicherung erhalten, die ihr in dieser Form und mit diesen Vorteilen bei keinem
anderen Versicherer gewährt worden wäre. Zum einen gibt es nach den glaubhaften
Bekundungen der Zeugin L. keine Versicherungsgesellschaft in Deutschland, die das
Fluguntauglichkeitsrisiko isoliert versichert, zum anderen wäre eine Einzelversicherung
auch zu vergleichbar niedrigen Prämien nicht möglich gewesen. Diese waren allein
dadurch bedingt, daß die Versicherungen "gepoolt" waren. Eine andere Frage ist, ob
sich - insbesondere unter dem Aspekt der die D. als Arbeitgeber der Klägerin treffenden
Fürsorgepflicht - Gesichtspunkte ergeben, die die D. verpflichtet hätten, für einen
Ausgleich zugunsten des von den Streichungen betroffenen Kabinenpersonals zu
sorgen. Diese - mit Hilfe des Akteninhalts nicht zu beurteilende -Frage bedarf indessen
keiner Klärung, da hiervon allein das Innenverhältnis zwischen der Klägerin und der D.
betroffen wäre.
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3) Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich bereits, daß auch der im weiteren mit
der Berufung eingeführte (zulässige) Hilfsantrag der Klägerin, der sich auf die
Rückzahlung der von ihr für die freiwillige Fortführung der
Fluguntauglichkeitsversicherung geleisteten Prämien richtet, unbegründet ist.
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Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin besteht nicht, weil sie in dem betreffenden
Zeitraum tatsächlich versichert war und also auch eine Gegenleistung für ihre Prämien
erhalten hat. Schadensersatzansprüche haben auszuscheiden, weil die Beklagte
gegenüber der Klägerin keine Treuepflichten trifft und, vom Standpunkt der Beklagten
aus betrachtet, zudem auch nachvollziehbare Gründe für die mit der D. vereinbarte
Abänderung des Gruppenversicherungsvertrages zum Nachteil des Kabinenpersonals
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bestanden.
Die Zurückweisung der Berufung ist mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO
verbunden; die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Wert des Berufungsverfahrens: 31.625,- DM (davon 25.000,- DM = 1/3 von 75.000,- DM
für die Feststellungsanträge)
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Beschwer der Klägerin: unter 60.000,- DM
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