Urteil des OLG Köln vom 05.02.1999

OLG Köln (einstweilige verfügung, werbung, produkt, verwechslungsgefahr, gefahr, irreführung, antrag, verkehr, verfügung, uwg)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 114/98
Datum:
05.02.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 114/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 329/98
Schlagworte:
Nachahmen fremder Werbung "Lochsturz
Normen:
UWG § 1
Leitsätze:
1. Die in einem Werbespot visualisierte Idee des "Lochsturzes" einer
Person, die ein im Verhältnis zum beworbenen Produkt angeblich
"schwereres" Lebensmittel verzehrt (hat) ist als solche nicht schutzfähig.
2. Die Gefahr der Verwässerung der Schlagkraft einer Werbung (hier:
Fernsehspot) setzt voraus, dass sie sich im Verzehr in starkem Maße
durchgesetzt und überzeugende Werbekraft erlangt hat; maßgeblich ist
dabei die konkrete Gestalt der betreffenden Werbung nach Inhalt und
Formgebung. 3. Unterscheiden sich die Werbespots zweier
konkurrierender Unternehmen im Sujet und bei der konkreten
Visualisierung einer beiden gemeinsamen Idee, liegt die Gefahr einer
Irreführung des Verkehrs fern.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
1.) Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 2.7.1998
verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 329/98 - abgeändert und
im Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt: Auf den Widerspruch der
Antragsgegnerin wird die am 27.4.1998 im Beschlußwege erlassene
einstweilige Ver-fügung - 31 O 329/98 - aufgehoben und der Antrag auf
ihren Erlaß zurückgewiesen. 2.) Die Kosten beider Instanzen des
Verfahrens auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung hat die
Antragstellerin zu tragen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die einstweilige Verfügung
vom 27.4.1998 ist aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlaß zurückzuweisen, weil der
geltendgemachte Verfügungsanspruch nicht besteht.
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Die Antragstellerin begehrt das Verbot des angegriffenen Fernsehspots gem. § 1 UWG
unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung fremder Werbung. Die hierfür erforderlichen
Voraussetzungen sind indes teilweise schon nicht dargelegt und im übrigen nicht
glaubhaft gemacht.
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Die Antragsgegnerin nutzt durch den angegriffenen Spot nicht in unlauterer Weise den
Werbespot der Antragstellerin mit B. V. aus, auf den sich die Antragstellerin inzwischen
ausschließlich stützt.
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Die für den beanspruchten wettbewerbsrechtlichen Schutz aus § 1 UWG erforderliche
wettbewerbliche Eigenart des erwähnten Spots der Antragstellerin liegt allerdings vor.
Denn die Werbung ist, gerade durch den Lochsturz, auf den die Antragstellerin sich
vornehmlich stützt, originell, einprägsam und geeignet, auf das beworbene Produkt
"Obstgarten" hinzuweisen, zumal dieses mehrfach genannt und gezeigt wird.
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Gleichwohl ist die einstweilige Verfügung aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlaß
zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die von der Antragstellerin angeführten -
und allein in Betracht kommenden - Unlauterkeitsmerkmale nicht glaubhaft gemacht
worden sind. Die Antragsgegnerin führt weder den Verkehr in die Irre, noch verwässert
sie durch den angegriffenen Spot die Schlagkraft der Werbung der Antragstellerin.
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Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist zunächst der Lochsturz für sich
genommen nicht schutzfähig. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl.
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20.Aufl., § 1 UWG RZ 523 m.w.N.), von der
abzuweichen kein Anlaß besteht und deren Berechtigung auch die Antragstellerin
selbst nicht in Zweifel zieht, daß eine bloße Werbeidee als solche nicht schutzfähig ist.
Um eine derartige Idee handelt es sich indes bei dem von der Antragstellerin
verwendeten Lochsturz. Die Szenenfolge, in der ein Esser in einem sich plötzlich
auftuenden Loch verschwindet, ist eine besondere Form der Aussage, daß der
Betreffende etwas gegessen habe, das zu schwer sei bzw. ihn zu schwer belaste. Der
Lochsturz als solcher ist daher lediglich eine Werbeidee, die nicht für sich genommen,
sondern nur in ihrer konkreten Ausgestaltung Schutz genießen kann.
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Die konkrete Ausgestaltung umfaßt nicht etwa allein die unmittelbar im Zusammenhang
mit dem Lochsturz stehenden Einzelheiten, also etwa diejenige, welche und wieviele
Personen in das Loch fallen und ob dies schnell oder langsam geschieht etc. Die
konkrete Ausgestaltung erfaßt vielmehr den gesamten Spot, zumal dieser ersichtlich auf
den Lochsturz als dramaturgischen Höhepunkt zugeschnitten ist.
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Zu Recht hat daher die Antragstellerin ihren Angriff in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat dahin beschränkt, daß sie nicht mehr aus allen, sondern nur noch aus einem
bestimmten, und zwar demjenigen Werbespot vorgeht, in dem der ehemalige
Fußballtrainer B. V. für ihr Produkt wirbt.
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Gleichwohl muß ihrem Antrag der Erfolg versagt bleiben, weil weder die
Voraussetzungen einer Verwässerung der Schlagkraft dieser Werbung dargetan, noch
glaubhaft gemacht ist, daß der Verkehr aufgrund bestehender Verwechslungsgefahr
irregeführt werde.
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Die von dem Landgericht angenommene Gefahr der Verwässerung der Schlagkraft der
Werbung setzt voraus, daß die Werbung der Antragstellerin sich in starkem Maße im
Verkehr durchgesetzt und eine überragende Werbekraft erlangt hat (vgl.
Baumbach/Hefermehl, a.a.O., RZ 531). Diese Voraussetzungen sind schon nicht
dargelegt. Sie liegen bei Werbeaussagen nur selten vor und sind durch die Werbung
der Antragstellerin insbesondere angesichts des Umstandes nicht erfüllt, daß die
angeführten Werbeaufwendungen von ca. 72 Mio. DM sich zum einen durch den
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inzwischen schon 13 Jahre langen Zeitraum relativieren und zum anderen ohnehin nur
die Aufwendungen in Höhe von ca. 6,5 Mio. DM für den Werbespot mit B. V. in Ansatz
gebracht werden können.
Auch durch das mit Schriftsatz vom 20.1.1999 als Anlage BE 9 vorgelegte Emnid
Gutachten "Lochsturz" vom Mai 1998 ist die erforderliche überragende Werbekraft nicht
dargelegt. Durch die Umfrage ist zunächst gerade nicht die für die Entscheidung
maßgebliche Bekanntheit des Spots mit B. V. abgefragt worden. Vielmehr haben die
Fragen allgemein die oben beschriebene Werbeidee zum Gegenstand. Schon aus
diesem Grunde kann auf das Gutachten eine einstweilige Verfügung wegen
Verwässerung der Schlagkraft der Werbung der Antragstellerin nicht gestützt werden.
Es kommt hinzu, daß ausweislich der Erhebung schon die Werbeidee als solche nur
50,4 % der Befragten bekannt war. Indes könnte bei einem Bekanntheitsgrad von rund
50 % nicht von einer überragenden Werbekraft und einer in hohem Maße erfolgten
Durchsetzung der Werbung der Antragstellerin mit B. V. die Rede sein.
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Aber auch die Gefahr einer Irreführung des Verkehrs besteht nicht. Die Irreführung setzt
eine Verwechslungsgefahr voraus, die indes nicht glaubhaft gemacht ist.
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Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht allerdings das - sogar schon recht
frühe - Einblenden des von ihr beworbenen Produktes in ihren Spot einer Irreführung
nicht entgegen, weil nicht alle Fernsehzuschauer in Erinnerung haben werden, daß der
Spot mit B. V. für ein anderes Produkt, nämlich dasjenige der Antragstellerin, wirbt.
Indes unterscheiden sich die Spots - auch angesichts der übernommenen Idee des
Lochsturzes - so weitgehend voneinander, daß eine Verwechslungsgefahr ohne weitere
Glaubhaftmachungsmittel einer Entscheidung nicht zugrundegelegt werden kann.
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In dem von der Antragstellerin ausgestrahlten Fernsehspot mit B. V. wird zunächst ein
Mann gezeigt, der über dem ehemaligen Bundestrainer in einem Baum sitzt und diesem
heimlich bei (fußball-)taktischen Notizen über die Schulter sieht. Dann ißt dieser, erst
jetzt unverdeckt gezeigte Mann ein belegtes Brötchen, worauf der Ast, auf dem er sitzt,
abbricht und der Spion herabfällt und in einem sich auftuenden Loch im Boden
verschwindet. Anschließend fliegt der Rest des Brötchens ähnlich einem Fußball im
Spiel über mehrere Stationen bis hin zu einer Kuh, die das Brötchen schließlich in das
Loch kickt. Sodann sieht man den über das Gesehene schmunzelnden ehemaligen
Bundestrainer V. und das beworbene Produkt "Obstgarten" der Antragstellerin.
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Von diesem Spot ist die angegriffene Fernesehwerbung so verschieden, daß die Gefahr
einer - auch nur mittelbaren - Verwechslung nicht glaubhaft gemacht ist. Das gilt auch
angesichts des Umstandes, daß der Lochsturz im Mittelpunkt der Werbung der
Antragstellerin steht und deren dramaturgischen Höhepunkt darstellt. Denn die
Antragsgegnerin hat zwar die Idee des Lochsturzes aufgenommen, den angegriffenen
Spot im übrigen aber so abweichend gestaltet, daß der Betrachter über die Übernahme
der Idee des Lochsturzes hinaus an die Werbung der Antragstellerin nicht erinnert und
deswegen auch nicht in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise irregeführt wird.
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In der angegriffenen Werbung der Antragsgegnerin fehlt es bereits an einem dem
Spionieren entsprechenden Element. Stattdessen wird lediglich das Produkt der
Antragsgegnerin von einer jungen Frau präsentiert, die sich zu einem Frühstück auf
ihren Balkon begibt. Gleichzeitig werden aus dem Off die Vorzüge des Produktes
angepriesen. Dieser Teil des Spots macht den weitaus längsten Teil der Werbung aus.
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Währenddessen ist zwar kurz und schemenhaft ein Nachbar auf dem Balkon zu sehen,
dieser hat aber - noch - keine Funktion, vielmehr wird der Spot allein von der jungen
Frau und dem beworbenen Produkt geprägt. Bis zu diesem Zeitpunkt weist die Werbung
noch nicht einmal irgendeine Ähnlichkeit mit demjenigen der Antragstellerin auf. Erst
ganz am Ende wird plötzlich gezeigt, wie der erwähnte Nachbar in irgendetwas
hineinbeißt und daraufhin durch ein sich auftuendes Loch im Balkon stürzt. Diese Szene
für sich genommen erinnert zwar an den Lochsturz in dem Spot der Antragstellerin, das
allein reicht indes nicht zur Begründung einer Verwechslungsgefahr. Denn der
Fernsehzuschauer wird allein aufgrund der Übernahme der Idee des Lochsturzes nicht
annehmen, es handele sich um eine Werbung für dasselbe Produkt oder zumindest
kämen beide Produkte aus verbundenen Unternehmen. Dies gilt um so mehr, als in der
angegriffenen Werbung im Gegenzuge ein anderer Nachbar - begründet durch zu
leichtes Essen - in die Höhe katapultiert wird. Denn der Spot unterscheidet sich damit
sogar im Kernbereich des Lochsturzes deutlich von demjenigen der Antragstellerin. Es
fehlt im übrigen auch eine Sequenz, die dem humoristisch gemeinten Element
entspricht, in dem in dem Spot der Antragstellerin das angebissene Brötchen nach
mehreren Stationen schließlich von der Kuh in das Loch befördert wird.
Vor diesem Hintergrund vermag der Senat, dessen Mitglieder als potentielle
Fernsehzuschauer zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, ohne eine dies
belegende demoskopische Befragung der Verbraucher nicht als glaubhaft gemacht
anzusehen, daß der Verkehr durch den angegriffenen Spot auch nur im Sinne einer
mittelbaren Verwechslungsgefahr, also hinsichtlich der Vorstellung, daß es sich zwar
um verschiedene Produkte und Hersteller handelt, letztere aber wirtschaftlich
miteinander verbunden sind, irregeführt wird.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
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Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 500.000 DM.
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