Urteil des OLG Köln vom 25.07.1997

OLG Köln (freiwillige gerichtsbarkeit, beschwerde, ablauf der frist, antragsteller, wohnung, veränderung, zustimmung, einbau, durchbruch, garage)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 77/97
Datum:
25.07.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 77/97
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 8 T 170/96
Schlagworte:
Unzulässige Erweiterung der Beschwerde nach Ablauf der
Beschwerdefrist
Normen:
FGG § 21
Leitsätze:
Befaßt sich die angefochtene Entscheidung mit mehreren von einander
unabhängigen Verfahrensgegenständen (z.B. mehreren nicht mit
einander zusammenhängenden Streitpunkten innerhalb einer
Wohnungseigentümergemeinschaft) und richtet sich die innerhalb der
Rechtsmittelfrist eingegangene Beschwerde nach Begründung und
Beschwerdeantrag ausdrücklich nur gegen die einen Teil dieser
Verfahrensgegenstände betreffende Entscheidung, so kann die
Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht auf die übrigen
Verfahrensgegenstände der Vorinstanz erweitert werden.
Rechtskraft:
unanfechtbar
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) vom 10.
März 1997 gegen den Beschluß der 8. Zivil-kammer des Landgerichts
Bonn vom 13. Februar 1997 - 8 T 170/96 - wird als unzulässig verworfen,
soweit sie sich gegen die Entscheidung über den Ein-bau eines
Treppenfahrlifters richtet. Im übrigen wird die Beschwerde
zurückgewiesen. Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
werden der Antragsgegnerin zu 1) auferlegt. Außergerichtliche Kosten
werden nicht erstattet. Der Gegenstandswert für das
Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 22.000,-- DM festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) ist bereits unzulässig,
soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landgerichts über den Einbau eines
Treppenfahrlifters wendet. Im übrigen hat die sofortige weitere Beschwerde in der Sache
keinen Erfolg.
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1.
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Die Antragsgegnerin zu 1) hat die Entscheidung des Landgerichts über den Einbau
eines Treppenfahrlifters nicht innerhalb der für die Einlegung der sofortigen weiteren
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Beschwerde vorgesehenen Frist von 2 Wochen ( §§ 45 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 1, 29 Abs.
4 FGG ) angefochten. Die mit der Beschwerdebegründung vom 25. April 1997 - also
nach Ablauf der Frist - erfolgte Erweiterung der sofortigen weiteren Beschwerde auch
auf die Entscheidung des Landgerichts über den von der Antragsgegnerin zu 1)
geplanten Einbau eines Treppenfahrlifters ist daher unzulässig. Ergibt sich aus der
Rechtsmittelschrift, daß bezüglich eines bestimmten Teils des Verfahrensgegenstands
auf die Anfechtung verzichtet wird, so ist eine spätere Erweiterung ausgeschlossen ( vgl.
Zöller/Gummer, ZPO, 20. Aufl., § 519 Rn. 31; Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige
Gerichtsbarkeit, 13. Aufl., § 21 Rn. 7 b ). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Frist zur
Einlegung des Rechtsmittels verstrichen ist ( vgl. Bumiller/ Winkler, Freiwillige
Gerichtsbarkeit, 6. Aufl., § 21 Anm. 2 a ). Das Gericht der weiteren Beschwerde muß
sich daher bei der Nachprüfung im Rahmen des Verfahrensgegenstandes und der
Rechtsmittelanträge des Beschwerdeführers halten ( vgl. Bärmann/Pick/Merle,
Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl., § 45 Rn. 83 ). Die Antragsgegnerin zu 1) hat die
mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 10. März 1997 eingelegte sofortige
weitere Beschwerde ausdrücklich nur gegen die Entscheidung des Landgerichts über
die von ihr gestellten Gegenanträge gerichtet. Sie hat nur insoweit eine Abänderung des
angefochtenen Beschlusses beantragt, als das Landgericht den auf Entfernung eines
Wintergartens und eines Durchbruchs in der Wohnung der Antragsteller sowie auf
Unterlassung einer anderweitigen Nutzung der zu der Wohnung der Antragsteller
gehörenden Garage gerichteten Gegenanträgen nicht entsprochen hat. Der
Beschwerdeschrift ist daher zu entnehmen, daß die Antragsgegnerin sich mit der
Entscheidung des Landgerichts über den von ihr geplanten Einbau eines
Treppenfahrlifters zufriedengeben und kein Rechtsmittel durchführen wollte. Dies gilt
insbesondere in Anbetracht des Umstandes, daß es sich vorliegend bei dem von der
Antragsgegnerin zu 1) mit der Beschwerdeschrift vom 10. März 1997 nicht
weiterverfolgten Frage der Zulässigkeit des Einbaus eines Treppenfahrlifters um einen
selbständigen Verfahrensgegenstand handelt.
Es kann daher dahinstehen, daß die von der Antragsgegnerin zu 1) geplante bauliche
Veränderung ( § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG ) durch Einbau eines Treppenfahrlifters - wie
das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - aufgrund der fehlenden Zustimmung
sämtlicher Miteigentümer nicht zulässig ist.
5
2.
6
Die sofortige weitere Beschwerde ist im übrigen unbegründet. Die Entscheidung des
Landgerichts über die von der Antragsgegnerin zu 1) verfolgten Gegenanträge hält der
rechtlichen Nachprüfung stand ( §§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO ).
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a)
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Die Antragsteller sind nicht nach §§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG
verpflichtet, den im Rahmen von Renovierungsarbeiten im Jahre 1994 geöffneten
Durchbruch in der Wand zwischen dem Schlafzimmer und dem Kinderzimmer ihrer
Wohnung wieder zu verschließen.
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Die Öffnung des Durchbruchs bedurfte nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG der
Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Das Landgericht ist zutreffend davon
ausgegangen, daß es sich bei der von den Antragstellern durchgeführten Maßnahme
nicht um eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums handelte.
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Darunter ist jede auf Dauer angelegte Veränderung des Gebäudes und seiner äußeren
Gestaltung zu verstehen ( vgl. BayObLG, WE 1994, 21; Senat, Beschluß vom 10.
September 1996 - 16 Wx 99/96 -; Beschluß vom 21. Februar 1990 - 16 Wx 100/89 -, WE
1990, 172; Beschluß vom 27. August 1996 - 16 Wx 205/96 -; Weitnauer/Lüke, WEG, 8.
Aufl., § 22 Rn. 6, 10 m. w. N. ). Eine solche Veränderung des Gebäudes ist vorliegend
mit der Öffnung des Durchbruchs in der Wand zwischen Schlafzimmer und
Kinderzimmer in der Wohnung der Antragsteller nicht vorgenommen worden. Die
Öffnung des Durchbruchs stellt keinen Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen
Eigentums dar. Das Landgericht ist aufgrund des unstreitigen Vorbringens der
Beteiligten zu Recht davon ausgegangen, daß der Durchbruch zum Zeitpunkt der
Begründung des Wohnungseigentums an dem betreffenden Objekt im Jahre 1972
bereits vorhanden war und in der Folgezeit von den Antragstellern mit Rigips
beziehungsweise Ziegeln provisorisch geschlossen wurde. Eine Veränderung der
Standfestigkeit des Gebäudes ist daher mit der Öffnung des Durchbruchs nicht
verbunden. Soweit die Antragsgegnerin zu 1) mit der weiteren Beschwerde nunmehr
bestreitet, daß der Durchbruch bereits im Jahr 1972 vorhanden gewesen sei, und
vorträgt, die nunmehr erstellte Öffnung sei größer als der provisorisch geschlossene
Durchbruch, handelt es sich um in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässigen neuen
Tatsachenvortrag ( vgl. Weitnauer/Hauger, a. a. O., § 45 Rn. 4 ). Abgesehen davon hat
die Antragsgegnerin zu 1) insoweit keine konkreten Tatsachen vorgetragen, sondern
lediglich Vermutungen angestellt. Es kann daher dahinstehen, daß die Öffnung des
Durchbruchs in der Wohnung der Antragsteller von der Antragsgegnerin zu 1) jedenfalls
nach §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 WEG zu dulden ist, da hiervon zu berücksichtigende
Beeinträchtigungen der Antragsgegnerin zu 1) nicht ausgehen.
b)
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Die Antragsteller sind auch nicht nach §§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1
WEG verpflichtet, den vor der Erdgeschoßwohnung errichteten Wintergarten zu
beseitigen und alle damit verbundenen Veränderungen rückgängig zu machen. Sie sind
ferner nicht verpflichtet, die in der zu ihrer Wohnung gehörenden Garage zur Einrichtung
eines Hobby- und Abstellraums vorgenommenen Änderungen zu beseitigen. Zwar
handelt es sich bei diesen Maßnahmen - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat -
um bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums, die nach § 22 Abs. 1
Satz 1 WEG der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurften. Jedoch ist ein
Anspruch der Antragsgegnerin zu 1) auf Beseitigung dieser Veränderungen jedenfalls
verwirkt.
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Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend
gemacht hat und der Anspruchsgegner nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten
darauf vertrauen durfte, dieser werde sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen (
vgl. BayObLG, NJW-RR 1991, 1041; Senat, Beschluß vom 4. April 1997 - 16 Wx 35/97 -;
Beschluß vom 21. Februar 1997 - 16 Wx 8/97 - ). Das ist vorliegend der Fall. Der
Wintergarten ist von den Antragstellern bereits im Jahre 1986 - also vor mehr als 10
Jahren - errichtet worden. Zu dieser Zeit haben die Antragsteller auch die zu ihrer
Wohnung gehörende Doppelgarage durch eine Rigipswand getrennt und seitdem den
hinteren Teil als Hobby- und Abstellraum genutzt. Die Antragsgegnerin zu 1) wohnt
selbst in dem ersten Obergeschoß der Wohnungseigentumsanlage, so daß ihr die
baulichen Veränderungen bekannt waren. Sie hat die Errichtung des Wintergartens und
die Nutzung eines Teils der Garage als Hobby- und Abstellraum indes erstmals im
Rahmen des vorliegenden Verfahrens beanstandet. Bereits der verstrichene Zeitraum
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von 10 Jahren spricht dafür, daß die Rechtsausübung der Antragsgegnerin zu 1) als
rechtsmißbräuchlich anzusehen ist. Ferner treten zu dem Zeitablauf vorliegend
erhebliche Umstände hinzu, die das Vertrauen der Antragsteller in die weitere
Nichtausübung des Rechts zu rechtfertigen vermögen ( vgl. Senat, Beschluß vom 24.
Januar 1996 - 16 Wx 200/95 - ). In der Eigentümerversammlung am 16. August 1986
wurden von den Wohnungseigemtümern Beschlüsse hinsichtlich der Errichtung des
Wintergartens und des Hobbyraums gefaßt. Das Protokoll der Versammlung wurde von
dem damaligen Verwalter der - auf der Versammlung nicht anwesenden -
Antragsgegnerin zu 1) mit der Bitte übersandt, ihn zu benachrichtigen, wenn sie mit
einem der Punkte, in denen um ihre Zustimmung gebeten werde, nicht einverstanden
sei. Die Antragsgegnerin zu 1) hat den geplanten baulichen Veränderungen nicht
widersprochen. Vielmehr ging sie mit Schreiben vom 7. Dezember 1986 lediglich auf
andere Punkte ein, die Gegenstand der Versammlung am 16. August 1986 waren. Es
spricht bereits vieles dafür, daß das Verhalten der Antragsgegnerin zu 1) als
konkludente Zustimmung zu den baulichen Veränderungen anzusehen ist. Dies kann
jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da durch das Verhalten der Antragsgegnerin zu 1)
jedenfalls ein schutzwürdiges Vertrauen der Antragsteller darauf begründet worden ist,
die Antragsgegnerin zu 1) werde sie nicht mehr auf Beseitigung der durchgeführten
baulichen Veränderungen in Anspruch nehmen.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob einem Anspruch der Antragsgegnerin zu 1) auf
Beseitigung des Wintergartens und der baulichen Veränderungen der Garage auch der
Umstand entgegensteht, daß sie die Beschlüsse der Wohnungseigentümer vom 16.
August 1996 nicht angefochten hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, die
Gerichtskosten des Verfahrens der unterlegenen Antragsgegnerin zu 1) aufzuerlegen.
Hingegen besteht keine Veranlassung, von dem im Wohnungseigentumsverfahren
geltenden Grundsatz abzuweichen, daß jeder Beteiligte seine außergerichtlichen
Kosten selbst zu tragen hat.
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Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren folgt aus §
48 Abs. 3 WEG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten
Wertfestsetzung der Vorinstanzen.
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