Urteil des OLG Köln vom 11.08.2004

OLG Köln: beweisverfahren, abnahme, widerklage, zwangsvollstreckung, vollstreckbarkeit, verfahrensmangel, werklohn, prozess, datum, rüge

Oberlandesgericht Köln, 11 U 169/03
Datum:
11.08.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 169/03
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 21 O 242/03
Tenor:
1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 16.10.2003 (21 O 242/03) mit dem zu Grunde
liegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten
Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsstreits - an das
Landgericht verwiesen.
2.
Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagten 52.902,62 EUR nebst 5 %
Zinsen über den Basiszinssatz seit dem 04.12.2002 zu zahlen.
3.
Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens werden nicht
erhoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
1
I.
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Durch Verträge vom 25./27.08. sowie 22.09.1997 beauftragten die Beklagten die
Klägerin mit Heizungs- und Sanitärarbeiten. Mit der Klage verlangt die Klägerin
restlichen Werklohn in Höhe von 43.310,78 EUR. Die Beklagten haben sich mit der
Rüge verteidigt, die Werkleistung weise erhebliche Mängel auf; insoweit haben sie auf
das selbständige Beweisverfahren 21 OH 73/01 LG Köln Bezug genommen, dessen
Akten Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Landgerichts waren. Das
Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
Beklagten seien der Klageforderung trotz der ihnen in der mündlichen Verhandlung
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erteilten Hinweise nicht entgegentreten und hätten die ihnen eingeräumte Frist zur
Stellungnahme ungenutzt verstreichen lassen; da das Beweisverfahren noch nicht
abgeschlossen sei, könnten die dort erstatteten Gutachten im Prozess nicht verwertet
werden.
Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Antrag auf
Klageabweisung fort. Ferner beantragen sie, das angefochtene Urteil aufzuheben und
die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, sowie im Wege der Widerklage, die
Klägerin zu verurteilen, an die Beklagten 52.902,62 EUR nebst 5 %-Punkten Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2003 zu zahlen. Als Begründung führen sie an,
das Verfahren des Landgerichts sei fehlerhaft. Da im Termin vom 14.08.2003 die Akten
des selbständigen Beweisverfahrens 21 OH 73/01 LG Köln vorgelegen hätten und zum
Gegenstand zur mündlichen Verhandlung gemacht worden seien, habe dessen Inhalt
für den vorliegenden Rechtsstreit berücksichtigt werden müssen.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung und den Widerklageantrag zurückzuweisen. Sie
verteidigt das angefochtene Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des
Landgerichts, die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen zu den Akten gereichten
Unterlagen Bezug genommen. Die Akten 21 OH 73/01 LG Köln waren Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
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II.
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Die Berufung ist zulässig und insofern begründet, als das landgerichtliche Urteil wegen
eines Verfahrensmangels aufzuheben und die Sache an das Landgericht
zurückzuverweisen ist (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
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1.
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Das erstinstanzliche Verfahren leidet unter einem wesentlichen Mangel. Das
Landgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagten seien der Klageforderung
durch die Bezugnahme auf das laufende selbständige Beweisverfahren nicht in
prozessual erheblicher Weise entgegengetreten. Zwar ist die Frage, inwieweit die
Klageschrift bei sonstigen anwaltlichen Schriftsätzen auf Unterlagen, insbesondere auf
Privatgutachten oder Vorbringen in anderen Verfahren, Bezug genommen werden darf,
nicht ganz geklärt (vgl. Lange NJW 1989, 438; Lüke in: MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., §
253 Rdnr. 29; Stein/Jonas-Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 253 Rdnr. 19 ff.; Zöller-Greger,
ZPO, 24. Aufl., § 130 Rdnr. 2 und § 253 Rdnr. 12 a). Die Rechtsprechung sieht derartige
Bezugnahmen aber nur dann als unzulässig an, wenn dem Gericht überlassen wird,
sich aus unfangreichen Unterlagen das herauszusuchen, was dem Begehren der
jeweiligen Partei nützt, und es an einer geordneten Darstellung des Parteivorbringens
fehlt (vgl. OLG Köln - 19. Zivilsenat - OLGR 2003, 124; OLG Schleswig MDR 1976, 50 f.;
OLG Düsseldorf MDR 1993, 798; LAG Köln Urt. v. 21.11.1997 - 11 (13) Sa 845/97
Juris.Nr. KARE516540337; zum ganzen ferner OLG Düsseldorf MDR 1996, 415 f. sowie
BVerfG NJW 1994, 2683; 2001, 1200, 1202). Danach kann insbesondere die
Bezugnahme auf ein in einem selbständigen Beweisverfahren erstattetes Gutachten als
Parteivortrag ausreichen (vgl. Senat BauR 1999, 259, 260 f.). Das gleiche gilt, wenn die
Partei auf ihre in einem selbständigen Beweisverfahren eingereichten Schriftsätze
verweist, sofern diese den Anforderungen an eine geordnete Darstellung des
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Parteivorbringens genügen.
Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten ihre Mängelrügen ausreichend
vorgebracht. In den Schriftsätzen zum selbständigen Beweisverfahren, insbesondere in
der Antragsschrift, haben sie eine Vielzahl von Mängeln benannt und unter Beweis
gestellt. Dieser Vortrag war auch nicht deshalb unerheblich, weil die Beklagten in dem
Beweisverfahren nicht angegeben haben, welche Art von Mängelrechten und ggfs. in
welcher Reihenfolge sie geltend machen. Dies war nicht erforderlich, da sie im
selbständigen Beweisverfahren mit Schriftsatz vom 04.12.2001 behauptet haben, sie
hätten die Abnahme wegen erheblicher Funktionsmängel verweigert (Bl. 3 d.A. 21 OH
73/01 LG Köln). Durften die Beklagten die Abnahme wegen der von ihnen
vorgetragenen erheblichen Funktionsmängel aber verweigern, so ist die Klageforderung
nicht fällig geworden (§ 641 BGB), so dass es für den Erfolg ihrer Verteidigung nicht
darauf ankommt, welche Mängelrechte die Beklagten erheben.
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Das Übergehen des erheblichen Verteidigungsvorbringens der Beklagten ist ein
wesentlicher Verfahrensmangel. Da eine umfangreiche und aufwendige
Beweisaufnahme zu den gerügten Werkmängeln erforderlich ist, liegen die
Voraussetzungen für die von den Beklagten beantragte Zurückverweisung nach § 538
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vor.
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2.
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Die Widerklage, mit dem die Beklagten Ersatz des unstreitig am 05.12.2003 zur
Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrages von 52.902,62 EUR
verlangen, ist aus § 717 Abs. 2 ZPO begründet. Zur Auslösung der nach dieser
Vorschrift eintretenden Schadensersatzpflicht genügt die Aufhebung des vorläufig
vollstreckbaren Urteils des Landgerichts aus verfahrensrechtlichen Gründen, weil damit
die Grundlage der Vollstreckung wegfällt (vgl. BGHZ 136, 199, 201 = NJW 1997, 2601,
2602 m.w.N.). Der Zinsanspruch beruht auf § 291 BGB i.V.m. § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
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III.
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Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG
nicht zu erheben. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens im übrigen ist dem
Landgericht vorbehalten.
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Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 und 2 ZPO nicht gegeben sind.
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Berufungsstreitwert:
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52.902,62 EUR (vgl. Beschluss des Senats vom 02.04.2004, Bl. 221 d.A.).
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